Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Welt werden täglich über 50 000 Hektar Wald vernichtet. Der Wald wird gerodet, um Felder zu bestellen oder um Kaffee, Tee, Bananen, Baumwolle und ähnliches darauf zu pflanzen, oder er wird gerodet, weil das Holz als einzige Energiequelle gebraucht wird. 50 000 Hektar Wald pro Tag — das sind fast 40 Hektar in der Minute oder 20 Millionen Hektar im Jahr. Das ist eine Fläche, die der Fläche der Bundesrepublik Deutschland entspricht.
Am selben Tag sterben 40 000 Kinder an Hunger.
Warum sage ich das? Weil ich den engen und unauflösbaren Zusammenhang zwischen der Vernichtung der ökologischen Grundlagen und dem Hunger herausstellen will. Dieser Zusammenhang gilt nicht nur für Afrika; er gilt für alle Entwicklungsländer in Asien und Südamerika, ja, er gilt selbst für Europa.
Die Menschheit muß daraus endlich die Lehre ziehen und handeln. Dabei reicht es nicht aus, 1985 zum Jahr des Waldes zu deklarieren, sondern es muß jetzt eine ungeheure Anstrengung unternommen werden zur Eindämmung der Urwaldvernichtung, zur Wiederbepflanzung verödeter Landstriche und Regionen mit Baumkulturen.
Die Dürregebiete in Afrika, vor allem im Sahel, benötigen 50 Millionen Hektar solcher Baumkulturen. Dann könnte die Ausbreitung der Wüste aufgehalten, die Trockenheit gemindert und der Hunger gelindert werden.
Dürrekatastrophen und Insektenschwärme hat es in der Geschichte schon immer gegeben. Aber sie wurden erst so katastrophal, nachdem der Mensch die ökologische Substanz zerstört hatte.
Ich möchte noch auf einen zweiten Zusammenhang hinweisen: Das ist der Zusammenhang zwischen der Art der Landbewirtschaftung und dem Hunger. Statt Kaffee, Baumwolle, Erdbeeren usw. muß der afrikanische Boden Reis, Mais, Hirse hervorbringen. Nur 26 % des Bodens in Afrika sind richtig bestellt. Die Gesamtfläche würde ausreichen, alle Hungernden in Afrika zu ernähren.
In Afrika können nur kleinbäuerliche Betriebe zu entsprechenden Ernten kommen. Deshalb müssen die Staaten dort auch selbst dafür sorgen, daß die Bauern eine Chance haben, ihren eigenen Boden zu bestellen und ihre Produkte im eigenen Land mit Gewinn zu verkaufen.
Kolchosen sind schon aus den soziokulturellen Strukturen heraus von vornherein zum Tode verurteilt. Unsere Entwicklungspolitik muß darauf zielen, diese Erkenntnis im politischen Dialog mit den Partnern durchzusetzen. Es ist deshalb gut, daß der Entwicklungsminister, Herr Warnke, auf der Grünen Woche in Berlin die Wirtschafts-, Planungs- und Finanzminister von 16 afrikanischen Staaten teilnehmen läßt und mit ihnen sprechen will.
Aber auch wir können etwas tun. Wir müssen die integrierte ländliche Entwicklung noch mehr zum obersten Ziel unserer Entwicklungspolitik machen: Millionen von kleinen Produkten, Millionen Hilfe für die Selbsthilfe statt eines Millionenprojekts.
Schließlich ein dritter Zusammenhang, der mindestens genauso wichtig ist wie die bisher genannten Zusammenhänge: Das ist der Zusammenhang zwischen Hunger, Elend und Überbevölkerung. Ohne Familienplanung und Geburtenkontrolle werden alle Anstrengungen der Entwicklungshilfe wirken wie in ein Faß ohne Boden hineingegossen.
Ohne eine Politik, die auch diese Fragen in den politischen Dialog mit den Partnern einführt und mit der ländlichen Entwicklung verknüpft, werden bei verbesserter medizinischer Versorgung immer mehr Kinder geboren, damit immer mehr Kinder Hungers sterben müssen.
Deutschland spendet für Afrika — das jetzt durchgeführte Nothilfeprogramm ist äußerst wichtig und wertvoll. Aber es kostet fünfmal soviel, wie die ländliche Entwicklung gekostet hätte, welche die Nahrungsmittelhilfe überflüssig gemacht hätte.
Ohne Erkenntnis dieser Zusammenhänge, meine Damen und Herren, ist langfristig wirksame Entwicklungshilfe nicht möglich. Sie ist dann soviel wert wie Schnee für Afrika.