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ID1015102400

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    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Penner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/151 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 151. Sitzung Bonn, Dienstag, den 3. September 1985 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Marx und Polkehn 11285B, 11285 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Neumeister, Engelsberger, Bundesminister Dr. Zimmermann, Vogelsang und Dr. Hupka 11285A, B Eintritt des Abg. Schultz (Wörrstadt) in den Deutschen Bundestag 11286 B Eintritt des Abg. Eickmeyer in den Deutschen Bundestag 11286 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers des Innern — Drucksache 10/3762 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Entlassung des Bundesministers des Innern — Drucksache 10/3596 — Dr. Vogel SPD 11286 C Dr. Miltner CDU/CSU 11290 D Ströbele GRÜNE 11294A Dr. Hirsch FDP 11295 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 11298C Dr. Kohl, Bundeskanzler 11301 D Dr. Penner SPD 11303C Dr. Dregger CDU/CSU 11307A Mann GRÜNE 11310D Namentliche Abstimmungen . . 11312B, 11314 B Nächste Sitzung 11316 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11317*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. September 1985 11285 151. Sitzung Bonn, den 3. September 1985 Beginn: 14.01 Uhr
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    Berichtigung 146. Sitzung, Seite 10777 A: In den Zeilen 3 und 4 ist statt „Dr. Möller (GRÜNE)" „Dr. Möller (CDU/CSU)" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 9. Böhm (Melsungen) * 5. 9. Büchner (Speyer) * 5. 9. Frau Eid 5. 9. Dr. Enders * 5. 9. Frau Fischer ** 6. 9. Frau Geiger ** 6. 9. Götzer 6. 9. Heyenn * 5. 9. Dr. Holtz ** 6. 9. Frau Krone-Appuhn 6. 9. Dr. Kübler 4. 9. Frau Dr. Lepsius ** 6. 9. Dr. Müller * 4. 9. Dr.-Ing. Oldenstädt 6. 9. Pfuhl 6. 9. Dr. Schierholz 6. 9. Schily 3. 9. Dr. Sperling 6. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 6. 9. Dr. Stercken ** 6. 9. Frau Dr. Timm ** 6. 9. Dr. Unland * 5. 9. Verheugen 6. 9. Frau Dr. Wex 6. 9. Wischnewski 3. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 74. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Es hat Ihnen hier überhaupt niemand einen Vorwurf gemacht, daß es diese Spionagefälle gab ..., daß Spionagefälle bei der gegebenen Situation der Teilung ... des eigenen Vaterlandes zu den schlimmen Erscheinungen unserer Zeit gehören und daß niemand leugnen kann, daß sie bei jeder Regierung, gleich, welche politische Farbe sie trägt, selbstverständlich vorkommen. Ich habe gesagt und wiederhole dies: Ich denke gar nicht daran, und niemand von meinen Freunden denkt daran, etwa einem Minister einen Vorwurf zu machen; denn dann würden wir es ja den Männern des Staatssicherheitsdienstes der DDR überlassen, die jeweilige Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu stürzen. Das ist überhaupt nicht unser Thema.
    Sehen Sie, Herr Vogel, der Kollege Leber

    (Widerspruch bei der SPD — Frau Fuchs [Köln] [SPD]:... ist zurückgetreten!)

    hat damals zu mir gesagt:
    Herr Kollege Dr. Kohl, ich habe auch Ihnen heute vormittag aufmerksam zugehört. Ich möchte nicht versäumen, Ihnen zu sagen, daß ich persönlich es sehr wohltuend empfunden habe, daß Sie in dem nun schon seit Wochen wogenden Meer von harten Anklagen und schlimmen Verdächtigungen mit persönlich die Tatsache, daß dieser schwere Spionagefall über uns gekommen ist, daß er sich ereignet hat, nicht zur Last legen. Ich bedanke mich dafür bei Ihnen, weil es die erste Stimme ist, die ich gehört habe.
    Meine Damen und Herren, so etwas löst manches auf, was Gräben aufreißt und was uns hindert, in wichtigen Fragen „wir" zu sagen.
    Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, um auch das abschließend noch einmal zu sagen: Hier geht es nicht um den Rücktritt des Kollegen Leber. Den haben Sie bewerkstelligt; das wissen Sie so gut wie ich.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Denn nach unserer Verfassung — das werden Sie, Herr Abgeordneter Vogel, doch wenigstens nicht leugnen können — haben die Opposition und der Oppositionsführer nicht die Möglichkeit, einen Bundesminister zu entlassen.
    Meine Damen und Herren, Sie haben damals die Entlassung des Kollegen Leber mit herbeigeführt. Das ist eine andere Frage.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich sage Ihnen auf Ihren konkreten Antrag meine Antwort: Ich habe nicht die Absicht, den Bundesinnenminister zu entlassen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Penner.

