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    Plenarprotokoll 10/125 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 125. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. März 1985 Inhalt: Fragestunde — Drucksache 10/2987 vom 8. März 1985 — Verwendung von Tri- und Perchlorethylen in der lebensmittelverarbeitenden Industrie MdlAnfr 1 08.03.85 Drs 10/2987 Müller (Düsseldorf) SPD Antw StSekr Chory BMJFG 9203 B ZusFr Müller (Düsseldorf) SPD 9203 D Erlaß der Zinsschulden Boliviens und Freigabe der zugesagten Entwicklungshilfe in Höhe von 120 Millionen DM MdlAnfr 5, 6 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Luuk SPD Antw PStSekr Dr. Köhler BMZ 9204 B ZusFr Frau Luuk SPD 9204 C Änderung der Kriterien für den Wettbewerb „schönes Dorf" MdlAnfr 9 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Simonis SPD Antw PStSekr Gallus BML 9205A ZusFr Frau Simonis SPD 9205 C Initiative deutscher Zollbeamter zur Überführung deutscher Horsträuber in Süditalien; Ausdehnung des Straftatbestandes beim Artenschutz auf Straftaten Deutscher im Ausland MdlAnfr 12, 13 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE Antw PStSekr Gallus BML 9205 D ZusFr Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE . . 9206A ZusFr Frau Dr. Bard GRÜNE 9206 B Belebung des deutsch-deutschen Jugendaustauschs MdlAnfr 17, 18 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Terborg SPD Antw PStSekr Dr. Hennig BMB . . . 9207 B ZusFr Frau Terborg SPD 9207 C ZusFr Dreßler SPD 9208 A ZusFr Klein (Dieburg) SPD 9208A ZusFr Buschfort SPD 9208 B Rechtzeitige Bewilligung von Bundesmitteln für Fahrten von Schüler-, Jugend- und Studentengruppen in die DDR und nach Berlin MdlAnfr 19, 20 08.03.85 Drs 10/2987 Sielaff SPD Antw PStSekr Dr. Hennig BMB . . . 9208 D ZusFr Sielaff SPD 9209 B ZusFr Dr. Sperling SPD 9210B Wahrnehmung der Vorruhestandsregelung durch Arbeitnehmer; Tragbarkeit dieser Regelung für untere Lohngruppen und für wirtschaftlich schlecht gestellte Unternehmen MdlAnfr 23, 24 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Huber SPD Antw PStSekr Vogt BMA 9210 C ZusFr Frau Huber SPD 9210 C ZusFr Urbaniak SPD 9211 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1985 Von November 1984 bis Februar 1985 geleistete Überstunden der Arbeitsämter MdlAnfr 25 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Weyel SPD Antw PStSekr Vogt BMA 9211C ZusFr Frau Weyel SPD 9211C Zahl der langfristigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse in Klein- und Mittelbetrieben MdlAnfr 26 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Lammert CDU/CSU Antw PStSekr Vogt BMA 9212A ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 9212 B ZusFr Heyenn SPD 9212 D ZusFr Dreßler SPD 9213B ZusFr Frau Reetz GRÜNE 9213 B ZusFr Lennartz SPD 9213C Zahlung einer Hinterbliebenenrente an die Witwe Roland Freislers MdlAnfr 29 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Schöfberger SPD Antw PStSekr Vogt BMA 9213 D ZusFr Dr. Schöfberger SPD 9214A ZusFr Dr. Sperling SPD 9214 D Stärkung der Maßnahmen im Bereich der Arbeitsförderung angesichts der Ergebnisse der letzten Strukturuntersuchung der Bundesanstalt für Arbeit MdlAnfr 32 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Fuchs (Köln) SPD Antw PStSekr Vogt BMA 9215 B ZusFr Frau Fuchs (Köln) SPD 9215C ZusFr Lutz SPD 9216 B ZusFr Kirschner SPD 9216 C ZusFr Dreßler SPD 9217 A ZusFr Kolb CDU/CSU 9217 C ZusFr Dr. Sperling SPD 9217 D ZusFr Schreiner SPD 9218 A Fiskalische Kosten der Massenarbeitslosigkeit 1984 und voraussichtliche Kosten für 1985 MdlAnfr 33 08.03.85 Drs 10/2987 Kirschner SPD Antw PStSekr Vogt BMA 9218 B ZusFr Kirschner SPD 9218 C ZusFr Dreßler SPD 9218 D Voraussichtliche Arbeitslosenzahlen für 1985; Korrektur der Jahresdurchschnittszahl an Hand der Arbeitsmarktdaten für Januar und Februar 1985 MdlAnfr 34 08.03.85 Drs 10/2987 Lutz SPD Antw PStSekr Vogt BMA 9219 A ZusFr Lutz SPD 9219A Zur Geschäftsordnung Porzner SPD 9219 C Aktuelle Stunde betr. Lage auf dem Arbeitsmarkt Frau Fuchs (Köln) SPD 9219 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 9220 C Hoss GRÜNE 9221 B Wissmann CDU/CSU 9223 C Urbaniak SPD 9224 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 9225 B Günther CDU/CSU 9226 B Roth SPD 9227 B Kraus CDU/CSU 9228 A Klose SPD 9229A Dr. Lammert CDU/CSU 9229 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 9231A Buschfort SPD 9232 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 9232 C Dreßler SPD 9234 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 9235 A Urbaniak SPD (Erklärung nach § 30 GO) 9236A Nächste Sitzung 9236 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9237* A Anlage 2 Vergabe von Stipendien an mosambikanische Studenten MdlAnfr 7 08.03.85 Drs 10/2987 Frau Schmedt (Lengerich) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Köhler BMZ . . . 9237* B Anlage 3 Einfuhrstopp für Sauerkirschen aus Jugoslawien 1985 zur Vermeidung eines Preisverfalls auf dem deutschen Sauerkirschmarkt MdlAnfr 10, 11 08.03.85 Drs 10/2987 Eylmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 9237* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1985 III Anlage 4 Zusatz von Alkohol in Vergasertreibstoff MdlAnfr 14, 15 08.03.85 Drs 10/2987 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 9238* A Anlage 5 Ausfälle in der gesetzlichen Sozialversicherung und beim Steueraufkommen durch Schwarzarbeit; Verhinderung des illegalen Einsatzes ausländischer Bauarbeiter MdlAnfr 27, 28 08.03.85 Drs 10/2987 Müller (Wesseling) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9239* A Anlage 6 Anregung der Bundesanstalt für Arbeit betr. Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit MdlAnfr 30 08.03.85 Drs 10/2987 Amling SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9239* C Anlage 7 Aufstockung der ABM-Mittel für Ostbayern MdlAnfr 31 08.03.85 Drs 10/2987 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 9240*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1985 9203 125. Sitzung Bonn, den 13. März 1985 Beginn: 13.00 Uhr
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    Berichtigung 124. Sitzung, Seite 9166 D: In der 8. Zeile sind der Gedankenstrich und das Komma hinter dem Wort „Großteil" zu streichen. Einzufügen sind diese Zeichen hinter dem Wort „Recht". Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 15. 3. Antretter* 15. 3. Frau Beck-Oberdorf 15. 3. Bredehorn 13. 3. Dr. Corterier 15. 3. Egert 13. 3. Dr. Enders* 14. 3. Fischer (Frankfurt) 15. 3. Frau Gottwald 15. 3. Haase (Fürth) * 15. 3. Haehser 15. 3. Hiller (Lübeck) 13. 3. Jung (Düsseldorf) 15. 3. Dr. Kübler 13. 3. Lemmrich* 14. 3. Lenzer* 15. 3. Dr. Mertes (Gerolstein) 15. 3. Polkehn 15. 3. Reuschenbach 13. 3. Sauer (Salzgitter) 15. 3. Dr. Scheer** 14. 3. Frau Schmedt (Lengerich) 15. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 15. 3. Dr. Stark (Nürtingen) 15. 3. Stockhausen 15. 3. Dr. Todenhöfer 15. 3. Voigt (Sonthofen) 15. 3. Werner 15. 3. von der Wiesche 15. 3. Zierer * 15. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Köhler auf die Frage der Abgeordneten Frau Schmedt (Lengerich) (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 7): Mit wem hat die Bundesregierung die Vergabe von 133 Stipendien an mosambikanische Studenten vereinbart, die in einem Kurzbericht über entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Mosambik erwähnt sind, wenn nicht mit der mosambikanischen Regierung? Mit den „133 Stipendien an mosambikanische Studenten" sind 133 Stipendiaten aus Simbabwe gemeint, die zwischen 1978 und 1980 als Flüchtlinge in Mosambik lebten und dort in dem „Sonderprogramm zur Ausbildung von Flüchtlingen aus dem südlichen Afrika" des BMZ aufgenommen wurden. Es hat seinerzeit keine Vereinbarungen mit der Regierung von Mosambik gegeben. Bei der Auswahl der Stipendiaten wirkte die „Zimbabwe African National Union" (ZANU) mit. Die Stipendiaten wurden Anlagen zum Stenographischen Bericht in der Bundesrepublik in technisch-handwerklichen Berufen ausgebildet. In der Statistik werden diese Stipendiaten dem Staat Mosambik zugerechnet, weil das damalige Rhodesien-Simbabwe nicht als Entwicklungsland galt. Wäre nicht 1980 die Unabhängigkeit Simbabwes eingetreten, so hätten die Stipendiaten nach Mosambik zurückkehren müssen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Eylmann (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 10 und 11): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß sich ein über 50 v. H. hinausgehender Preisverfall auf den Sauerkirschmarkt, wie er im Jahr 1984 in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen war, 1985 auf keinen Fall wiederholen darf, wenn verhindert werden soll, daß ein erheblicher Teil der Marktobst anbauenden Betriebe in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt? Welche Schritte hat die Bundesregierung bislang unternommen, um eine solche Krise auf dem Sauerkirschmarkt 1985 zu verhindern, und was wird sie insbesondere tun, um die Sauerkirschimporte aus Jugoslawien, die 1984 entscheidend zum Preisverfall beigetragen haben, zu stoppen? Zu Frage 10: Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß eine Wiederholung der vorjährigen Krise auf dem Sauerkirschenmarkt im Interesse der deutschen Erzeuger und Verarbeiter von Sauerkirschen vermieden werden muß. Zu Frage 11: Die Bundesregierung hatte im Vorjahr die Schwierigkeiten auf dem Sauerkirschenmarkt erkannt und sofort die erforderlichen Schritte unternommen. Sie hat die EG-Kommission seit Juni 1984 auf den verschiedensten Ebenen wiederholt um wirksame Maßnahmen zur Beseitigung der Marktstörungen gebeten, die unter anderem durch steigende Einfuhren von tiefgekühlten und verarbeiteten Sauerkirschen aus Jugoslawien zu äußerst niedrigen Preisen