Nein. Ich habe nur ganz wenig Zeit. Mir stehen nur zehn Minuten zur Verfügung. Ich muß mich deshalb auf das Wesentliche dessen, was ich sagen möchte, beschränken.
— Sie haben die Möglichkeit, mit mir im Ausschuß zu reden und zu diskutieren. Wenn Sie davon nicht Gebrauch machen, sind Sie selber schuld.
Symptomatisch für viele solcher Fälle ist die Bundesbahnstrecke Kempten—Isny. Die Deutsche Bundesbahn hat für diese Strecke das Verfahren zur Einstellung des Gesamtbetriebs 1983 und das Verfahren zur Umstellung des Reisezugbetriebs auf Busbedienung 1984 eingeleitet.
Eine erneute Behandlung im Verwaltungsrat der Bundesbahn steht an. Das Reisendenaufkommen betrug zuletzt 110 Reisendenkilometer.
Meine Damen und Herren, für mich ist interessant, daß gerade hier die Einstellung des Betriebs von den Gemeinden Buchenberg, Weitnau und Wiggensbach nicht nur verstanden, sondern auch unterstützt wird. Auch der Landkreis Oberallgäu spricht sich neuerdings für einen Verzicht der Bundesbahnverbindung aus, wenn dafür die Infrastruktur an anderer Stelle verbessert, d. h. der Bau der B 12 neu vorangetrieben wird. Diesem Verlangen sowie dem Wunsch, eine gute Busverbindung zu schaffen, wird neben anderen seitens des Bundes nachgekommen. Muß doch auch Einsichtigkeit, die dort geboren wird, belohnt werden.
Meine Damen und Herren, gestern erreichte uns Bundestagsabgeordnete eine hervorragend neu aufgemachte Broschüre der Deutschen Bundesbahn. Unter dem Titel „Unentbehrliche Bundesbahn" wird hier vermerkt, daß Tag für Tag fast 5 Millionen Fahrgäste mit der Deutschen Bundesbahn reisen. Ob Urlauber oder Geschäftsreisende, ob Arbeiter oder Schüler — die Bahn bringt sie alle an ihr Ziel, schnell, sicher, bequem und zuverlässig, heißt es da. 28 000 km Schienen verbinden Stadt und Land. Täglich verkehren über 20 000 Reisezüge. Es wird auch darauf verwiesen, daß der Personenkilometer bei der Bundesbahn „nur" 18,8 Pf kostet. Darauf möchte ich nachher noch ganz kurz besonders eingehen.
10574 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Juni 1985
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Ich pflichte dem in der Broschüre zitierten Professor Jung bei, der gesagt hat: „Gäbe es unsere Bahn nicht, sie müßte erfunden werden."
Meine Damen und Herren, von der Opposition ist teilweise verlangt worden, daß die Bundesbahn in der Fläche präsent bleibt. Die vorhandenen 28 000 km können aber nur gehalten werden, wenn eben auch in finanzieller Hinsicht das Notwendige bereitgestellt wird, um die Bundesbahn nicht in den nächsten Jahren in der Fläche auslaufen lassen zu müssen.
Einige Ansätze sind als positiv zu verzeichnen, so die Inbetriebnahme von 120 Triebwagen, die kürzlich bestellt wurden und in Kürze geliefert werden.
Ich meine aber auch, daß unser Bundesbahnvorstand, der heute hier vertreten ist und diese Reden zur Lage der Bundesbahn mit anhört, richtig liegt, wenn er in der Zukunft in der Fläche Zonentarife einführen möchte, damit auch hier eine gewisse Gleichheit der Lebensqualität gegenüber den Ballungsräumen herbeigeführt wird. Denn dort gibt es Zonentarife ja schon seit eh und je.
Auch eine familienfreundliche Komponente ist längst überfällig. Ich habe das vor kurzem an meiner eigenen Geldbörse verspürt, als ich für 22 km Hin- und Rückfahrt allein für meine Frau 19,20 DM bezahlen mußte. Deshalb muß ich sagen: Zum Teil ist das ein teurer Luxus geworden, den sich nicht jedermann leisten kann. Deshalb auch der Appell an den Vorstand, dafür zu sorgen, daß eine familienfreundliche Komponente möglichst bald eingeführt wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen, wie ich mir die Deutsche Bundesbahn in der Fläche vorstelle.
