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ID1011504200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/115 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 115. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Inhalt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1985 — Drucksache 10/2705 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1984) sowie das Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1985 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis 1998 — Drucksache 10/2235 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz) — Drucksache 10/2677 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1985) — Drucksache 10/2608 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8543 A Frau Fuchs (Köln) SPD 8550 B Seehofer CDU/CSU 8554 C Frau Potthast GRÜNE 8557 D, 8573 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 8560 D Dr. Apel SPD 8563 A Fink, Senator des Landes Berlin . . . 8564 D Heyenn SPD 8566 D Feilcke CDU/CSU 8571A Cronenberg (Arnsberg) FDP 8574C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 8577 C Glombig SPD 8579 B Günther CDU/CSU 8583 C Heyenn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8586A Nächste Sitzung 8586 B Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8587* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 8587*B Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8543 115. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bastian 18. 1. Dr. Bugl 18. 1. Büchner (Speyer) * 18. 1. Bühler (Bruchsal) 18. 1. Clemens 18. 1. Egert 18. 1. Eylmann 18. 1. Dr. Feldmann 18. 1. Frau Geiger 18. 1. Dr. Götz 18. 1. Grünbeck 18. 1. Haar 18. 1. von Hammerstein 18. 1. Dr. Hauff 18. 1. Huonker 18. 1. Dr. Jahn (Münster) 18. 1. Jansen 18. 1. Jaunich 18. 1. Frau Kelly 18. 1. Kretkowski 18. 1. Dr. Marx 18. 1. Link (Diepholz) 18. 1. Nelle 18. 1. Neumann (Bramsche) 18. 1. Reddemann* 18. 1. Reuschenbach 18. 1. Reuter 18. 1. Rode (Wietzen) 18.1. Schmidt (Hamburg) 18. 1. Schneider (Berlin) 18. 1. Schröer (Mülheim) 18. 1. Schulte (Unna) * 18. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 18.1. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 1. Dr. Stoltenberg 18. 1. Voigt (Sonthofen) 18. 1. Dr. Waigel 18. 1. Wischnewski 18. 1. Frau Dr. Wisniewski 18. 1. Wolfram (Recklinghausen) 18. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Gesetz über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an das Saarland Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung (Krankenhaus-Neuordnungsgesetz - KHNG) Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes und der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitsförderungs- und Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) Anlagen zum Stenographischen Bericht Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen Drittes Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Zehntes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zu dem Vertrag vom 13. März 1984 zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften bezüglich Grönlands Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Mai 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß- und Erbschaftsteuern in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 20. Januar 1984 Gesetz zu dem Vertrag vom 25. Juni 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Sultanat Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung angenommen: Der Bundesrat hält es für unverzichtbar, daß im Bundeshaushalt auch künftig an der Vorveranschlagung der Finanzhilfen des Bundes für die Wohnungsbau- und die Städtebauförderung festgehalten wird, solange nicht entsprechende Entscheidungen über den Abbau der Mischfinanzierungen und zur Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit auf die Länder getroffen sind. Da der Bund von den Ländern Mitleistungen in bestimmter Mindesthöhe verlangt, müssen die Länder schon während der Aufstellung ihrer Haushalte die Höhe der zu erwartenden Bundesfinanzhilfen kennen. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß ein ausreichendes finanzielles Engagement des Bundes im Wohnungs- und Städtebau entsprechend den bisherigen Anteilsverhältnissen der Bund-/Länder-Finanzierung unverzichtbar ist, bis ein Einvernehmen zwischen Bund und Ländern über eine Entflechtung dieses Mischfinanzierungsbereiches einschließlich eines vollen finanziellen Ausgleichs hergestellt ist. Einen einseitigen Rückzug des Bundes aus der gemeinsamen Finanzierung des Wohnungs- und Städtebaus darf es nicht geben. Insbesondere erwartet der Bundesrat, daß der Bund die im Bundeshaushalt 1985 ausgebrachten Baudarlehensmittel von 510 Mio. DM nicht weiter kürzt, sondern tatsächlich in dieser Höhe bereitstellt. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 3. Vier- teljahr des Haushaltsjahres 1984 (Drucksache 10/2592) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - (Drucksache 10/2640) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 836 01 - Erhöhung des Kapitalanteils der Bundesrepublik Deutschland an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) -(Drucksache 10/2650) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben im Haushaltsjahr 1984 bei a) Kap. 10 02 Tit. 656 53 - Landabgaberente - und b) Kap. 10 02 Tit. 656 55 - Krankenversicherung der Landwirte - (Drucksache 10/2651) zuständig: Haushaltsausschuß 8588* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Unterrichtung durch die Delegation der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union über die 72. Jahreskonferenz der IPU vom 24. bis 29. September 1984 in Genf (Drucksache 10/2548) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April bis September 1984) (Drucksache 10/2603) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes — Bericht 1984 des Bundesministers für Verkehr über die Jahre 1982 und 1983 — (Drucksache 10/2624) zuständig: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen (federführend) Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Formaldehyd — Gemeinsamer Bericht des Bundesgesundheitsamtes, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und des Umweltbundesamtes unter Beteiligung der Bundesanstalt für Materialprüfung, der Biologischen Bundesanstalt und des Vorsitzenden der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft — (Drucksache 10/2602) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Einfuhrbeschränkung der USA für Stahlröhren aus der EG (Drucksache 10/2683) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu dem 13. Bericht der Europäischen Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Wettbewerbspolitik (Drucksache 10/2691) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Einundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache 10/2721) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. April 1985 vorzulegen Die Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 15. Januar 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Annahme eines mehrjährigen Forschungsaktionsprogramms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet der Biotechnologie (1985-1989) (Drucksache 10/1691 Nr. 22) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 13. Dezember 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag einer Verordnung des Rates mit besonderen Übergangsmaßnahmen für die Ernennung von 56 am Sitz der Europäischen Gesellschaft für Zusammenarbeit tätigen Bediensteten zu Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 9/1950 Nr. 53, 10/358 Nr. 20)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Horst Günther


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr bemerkenswert, wenn ein sozialdemokratischer Kollege so viel rot bekommt, daß er dann hier abtritt. Nehmen Sie dies, Kollege Glombig, als Ergänzung zu den Eingangssätzen, die Sie gesagt haben: daß hier offensichtlich eine Müdigkeit eingetreten ist. Nun ist der eine oder der andere vielleicht aufgeweckt worden.
    Kollege Glombig, Sie haben gesagt, die anstehenden Gesetzentwürfe sollten wohl die große Wende in der Rentenversicherung einleiten. Ich sage Ihnen: Eine große Wende in der Rentenversicherung haben wir gar nicht vor, denn wir wollen weder das System abschaffen noch grundlegende Änderungen vornehmen, es sei denn, Sie bezeichnen die Einführung von Kindererziehungszeiten ins Rentenrecht als große Wende; da würde ich Ihnen allerdings zustimmen. Sie haben j a auf diesem Sektor nichts zustande gebracht.
    Frau Kollegin Fuchs, wenn Sie hier mit allem Eifer, der Ihnen manchmal anhaftet — wo ist sie? ich glaube, sie ist gar nicht mehr da —,

    (Zurufe von der SPD: Doch!)

    hier erklären „Wir werden alles mobilisieren, was möglich ist, um allen diese Kindererziehungszeiten zukommen zu lassen", so darf ich Sie doch daran erinnern, daß Sie in der letzten Zeit, in der Sie noch die Regierung getragen haben, nämlich 1981 oder 1982 — das weiß ich nicht mehr so genau, aber jedenfalls in dieser Zeit —, beim Bundeskanzler Schmidt vorstellig geworden sind und Kindererziehungszeiten finanziert haben wollten. Der damalige Bundeskanzler hat das abgelehnt; er hat erklärt, das sei nicht zu finanzieren. Ich halte es daher für unangemessen, jetzt diesen Theaterdonner zu veranstalten.
    Für unangemessen halte ich es auch, wenn Sie, Kollege Glombig, sagen, im Rentenrecht sei jetzt ein heilloses Durcheinander entstanden. Dazu will ich nur sagen, daß solche Vorwürfe allenfalls geeignet sind, die Rentner draußen verrückt zu machen. Ich glaube, wir sollten alles tun, um die Rentner vor solchen Dingen zu bewahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich auch daran erinnern, daß die Sozialdemokraten es waren, die seit dem 12. März 1975, also mehr als sieben Jahre, unter ihrer Verantwortung, das Urteil



    Günther
    des Bundesverfassungsgerichts liegengelassen haben und nichts in den Dingen getan haben, die wir jetzt in zwei Jahren auf den Weg bringen mußten, weil die Fristen sonst abgelaufen wären. Das ist auch der Grund, Kollege Glombig, warum man das mit der großen Reform in dieser kurzen Zeit nicht koppeln kann. Dafür brauchen wir etwas mehr Zeit.