verursacht wurden. Die EG-Kommission hat im vergangenen Jahr den Antrag der Bundesregierung auf Aussetzung der Einfuhren von Sauerkirschenerzeugnissen aus Jugoslawien abgelehnt. Sie hat der Bundesregierung ebenfalls untersagt, die von ihr geplante einmalige Beihilfe für die Einlagerung von Sauerkirschen zu gewähren, da sie die deutschen Erzeuger zum Nachteil der anderen Erzeuger der EG bevorteile. Die Bundesregierung setzt sich in Brüssel mit Nachdruck dafür ein, daß möglichst bald geeignete Maßnahmen getroffen werden, um eine Wiederholung oder Fortsetzung der Krise auf dem Markt für frische und verarbeitete Sauerkirschen zu vermeiden. Sie hat die EG-Kommission aufgefordert, einen 9238* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1985 Verordnungsvorschlag zur Einführung einer Lizenz- und Kautionspflicht für die Einfuhr von allen Sauerkirschenerzeugnissen vorzulegen. Die EG-Kommission hat inzwischen einen solchen Vorschlag vorgelegt. Außerdem hat die Bundesregierung die EG-Kommission aufgefordert, mit Jugoslawien Absprachen über den Markt nicht störende Preise und Mengen für die Einfuhr von Sauerkirschen zu treffen. Die Einfuhrmengen sollten sich an dem Durchschnitt der Einfuhren der Jahre 1981-1983 und die Mindesteinfuhrpreise an dem in der EG im Rahmen der Produktionsbeihilfenregelung geltenden Erzeugermindestpreis zuzüglich der jeweiligen Verarbeitungskosten orientieren. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 14 und 15): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die europäischen Zuckerunternehmen Beghin-Say und Ferruzzi-Eridiana ein gemeinsames Werk in den USA zur Herstellung von 1,6 Millionen Hektoliter Äthanol planen, wobei der Alkohol auch als Zusatz für bleifreies Benzin verwendet werden soll, daß die Mineralölfirma Texaco im Rahmen eines mehrjährigen Vertrages sich bereiterklärt hat, 50 v.H. der Alkoholproduktion dieses Werkes abzunehmen, und welche Folgerungen zieht sie gegebenenfalls daraus? Ist der Bundesregierung bekannt, daß Beghin-Say zwei Werke in den französischen Departements Marne und Nord umrüsten will, um dort die Produktion von ca. 15 Millionen Hektoliter Bioalkohol zu erzeugen, mit denen ca. 7 v. H. des Vergasertreibstoffes in Frankreich ersetzt werden kann, und welche Möglichkeiten bestehen nach Auffassung der Bundesregierung, den Einsatz von Alkohol in Vergasertreibstoff in der Bundesrepublik Deutschland und durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen auch in der EG voranzubringen? Zu Frage 14: Die beiden Informationen, die in Ihrer Frage enthalten sind, sind auch der Bundesregierung, vermutlich aus denselben Presseveröffentlichungen wie auch Ihnen bekannt (AGRA EUROPE 8/85 vom 25. Februar 1985 und Ernährungsdienst — Deutsche Getreidezeitung vom 23. Februar 1985). Die wirtschaftliche Aktivität der beiden Unternehmen und die Abnahme von 50 % der geplanten Alkoholproduktion durch die Firma Texaco ist verständlich unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie sie auf dem US-amerikanischen Markt vorhanden sind. Die Erzeugung von Ethanol zur Verwendung als Kraftstoffbeimischung wird in den USA in erheblichem Umfang staatlich gefördert. So wirkt sich der Erlaß an Mineralölsteuer für Gasohol (10 % — Ethanolbeimischung) je nach Bundesstaat in der Weise aus, daß Ethanol mit bis zu 0,24 Dollar je Liter subventioniert wird. Darüber hinaus wird die Ethanolerzeugung in USA dadurch begünstigt, daß die Agrarrohstoffe — vielleicht abgesehen von der jetzt durch den Dollarkurs bedingten Situation — billiger sind als in der EG. Da in den USA fast ausschließlich Mais zu Alkohol verarbeitet wird, fällt in Form des Corngluten-feed ein hochwertiges Futtermittel an, dessen Erlös die Wettbewerbsfähigkeit von Ethanol erheblich stützt. Dies ist der wesentliche wirtschaftliche Hintergrund für diese Verwendungsmöglichkeit und auch für wirtschaftliches Engagement privatwirtschaftlicher Unternehmen. Für die Bundesrepublik Deutschland, die agrarpolitisch durch den EG-Agrarmarkt bestimmt wird, sind die in den USA günstigeren ökonomischen Voraussetzungen für eine Bioethanolwirtschaft noch nicht gegeben. Erschwerend kommt hinzu, daß eine politische Weichenstellung in Richtung auf die Verwendung von Bioethanol im Kraftstoffsektor EG-einheitlich erfolgen muß. Zu Frage 15: Diese Frage steht in engem Zusammenhang mit der Frage nach den Aktivitäten der beiden genannten Firmen in den USA und geht auf die gleichen Presseverlautbarungen zurück. Nach den uns vorliegenden Quellen sollen allerdings die beabsichtigten zwei Produktionsanlagen zusammen nicht 15 Millionen hl, sondern nur 3 Millionen hl Bioalkohol produzieren. Die Verwendung von Ethanol als Kraftstoffkomponente im europäischen Markt ist ebenso wie in den USA bei der derzeitigen Marktlage nur mit staatlicher Förderung realisierbar. Da die agrarischen Rohstoffe in der EG teurer sind als in