Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Gesetzentwurf und den Antrag, den wir heute hier beraten, muß man an sich als obsolet und überholt betrachten, weil er in krassem Gegensatz zu der günstigen Entwicklung der Finanzlage der Gemeinden steht. Er mag berechtigt gewesen sein, als er 1983 hier eingebracht wurde, zu einer Zeit, als wir 10,1 Milliarden DM im Jahr 1981 und 7,3 Milliarden DM im Jahr 1982 als Finanzierungsdefizit zu beklagen hatten. Dies waren traurige Rekordmarken, die bei gleichzeitigem Sinken der Sachinvestitionen zu beklagen waren. Sie gaben den Gemeinden, den Gemeindeverbänden sehr wenig Anlaß zu Optimismus. Aber die Bundesregierung hat schon damals die Finanzentwicklung der Gemeinden richtig eingeschätzt. Das können Sie nachlesen, wenn Sie sich die Ausführungen ansehen, die damals gemacht worden sind. Damals ist bereits gesagt worden, daß das Finanzierungsdefizit 1983 sich um etwa 6 Milliarden auf 1,2 Milliarden reduzieren werde und daß man für 1984 einen Finanzierungsüberschuß von, damals vorsichtig geschätzt, der Größenordnung von 1 Milliarde DM haben werde, der sich aber dann auf 1,5 Milliarden DM erhöhte. 1985 werden wir ein ähnlich positives Ergebnis haben. Wir werden bei den Investitionen, die zu erwarten sind, zumindest einen Ausgleich der Ausgaben und der Einnahmen haben.
Dies ist gegenüber der Finanzsituation sowohl des Bundes, der in diesem Jahr j a noch ein Finanzierungsdefizit von 25 Milliarden DM hat, und der Situation bei den Ländern, die immerhin noch ein Defizit von 16 Milliarden DM aufweisen, eine Tatsache, die klar unterstreicht, daß die Gemeinden im Vergleich zum Bund die größten Konsolidierungsfortschritte gemacht haben.
Nun ist dieses günstige Bild nicht für alle Gemeinden zutreffend. Es gibt noch viele Städte und Gemeinden — das ist hier gesagt worden —, die durchaus mit starken finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Aber, meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie sich einmal die Städte ansehen, die bereits im Jahre 1983 ihr Finanzierungsdefizit und ihre Schulden verkleinern konnten, so ist das eine durchaus erfreulich ins Auge springende Zahl. Von 151 Städten über 50 000 Einwohnern konnten 49 bereits 1983 ihre Schulden vermindern. Darunter sind Städte wie Wuppertal, Bonn, Münster, Wiesbaden, Augsburg; ich mag sie gar nicht alle aufzählen.
Die Schwierigkeiten, die noch bei den anderen Gemeinden, Gemeindeverbänden und Städten zu beklagen sind, kann man, wie hier bereits richtig
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Oktober 1985 12375
Parl. Staatssekretär Dr. Voss
gesagt worden ist, mit bundespolitischen Mitteln nicht bekämpfen. Hier müssen die Länder mit ihrem System des kommunalen Finanzausgleichs zur Kasse treten.
Hier ist es natürlich wenig hilfreich, wie eben auch vom Kollegen Gattermann erwähnt worden ist, daß beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen eine Kürzung der Zuweisungen vornimmt. Hier wird der Spielraum, der den Gemeinden jetzt an sich wieder eröffnet worden ist, kraß zerstört. Sie haben gehört, daß Nordrhein-Westfalen die Verbundquote von 25,5 auf 23 % senkt.
Herr Posser sagt wörtlich, daß dadurch den Gemeinden gegenüber 1985 ein Zuweisungsverlust von 388 Millionen DM entsteht. Aber, meine Damen und Herren, das ist so etwas wie ein Finanztrick, der hier vorgeführt wird, denn er nimmt bereits die Senkung der Verbundquote mit hinein.
In Wirklichkeit ist es so, wie der Kollege Gattermann gesagt hat, daß die Gemeinden ein weniger an Zuschuß in einer Größenordnung von rund 1 Milliarde DM — genau 960 Millionen DM — zu beklagen haben. Das ist natürlich wenig hilfreich für das, was alle von ihnen verlangen. Sie haben eben hier ausgeführt, Herr Kollege Bernrath, daß man demjenigen, der investieren soll, entweder das Geld belassen muß, das er hat, oder daß man ihm welches geben muß. Aber genau das Gegenteil geschieht im Lande Nordrhein-Westfalen.
Wenn Sie sich einmal vor Augen führen, meine Damen und Herren, daß das Land Nordrhein-Westfalen offensichtlich auch nicht bereit ist, seinen Beitrag zur Bekämpfung der Beschäftigungssituation in der Bauwirtschaft zu leisten, so ist das ein weiterer trauriger Tatbestand.
— Herr Kollege, ich kann recht gut verstehen, daß Ihnen unangenehme Tatsachen etwas auf die Nerven gehen, aber dennoch muß ich sie Ihnen sagen, weil sie in den Gesamtzusammenhang hineingehören.
Das Land Nordrhein-Westfalen ist offensichtlich nicht bereit, seinen Verpflichtungen nachzukommen, die Mittel für die Städtebauförderung zu verdoppeln, auf Grund der Zusagen, die die Länder, also auch das Land Nordrhein-Westfalen, gemacht haben auf Grund der Verdreifachung der Bundesmittel in diesem Bereich. Wenn Sie sich die entsprechenden Äußerungen ansehen, sind hier Zweifel durchaus angebracht. Es ist zu befürchten, daß Nordrhein-Westfalen seine Zusage nicht einhält und dadurch seiner Aufgabe nicht gerecht wird, die es als Land in diesem Bereich hätte.
Die Ursache für das bisher schleppende Ingangkommen der kommunalen Investitionstätigkeit liegt aber auch im psychologischen Umfeld. Das wurde bei der Anhörung der Vertreter des Deutschen Städtetages im April dieses Jahres bewiesen. Durch die Konsolidierungspolitik der vergangenen Jahre sind in die Rathäuser und in die Gemeindeparlamente Verhaltensweisen eingezogen, die einem kräftigen Wiederanstieg der Investitionsausgaben entgegenstehen. Diese Erkenntnis bedeutet, daß die kommunalen Entscheidungsträger unterstützt werden müssen, um die unbestritten vorhandenen finanzwirtschaftlichen Handlungsspielräume für einen stetigen Anstieg der kommunalen Investitionstätigkeit auch zu nutzen.
Für einen baldigen Anstieg der kommunalen Investitionen spricht die sehr stark ansteigende Nachfrage der Gemeinden nach Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau und nach ERP-Krediten, mit denen Umweltschutzinvestitionen der Gemeinden gefördert werden. Die Programme, die hier aufgelegt worden sind, sprechen dafür, daß in sehr kurzer Zeit sehr günstige Ergebnisse zu erwarten sind.
Meine Damen und Herren, wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß den Kommunen mittelfristig eine gesicherte Finanzperspektive geboten wird. Es ist der Bundesregierung bewußt, welch große Bedeutung für die Kommunen eine eigenständige kommunale Steuer mit Hebesatzrecht hat. Die Bundesregierung hat daher ihre Gewerbesteuergarantie auch unter diesem Aspekt gegeben.
Die Gemeinden können sich darauf verlassen, daß diese Aussage der Bundesregierung auch in Zukunft Bestand haben wird.
— Wollen Sie von mir jetzt Zukunftsperspektiven — —