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ID1011500800

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    Plenarprotokoll 10/115 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 115. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Inhalt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1985 — Drucksache 10/2705 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1984) sowie das Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1985 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis 1998 — Drucksache 10/2235 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz) — Drucksache 10/2677 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1985) — Drucksache 10/2608 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8543 A Frau Fuchs (Köln) SPD 8550 B Seehofer CDU/CSU 8554 C Frau Potthast GRÜNE 8557 D, 8573 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 8560 D Dr. Apel SPD 8563 A Fink, Senator des Landes Berlin . . . 8564 D Heyenn SPD 8566 D Feilcke CDU/CSU 8571A Cronenberg (Arnsberg) FDP 8574C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 8577 C Glombig SPD 8579 B Günther CDU/CSU 8583 C Heyenn SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8586A Nächste Sitzung 8586 B Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8587* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 8587*B Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8543 115. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bastian 18. 1. Dr. Bugl 18. 1. Büchner (Speyer) * 18. 1. Bühler (Bruchsal) 18. 1. Clemens 18. 1. Egert 18. 1. Eylmann 18. 1. Dr. Feldmann 18. 1. Frau Geiger 18. 1. Dr. Götz 18. 1. Grünbeck 18. 1. Haar 18. 1. von Hammerstein 18. 1. Dr. Hauff 18. 1. Huonker 18. 1. Dr. Jahn (Münster) 18. 1. Jansen 18. 1. Jaunich 18. 1. Frau Kelly 18. 1. Kretkowski 18. 1. Dr. Marx 18. 1. Link (Diepholz) 18. 1. Nelle 18. 1. Neumann (Bramsche) 18. 1. Reddemann* 18. 1. Reuschenbach 18. 1. Reuter 18. 1. Rode (Wietzen) 18.1. Schmidt (Hamburg) 18. 1. Schneider (Berlin) 18. 1. Schröer (Mülheim) 18. 1. Schulte (Unna) * 18. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 18.1. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 1. Dr. Stoltenberg 18. 1. Voigt (Sonthofen) 18. 1. Dr. Waigel 18. 1. Wischnewski 18. 1. Frau Dr. Wisniewski 18. 1. Wolfram (Recklinghausen) 18. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Gesetz über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an das Saarland Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung (Krankenhaus-Neuordnungsgesetz - KHNG) Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes und der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitsförderungs- und Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) Anlagen zum Stenographischen Bericht Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen Drittes Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Zehntes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zu dem Vertrag vom 13. März 1984 zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften bezüglich Grönlands Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Mai 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß- und Erbschaftsteuern in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 20. Januar 1984 Gesetz zu dem Vertrag vom 25. Juni 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Sultanat Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung angenommen: Der Bundesrat hält es für unverzichtbar, daß im Bundeshaushalt auch künftig an der Vorveranschlagung der Finanzhilfen des Bundes für die Wohnungsbau- und die Städtebauförderung festgehalten wird, solange nicht entsprechende Entscheidungen über den Abbau der Mischfinanzierungen und zur Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit auf die Länder getroffen sind. Da der Bund von den Ländern Mitleistungen in bestimmter Mindesthöhe verlangt, müssen die Länder schon während der Aufstellung ihrer Haushalte die Höhe der zu erwartenden Bundesfinanzhilfen kennen. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß ein ausreichendes finanzielles Engagement des Bundes im Wohnungs- und Städtebau entsprechend den bisherigen Anteilsverhältnissen der Bund-/Länder-Finanzierung unverzichtbar ist, bis ein Einvernehmen zwischen Bund und Ländern über eine Entflechtung dieses Mischfinanzierungsbereiches einschließlich eines vollen finanziellen Ausgleichs hergestellt ist. Einen einseitigen Rückzug des Bundes aus der gemeinsamen Finanzierung des Wohnungs- und Städtebaus darf es nicht geben. Insbesondere erwartet der Bundesrat, daß der Bund die im Bundeshaushalt 1985 ausgebrachten Baudarlehensmittel von 510 Mio. DM nicht weiter kürzt, sondern tatsächlich in dieser Höhe bereitstellt. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 3. Vier- teljahr des Haushaltsjahres 1984 (Drucksache 10/2592) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - (Drucksache 10/2640) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 836 01 - Erhöhung des Kapitalanteils der Bundesrepublik Deutschland an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) -(Drucksache 10/2650) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben im Haushaltsjahr 1984 bei a) Kap. 10 02 Tit. 656 53 - Landabgaberente - und b) Kap. 10 02 Tit. 656 55 - Krankenversicherung der Landwirte - (Drucksache 10/2651) zuständig: Haushaltsausschuß 8588* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 Unterrichtung durch die Delegation der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union über die 72. Jahreskonferenz der IPU vom 24. bis 29. September 1984 in Genf (Drucksache 10/2548) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April bis September 1984) (Drucksache 10/2603) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes — Bericht 1984 des Bundesministers für Verkehr über die Jahre 1982 und 1983 — (Drucksache 10/2624) zuständig: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen (federführend) Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Formaldehyd — Gemeinsamer Bericht des Bundesgesundheitsamtes, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und des Umweltbundesamtes unter Beteiligung der Bundesanstalt für Materialprüfung, der Biologischen Bundesanstalt und des Vorsitzenden der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft — (Drucksache 10/2602) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Einfuhrbeschränkung der USA für Stahlröhren aus der EG (Drucksache 10/2683) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu dem 13. Bericht der Europäischen Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Wettbewerbspolitik (Drucksache 10/2691) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Einundneunzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache 10/2721) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. April 1985 vorzulegen Die Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 15. Januar 1985 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Annahme eines mehrjährigen Forschungsaktionsprogramms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet der Biotechnologie (1985-1989) (Drucksache 10/1691 Nr. 22) Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 13. Dezember 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag einer Verordnung des Rates mit besonderen Übergangsmaßnahmen für die Ernennung von 56 am Sitz der Europäischen Gesellschaft für Zusammenarbeit tätigen Bediensteten zu Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 9/1950 Nr. 53, 10/358 Nr. 20)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gabriele Potthast