den USA, ist auch das zu überbrückende Wettbewerbsdefizit in Europa entsprechend größer. Die erforderlichen finanziellen Aufwendungen zum Ausgleich des Wettbewerbsdefizits können ganz oder teilweise zu Lasten der landwirtschaftlichen Erzeuger, der Kraftstoffverbraucher oder der Steuerzahler gehen. Die Bundesregierung hat in ihren Gesprächen mit der Kommission angeregt, zur Verwendung von Ethanol als Kraftstoffkomponente konzeptionelle Überlegungen anzustellen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß dies in der Kommission der EG auch zur Zeit geschieht. In diesem Zusammenhang kann darauf hingewiesen werden, daß die EG-Richtlinie zur Einsparung von Rohöl durch Verwendung von Ersatz-Kraftstoffkomponenten im Benzin, zu denen auch Alkohole gehören, kurz vor der Verabschiedung steht. In meinem Haus ist eine Arbeitsgruppe aus Beamten und Wissenschaftlern eingesetzt worden mit dem Ziel, bis zum Ende des Jahres 1985 politischadministrative Lösungsvorschläge vorzulegen, wie Ethanol unter europäischen Verhältnissen in den Kraftstoffsektor eingeführt werden könnte. Im übrigen verweise ich auf die umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsbemühungen zur technischen und ökonomischen Optimierung der Herstellung und Verwendung von Ethanol im Rahmen der sogenannten Vorsorgepolitik, deren Ergebnisse ich bis Ende 1986 erwarte. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1985 9239* Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordenten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) (Drucksache 10/2987 Fragen 27 und 28): Wie hoch beziffert die Bundesregierung die auf Grund der Schwarzarbeit entstehenden Ausfälle in der gesetzlichen Sozialversicherung sowie beim Steueraufkommen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Einsatz illegaler Bauarbeiter aus Nachbarländern auf deutschen Baustellen zu verhindern? Zu Frage 27: Es entspricht dem Wesen der Schwarzarbeit, daß sie heimlich vorgenommen wird. Der Umfang der Schwarzarbeit, deren Bekämpfung Aufgabe von Landesbehörden ist, entzieht sich daher der genauen Erfassung. Lediglich die aufgedeckten Fälle von Schwarzarbeit sind bekannt. Insoweit darf ich auf den Fünften Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sowie über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung verweisen, der dem Deutschen Bundestag am 31. August 1984 zugeleitet wurde (BT-Drucksache 10/1934). Der Bundesregierung sind Schätzungen bekannt, nach denen zwischen 100 000 und 500 000 Arbeitsplätze durch Schwarzarbeit verloren gehen. Diese Schätzungen sind aber umstritten. Ob eine der Schätzungen zutrifft, kann die Bundesregierung nicht beurteilen. Es läßt sich nur sagen, daß je 10 000 Arbeitsplätze, die durch Schwarzarbeit verloren gehen, ca. 136 Millionen DM Ausfälle in der Sozialversicherung, und zwar ca. 70 Millionen DM in der Rentenversicherung, ca. 45 Millionen DM in der Krankenversicherung, ca. 15 Millionen DM in der Arbeitslosenversicherung, ca. 6 Millionen DM in der Unfallversicherung und ca. 165 Millionen DM Ausfälle im Steueraufkommen entstehen. Zu Frage 28: Die gesetzlichen Bestimmungen reichen im wesentlichen aus, um gegen die Tätigkeit illegaler Bauarbeiter aus den Nachbarländern auf deutschen Baustellen einschreiten zu können. Zur Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen bedarf es aber wirkungsvoller Überprüfungen auf den Baustellen. Aufgrund des Gesetzes zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung hat die Bundesanstalt für Arbeit ein bundesweites Netz von Bearbeitungsstellen zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung in 25 ausgewählten Stützpunktarbeitsämtern eingerichtet. Im Jahre 1984 standen 259 Planstellen zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung zur Verfügung. Für das Haushaltsjahr 1985 hat die Bundesregierung der Bundesanstalt für Arbeit zusätzliche 59 Plankräfte bewilligt; zu den 25 Bearbeitungsstellen werden 4 neue eingerichtet, darüber eine in Aachen, die insbesondere die grenzüberschreitende illegale Beschäftigung aus Belgien und den Niederlanden bekämpfen wird. Um der Öffentlichkeit die Sozialschädlichkeit der illegalen Ausländerbeschäftigung zu verdeutlichen, wird in der für 1985 vorbereiteten Informationskampagne gegen illegale Beschäftigung, an der auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und die Bundesanstalt für Arbeit beteiligt sind, die illegale Ausländerbeschäftigung besonders heraugestellt. In einer Zeit des Abbaus der Grenzkontrollen und der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft können die deutschen Dienststellen allein die Tätigkeit illegaler Bauarbeiter aus den Nachbarländern nicht verhindern. Daher wurde die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, insbesondere mit Frankreich und den Niederlanden in den letzten Jahren laufend verstärkt; sie wird weiter verbessert. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Amling (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 30): Ist die Bundesregierung angesichts der auf Rekordniveau verharrenden Massenarbeitslosigkeit bereit, die vom Verwaltungsausschuß der Bundesanstalt für Arbeit mit Schreiben vom 6. Dezember 1984 u. a. dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gegebenen Anregungen für eine Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes in ihrer Gesamtheit aufzugreifen, und falls dies nicht der Fall ist, mit welcher Begründung werden welche dort gemachten Einzelvorgänge von der Bundesregierung abgelehnt? Die Anregungen des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit betreffen Strukturverbesserungen im Bereich der Arbeitsförderung und der Arbeitslosenversicherung. Einigen Anregungen wurde bereits durch gesetzgeberische Initiativen Rechnung getragen. Durch das Arbeitsförderungs- und Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1984 wurde für ältere Arbeitnehmer die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auf 18 Monate verlängert. Das Gesetz ist seit dem 1. Januar 1985 in Kraft. Es trägt dazu bei, daß ältere Arbeitnehmer, die in der Regel über lange Zeit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet haben, länger Arbeitslosengeld beziehen. Sie sind nicht mehr auf die niedrigere Arbeitslosenhilfe angewiesen, die von der Bedürftigkeit abhängt. Darüber hinaus sollen für Eltern, die wegen Erziehung und Betreuung von Kindern zeitweise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, die Voraussetzungen für den Bezug von Unterhaltsgeld bei Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen erleichtert werden. Die Frist von drei Jahren, innerhalb derer eine zweijährige beitragspflichtige Beschäftigungszeit erforderlich ist, wird für jedes betreute Kind um 5 Jahre verlängert. Bislang konnten nur Betreuungszeiten bis zum 4. Lebensjahr des Kindes und bei mehreren Kindern bis zum 4. Lebensjahr des jüngsten Kindes berücksichtigt werden. Ein entsprechender Antrag ist von den Koalitionsfraktionen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages eingebracht worden. 9240* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1985 Gleichzeitig soll allen Unterhaltsgeldberechtigten der Zugang zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eröffnet werden. Dadurch kann die Wiedereingliederung auch durch eine berufliche Tätigkeit im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erfolgen. Diese Maßnahmen werden mit Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes wirksam werden. Hinsichtlich weiterer gesetzlicher Änderungen möchte ich darauf hinweisen, daß zwar die gesetzgeberischen Arbeiten zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte abgeschlossen werden konnten, es aber vermieden werden muß, die damit erzielten Erfolge wieder in Gefahr zu bringen. Bei ausgabewirksamen Vorschlägen bedarf es daher einer sorgfältigen politischen Abwägung zwischen den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Notwendigkeiten mit den Zielen ausgewogener Haushaltspolitik. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/2987 Frage 31): Warum sind die ostbayerischen Arbeitsämter bei der Zuteilung von Arbeitsbeschaffungsmitteln für das Haushaltsjahr 1985 in der Regel trotz einer allgemeinen Aufstockung der ABM-Mittel schlechter behandelt worden als 1984, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, daß die Zuteilung der ABM-Mittel des Bundes und der Bundesanstalt für Arbeit in den ostbayerischen Arbeitsamtsbezirken nachfragegemäß nachgebessert wird? Ihre Frage richtet sich nicht an die richtige Adresse. Die Verteilung der jährlichen Geldmittel für die Förderung von Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung an die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter ist autonome Angelegenheit der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt hat am 20. Februar 1985 das Mittelkontingent für 1985 den Landesarbeitsämtern zugeteilt. Bei der Mittelzuteilung hat sich der Verwaltungsrat vor allem von dem jeweiligen Zielgruppenanteil und von der jeweiligen Arbeitslosenquote der einzelnen Landesarbeitsamtsbezirke leiten lassen. Auf dieser Grundlage sind auf den Landesarbeitsamtsbezirk Nordbayern, zu dem die ostbayerischen Arbeitsämter gehören, 169 Millionen DM entfallen. Die Verteilung dieser Mittel auf die Arbeitsämter des Bezirks ist jetzt Sache des Verwaltungsausschusses des Landesarbeitsamtes Nordbayern; auf dessen Entscheidung habe ich keinen Einfluß.
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    Rede von Hans-Ulrich Klose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte bestätigt, was wir leider schon wissen: Diese Koalition sieht in Wahrheit trotz wachsender Arbeitslosigkeit überhaupt keinen Handlungsbedarf, nicht einmal im Baubereich, wo die Beschäftigungslage besonders schwierig ist.