    Meine Kolleginnen und Kollegen, die anstehenden Gesetzentwürfe, die mit größter Sorgfalt und ohne Hast beraten und diskutiert werden müssen, lassen weder Polemik noch ein Aufhetzen der Rentner zu. Was sich in der augenblicklichen, ich gebe zu, aktuellen Debatte um die Renten in der Diskussion befindet, die leider auch von Teilen der Medien so geführt wird, erinnert an ein erbärmliches Schauspiel auf dem Rücken und mit den Sorgen der älteren Mitbürger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage den Rentnern hier in aller Klarheit, daß im Vorfeld von Landtagswahlen in Berlin — wir haben hier heute ja schon ein Schauspiel in dieser Frage erleben können, das wir uns zu diesen Themen besser sparen sollten —, im Saarland und insbesondere in Nordrhein-Westfalen, sie, die Rentner, als Wahlkampfmunition für die Sozialdemokraten herhalten sollen. Das ist nämlich der wahre Grund, warum hier hinter dem Sachverstand zurück polemisiert wird. Ich räume den Sozialpolitikern der sozialdemokratischen Fraktion gerne Sachverstand in dieser Frage ein.
    Die heute hier zu beratenden Gesetze sind für die überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung außerordentlich wichtig. Alterssicherung ist ein Stück Lebensplanung. Der Gesetzgeber darf das Vertrauen der Rentner und Versicherten in die Alterssicherungssysteme nicht durch kurzfristige Maßnahmen, durch ständige Änderung der Konzeption erschüttern. Seit etwa 1976 ist die gesetzliche Rentenversicherung als wichtigstes Alterssicherungssystem unserer Bevölkerung ins Gerede oder gar in Verruf gekommen. Die aufgetretenen Finanzschwierigkeiten und Probleme wurden mit Sanierungsmaßnahmen bekämpft, die keine nachhaltige Sanierung brachten. Dies blieb auch der heutigen Regierung leider nicht erspart. Auch die Diskussion um die Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung und die Anrechnung von Kindererziehungszeiten hat unter den finanziellen Schwierigkeiten gelitten; denn die seinerzeit allseitig anerkannte Teilhaberente ist zur Zeit nicht finanzierbar, will man die Kostenneutralität der Reform halten — und dafür sind wir.
    Meine Kolleginnen und Kollegen, bei der gegebenen langfristigen Situation der Rentenfinanzen und insbesondere bei den Folgen der demographischen Entwicklung, auf die ich noch einmal besonders aufmerksam machen will, ist Kostenneutralität ein Ziel, an dem unbedingt festgehalten werden muß, auch wenn die Lösung aktueller und langfristiger Rentenversicherungsprobleme dadurch natürlich erheblich erschwert wird.
    Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben vor diesem Hintergrund ein Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetz erarbeitet, das die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Rentenrecht im Hinterbliebenenfall gewährleistet. Gemessen an den politisch hochgezüchteten Wünschen und Forderungen ist dieses Reformwerk, wie zuzugeben ist, natürlich relativ bescheiden. Die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung zwingt uns aber einfach dazu. Wir können keine Verbesserung für Witwen generell gewähren. Wir können keine eigenständige soziale Sicherung der Frau herbeiführen. Vielmehr müssen wir bei der abgeleiteten Rente bleiben. Wir müssen zur Finanzierung im Hinterbliebenenfall sogar eigenes Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen aus bestimmten Alterssicherungssystemen auf die hinzufließende Hinterbliebenenversorgung teilweise ruhend anrechnen.
    Lassen Sie mich hierzu einige Bemerkungen machen. Die Anrechnung — sie ist in dieser Form zwar neu, aber in anderer Form der Rentensicherung durchaus nicht fremd — ist dennoch umstritten. Dies gilt für Erwerbseinkommen, aber mehr noch für Erwerbsersatzeinkommen, z. B. für Leistungen aus der Beamtenversorgung oder aus berufsständischen Versorgungswerken. Die Anrechnung von Leistungen aus der Beamtenversorgung und den berufsständischen Versorgungswerken wird ja auch von den Verbänden der Betroffenen heftig kritisiert. Ich will dies fairerweise hier auch sagen. Ich gehe davon aus, daß die in der Diskussion besonders umstrittene Frage der Anrechnung im Gesetzgebungsverfahren so formuliert wird — dies sage ich insbesondere auch an die Regierung —, daß wir nicht in wenigen Jahren Korrekturen vornehmen müssen. Im übrigen — darauf möchte ich ebenso hinweisen — enthält auch das Konzept der Teilhaberente nach dem Rentenreformgesetz 1985 der sozialdemokratischen Fraktion eine systemübergreifende Anrechnung; denn neben der „rentenversicherungsinternen Teilhaberente" sieht das Konzept der SPD zusätzlich eine solche „systemübergreifende Teilhaberente" vor. Klar ist, daß eine Nichtanrechnung zu sozialpolitisch unerwünschten Ergebnissen führt, wenn ein Ehepaar in zwei oder mehr Alterssicherungssystemen versichert ist. Die Grundproblematik wird aber voraussichtlich erst nach erfolgter Harmonisierung der Alterssicherungssysteme überhaupt befriedigend gelöst werden können. Ich nehme an, daß wir uns da in diesem Hause einig sind.