Erstens. Unsere Bundesbahn muß auch in der Fläche erhalten bleiben und attraktiver werden. Ökonomische Kriterien dürfen nicht allein den Ausschlag geben, wenn die Funktionsfähigkeit der Bundesbahn auf eine solche Basis gestellt wird.
Zweitens. Unsere Bundesbahn muß ihre heutige Leistungskraft als Richtschnur nehmen, um den auf Grund mangelnder „Triebwagenpflege" in der Vergangenheit entstandenen „Rost" zu beheben. Das eröffnet neue Marktchancen auch in der Fläche.
Drittens. Unsere Bundesbahn muß auch in der Fläche das Zonentarifsystem ähnlich wie in den Ballungsgebieten einführen. Darüber hinaus will auch die Fläche rosarot sehen. Das heißt, rosarote Programme sollten auch im Schienennahverkehr eingeführt werden und damit eine attraktive Konkurrenz zur Straße darstellen.
Viertens. Unsere Bundesbahn muß sich eine noch effizientere Organisationsform geben und flexibel und offensiv die Herausforderungen in der Fläche anpacken.
Fünftens. Unsere Bundesbahn darf im Interesse der Flächenregionen die Zielvorgaben des Zonenrandförderungsgesetzes und Raumordnungsgesetzes nicht unterlaufen. Dabei kann unsere Bundesbahn einen hervorragenden Beitrag zur Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland leisten.
Sechstens. Unsere Bundesbahn ist durch das Milliarden-Investitionsprogramm in die Lage versetzt, auch der Fläche einen Anteil am großen Kuchen zukommen zu lassen, um hier die Strecken mit Bestand schneller zu modernisieren und z. B. auch zu elektrifizieren. Zudem ist dies ein Beitrag zur Verbesserung der Umwelt auch in den Flächengebieten.
Siebentens. Unsere Bundesbahn mit unserem Verkehrsminister Dr. Dollinger, zugleich auch „Lokführer" dieses Bundesbahnunternehmens, und seinem „Triebwagenchef" Dr. Gohlke werden und müssen den Schienenverkehr in der Fläche dort erhalten und modernisieren, wo es strukturpolitisch geboten und vom erreichbaren Verkehrsaufkommen her vertretbar erscheint. Das heißt, daß dann auch der Bürger selbst mit der Fahrkarte in der Hand über Streckenverlagerungen bzw. Stillegungen mitentscheidet.
Achtens. Unsere Bundesbahn darf Verlagerungen bzw. Stillegungen nur vornehmen, nachdem zwischen Bund, Ländern und Kommunen jeweils im Einzelfall die verkehrs-, sturkturpolitischen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen überprüft sind.
Dies bewirkt Entscheidungen mit Augenmaß im Interesse der Betroffenen.
Neuntens. Unsere Bundesbahn muß baldmöglichst die Bürger darüber informieren, welche Strecken in der Fläche aufrechterhalten werden. Eventuelle Beschlüsse, Verlagerungen betreffend, sind bald zu fassen, damit der Bürger draußen Klarheit hat.
Zehntens und somit letzter Punkt. Unsere Bundesbahn muß sich zum Gebot machen, sich nicht an einer kurzfristigen Sparpolitik zu orientieren, sondern auch in der Fläche langfristig zu investieren, um den Bürger und die Wirtschaft vor Standortnachteilen zu bewahren.
Lassen Sie mich deshalb zusammenfassend feststellen: Die Deutsche Bundesbahn muß im Schienenpersonennahverkehr auch künftig an attraktiveren und zugleich kostengünstigeren Angeboten arbeiten. Es ist dann keine Frage, daß betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten der Bahn und die Forderungen des Gemeinwohls in Einklang zu bringen sind. Dies ist der richtige Weg. Er weist auch in der Fläche in die Zukunft. Ich setze und verlasse mich auf unseren bewährten Verkehrsminister Dr. Dollinger und auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn.
Herzlichen Dank.