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    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben es mit der Moral, Herr Bundeskanzler; oder besser gesagt: Sie führen die Moral gerne im Munde. Es weiß allerdings niemand so genau, was Sie damit meinen. Die einen glauben, daß dahinter etwas Bedeutendes steckt. Andere vermuten eher die moralinsäuerlichen Niederungen der frühen Nachkriegsjahre, weil Sie sich ja so gerne zum Enkel Konrad Adenauers stilisieren.
    Jedenfalls ist das Reklamieren von Moral ein, wenn nicht d a s Leitmotiv Ihrer Tätigkeit als Bundeskanzler. Das bleibt Ihnen unbenommen. Sie können als Oppositionsführer die geistig-moralische Wende fordern und nach dem Rollenwechsel zum Bundeskanzler verkünden, sie sei nun eingetreten.
    Das können Sie alles tun. Sie werden es sich dann aber auch gefallen lassen müssen, daß besonders die Opposition Ihren Anspruch aufgreift und prüft.

    (Beifall bei der SPD)

    Da ist es kein Geheimnis, daß nicht nur der Opposition Ihre Art von Wende eher als Ausflucht erscheint, als Ausflucht in die wabernde Unverbindlichkeit eines Nebels, in dem die drängenden kantenscharfen politischen Fragen unserer Zeit verschwinden, in dem sie einfach keinen Platz haben.
    Herr Bundeskanzler, so mag man über Ihre verbale Wende urteilen, solange man freundlich bleibt. Wenn man sich an die Tatsachen hält, dann wird die Diagnose unfreundlicher, ja beklemmender, aber um so genauer. Dafür genügt es, Namen zu nennen: Geißler zuvörderst, Schwarz-Schilling, Manfred Wörner und mehr und mehr Zimmermann — zugleich Zeugen, Wegmarken und Symbole Ihres Wendeverständnisses.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ihre persönlichen Schmähungen sind unanständig!)




    Dr. Penner
    Diese Namen allein sind sprechender als alle möglichen gegenteiligen Beteuerungen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das paßt doch nicht zu Ihnen, Herr Penner!)

    Weil Sie, Herr Bundeskanzler, die geistig-moralische Wende, was das auch immer sei, stets aufs neue propagieren, zwingen Sie die Opposition, Sie an Ihren eigenen Maßstäben zu messen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Opposition kommt bei allen Deutungsschwierigkeiten gar nicht umhin, das Verhältnis zwischen dem moralischen Anspruch Ihres Wendevokabulars und Ihren Taten unter die Lupe zu nehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das gilt auch für die Behandlung des Problemfalles Zimmermann. Keiner kann von der Opposition erwarten, daß sie nur andächtig Ihren Worten lauscht oder Ihr Schweigen registriert,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Wir erwarten von Ihnen auch nichts!)

    ohne Ihre Taten zu gewichten. Und für die Taten stehen in der Politik Namen, die zum Vergleich herausfordern. Deshalb kann es auch keiner der SPD verübeln, Herr Bundeskanzler, wenn sie dabei an eigene Persönlichkeiten denkt, die durch ihr Tun und ihr Handeln unabhängig von Parteizugehörigkeit Vorbild für andere hätten sein müssen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wienand zum Beispiel!)

    an Georg Leber etwa oder Fritz Halstenberg, um nur zwei zu nennen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nachdem Sie ihn abgehalftert haben, wird er posthum gefeiert!)

    Solche Beispiele hat es übrigens auch in Ihren eigenen Reihen gegeben, nur muß man sich fragen, Herr Bundeskanzler, ob unter Ihrer Ägide ein Rücktritt wie der des früheren baden-württembergischen Justizministers Traugott Bender überhaupt vorstellbar wäre. Dieser Mann hatte weiß Gott nichts mit den Vorgängen in Stammheim, die letztlich Anlaß für seinen Rücktritt waren, zu tun, und trotzdem wich er nicht aus, stellte sich der Verantwortung, die er auf keinen Dritten abwälzen konnte und wollte, der politischen Verantwortung nämlich. Wer vor den Konsequenzen, auch bitteren Konsequenzen der einmal übernommenen politischen Verantwortung nicht kneift, der handelt moralisch.

    (Beifall bei der SPD)

    Für diese schlichte Erkenntnis bedarf es Ihrer aufgesetzten Moralproklamationen überhaupt nicht, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Gegenteil, das Amtsbeharrungsvermögen Ihrer Kabinettsmitglieder steht zu Ihrem moralgetränkten Selbstverständnis in kennzeichnendem Widerspruch.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber es geht hier nicht nur und auch nicht in erster Linie um die Courage zum fälligen Amtsverzicht — das könnte letztlich eine Frage der persönlichen Moral bleiben —, der Fall Zimmermann hat eine viel weitreichendere Dimension; es geht auch um ein Staatsinteresse und, wenn das zu prosaisch ist, es geht um Staatsräson.