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Rentner und Rentnerinnen! 1984, dieses berühmt-berüchtigte Jahr, ist nicht nur als Orwell-Jahr in die Annalen der Geschichte eingegangen, sondern viele dachten dabei auch an die große Rentenreform. Immerhin stand ja seit 1975 fest, daß in dem Jahr 1984 eine Reform erfolgen müßte, und in den neun Jahren stiegen die Erwartungen. Insbesondere wurden diese dadurch geschürt, daß die sozialliberale Regierung mit der Reform des Hinterbliebenenrechts den Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen angekündigt hatte. Was jetzt allerdings auf dem Tisch liegt, sowohl der Entwurf von seiten der Regierung als auch der Entwurf von seiten der SPD, wird dem ehemaligen Anspruch in keinster Weise gerecht.
    „Der Berg kreißte, und geboren ward ein Blümlein", wobei es hier in diesem ach so Hohen Hause eigentlich kein Wunder sein sollte, daß der eigenständigen Alterssicherung von Frauen kein Vorrang eingeräumt wird, ist es doch den meisten Männern und damit der Mehrheit in diesem Haus ein Anliegen, Frauen auch weiterhin als Karrierebegleiterin für sich dienstbar zu machen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Der Skandal, daß Frauen, die tagaus, tagein in einem der reichsten Länder dieses Planeten unbezahlte und unterbezahlte Schwerstarbeit verrichten und verrichtet haben, um im Alter dann immer noch keine eigenständige Alterssicherung zu beziehen, sondern mit den niedrigsten Renten abgespeist



    Frau Potthast
    zu werden, geht in den Medien inzwischen auch ganz unter, weil er von der atemberaubend geringen Rentenanpassung überlagert wird.
    Ich muß allerdings gestehen, daß auch ich die Geschichte der Rentenanpassung überaus spannend finde. Sie liest sich wie eine klassische Tragödie, der man die Überschrift „Die Räuber" geben könnte; ein Lehrbuch über die Möglichkeiten legalen Rentendiebstahls. Mit dem 20. Rentenanpassungsgesetz vom 27. Juli 1977 wurde der Anpassungstermin um ein halbes Jahr verschoben. Mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz vom 25. Juli 1978 wurden die Renten für die Jahre 1979 bis 1981 von der Lohnentwicklung abgekoppelt. Die allgemeine Bemessungsgrundlage der Bruttodurchschnittsverdienste aller Erwerbseinkommen wurde willkürlich um 22 % gesenkt. So konnte der Bundeshaushalt immer wieder auf Kosten der Rentenversicherung saniert werden.
    Die Rentner und Rentnerinnen können beruhigt sein. Noch geht es dem Bundeshaushalt nicht so schlecht, daß überhaupt keine Renten mehr gezahlt werden können. Erst vor kurzem sagte ja auch unser lieber Bundesminister Herr Blüm, daß es keinen Grund gebe, die Rentensicherheit in Frage zu stellen.

    (Dr.-Ing.Kansy [CDU/CSU]: Da ist auch richtig!)

