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ID1010607300

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    Plenarprotokoll 10/106 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 106. Sitzung Bonn, Freitag, den 30. November 1984 Inhalt: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksachen 10/1800, 10/2250, 10/2301 bis 10/2328, 10/2330 — Walther SPD 7905B, 7918 D Dr. Riedl (München) CDU/CSU 7912A Hoppe FDP 7919A Dr. Hauff SPD 7922 B Roth (Gießen) CDU/CSU 7926 C Stratmann GRÜNE 7930 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 7935A Stratmann GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 7940 B Dr. Jens SPD 7940 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 7942 B Vizepräsident Stücklen 7940 B Namentliche Abstimmung 7944 C Nächste Sitzung 7946 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7947* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7947* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. November 1984 7905 106. Sitzung Bonn, den 30. November 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter * 30. 11. