Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich würde mir sehr wünschen, Herr Kollege Scheer, daß wir in Stockholm bei den Verhandlungen über vertrauensbildende Maßnahmen wirklich zu Ergebnissen kämen, zu überprüfbaren Ergebnissen, die einen Beitrag dazu leisten könnten, daß wir die tatsächlich vorhandene mehrfache Überlegenheit nicht in dem Maße als politische Bedrohung empfinden müßten, wie das heute leider der Fall ist. Im übrigen sprechen die Zahlen — das ist immer noch meine Antwort — eine deutliche Sprache: 58 angriffsbereiten Divisionen des Warschauer Paktes hat das westliche Bündnis ganze 27 Divisionen entgegenzusetzen, und die bedürfen erst der Mobilmachung, um überhaupt ihre volle Verteidigungsstärke zu erlangen. Insofern widerspreche ich den Experten, die da meinen, wir seien auf diesem Sektor dem Warschauer Pakt überlegen.
— „Bei der Mobilmachung" hat er gesagt, auch vorhin in seiner Rede.
Meine Damen und Herren, der Verteidigungsausschuß hat sich doch tatsächlich die Mühe gemacht, in insgesamt mehr als, ich glaube, 100 Stunden alle möglichen Alternativen zu prüfen und durch die jeweiligen Experten, die diese vertreten, vortragen zu lassen, die zur Zeit auf dem Markt sind. Ich halte das für eine nützliche Arbeit und auch für eine wichtige Arbeit, aber nicht, wie es Kollege Scheer gemeint hat, als Einstieg in die jetzt offene Diskussion. Im Gegenteil hat diese hundertstündige Anhörung das ergeben, was der Verteidigungsminister — das wurde eben kritisch vermerkt — schon in seinem Eingangsvortrag vor dieser eigentlichen Anhörung als seine Überzeugung darstellte; sie wurde erhärtet. Es gibt zur Politik der Abschreckung, d. h. der Abhaltung von Krieg durch Verteidigungsfähigkeit und atomare Abschreckung, keine Alternative.
Ich möchte dies an zwei Beispielen hier belegen.
— Herr Lange, ich komme auf die GRÜNEN; dann
werden Sie vielleicht noch nachfragen wollen. Sonst
komme ich einfach nicht zu meinen Ausführungen.
Die GRÜNEN haben in diesem Anhörungsverfahren wie auch heute wieder für die Strategie der, wie sie es nennen, sozialen Verteidigung als ein Konzept der Gewaltlosigkeit geworben. Ich frage: Wäre es das wirklich? Sie, Herr Vogt, nannten als erfolgreiche Aktionen solcher sozialen Verteidigung im Verteidigungsausschuß den Ruhrkampf als Beispiel.
Sie haben, wie ich meine, dabei übersehen, daß parallel mit dem Ruhrkampf der kommunistische Aufstand in Sachsen, der Aufstand der Schwarzen Reichswehr in Küstrin und unmittelbar im Gefolge der Putsch an der Feldherrenhalle durch Hitler einhergingen. Sie haben zweitens übersehen, daß dieser, wie Sie meinen, erfolgreiche Kampf, diese erfolgreiche soziale Verteidigung — die übrigens gegen eine Macht geführt worden ist, die Recht und
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Juni 1985 10617
Berger
internationale Ordnung respektiert hat, was nicht in jedem Fall unterstellt werden darf — nach wenigen Wochen, und zwar sehr vernünftigerweise, durch Stresemann abgebrochen werden mußte, weil sie nicht zu leisten imstande war, was sie eigentlich leisten sollte.
Als zweites Beispiel nannten Sie den Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968. Sie haben das breit begründet, ich glaube, auch schon einmal im Bundestag. Ich sage Ihnen: Der Spuk damals 1968 war nach drei Tagen zu Ende, aber noch heute herrscht dort Kirchhofsfriede. Wenn es überhaupt ein Beispiel dafür gibt, daß soziale Verteidigung gegenüber einer Macht, die nicht Recht und internationale Ordnung und Menschenwürde respektiert, als Verteidigung nicht möglich wäre, dann ist es just dieses Beispiel der Tschechoslowakei.