    Die Rentner müßten nicht einen Atemzug lang um ihre Renten bangen. Und wenn Herr Blüm das sagt, dann muß das richtig sein;

    (Richtig! bei der CDU/CSU)

    denn Herr Blüm ist immerhin ein ehrenwerter Mann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

    Wenn den alten Menschen schon im letzten Jahr sinkende Realeinkommen zugemutet werden konnten, warum sollte sich das dann in diesem Jahr ändern? Die Rentenanpassung für 1985 sieht eine Erhöhung von zirka 1,35% bei einer Preissteigerungsrate von 2,5% vor. Das heißt im Klartext, daß Frauen mit einer durchschnittlichen Versichertenrente in der Arbeiterversicherung von 440,30 DM mit einer Erhöhung von 5,94 DM monatlich zu rechnen haben, während sie gleichzeitig für gestiegene Lebenshaltungskosten monatlich rund 11 DM mehr ausgeben müssen. Unser Milchbübchen hat wieder zugeschlagen.
    Dafür kommt natürlich Freude bei anderen Bevölkerungsgruppen auf. So sind die Unternehmensgewinne 1983 um sage und schreibe 14 % und im letzten Jahr um 9 % gestiegen. Ich kann Ihnen versichern: Bei dieser Gewinnsteigerung handelt es sich nicht um läppische 5- oder 10-DM-Beträge.
    In schöner Eintracht finden wir auch dieses Mal wieder eine Riesenkoalition aller etablierten Parteien vor, wenn es um die Erhöhung der Diäten für die Damen und Herren des Deutschen Bundestages geht.

    (Zurufe von der CDU/CSU) Das letzte und dieses Jahr zusammengenommen macht die Diätenerhöhung knapp 600 DM aus. Schon allein das ist ein Skandal; denn das, was seit Jahren passiert, ist ein ungeheuerlicher Rentenbetrug, der schon unter der sozialliberalen Koalition begonnen hat. Das, was seit christdemokratischer Machtübernahme hinzugekommen ist, ist die kaltblütige Arroganz derer, die auf der einen Seite Sozialabbaugesetze machen — unter denen gerade sie nicht zu leiden haben —, während auf der anderen Seite Steuererleichterungen für Besserverdienende, überdurchschnittliche Unternehmergewinne und Diätenerhöhungen für die eigene Tasche zu finden sind.


    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sparpolitik nach dem Sankt-Florian-Prinzip: Verschon mein Haus, zünd andere an! Das ist das politische Motto.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Ich halte ein derartiges Vorgehen für ausgesprochenen Zynismus in einer Zeit, in der immer mehr Menschen in die Armut gedrängt werden.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie sind scheinheilig, Frau Kollegin!)

    Das Modell des Bundesarbeitsministers, bekannt als Hinterbliebenenrente mit Freibetrag, wirkt auf den ersten Blick äußerst attraktiv. Danach werden Männer und Frauen nach dem Tode eines Ehegatten gleichermaßen eine Witwer- und Witwenrente erhalten, wobei der selbst erworbene Rentenanspruch immer in voller Höhe bestehen bleibt. Die Hinterbliebenenrente in Höhe von 60% wird jedoch nur dann voll bezahlt, wenn das eigene Einkommen einen Freibetrag von 900 DM nicht übersteigt. Der über 900 DM liegende Betrag wird bis zu 40 % angerechnet. Mit einer solchen Anrechnung wird eindeutig das Bedürftigkeitsprinzip in die Rentenversicherung eingeführt. Und, Herr Blüm, wir begrüßen das.
    Aber wenn schon das Bedürftigkeitsprinzip eingeführt wird, warum dann nur als Begrenzung der Ansprüche nach oben? Warum nicht in Form einer Anhebung der unteren Rentenansprüche? Ohne daß Sie die niedrigen Rentenansprüche anheben, werden weiterhin Hunderttausende von alten Menschen zusätzlich zu ihrer Rente Sozialhilfe beantragen müssen, weil sie entweder ihre Kinder schonen wollen oder sich schämen, unterhalb des Sozialhilfeniveaus zu leben.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Ihre Lösung ist: Einfach mehr Geld!)

    Das betrifft besonders die Frauen, die aus Trümmern nach dem Krieg Häuser gebaut haben.

    (Feilcke [CDU/CSU]: So wie Sie!) Eine Schande ist das.


    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wie verträgt sich das eigentlich mit dem von Ihnen stets propagierten Prinzip der „Leistung für Gegenleistung" oder mit dem flotten Spruch „Leistung muß sich wieder lohnen" oder, was Sie heute wieder
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Januar 1985 8559
    Frau Potthast
    von sich gegeben haben, „Rente ist Alterslohn für Lebensleistung"?
    Nur über eine Ausdehnung der Rente nach Mindesteinkommen und konsequent erst durch eine Grundrente für alle Bürger und Bürgerinnen kann diese himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit im Rentenrecht beseitigt werden.
    Der ständige Hinweis auf das Versichertenprinzip, sobald die Forderung nach einer Mindestrente kommt, ist überflüssig. Was sagte Graf Lambsdorff vor kurzem über die Rentenversicherung — ich zitiere jetzt einmal mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —: „Es ist keine Versicherung üblicher Art, für die man seine Beiträge bezahlt, die man monatlich mit Zins und Überschuß zurückbekommt, wenn die Rente beginnt ... Tatsächlich ist das Geld, streng nach Gesetz, längst weg, ausgegeben für die Bürger, die schon Rente bekommen haben."
    Mit einer Versicherung hat das Rentensystem also überhaupt nichts zu tun. Und somit kann eine Mindestrente nicht ständig mit dem Hinweis auf Beibehaltung der Beitragsäquivalenz verhindert werden. Die Mindestsicherung ist bislang auch immer mit dem Hinweis darauf abgelehnt worden, daß die Rentenversicherung nicht ermitteln könne, welche weiteren Einkünfte ein Versicherter hat. Auch dieser Grund gegen eine Mindestsicherung entfällt, folgen wir der Logik des Blüm-Modells, da nach dem Regierungsentwurf die Einkommenssituation der Hinterbliebenen auf jeden Fall überprüft werden muß; allerdings mit Einschränkungen, denn nicht angerechnet werden sollen j a Kapitaleinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Einkünfte aus privaten Lebensversicherungen, kurz alle Einkünfte, die dem Slogan „Leistung muß sich wieder lohnen" widersprechen. Mit anderen Worten: Kapitaleinkommen werden, wie üblich, gegenüber Arbeitseinkommen privilegiert.
    Der verwitwete Unternehmer, der in die private Lebensversicherung investiert hat, bekommt also ohne Kürzung die Witwenrente gezahlt, sofern seine Frau eigene Rentenansprüche erworben hat. Wahrlich ein großartiger Beitrag zu mehr Gerechtigkeit! Dagegen muß eine Frau, deren eigene Rente höher als 900 DM ist, Kürzungen in Kauf nehmen. Würden alle Einkünfte angerechnet, so könnte der Freibetrag selbst unter dem Kostenneutralitätsdiktat höher sein, und ein wesentlicher Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit wäre vollbracht. So aber können wir nur hoffen, daß zumindest diese Form von Ungleichbehandlung, die nach wohlbekannter und beliebter Tradition die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben wird.
    Insbesondere bleibt festzuhalten, daß von einer eigenständigen Rente der Frau keine Rede sein kann. Das gleiche gilt natürlich für den Vorschlag der SPD, die das alte Teilhabe-Modell aus der Mottenkiste ihrer Regierungszeit gezogen hat. Hierbei wird vorgeschlagen, daß der oder die Hinterbliebene 70 % der vor oder während der Ehe erworbenen Ansprüche erhält, mindestens aber die Versichertenrente in voller Höhe. Auch dieses Modell ist bekanntermaßen umstritten, da es Frauen, die keine eigenen Rentenansprüche erworben haben, besser stellt, was jedoch angesichts der bestehenden Armut bei alten Frauen erst einmal positiv zu bewerten ist. Problematisch erscheint die Verteilungswirkung. Denn Frauen mit eigenen Rentenansprüchen werden gegenüber denen, die nicht erwerbstätig gewesen sind, benachteiligt. Noch schwerwiegenden ist allerdings, daß auch hier ein grundsätzlich falscher Weg eingeschlagen wird.

    (Zuruf des Abg. Kittelmann [CDU/CSU])

    Zum einen wird durch die Anhebung des Hinterbliebenenrentensatzes die „Hausfrauenehe" gefördert. Zum anderen wird versucht, die materiellen Situationen von alten Frauen dadurch zu verbessern,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Was ist eine Hausfrauenehe?)

    daß die abgeleiteten Ansprüche angehoben werden.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Was ist eine Hausfrauenehe?)