    (Vorsitz: Vizepräsident Cronenberg)

    Und dann fallen Tatsachen noch mehr ins Gewicht.
    Was die Fakten im Fall Zimmermann angeht, so steht jetzt schon im wesentlichen folgendes fest: Der Mann ist weg, in der DDR, Regierungsdirektor Tiedge nämlich, seit fast 20 Jahren beim Bundesamt für Verfassungsschutz tätig, seit gut drei Jahren als Leiter der Gruppe IV b in dieser Behörde. Das sind die nüchternen Verwaltungsfakten. Diese Abteilung ist zuständig für Nachrichtendienste der DDR. Das macht nicht nur sachliche Details aus, das macht nicht nur Pläne, Methoden, Akten, Register aus, vielmehr noch, das sind Namen, das sind Menschen, das sind Schicksale, die allesamt bedroht, im wahrsten Sinne des Wortes betroffen sind.
    Günther Bading in der „Welt" vom 28. August 1985 hat es so formuliert: Spätestens seit Juli 1982 — zu dieser Zeit wurde Tiedge Gruppenleiter — war er „über alle Tätigkeiten im Bereich der ,DDR`-Nachrichtendienste informiert", und daran ist nicht zu deuteln.
    Und weiter: Tiedge war seit Jahren alkoholabhängig und auch sonst in erheblichen persönlichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Regierungsdirektor Tiedge ist nicht der einzige Alkoholkranke im Bundesamt für Verfassungsschutz. Von weiteren 30 Alkoholabhängigen ist die Rede.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Kein Wunder bei dem Job!)

    Die Schwächen von Tiedge waren bekannt und führten auch zu dienstlichen Reaktionen. Und der frühere Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Hellenbroich, ist in den Einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
    Herr Bundeskanzler, in diesem Zusammenhang kann ich Ihnen, der Sie ja beim Bundesnachrichtendienst ganz nahe in der Verantwortung stehen — der Bundesnachrichtendienst ist beim Bundeskanzleramt aufgehängt —, bohrende Fragen nicht ersparen. Was hat Sie eigentlich geritten, die Entlassung Hellenbroichs noch zu begründen, wo aus guten gesetzlich vorgesehenen Gründen der sogenannte politische Beamte jederzeit ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand versetzt werden kann?

    (Beifall bei der SPD)

    Haben Sie denn gar nichts aus dem Fall der Entlassung von General Kießling gelernt? Nicht einmal wie man handwerklich solche Fragen löst?

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Penner
    Sind Sie sich eigentlich im klaren darüber, daß Ihre Gründe im Falle eines Falles voll gerichtlich nachprüfbar wären, übrigens auch die verständnisvollen Äußerungen, die amtlicherseits der Entscheidung Hellenbroichs entgegengebracht werden? Der Rechtsvertreter von General Kießling hat Ihnen doch vorexerziert, was man aus einer solchen Fallgestaltung herausholen kann, Herr Bundeskanzler, und dies auf Kosten der Steuerzahler. Herr Bundeskanzler, der Eindruck verstärkt sich, daß Sie nicht einmal in der Lage sind, aus kürzer zurückliegenden Fehlern zu lernen.

    (Beifall bei SPD)

    Zurück zum Spionagefall: Die Bundesregierung selbst hat den Vorgang als äußerst schwerwiegend eingestuft. Der Bundesinnenminister hat in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt von einem besonders schweren Fall von Landesverrat gesprochen. Hochrangige Mitarbeiter der Spionageabwehr sind der Meinung, die Aufarbeitung des Schadens werde Jahre in Anspruch nehmen. Das Echo im Ausland ist vernichtend. Herr Bundeskanzler, nach den bisherigen Erfahrungen — ein bißchen verstehe ich auch selbst davon — wird der Fall die Informationsbereitschaft unserer Partnerländer, besonders der USA, grundlegend beeinflussen, und das nicht zu unserem Vorteil.
    Angelpunkt des Ganzen ist, verehrter Herr Bundeskanzler, das Bundesamt für Verfassungsschutz, keine freischwebende Organisationseinheit, sondern eine sogenannte Bundesoberbehörde, die, wie das Gesetz es formuliert, dem Bundesinnenminister „untersteht". Und was ist? Bundesinnenminister Dr. Friedrich Zimmermann, Hohepriester der inneren Sicherheit und wackerer Streiter für Recht und Ordnung, ist weiterhin im Amt. Die SPD muß diesen Weg der Erörterung im Parlament gehen, weil sich der Fall Zimmermann bis heute zu unserem Bedauern nicht durch Rücktritt oder Entlassung erledigt hat.
    Unsere Rücktrittsforderung, Herr Bundeskanzler, ist Konsequenz der politischen Verantwortung des Ministers insbesondere für den Spionagefall Tiedge. Der Minister ist für alle Vorgänge seines Ressorts und der ihm unterstellten Behörden und Dienststellen politisch verantwortlich, nämlich als Inhaber seines öffentlichen Amtes. Dabei bleibt es völlig unerheblich, ob er im Einzelfall etwas weiß oder etwas nicht weiß. Der Minister hat von Amts wegen eine Einstandspflicht für den Bereich seiner Kompetenzen; wie den Autofahrer oder den Flugzeugführer auch trifft ihn eine Art Gefährdungshaftung, selbst wenn er am Tatgeschehen nicht schuldhaft beteiligt ist. Und es wäre ja auch noch schöner, wenn sich ein Minister durch Nichtwissen von vornherein einen unangreifbaren Verbleib in seinem Amt sichern könnte!