    (Zuruf des Abg. Kolb [CDU/CSU])

    Statt zu handeln, ergeht sich diese Regierung in Selbstlob,

    (Beifall bei der SPD)

    empfiehlt uns den amerikanischen MacDonaldismus und appelliert an die Gemeinden, mehr zu investieren.

    (Hornung [CDU/CSU]: Sie sind immer noch bei Marx!)

    Dazu möchte ich gerne eine Bemerkung machen. Es mag ja sein, daß sich die Haushaltslage in einigen Gemeinden stabilisiert hat.

    (Kolb [CDU/CSU]: In Hamburg noch nicht!)

    Aber warum ist das so? — Weil die Gemeinden ihre Investitionen in den letzten Jahren um 25% zurückgefahren, weil sie bei den Personal- und Sachausgaben gespart und die Leistungen für die Bürger reduziert haben. Das ist der Grund, warum es ihnen heute in einigen Fällen besser geht.
    Nach dieser erzwungenen Schrumpfung sagen Sie nun, die Gemeinden sollten mehr investieren. Aber die Gemeinden tun es nicht, weil sie es in Wahrheit immer noch nicht können, denn die Gemeinden sind es doch, die die Kosten der Dauerarbeitslosigkeit zu finanzieren haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Gemeinden werden im übrigen auch mit dem Problem der älteren Menschen, die der Pflege bedürfen, alleingelassen. Und die Gemeinden sind es doch, die die Kosten der Altlasten tragen, die in früheren Jahrzehnten entstanden sind und die Umwelt heute vergiften.

    (Hornung [CDU/CSU]: Die Gemeinden stehen besser da als in früheren Jahren! Begreifen Sie das doch!)