    Es gibt meines Erachtens folgende Wege: a) Gleichbehandlung von Mann und Frau im jeweiligen Alterssicherungsrecht oder b) Übertragung des Modells der gesetzlichen Rentenversicherung auf andere Alterssicherungssysteme mit Anrechnung der anderen Einkommen. Der Regierungsentwurf wie der Oppositionsentwurf haben sich für den zweiten Weg entschieden. Eine Harmonisierung der Alterssicherungssysteme wird deshalb — ich möchte das noch einmal sagen — aber nicht überflüssig.
    An dieser Stelle darf ich einige Worte zu einem weiteren umstrittenen Punkt des Regierungsent-
    Deutscher Bundestag — l0. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8585
    Günther
    wurfs sagen, nämlich der Einbeziehung der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Regierungsentwurf sieht eine Übertragung des Modells der gesetzlichen Rentenversicherung auf die gesetzliche Unfallversicherung vor, was von den Berufsgenossenschaften, von den Gewerkschaften und Arbeitgebern als nicht erforderlich angesehen wird. Ich nehme an, wir werden im Laufe der Beratungen auf dieses Problem zurückkommen.
    Lassen Sie mich zum Regierungsentwurf abschließend bemerken, daß hier, nachdem die vorige Regierung die Reform der Hinterbliebenenversorgung also vor sich hergeschoben hat, der jetzige Bundesarbeitsminister einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird, der nach Aussagen der Rentenversicherungsträger zum 1. Januar 1986 in Kraft treten kann, also praktikabel ist, und der. sieht man von vergleichsweise geringen Mehraufwendungen auf Grund von Übergangsregelungen ab, so gut wie kostenneutral ist.
    Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten — das ist hier mehrfach betont worden — gehört zum Konzept der Bundesregierung im Rentenrecht, wird aber hinsichtlich der Finanzierung durch den Bund getragen, was außerordentlich zu begrüßen ist. Kollege Heyenn, in diesem Entwurf sind nicht nur technische Veränderungen, und es gibt auch keine Bedürftigkeitsprüfung. Ich darf Sie herzlich bitten, das noch einmal etwas genauer zu prüfen. Sie haben uns das hier eben vorgeworfen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte nicht versäumen, den umfassenden Rentenreformgesetzentwurf der SPD hier ebenfalls anzusprechen. Die SPD hat, obwohl sie ein im Bundesarbeitsministerium schon zur Zeit der sozialliberalen Koalition erarbeitetes Konzept — das das Licht der Welt aber nicht erblickt hatte — grundlegend überarbeitet hat, ein Reformkonzept vorgelegt, das in dieser Form, mit den vielen Strukturmaßnahmen, überhaupt nicht realisierbar ist. Wir sind der Auffassung, daß eine Reform der Bewertung der beitragslosen Zeiten erforderlich ist. Auch sind wir der Überzeugung, daß eine Änderung der Rentenformel durch Einbau einer bevölkerungspolitischen Komponente und eine Änderung des Bundeszuschusses notwendig sind. Da stimmen wir überein. An entsprechenden Gesetzentwürfen wird, wenn ich richtig informiert bin, bereits im Bundesarbeitsministerium gearbeitet. Es ist aber ebenso klar, daß das notwendige Strukturreformgesetz mit diesen Inhalten in dieser Legislaturperiode weder vom Gesetzgeber gesetzlich fixiert noch von den Rentenversicherungsträgern in die Praxis umgesetzt werden kann. Das wird oft vergessen.
