Rede von
Klaus-Jürgen
Hoffie
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Frau Timm! Meine Herren! Herr Spöri, wenn Sie die Anhörung zum Mineralölsteuergesetz verfolgt hätten, hätten Sie zur Kenntnis genommen, daß alle großen Verbände der Mineralölwirtschaft, der Automobilindustrie und alle anderen Fachleute, die wir angehört haben, vor einer größeren Spreizung als der, die wir hinter uns haben — mit 4 Pfennig —, bei der Mineralölsteuer gewarnt haben und die Politik aufgefordert haben, eine stärkere Spreizung nicht vorzunehmen. Dem sind wir gefolgt.
Heute wissen wir, daß wir nachbessern mußten, aus Gründen, die wir erklären wollen.
Heute steht fest, daß wir in wenigen Wochen, nämlich am 1. Januar 1986, das einzige Land der Europäischen Gemeinschaft sein werden, das den Autofahrern bleifreies Benzin billiger als die anderen Benzinsorten anbietet. Mit der Verbilligung der Mineralölsteuer um weitere 3 Pfennig ist — darauf kommt es an — die verbindliche Zusage der Mineralölwirtschaft verbunden, daß dies wirklich weitergegeben wird, nachdem bleifreier Sprit zur Zeit durchschnittlich noch um 1 bis 2 Pfennig teurer ist als der verbleite.
Mit Beginn des neuen Jahres in wenigen Wochen werden wir auch das erste Land in Europa sein, in dem an 4 000 Tankstellen bleifreies Normalbenzin und an 2 000 bleifreies Super praktisch flächendekkend angeboten wird. Die Zahl der Bleifreisäulen wird selbstverständlich in dem Maße zunehmen, indem die Anteile am Gesamttreibstoffabsatz steigen und sich die jetzt noch zu hohen Vertriebskosten ermäßigen.
Also: Ab 1. Januar 1986 wird sich kein Bürger, der von Umweltschutz spricht, als Autofahrer mehr hinter der Ausrede verschanzen können, es gebe nicht genügend Katalysatorfahrzeuge im Angebot, es gebe keine Umrüstungsmöglichkeit, es gebe nicht genügend Tankstellen mit bleifreiem Spritangebot, und schon gar nicht hinter dem Satz verschanzen können, Bleifrei tanken sei nicht zumutbar, weil noch zu teuer.
Jetzt kann sich jeder beim Kauf und Betrieb eines Autos für das umweltfreundlichere Produkt entscheiden. Schon jetzt können ja acht Millionen Autofahrer mit Autos jüngerer Baujahre, jetzt schon kann jeder dritte Pkw-Fahrer Bleifrei fahren. Warum tut er das nicht?
Wenn die SPD recht hat, dann deshalb, weil Bleifrei 1 bis 2 Pfennig teurer ist. Damit werden alle Umfragen Lügen gestraft, die man uns hier seitens der SPD und GRÜNEN noch vor wenigen Wochen vorgehalten hat, in denen es nämlich hieß, drei Viertel der deutschen Bevölkerung seien bereit, auch unter materiellen Opfern einen persönlichen Beitrag gegen das Waldsterben und für mehr Umweltschutz zu leisten. Wenn es nur einen einzigen Pfennig mehr kostet — wie heute das bleifreie Benzin —, dann ist plötzlich niemand mehr bereit, dieses bleifreie Benzin zu tanken, obwohl er es kann.
Das bedeutet nämlich pro Monat ganze zwei Mark mehr, bei durchschnittlicher Kilometerleistung. Schon dann, wenn dieser eine Pfennig für mehr Umweltschutz in Anspruch genommen werden
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Oktober 1985 12429
Hof fie
muß, ist kein Mensch mehr bereit, auf den umweltfreundlichen Sprit umzusteigen.
Deswegen muß sich die Bundesregierung genötigt sehen, durch eine weitere Spreizung den bleifreien Sprit so billig zu machen, daß dieses Angebot tatsächlich auf breiter Front wahrgenommen wird. Das ist erschreckend, und das straft alle Umfragen Lügen. Das ist die Wirklichkeit.
Es bleibt zu hoffen, daß wenn sich schon das Umweltbewußtsein nicht durchsetzen konnte, so doch wenigstens das Preisbewußtsein durchsetzen wird, wenn jetzt bleifreier Sprit das billigste Benzinangebot an unseren Tankstellen sein wird.
Die Verbilligung und damit die schnellere Verbreitung des bleifreien Benzins haben aber auch Schattenseiten. Herr Spöri, das muß jeder sehen, der das fordert; Sie haben das auch immer gefordert. Die Schattenseite ist die, daß in etwa jede dritte Tankstelle deshalb schließen wird, weil sie schon aus räumlichen Gründen — nicht einmal wegen der großen Investitionen — gar nicht in der Lage ist,
die vierte und fünfte Säule für das unverbleite Normal und Super zusätzlich zu installieren. Gerade in den ländlichen Bereichen wird das das Ergebnis einer Politik sein, die sich niemand wünschen kann.
Leider können wir als FDP nicht unsere Forderung durchsetzen, durch ein Verbot des verbleiten Normalbenzins
mit einem Dreisäulenmodell in Europa die Partner für mehr Vernunft zu gewinnen, wie die Osterreicher und die Schweizer es getan haben.
Heute abend höre ich zum erstenmal, daß neben den GRÜNEN, die sich unserer Forderung inzwischen ja schon angeschlossen hatten, auch die SPD bereit ist, dieses Dreisäulenmodell in Europa zu vertreten. Ich bin dankbar dafür, daß ich das hier gehört habe. Meine Damen und Herren, wir sollten dafür gemeinsam weiter eintreten. Dazu fordere ich die Bundesregierung auf. Dann werden wir in der Frage der Durchsetzung einer vernünftigen Politik einen gewaltigen Schritt weiter sein.
Herzlichen Dank.