    Das ist fatal, wenn man bedenkt, daß die Hinterbliebenenversorgung auch bei einem erhöhten Satz unzureichend bleibt. Immerhin sind 44 Rentenversicherungsj ahre eines Durchschnittsverdieners nötig, um eine Hinterbliebenenrente zu hinterlassen, die höher ist als das vergleichbare Sozialhilfeniveau. Das heißt, die Witwe eines Mannes, der während seines ganzen Versicherungslebens immer den Durchschnitt aller Versicherten verdient hat, bekommt eine Witwenrente unterhalb der Sozialhilfeleistung, wenn der Mann nur 43 Jahre lang versichert war. Das macht wohl überdeutlich, daß es ohne den Aufbau einer eigenständigen Rente nicht weitergehen darf.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zweifelsohne werden sich berufstätige Frauen bei einer 70 %igen Teilhaberente à la SPD unter dem Strich schlechter stehen, sofern die eigenen Ansprüche mindestens ein Drittel der Ansprüche des Mannes ausmachen. Kein Wunder, daß der DGB — trotz aller Sympathie für den Grundgedanken der Teilhaberente — Blüms Anrechnungsmodell bevorzugt.
    Beiden Entwürfen gemeinsam ist, daß die Situation von Frauen mehr oder weniger verschlechtert wird. Um den Protest dagegen im Vorfeld abzuwürgen, werden Vorschläge für die Anerkennung von Erziehungszeiten gemacht. Doch diese Vorschläge sind lächerlich, was die Zahl der Erziehungsjahre betrifft, und unerhört, was die Bewertung der Arbeit angeht. In beiden Gesetzentwürfen soll die Kindererziehung mit 75 % anerkannt werden, d. h. nicht einmal dem durchschnittlichen Verdienst aller Versicherten soll die Kindererziehung entsprechen, sondern sie soll 25 % weniger wert sein. Und dann steht im Regierungsentwurf: „Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten ist ein entscheidender Beitrag zu einer Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie und der außerhäuslichen Erwerbstätig-



    Frau Potthast
    keit." Fast wäre ich versucht, Herr Blüm, Sie der offensichtlichen Lüge zu bezichtigen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich beschränke mich stattdessen auf den Vorwurf des bewußten Vortäuschens falscher Tatsachen.
    Der unterdurchschnittliche Wert von Erzeihungszeit wird jedenfalls von Ihnen dort festgeschrieben. Sie mögen die 75 % mit Kostenneutralität begründen. Es ist und bleibt ein Ausdruck Ihrer Geringschätzung dieser Arbeit, beleidigend für alle Mütter und erziehenden Väter.
    Was die Dauer der Kindererziehung, die rentenrechtlich berücksichtigt werden soll, angeht, so scheut sich auch hier Herr Blüm nicht, den Frauen Sand in die Augen zu streuen. Herr Blüm, Sie behaupten, es würde ein ganzes Baby-Jahr neu eingeführt. Statt dessen ist es für Frauen, die jetzt Kinder erziehen, meistens nur ein halbes Jahr, weil eben die Zeit des Mutterschaftsurlaubs auf dieses angeblich neue Jahr angerechnet wird.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Hört! Hört!)

    Sie, Herr Blüm, schaffen verschiedene Klassen von kindererziehenden Müttern. Viele Frauen, die Kinder erzogen haben und heute noch erziehen, werden bei folgender Regelung völlig leer ausgehen: Nur bei einer persönlichen Bemessungsgrundlage von weniger als 75 % des durchschnittlichen Bruttoverdienstes aller Versicherten wird diese auf den Prozentsatz von 75 aufgestockt. Frauen dagegen, die, weil sie beispielsweise alleinstehend sind, auch im ersten Lebensjahr des Kindes erwerbstätig sein müssen und das Glück haben, ein höheres Einkommen als 75 % des Durchschnitts zu verdienen, bekommen trotz des Baby-Jahres keine Erziehungszeit anerkannt. Hier ist es unbedingt erforderlich, daß eine Regelung erfolgt, daß das Baby-Jahr mit den eigenen Ansprüchen zur gleichen Zeit kumulieren kann.
    Die Regelung von Herrn Blüm geht von dem Bild der sogenannten „vollständigen Familie" aus. Aber anders ist es von Ihnen j a wohl nicht zu erwarten. Doch das Bild ist anachronistisch. Mittlerweile beträgt die Zahl der Alleinerziehenden nämlich schon 1 Million. Es muß endlich Schluß damit gemacht werden, unverheiratete Mütter rechtlich zu diskriminieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Was die Anzahl der Jahre, die anerkannt werden, betrifft, so behaupten Sie ständig, daß das eine Jahr der Einstieg sein soll. Aber wo ist denn der Terminplan, wann der Einstieg ausgebaut wird? Warum schreiben Sie nicht in das Gesetz hinein, ab wann ein zweites und drittes Jahr anerkannt wird?
    Der größte Skandal aber ist die Begrenzung bei der Anerkennung von Erziehungszeiten auf Frauen ab dem Jahrgang 1921, d. h. der Ausschluß all jener Frauen von der Neuregelung, die als sogenannte Trümmerfrauen irrsinnige Arbeit geleistet haben, um die Lebensbedingungen in Deutschland nach dem Krieg wiederherzustellen. Es geht unserer
    Meinung nach nicht an, daß diese Frauen leer ausgehen.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Und wer zahlt das?)