    Hier wäre der Bund gefordert. Hier wäre finanzielle Hilfe nötig und möglich, und zwar beschäftigungswirksame. Nichts von alledem bei dieser Bundesregierung.

    (Hornung [CDU/CSU]: Bei Ihnen braucht man dem Bund nur in die Tasche zu greifen!)

    Die Bundesregierung redet statt dessen unentwegt davon, daß die Gewinnsituation der Unternehmen verbessert werden müsse.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Die Renditesituation! Das ist etwas ganz anderes! — Kolb [CDU/CSU]: Davon hat er keine Ahnung!)

    Mehr Gewinne, mehr Investitionen gleich mehr Beschäftigung, so lautet die Formel.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Rendite!) — Sie brauchen sich nicht aufzuregen.

    In einigen Fällen mag das j a so sein. Aber Sie wissen doch auch, daß etwa 60 % aller Investitionen Rationalisierungsinvestitionen sind,

    (Beifall bei der SPD — Dr. George [CDU/ CSU]: Warum?)

    die das Beschäftigungsproblem nicht lösen, sondern langfristig noch verschärfen.
    Außerdem: Es ist doch nicht so, daß hohe Erträge automatisch investiert würden, wie Sie immer wieder behaupten, sondern sie gehen, wie Beispiele zeigen, oft genug in die Geldanlage, wahrscheinlich in den USA. Geld produziert Geld. Dies zu ändern, meine Damen und Herren, Kapital durch steuerliche Maßnahmen in die Produktion zu lenken, wäre die Aufgabe dieser Regierung.

    (Beifall bei der SPD)

    Betrieben wird statt dessen eine Steuerpolitik, die vor allem jene begünstigt, die schon viel haben.
    Meine Damen und Herren, dem Finanzminister, der nicht anwesend ist, kann man nur raten, statt sich den Kopf über den Spitzensteuersatz zu zerbrechen, zu versuchen, Kapital so zu lenken, daß es beschäftigungswirksam eingesetzt wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Statt die gut und sehr gut verdienende Minderheit zu begünstigen, sollte er durch gerechte Verteilung der Kaufkraft die Kaufkraft der Mehrheit stärken. Das wäre beschäftigungswirksame Steuer- und Finanzpolitik.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Eure uralten marxistischen Rezepte!)

    Was die Bundesregierung betreibt, ist in Wahrheit bestenfalls Haushaltspolitik. Politisch ist es die Fortsetzung der alten Linie: Die Reichen reicher machen und gleichzeitig den Sozialstaat zum Sozialhilfestaat degradieren. Das ist die Wahrheit.

    (Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Bei Ihnen wäre doch gar nichts mehr da!)

    Und diese Wahrheit, sehr geehrter Herr Minister Blüm, kann man weder mit hochrotem Kopf hinwegschreien noch, Herr Kollege Lambsdorff, mit spitzer Zunge und großer Selbstgefälligkeit hinweg-ideologisieren.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lammert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich bedrückt ein bißchen, daß die Leidenschaft unserer Auseinandersetzung zu diesem Thema eher in umgekehrtem Verhältnis zu den vergleichsweise bescheidenen Erfolgen steht, die wir gemeinsam bei dem Bemühen um die Lö-



    Dr. Lammert
    sung dieser Probleme gehabt haben. Da wir doch alle, jeder an seiner Stelle, Mitverantwortung für diese Situation haben, sollten wir eigentlich in der Lage sein, mit einem Mindestmaß an Polemik darüber zu reden, unter welchen Voraussetzungen eine Verbesserung dieser Situation möglich sein könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich denke, die Bewältigung dieser zentralen Herausforderung ist nur möglich, wenn wir bereit sind, die Lektionen der Vergangenheit zu lernen.
    Die erste Lektion, denke ich, die wir in diesem Zusammenhang lernen müssen, ist die, daß eine staatliche Beschäftigungsgarantie und die Erhaltung der Tarifautonomie gleichzeitig nicht zu haben sind.

    (Dr. George [CDU/CSU]: So ist das!)

    Die Zerrüttung des Arbeitsmarktes in den 70er Jahren hat mit der Vollbeschäftigungsgarantie Willy Brandts begonnen. Damals hatten wir 180 000 Arbeitslose bei 700 000 offenen Stellen. Statistisch konnte damals jeder Arbeitslose unter vier offenen Stellen eine aussuchen, um wieder aus Arbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Und als die Sozialdemokraten mit ihrer Regierungskunst und Regierungszeit am Ende waren, hatte sich die Zahl der Arbeitslosen verzehnfacht, und um jede offene Stelle konkurrierten jetzt ungefähr 20 Arbeitslose.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wer war Wirtschaftsminister? — Kolb [CDU/CSU]: Wer hat denn die Richtlinien bestimmt?)

