Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gegen Ende dieser Debatte, die trotz zweier vorliegender Entschließungsanträge wohl doch ein wichtiges Stück Gemeinsamkeit gezeigt hat, möchte ich darauf hinweisen, daß die Not auf dem afrikanischen Kontinent nicht nur von Hunger bestimmt ist und daß ich es bedrückend finde, daß immer erst Hungerkatastrophen das Interesse der breiteren Öffentlichkeit auf Afrika lenken. Wir hätten den Sinn der heutigen Debatte verfehlt, wenn wir nicht ein paar über den unmittelbaren Anlaß hinausreichnde Überlegungen angestellt hätten; denn nicht nur Hunger und Unterentwicklung verursachen das Elend. Afrika ist auch gequält von Rassismus, Kolonialismus, Krieg, Bürgerkrieg und vielfältiger Unterdrückung.
Der Kontinent ist immer noch im Umbruch; er hat die Folgen des Kolonialzeitalters und die Einflüsse der dafür Verantwortlichen noch nicht überwunden. Der Hunger ist keine unvermeidbare Naturkatastrophe, sondern ist von Menschen, von ihrem Handeln und ihrem Unterlassen, gemacht.
Auch ich gehöre nicht zu denen, die über die Fehler der afrikanischen Staaten hinwegsehen und die Verantwortung für alles, was dort geschieht, bei uns suchen. Aber wir dürfen auch nicht darüber hinwegsehen, daß die Industriestaaten des Nordens Afrika bisher keine wirkliche Chance zu einer eigenständigen Entwicklung gegeben haben.
Es ist doch wahr, daß Afrika immer noch als billiger Rohstofflieferant betrachtet wird, der sich gegen seine Ausbeutung nicht einmal wehren kann, und es ist auch wahr, daß die Schablonen des Ost-West-Gegensatzes immer wieder auf afrikanische Länder angewandt werden, die damit nicht das geringste zu tun haben.
Die kritische Ernähungslage in Angola und in Mosambik, der Hunger in Äthiopien, all das hat auch etwas damit zu tun, daß diese Länder in weltpolitische Konflikte gerissen worden sind. Alle Industriestaaten müssen lernen, daß Afrika seinen eigenen politischen Weg finden muß. Der Kampf um Interessensphären darf nicht auf dem Rücken der Menschen ausgetragen werden. Blockfreiheit ist für die Länder Afrikas der richtige Weg, und diese Blockfreiheit muß von allen Seiten respektiert werden. Hilfe kann nicht von politischem Wohlverhalten abhängig gemacht werden.
Meine Damen und Herren, an einem „Tag für Afrika" darf nicht darüber geschwiegen werden, daß dieser Kontinent mit Waffen auch aus diesem Land vollgestopft wird,
daß im südlichen Afrika immer noch Rassismus und Kolonialismus triumphieren und daß sich die Demokratie in Afrika insgesamt auf dem Rückzug befindet. Wer am Rüstungsexport nach Afrika verdient, ist ja wohl bekannt, und daß die wachsenden Rüstungsausgaben in Afrika die Kraft zur Bewältigung der Entwicklungsprobleme schwächen, ist unzweifelhaft wahr. Ich frage mich, warum der Internationale Währungsfonds bei Umschuldungsaktionen und Kreditvergaben nicht die Senkung der Rüstungsausgaben statt der Senkung von Sozialausgaben zur Bedingung gemacht hat.
Über die Verantwortung der Republik Südafrika für die Instabilität der gesamten Region muß immer wieder gesprochen werden. Daß Länder, die nicht nur sich, sondern auch andere ernähren könnten, heute gegen Hungersnöte kämpfen müssen, ist die Folge von Bürgerkriegen, die immer noch von Südafrika her gefördert werden.
Was Demokratie angeht: Auch hier muß Afrika seine eigene, der afrikanischen Kultur gemäße Form finden. Entscheidend für uns ist, daß die Menschenrechte beachtet werden. Zu diesen Menschenrechten gehören auch so elementare Rechte wie die Freiheit von Hunger und Elend.
Wo eine menschenwürdige Existenz möglich ist, da werden auch Regierungsformen entstehen, die das heute in Afrika vorherrschende Modell der Militärregierung ablösen.
Wir können einen Beitrag leisten, um Afrika, einem Kontinent, der in Hoffnungslosigkeit zu versinken droht, eine Zukunft zu geben. Aber dieser Beitrag kann sich nicht in Katastrophenhilfe erschöpfen. Eine langfristige, zu Leistungen und Opfern bereite Zusammenarbeit tut not, um in Afrika die Strukturen zu schaffen, in denen die Menschen wirklich überleben können.
Danke schön.