    — Denn auch dieser Skandal — Sie sagen es ja gerade — wird mit dem Hinweis auf finanzielle Machbarkeit gerechtfertigt.
    Machbar ist dagegen allerdings folgendes: Vor Weihnachten wurde eine Ergänzungsabgabe für Besserverdienende abgelehnt, im letzten Jahr wurden die Unternehmen um mehrere Milliarden DM Vermögensteuer entlastet; Sie stecken Milliarden in die Verkabelung und in Weltraumprojekte, von denen im Endeffekt eine Bedrohung der ganzen Menschheit ausgeht.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Frau Kollegin, das ist Arbeit und damit Rente!)

    Es werden Milliarden in die Rüstungsproduktion und in die Gentechnologie gesteckt, aber für die Anerkennung eines Baby-Jahres in der Rentenversicherung für die Generation unserer Mütter wollen Sie keine Steuermittel verwenden.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: So einfach ist Politik!)

    Ich halte das für unerträglich und fordere alle, insbesondere aber die Frauen des Bundestages auf, dies nicht zuzulassen.
    Unsere Fraktion hat deshalb ein Sofortprogramm zur Eindämmung der Ungerechtigkeit in der Rentenpolitik vorgeschlagen, das vier Punkte umfaßt:
    Erstens Anerkennung von drei Erziehungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung,
    zweitens Anhebung der untersten Rentenleistung zumindest auf Sozialhilfeniveau,
    drittens sofortige Erhöhung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherung um 19 Milliarden DM

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Und viertens: Wie wird das finanziert?)

    und viertens Wiedereinführung der vollen Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitslose in Höhe des ehemaligen Bruttoeinkommens. Sie sollten vielleicht einmal über eine Wertschöpfungssteuer nachdenken, um das finanzieren zu können. Wenn Sie das nämlich berücksichtigten, wäre das ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung.
    Danke.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Adam-Schwaetzer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, das jetzt Klarheit für die Rentner geschaffen worden ist.

    (Horacek [GRÜNE]: Wo denn?)

    Eine Rentenanpassung für 1985, die netto zwischen
    1,1 und 1,4% liegen wird, sichert nach wie vor ein
    Rentenniveau, das weit über dem liegt, mit dem



    Frau Dr. Adam-Schwaetzer
    Rentner in den 60er Jahren zufrieden sein mußten, und das auch noch über dem liegt, mit dem Rentner in den meisten Jahren der 70er Jahre zufrieden sein mußten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die FDP-Fraktion trägt die Entscheidung der Bundesregierung mit. Eine Null vor dem Komma bei der Rentenerhöhung 1985 wäre j a in der Tat ein mageres Ergebnis für die Rentner gewesen. Gerade im Hinblick darauf, daß die jetzige Rentnergeneration die Aufbauleistung nach dem Krieg vollbracht hat, ist es selbstverständlich, daß sie einen sicheren und, gemessen an der Generation ihrer Eltern, komfortablen Lebensabend haben soll.
    Auf der anderen Seite können wir uns natürlich nicht der Tatsache verschließen, daß die finanziellen Probleme der Rentenversicherung durch diese Entscheidung verschärft werden. Die Bundesgarantie wird 1985 und 1986 in einem höheren Umfang als geplant in Anspruch genommen werden müssen. Aber die Auszahlung der Renten ist in jedem Fall gesichert.
    Diese Entscheidung war für die Freien Demokraten aus drei Gründen akzeptabel:
    Erstens. An der Rentenformel wird nicht manipuliert. Natürlich ist die Rentenformel auf Dauer nicht sakrosankt. Der wachsende Anteil der Rentner an der Bevölkerung erzwingt langfristig die Einführung einer Komponente, die auf diese Umstrukturierung in der Bevölkerung Rücksicht nimmt.
    Zweitens. Gestaffelte Krankenversicherungsbeiträge für die Empfänger niedrigerer Renten, wie sie der „Rentenexperte" Stoiber in den letzten Tagen vorgeschlagen hatte, würden von uns nicht mitgetragen werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Was soll das? — Fingerhakeln!)