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, jeder Minister darf in der Öffentlichkeit die Erfolge seines Ressorts in Anspruch nehmen, obwohl das Gros der Arbeit im einzelnen von den Mitarbeitern und von untergebenen Behörden und Dienststellen getan wird. Für die politische Erfolgsbilanz verlangt normalerweise keiner einen Nachweis des persönlichen Einsatzes im Einzelfall.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Dann muß aber auch umgekehrt gelten: Auch der politische Mißerfolg kann nicht aus Einzelnachweisen errechnet werden.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Herr Minister, politische Verantwortung ist unteilbar, im Positiven wie im Negativen.

    (Beifall bei der SPD)

    Politische Amtsverantwortung hat mit persönlicher Zurechenbarkeit von Einzelverfehlungen im Ressort und mit moralischer Schuld daran überhaupt nichts zu tun. Zwar kann persönliches Fehlverhalten eines Ministers auch zu politischen Konsequenzen führen; die politische Verantwortung, d. h. die Haftung des Amtsinhabers im Hinblick auf das Gemeinwohl, hat jedoch nicht die persönliche Verantwortung zur Voraussetzung.
    Selbstverständlich — das ist einzuräumen — würde das Regieren unmöglich, wenn ein Minister für jede mehr oder weniger unbedeutende Panne in seinem Ressort den Hut nehmen müßte. Aber davon ist gar nicht die Rede. An der außerordentlichen Tragweite des Falles, um den es hier geht, kann ja kein Zweifel bestehen, und Sie haben das ja selbst gesagt, Herr Bundeskanzler, Sie haben es selbst gesagt, Herr Bundesinnenminister.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn dieser Fall nicht ausreicht, um aus der politischen Amtsverantwortung die Konsequenz zu ziehen, auf welche Katastrophe sollen wir denn überhaupt noch warten, bis das seltsame Festhalten des Bundeskanzlers an seinem gescheiterten Kabinettskollegen ins Wanken kommt?

    (Beifall bei der SPD)

    Ich halte fest: Es ist für die politische Verantwortung des Ministers wegen des objektiven Gewichts des Spionagefalles Tiedge völlig gleichgültig, ob er etwas versäumt, ob er etwas übersehen hat oder aber im Extremfall etwas nicht wissen konnte.
    Dabei will ich eine persönliche Einschätzung in diesem Zusammenhang nicht verschweigen: Ich glaube nicht daran, daß der Fall Tiedge mit seinen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Problemen im Bundesministerium des Innern nicht bekannt gewesen sei. Die Dauer der Fehlentwicklung von Tiedge, seine exponierte Stellung beim Amt sowie die nahe Verzahnung zwischen Amt und Ministerium — Herr Minister, Sie haben selbst im Innenausschuß über das Netz von Kommunikationssträngen hin wie her berichtet — weisen ganz eindeutig in eine andere Richtung.
    Aber noch einmal: Wie dem auch sei, Sie tragen in jedem Fall die politische Verantwortung, und da der Fall Tiedge so katastrophale Ausmaße hat, müssen Sie Ihr Amt aufgeben, oder Sie, Herr Bundeskanzler, müssen die Entlassung des Ministers betreiben.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Penner
    Da Sie immer auf Moral setzen, Herr Bundeskanzler, bitte schön: Halten Sie es allen Ernstes für angängig, Hellenbroich zu entlassen und Zimmermann im Amt zu lassen? Halten Sie es für moralisch vertretbar, nur einen Beamten zu feuern, um das Gefüge der Koalition nicht zu stören oder gar die eigene Haut zu retten? Sind das die moralischen Maßstäbe, die von Ihnen kommen?

    (Beifall bei der SPD)