    Inhaltlich zu begrüßen sind aus dem Konzept der SPD die Änderung der Rentenformel, die Orientierung der Bundeszuschüsse an Beiträgen und Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung und — vielleicht haben das noch nicht alle gelesen — die Überlegungen zur Entpolitisierung der Rentenanpassung. Das ist sehr zu begrüßen. Nur darf man sich dann hier in der Debatte und draußen nicht anders verhalten, wenn man gleichzeitig so etwas vorschlägt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber wie gesagt: ich begrüße das sehr und würde das auch im Interesse der Rentner und der Beitragszahler unterstützen.
    Abzulehnen sind jedoch die Konzeption der Rente nach Mindesteinkommen, mit der der Rentenversicherung erhebliche zusätzliche Lasten auferlegt würden — sie würde ein Stück Systemabkehr bedeuten — und die Ausdehnung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf alle Mütter, so schmerzlich das natürlich ist. Sie kennen unsere Argumente. Sie sind hier vorgetragen worden. Ich will nur noch einmal sagen: Die Anrechnung eines Erziehungsjahres für alle Mütter, auch die nicht rentenversicherten, kostet jährlich 5 bis 6 Milliarden DM. 4 bis 5 Milliarden DM kostet die Einbeziehung aller Mütter, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen.
    Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie jetzt sagen, der dickste Brocken für diese Finanzierung solle aus der Umstellung der Beitragsbemessung bei den Arbeitslosen abgeleitet werden, müssen Sie sich erst einmal untereinander einig werden, welche Abteilung das Geld von Ihnen bekommen soll; denn Sie haben vor wenigen Tagen auch vorgeschlagen, daraus solle ein großes Arbeitsbeschaffungsprogramm finanziert werden. Also, man kann dasselbe Geld nicht für mehrere Dinge gleichzeitig ausgeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Feilcke [CDU/CSU]: Das ist für Sozialdemokraten typisch!)

    Das führt dann zu den Dingen, die wir von Ihnen übernommen haben. Der SPD-Entwurf ist deshalb wegen der Überfrachtung auch mit Strukturproblemen, wegen unzureichender Finanzdeckung und vor allem deshalb, weil er wieder einmal mehr verspricht, als gehalten werden kann, abzulehnen.
    Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es wäre wünschenswert, wenn man sich zwischen Regierung und Opposition auf ein Konzept verständigt hätte; vielleicht kommt das noch zustande. Angesichts der Schwierigkeit der Materie braucht das vielleicht auch so seine Zeit.
    Die Unsicherheit der Rentner und Versicherten hinsichtlich der Zukunft des Rentensystems sowie hinsichtlich der Qualität und Quantität ihrer Alterssicherung in den verschiedenen Alterssicherungssystemen wird durch den politischen Streit um die Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung und notwendige Strukturreformmaßnahmen sicherlich noch erhöht. Das Gegenteil, meine Kolleginnen und Kollegen, Sicherheit, Klarheit und Durchschaubarkeit der Regelungen, wäre aber erforderlich.
    Die Unionsfraktionen — dies will ich zum Schluß sagen — lassen sich, meine Kolleginnen und Kollegen, von niemandem darin übertreffen, gerade auch im Rentenrecht größtmögliche Seriosität an den Tag zu legen. Das schließt Schnellschüsse aus.



    Günther
    Lassen Sie uns in Ruhe und Sachlichkeit in die Beratungen gehen. Ich rate insbesondere den Kollegen der SPD, Ihre heute hier teilweise demonstrierte Aufgeregtheit abzulegen und sie wieder durch den sicher vorhandenen Sachverstand zu ersetzen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30 unserer Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Heyenn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günther Heyenn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte dem Bundesarbeitsminister in der Debatte vorgeworfen, er habe bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach seinem Modell Adoptivmütter und -väter nicht berücksichtigt. Herr Blüm hat mich dann durch eine Zwischenfrage darauf hingewiesen, daß dies sehr wohl der Fall sei.
    Nach intensivem Studium des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, das mir von Herrn Blüm empfohlen wurde, möchte ich hier dazu feststellen, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein Kindererziehungsjahr für diese Kinder nur dann vorsieht, wenn sie nach dem 31. 12. 1985 geboren sind. Daher fühle ich mich zu der Feststellung verpflichtet, daß erste Rentenansprüche hieraus so gegen Ende dieses Jahrtausends entstehen dürften, so daß ich mich zu der politischen Schlußfolgerung, daß Adoptivväter und -mütter nicht berücksichtigt wurden, sehr wohl berechtigt fühle.

    (Beifall bei der SPD)