    Sie sind ja auch nicht beschlossen worden. Denn eine solche Regelung verstößt gegen das Prinzip der Beitragsbezogenheit der Renten.
    Drittens. Wir sind uns mit unserem Koalitionspartner einig, daß die Anhebung des Krankenversicherungsbeitrages nur zeitweilig verschoben wird und nachgeholt werden muß

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Aha!)

    und daß über kurz oder lang der Krankenversicherungsbeitrag der Rentner — wie schon jetzt der Krankenversicherungsbeitrag der Aktiven — aus Gründen der Gleichbehandlung und der Systematik die Hälfte des durchschnittlichen Krankenversicherungsbeitrages ausmachen sollte. Ob sich eine derartige Ausgestaltung in einer oder in mehreren Stufen — und in welchem Zeitraum — vollziehen soll, bedarf noch der Diskussion. Auf jeden Fall darf durch die jetzt getroffene Entscheidung keine langfristige Finanzierungslücke in der Rentenversicherung entstehen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die bestehenden Liquiditätsprobleme in der Rentenversicherung haben wir weitgehend dadurch gelöst, daß der Bundeszuschuß bedarfsentsprechend gezahlt wird und daß im Rahmen des Haushaltsgesetzes ein bei Bedarf in Anspruch zu nehmender Kreditplafond bereitsteht. Dieser Plafond wird in jedem Fall ausreichen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Eine Rente auf Pump auf Dauer!)

    Kredit darf aber kein dauerhaftes Finanzierungsinstrument sein, sondern dieser Kreditrahmen, der bereitgestellt wird, wird ja jeweils nur für einige Tage in Anspruch genommen. Dies wird in den Jahren 1985 und 1986 jeweils im November der Fall sein, aber bereits im Dezember werden die Konten ausgeglichen sein. Sorgen hätten wir nur dann, wenn sich langfristig durch dauerhafte Einnahmeausfälle eine Finanzierungslücke auftun würde. Die Bundesgarantie ist ja gerade geschaffen worden, damit solche kurzfristigen Liquiditätsengpässe, wie sie nun auftreten, auch beseitigt werden können.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Also doch Renten auf Pump auf Dauer!)

    Meine Damen und Herren, von dem, was die Sozialdemokraten draußen mit so viel Feuereifer vorgeschlagen haben, nämlich eine Erhöhung von mindestens 1,7 % — der Wahlkampf läßt grüßen —, ist heute morgen bisher nur sehr wenig die Rede gewesen. Frau Fuchs hat in ihrem Beitrag wieder einmal typisch sozialdemokratischen Umgang mit Finanzmitteln dargestellt.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Die Sozis können eben nicht mit Geld umgehen!)

    Zahlen sollen in der Zukunft — in der Zukunft, nicht jetzt — die Rentner, die Beitragszahler, der Bundeshaushalt. Wer ist das denn? Die Rentner der Zukunft sind die Beitragszahler von heute, und der Bundeshaushalt wird von den Steuerzahlern bezahlt, die wiederum weitgehend mit den Beitragszahlern identisch sind. Bezahlen sollen also in jedem Fall die heute Aktiven.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Schamhaft verschwiegen hat Frau Fuchs darüber hinaus,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Schamlos verschwiegen!)

    daß immer nur ein Teil der Beitragszahler herangezogen werden soll, nämlich immer nur der Teil, der auch bisher schon immer die höchsten Beiträge geleistet hat. Die Betreffenden sollen in der Zukunft noch weniger Rente bekommen und noch stärker geschröpft werden, obwohl sie immer höhere Beiträge gezahlt haben.
    Meine Damen und Herren, dies und auch die Berechnungen, die Frau Fuchs hier andeutungsweise angestellt hat, zeigen wieder einmal: Sozialdemokraten haben ein gestörtes Verhältnis zum Geld.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist falsch! Die Rechnungen sind in Ordnung!)




    Frau Dr. Adam-Schwaetzer
    Ganz besonders toll finde ich es aber, wie Sie, Frau Fuchs, Ausgaben für Zukunftsforschung, wie wir sie mit der Raumfahrt betreiben, gegen Ausgaben für Rentner stellen.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Schlimm!)

    Meine Damen und Herren, das zeigt ganz eindeutig: Sozialdemokraten sind bereit, die Zukunft zu verfühstücken, um heute eine populistische Politik zu betreiben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Diese Politik ist unsozial. Das sehen gerade die Rentner, die ja doch ein sehr gutes Verhältnis zum Geld haben, die sehr genau wissen, daß man nur das ausgeben kann, was man vorher eingenommen hat.
    Frau Fuchs, Sie haben hier noch etwas verschwiegen: Sie haben lautstark gelobt, daß die Gewerkschaften Ihnen bei Ihren Strukturreformplänen für die Rentenversicherung beigetreten seien, aber Sie haben verschwiegen, daß die gleichen Gewerkschaften zwar einige strukturelle Elemente gelobt, aber das eigentliche Kernstück, nämlich die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung, in der von Ihnen befürworteten Form abgelehnt haben

    (Dr. George [CDU/CSU]: In Bausch und Bogen!)

    und daß die Gewerkschaften bei der Neuordnung der Hinterbliebenenreform den Koalitionsfraktionen und dem von ihnen getragenen Modell die Zustimmung gegeben haben.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das hat Herr Blüm doch schon gesagt!)