    Wir müssen nüchtern zur Kenntnis nehmen — zweite Lektion —, daß ganz eindeutig in einem System, in dem weder Sie noch wir die Tarifautonomie abschaffen wollen, die erste Verantwortung für die Situation auf dem Arbeitsmarkt bei den Tarifpartnern liegt.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Sehr gut! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Nanu?)

    Solange der Staat die Arbeitszeiten und die Arbeitsentgelte weder regeln kann noch regeln will,

    (Kolb [CDU/CSU]: Noch regeln soll!)

    entscheiden die Tarifpartner durch die Art ihrer Abschlüsse über die Zahl der Arbeitsverhältnisse, die unter den vereinbarten Regelungen zustande kommen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage das — um jedes Mißverständnis zu vermeiden — in Richtung auf beide Seiten, die Arbeitgeber wie die Gewerkschaften. — Ich bin übrigens überhaupt nicht der Meinung, daß dies nur eine Frage der Lohnhöhe sei. Es ist sehr viel eher, wie ich meine, eine Frage der Lohnstruktur;

    (Kolb [CDU/CSU]: Der Lohnnebenkosten!)

    denn wenn ich mir die Zahlen ansehe, muß ich zur Kenntnis nehmen, daß die bereinigte Lohnquote 1982 wieder auf dem Stand angekommen ist, den sie Mitte der 60er Jahre hatte. Das ist nicht das primäre Thema, sondern das Thema ist: Was ist uns eigentlich an Veränderungen eingefallen, welche
    Phantasie haben wir entwickelt, um einen nicht mehr haltbaren, schematisch organisierten Zustand in Bewegung zu bringen, um die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern?

    (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)

    Dritte Lektion. Die Arbeitsmarktlücke der 80er Jahre ist die Folge der Investitionslücke der 70er Jahre.

    (Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

    Wir haben jetzt die Folgen eines massiven Rückganges der Investitionen zu registrieren, die sowohl bei den öffentlichen wie bei den privaten Händen stattgefunden haben. In diesem Zusammenhang handelt es sich nicht nur um ein quantitatives, sondern nicht zuletzt auch um ein qualitatives Problem. Wir haben einen massiven Modernisierungsbedarf in unserer Volkswirtschaft.

    (Roth [SPD]: Das Kapital geht nach Amerika!)

    Wer sich sorgfältig nationale und internationale Untersuchungen ansieht, wird feststellen, lieber Wolfgang Roth, daß der Kapitalstock der deutschen Volkswirtschaft veraltet ist. Wir haben auch im Vergleich zu anderen Jahrzehnten heute in einem erschreckend hohen Maße Ausrüstungsgegenstände, die zehn und mehr Jahre alt sind, so daß es hier einen massiven Modernisierungsbedarf gibt, der durch Maschinenstürmerei und Kassandra-Rufe gegen die Risiken moderner Technologien nicht zu bewältigen ist.

    (Kolb [CDU/CSU]: Maschinensteuer!)

    Laßt uns doch zur Kenntnis nehmen — das gehört auch zu den Lektionen, die wir berücksichtigen müssen —, daß in den Branchen und Regionen, in denen der technologische Fortschritt stattgefunden hat, die Arbeitsmarktsituation wesentlich besser ist als in den Regionen und Branchen, in denen er blockiert, verhindert oder verschlafen worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vierte Bemerkung schließlich. Wir brauchen nicht nur Innovationen bei Produkten und Verfahren, wir brauchen nicht zuletzt auch Innovationen am Arbeitsmarkt. Wir müssen — auch wenn es uns schwer fällt — allesamt, jeder in dem Teil, auf den er Einfluß hat, erstarrte Verhältnisse wieder in Bewegung bringen. Da der Staat durch die Art seiner Arbeitsgesetzgebung, seiner Steuergesetzgebung und seiner Sozialgesetzgebung natürlich auch Einfluß auf die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen nimmt, müssen wir unseren Teil leisten, was wir in Gestalt des Beschäftigungsförderungsgesetzes zu tun versuchen. Wer mit rattenhafter Wut den Status quo verteidigt, kann diese Verhältnisse nicht in Bewegung setzen.

    (Brück [SPD]: Neue Ideen werden doch diskriminiert!)

    Wenn aber die Verhältnisse so miserabel sind, wie
    das auf dem Arbeitsmarkt leider noch immer der
    Fall ist, dann ist nichts weniger zu rechtfertigen als



    Dr. Lammert
    die leichtfertige oder mutwillige Hinnahme dieses Status quo.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)