Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte hat Ernst Haar in seinem Redebeitrag den Satz formuliert: Den künftigen Problemen müssen wir uns heute stellen. — Ganz genau diese Politik versuchen wir zu betreiben. Nur, Herr Kollege Haar, ich frage Sie: Haben Sie in der Zeit Ihrer Verantwortung diese Politik so auf die Zukunft ausgerichtet, wie Sie es heute von uns fordern? Das wäre die Frage.
Meine Damen und Herren, zwischen zwei wichtigen Verkehrsträgern, zwischen Flugzeug und Straße, wird die Bahn zu einem neuen Selbstverständnis finden. Ich sage daher: Die Schiene hat Zukunft. Zurückgehende Jahresverluste, eine straffere Organisation und die Senkung der Personalkosten zeigen entscheidende Wirkungen, die die Talfahrt der Bahn beenden und eine Trendumkehr — dies sage ich sehr deutlich — eingeleitet haben. Die Bahn wird moderner, sie wird schneller, sie wird zuverlässiger, sie wird pünktlicher und sie wird kundenorientierter.
Die Realisierung der Neu- und Ausbaustrecken, die Einführung der Drehstromlokomotive, die Einführung des Einmanntriebwagens, die Einführung des Hochgeschwindigkeitszuges ICE, der noch in diesem Jahr in Erprobung geht, sowie neue Service-und Betreuungsangebote sind unerläßlich, wenn die Bahn im Wettbewerb der Verkehrsträger mithalten will. Mit Geschwindigkeiten von 250 Stundenkilometern auf den Neu- und Ausbaustrecken Anfang der 90er Jahre läßt sich die Reisezeit zwischen Hannover und Würzburg fast um die Hälfte verkürzen. Die spezifischen Vorteile der Bahn liegen eindeutig auf langen Strecken. Sowohl im grenzüberschreitenden Personen- wie im grenzüberschreitenden Güterverkehr muß die Bahn verlorenes Terrain wieder zurückgewinnen. Im Zuge der Förderung des kombinierten Verkehrs wird es möglich, die Schiene an dem auch in Zukunft noch wachsenden Güterverkehr zu beteiligen und damit vor allem im Transitverkehr durch unser Land zu erheblichen Entlastungen zu kommen.
Ich möchte deutlich machen, daß wir mit der Verabschiedung der Leitlinien zur Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn zum erstenmal ein wirksames Konzept vorgelegt haben, das es ermöglicht hat, die Talfahrt der Deutschen Bundesbahn zu bremsen und statt dessen von Jahr zu Jahr mehr Fahrtwind in das Transportgeschäft der deutschen Bundesbahn zu bringen.
Der jährliche Verlust der deutschen Bundesbahn sank von 4,15 Milliarden DM im Jahre 1982 auf 3,7 Milliarden DM im Jahre 1983 und nunmehr auf 3,12 Milliarden DM im Jahre 1984. Meine Damen und Herren, das ist ein Rückgang um 1 Milliarde DM innerhalb von nur drei Jahren Unionspolitik. Das ist ein Erfolg.
Erstmals stagnierte der Schuldenstand. Er konnte 1984 um 80 Millionen DM zurückgeführt werden, wobei der Fehlbetrag der Deutschen Bundesbahn sogar um 500 Millionen DM geringer war als im Vorjahr. Der gewaltige Ballast der Personalkosten wurde unter Ausnutzung der natürlichen Abgänge bei strafferer Organisation um 300 Millionen DM reduziert.
Im Mittelpunkt unserer Deutschen Bundesbahn steht der Mensch. Darum sollten wir an dieser Stelle einen Dank an die Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn aussprechen, die Verständnis für die Umplanungen aufbrachten. So mußten in diesem Umstellungsprozeß vom Personal unter anderem Versetzungen, artfremde Verwendung, längere Fahrtzeiten, längere Fahrwege hingenommen werden, galt es doch, einem erheblichen Personalüberhang weiterhin Beschäftigung zu geben. Aber — meine Damen und Herren, das versichere ich Ihnen — am Ende dieser Sanierung stehen sichere Arbeitsplätze.