    Frau Fuchs, diese Unterlassung ist fast eine Wählertäuschung. Das, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, tun, ist viel Schaumschlägerei.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Ich finde, das Schaumschlagen besorgen Sie eigentlich besser!)

    Lassen Sie mich noch ganz kurz darauf eingehen, warum die Diskussion über die Rentenanpassung 1985 überhaupt wieder so viele Emotionen geweckt hat. Es ist richtig: Wir werden in der Zukunft den Rentnern wieder einen Krankenversicherungsbeitrag abverlangen, wie wir ihn in den letzten Jahren breits einzuführen begonnen haben. Diesen Krankenversicherungsbeitrag hat es in früheren Zeiten schon gegeben. Ich glaube, wer sich die Entwicklung der Ausgaben der Rentnerkrankenversicherung ansieht, wird auch sehr leicht dazu kommen, zu der Einführung eines solchen Krankenversicherungsbeitrages ja zu sagen. Auch innerhalb der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion war die Bereitschaft, wieder zum Krankenversicherungsbeitrag der Rentner zurückzukommen, schon einmal relativ groß. Ich möchte Sie — vor allen Dingen den Kollegen Glombig — an die Ausführungen von damals erinnern.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wann und wo?)

    Wer sich vor Augen hält, daß die Ausgaben für die Rentnerkrankenversicherung im Jahre 1984 über 36 Milliarden DM, d. h. über ein Drittel der gesamten Ausgaben der Krankenversicherung ausmachen, wird, glaube ich, Verständnis dafür aufbringen, daß wir die Rentner ein wenig an diesen Kosten selbst beteiligen. Es ist natürlich klar, daß Rentner häufiger krank sind als jüngere Menschen. Das ist völlig selbstverständlich und liegt eben auch in der Natur begründet. Selbstverständlich ist auch, daß die aktiven Arbeitnehmer ihre Solidarität mit den Rentnern über ihren eigenen Krankenversicherungsbeitrag erbringen müssen. Die 36 Milliarden DM entsprechen aber einem Anteil von 2,8 Prozentpunkten an den jetzigen Krankenversicherungsbeiträgen. Dies ist ein sehr hoher Wert, und damit begründet sich eben auch unsere Entscheidung für die Einführung. Ganz abgesehen davon wird außerdem sichergestellt, daß die Einkommen von Rentnern und aktiven Arbeitnehmern in etwa im gleichen Ausmaß steigen.
    Lassen Sie mich ein letztes Wort dazu sagen, warum der Anpassungssatz im Jahre 1985 insgesamt relativ niedrig ausgefallen ist. Dabei spielen zwei Dinge eine ganz wichtige Rolle. Die Rentenanpassungssätze werden vom Bundesarbeitsminister ja nicht im Losverfahren zu Beginn eines Jahres festgesetzt, sondern sie orientieren sich an den durchschnittlichen Bruttoentgeltsteigerungen des Vorjahres. Diese sind für 1984 deshalb sehr niedrig ausgefallen, weil einerseits die Nullrunde im öffentlichen Dienst die durchschnittlichen Steigerungsraten der Bruttoentgelte gedrückt hat und weil zum anderen durch die von den Gewerkschaften zum Teil so massiv verfolgten Arbeitszeitverkürzungen schon im Vorgriff die Bruttoarbeitsentgelte 1984 geringer angepaßt worden sind, als das eigentlich angenommen werden konnte.
    Mit anderen Worten: Arbeitszeitverkürzungen zu vereinbaren hat zwar seinen Charme für die im Beruf stehenden Arbeitnehmer, zeigt aber ganz deutlich die Problematik gerade für die Rentner auf. Was hier für die aktiven Arbeitnehmer gut scheint, ist eben schlecht für die Rentner. Meine Damen und Herren, auch das sollten alle Arbeitnehmer dieses Landes ihren Gewerkschaften immer dann sagen, wenn zusätzliche Forderungen nach Arbeitszeitverkürzungen im Raum stehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Burgmann [GRÜNE]: Eine verquere Logik! Die Arbeitslosen sind auch schädlich für die Renten!)

    Meine Damen und Herren, die Rentenfinanzen müssen langfristig gesichert werden. Dafür ist diese Koalition angetreten. Die Beschlüsse der Bundesregierung, die wir hier heute vertreten, lassen sich mit diesem Ziel noch vereinbaren. Die Renten sind gesichert. Das möchte ich vor allen Dingen allen Rentnern, auch in Berlin, sagen, bevor ich das Pult jetzt hier für die nächste Einlage im Rahmen des Berliner Wahlkampfes räume.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)