Rede von
Axel
Vogel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Absolut unverständlich ist uns, wie der Bundeshaushalt ausgerechnet durch den Verkauf der gewinnträchtigsten Betriebe konsolidiert werden soll. So hat der Bund im Jahre 1984 von seinen Beteiligungen rund 22,3 Millionen DM mehr an Gewinnausschüttungen einkassieren können als 1983. Dabei standen die bevorzugten Privatisierungskandidaten an der Spitze: Knapp 47 Millionen DM von der Lufthansa. Der VIAG-Konzern hat seinen Jahresüberschuß um 93 Millionen DM auf 109 Millionen DM gesteigert. Die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank konnte ihren Jahresüberschuß verdoppeln. Warum man auf diese Gewinne verzichten soll, mit denen man die defizitären und unverkäuflichen Betriebe wie die Salzgitter AG über Wasser halten kann, ist nicht einzusehen.
Wir GRÜNEN halten nicht die Privatisierung, sondern den politisch verantwortlichen Umgang mit den Bundesunternehmen für das Gebot der Stunde. Das Elend dieser ganzen Diskussion besteht doch darin, daß die Bundesregierung die Bundesbetriebe allein unter dem Gesichtspunkt des unternehmerischen Erfolgs oder Mißerfolgs betrachtet und die Möglichkeit, diese Betriebe als politische Steuerungsmittel einzusetzen, völlig außer acht läßt.
Ein Beispiel für den Dilettantismus in diesem Bereich wurde uns heute in der Fragestunde von Staatssekretär Spranger vorgeführt, als es um die Fluorbelastungen durch ein bundeseigenes Aluminiumwerk ging.
Statt daß der Staatssekretär deutlich machen würde, daß der Bund hier vorbildlich vorangeht, zieht er sich wie jedes x-beliebige Unternehmen darauf zurück, daß die Ursächlichkeit noch nicht absolut geklärt sei, daß man abwarten müsse usw. usw.
Das Eigentum des Bundes an Flughäfen, Lufthansa, Bundesbahn usw. könnte die Grundlage für die Entwicklung eines ökologischen Verkehrskonzeptes bilden. Statt dessen machen sich Lufthansa und Bundesbahn gegenseitig Konkurrenz.
Der Bund hätte mit seinem Einfluß auf den Energiekonzern VEBA den Vorreiter machen können für die Entwicklung eines planvollen energiesparenden und umweltschonenden Aufeinanderwirkens von Energiegewinnung und -verarbeitung. Statt dessen wurde diese Chance für die einmalige Einnahme von 770 Millionen DM verschenkt — ein Betrag, der allein beim Verzicht auf den Hochtemperaturreaktor und den Schnellen Brüter 1984 hätte eingespart werden können.
Der Einfluß auf das Volkswagenwerk könnte zur beschleunigten Einführung von weniger umweltschädlichen Autos genutzt werden. Der Einfluß der Gemeinden und Kreise auf die Sparkassen könnte zur Verbilligung von Krediten für Handwerker und Kleinbetriebe geltend gemacht werden. In allen diesen Bereichen könnte der öffentliche Einfluß durch den Verzicht auf die Profitmaximierung im Zielkatalog der Unternehmen auch beschäftigungspolitisch nutzbringend eingesetzt werden.
Gott sei Dank aber — das ist ja auch in dem Beitrag des Kollegen Weng angeklungen — wird der von Stoltenberg beschworene Beitrag zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft wohl doch nicht so radikal betrieben werden, wie bei dem Wortgeklingel zu befürchten war. Sie findet mindestens dort ihre Grenzen, wo Eigeninteressen eingeschränkt werden sollen. Von 1970 bis 1984 sind 125 Beamte in die Geschäftsleitung der Unternehmen mit Bundesbeteiligung übergewechselt. Waldemar Schreckenberger findet man im Aufsichtsrat der VEBA-Tochter STINNES wieder, CSU-Politiker Althammer als Vorstandsmitglied der Lastenausgleichsbank, Ex-CDU-Haushaltsexperte Schröder als Geschäftsführer der Deutschen Entwicklungsgesellschaft, DEG. Da findet sich manch liebgewordenes Pöstchen und lukrativer Nebenjob, auf den man 13 Jahre hat warten müssen und auf den zu verzichten sicherlich nicht leichtfallen würde. Insofern besteht für uns Anlaß zur Hoffnung, daß es die Bundesregierung erst einmal bei dieser Privatisierungswelle bewenden läßt.
Ich möchte zum Schluß darauf hinweisen, daß eine Privatisierungsdebatte, nur auf die öffentlichen Unternehmen bezogen, viel zu kurz greift. So haben wir z. B. schon seit Jahren eine schleichende Privatisierung der inneren Sicherheit. Die Existenz der schönfärberisch als Sicherheitsdienste bezeichneten Privatarmeen vom Schlage der schwarzen Sheriffs des Münchener ZSG stellt eine weitaus größere Bedrohung für das staatliche Gewaltmonopol dar als jede nur denkbare Kasernenblockade.
Vielen Dank.