Die von der Bundesregierung geforderte Unternehmensstrategie bis 1990 basiert auf zwei Säulen. Die interne Strategie der DB zielt auf Realisierung ihres Marktanspruches durch verbesserte Marktfähigkeit der Produkte, durch dementsprechende Absatzpolitik, durch Produktivitätssteigerung, durch Kapazitätsanpassung und durch zukunftsorientierte Investitionen. Die externe Unterstützung leistet der Bund durch Finanzierung des Streckenausbaues, durch Beiträge zur Entschuldung sowie durch politische Rückendeckung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch auf ein Angebot eingehen, das die DB neu anbietet. Das Intercargo-Angebot hat auf dem Verkehrsmarkt die Wende wieder hin zu steigenden Anteilen der Bahn am Gütertransportaufkommen insgesamt gebracht. Zwischen den bedeutenden
10576 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Juni 1985
Bohlsen
Wirtschaftszentren der Bundesrepublik verkehren von Montag bis Freitag Nacht für Nacht laufüberwachte Güterzüge mit Vorrang vor anderen Zügen mit höchstzulässiger Geschwindigkeit, um gleichsam als eine Art verlängertes Fließband am nächsten Morgen Materialien zuzustellen. Für 1985 rechnet die Bundesbahn bereits mit rund 400 000 Wagen in der Intercargo-Beförderung.
Ich möchte feststellen: Schon nach kurzer Anlaufphase läßt sich sagen, daß das neue Angebot produktionstechnisch sauber geplant war und reibungslos durchführbar ist. Die zu sammelnden Erfahrungen werden der Deutschen Bundesbahn die Grundlagen für eine Weiterentwicklung liefern. Das Spektrum der Möglichkeiten für Leistungsverbesserungen ist vielfältig.
Meine Vorredner — der Kolleger Hinsken, insbesondere aber auch Minister Dollinger — haben darauf hingewiesen, daß wir mit einer Neuanschaffung von 120 Leichttriebwagen der Klasse VT 628 rechnen dürfen. Heute kam der Zusatz des Ministers, daß diese Zahl gegebenenfalls noch um 30 aufgestockt wird. Für 1986 ist eine Anschaffung von zunächst 18 Stück geplant; danach werden pro Jahr weitere 36 Stück angeschafft. Der Einsatz dieser Leichttriebwagen erfolgt ab 1986 in fünf Regionen.
Nur noch ein Wort zum Ordnungsrahmen, und zwar auch deswegen, weil meine Region davon betroffen ist. Wir wissen um den Ordnungsrahmen und die Möglichkeiten, die ihm gegeben sind. Wir wissen aber auch von der Möglichkeit der Deutschen Bundesbahn, Güterverkehr zum Ausnahmetarif anzubieten. Seit dem 1. April — das ist das Beispiel aus meiner Region — werden über den Seehafen Emden 800 000 Tonnen Eisenerz importiert und in Ganzzügen mit 48stündigem Umlauf nach Dillingen an der Saar transportiert. Es handelt sich hierbei — das sei festgehalten — um eine Verlagerung des Transports von Dünkirchen zu uns.
Diese Verkehrsverlagerungen sind zu begrüßen, tragen sie doch zur Belebung des Emder Seehafens und zur Steigerung des Schienenverkehrs der Deutschen Bundesbahn bei.
Meine Damen und Herren, bei der Erweiterung des Angebots der Deutschen Bundesbahn dürfen wir nicht verkennen, daß auch Ausweitungen im ICBetrieb geschehen sind. Ich erinnere nur an die Strecke Bremen—Oldenburg, die mit Beginn des Sommerfahrplans jetzt eingerichtet wird.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, meine Damen und Herren: Die Bahn rollt wieder dem Erfolg entgegen.
Ein im November 1983 erfolgreich beschrittener Weg der Deutschen Bundesbahn kann erfolgreich fortgesetzt werden. Der Entwurf eines neuen Bundesverkehrswegeplans macht deutlich, daß die Investitionen im Schienennetz die Investitionen im Straßenbau deutlich übertreffen werden. Nachdem die Bahn bis heute zum Teil noch auf einem Schienennetz aus dem vergangenen Jahrhundert fahren muß, ist dies eine Wende in den Verkehrsinvestitionen.
Wir haben die Verhältnisse umgedreht,
weil wir eine moderne, eine attraktive und eine konkurrenzfähige Bahn wollen und brauchen. Daher werden wir — die Lampe hier auf dem Rednerpult leuchtet —
den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Denn, meine Damen und Herren: Die Schiene hat Zukunft.