Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag ist doch immer noch für eine Überraschung gut. Der Abgeordnete Vogel wurde aufgerufen; mal sehen, ob das Kontinuität, Wende oder Wechsel wird.
An die Adresse der GRÜNEN, meine Damen und Herren: Wollen Sie nun eigentlich alternative Kleinbetriebe, oder wollen Sie staatliche Tätigkeit im Wirtschaftsleben? Sie müssen sich entscheiden. Nach dem Motto „Wir wissen nicht, wohin wir wollen, aber das mit Entschlossenheit" können Sie diese Fragen nicht beantworten.
Herr Wieczorek, wenn Sozialdemokraten über Privatisierung reden, dann kommt einem das ein bißchen so vor, als wenn der Direktor einer Schnapsfabrik über den Kampf gegen Alkohol predigt.
Von jemandem, der eine so große Konferenz abhält, wie Sie das am vorigen Wochenende getan haben, und dort kein Wort gegen die Verstaatlichungspläne der Ihnen nahestehenden und befreundeten IG Metall sagt, kann man nicht erwarten, daß er für Privatisierung und die ordnungspolitische Komponente überhaupt Verständnis hat.
Herr Bundesfinanzminister, wir haben Ihren ersten Vorschlag, den Sie vor einer Reihe von Monaten gemacht haben, sehr gut gefunden; wir haben ihn sofort begrüßt. Nun, aus dem ansehnlichen Paket ist eher ein Päckchen geworden. Es steht vielleicht ein wenig die Überlegung dahinter: Mögen täte ich schon, trauen täte ich mich auch, aber dürfen darf ich nicht so ganz.
Den Kabinettsbeschlüssen von gestern, die völlig in
die richtige Richtung zielen — Herr Friedmann und
Herr Riedl haben absolut recht —, fehlt der
Schwung und der Zugriff, auf den wir uns verständigt hatten. Das ergibt sich aus dem Thema „Lufthansa", und zwar nicht, weil wir nicht gesagt hätten: Herr Bundesfinanzminister, wenn es da schwierig wird, stellen wir es zurück; da muß man sich einigen. — Es lassen sich übrigens Wege und ein Formular finden, die die Interessen beider Seiten berücksichtigen.
Allerdings machen mich die Gründe, die der Bundesinnenminister in einem Brief dafür angeführt hat, zweifeln, ob denn da eigentlich die richtige Grundauffassung vorliegt. Er vermißt ein „schlüssiges Gesamtkonzept". Haben Sie ihm das nicht vorgelegt? Er vermißt „industriepolitische Vorstellungen". Hat er die Antwort auf die Große Anfrage nicht gelesen? Er meint, ein national carrier müsse voll im Bundesbesitz sein. Gucke er sich einmal im Ausland um, wie Luftfahrtgesellschaften, die sich in Privatbesitz befinden, hervorragend arbeiten. Wir kennen sie alle.
— Meine Damen und Herren, man muß nicht nur an die „Iberia" denken, man kann auch einmal an die „Swissair" denken. — Der Bundesinnenminister meint, es könnte eine Forderung seitens der Aktionäre nach Anhebung der Dividende kommen. Das ist allerdings der Punkt: Daß ein Unternehmen, das sich im Wettbewerb bewegt, seinen Aktionären auch Dividende zahlen muß und daß ein öffentlicher Anteilseigner darauf verzichten kann, ist ja die Wettbewerbsverzerrung.
Meine Damen und Herren, dann schreibt er: Unabhängig von den grundsätzlichen Einwendungen gegen das gesamte Privatisierungskonzept ... Das heißt auf deutsch, wenn ich es so formulieren darf: Das Ganze ist nach seiner Auffassung ein Schmarren. So allerdings sehen wir es nicht. Wir sehen es auch haushaltspolitisch nicht als dringend an. Es ist hier mit Recht darauf hingewiesen worden, daß vielmehr die Ordnungspolitik der entscheidende Gesichtspunkt ist: Der Staat muß aus einer Tätigkeit heraus, in der Private tätig sein sollen, in der die private Wirtschaft die Aufgaben besser oder gleich gut erledigen kann. Das ist der Grund.
Der Bundeskanzler hat gestern abend in seiner bemerkenswerten Rede gesagt — ich greife das im Zusammenhang mit dem Thema „Ordnungspolitik" auf —, es gehe nicht nur darum, den Ludwig-Erhard-Preis zu gewinnen, sondern auch darum, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen. Ich gebe uns allen und der Bundesregierung, auch dem Herrn Bundeskanzler, den Ratschlag: Versuchen wir doch einmal beides. Es geht! Sie werden es sehen.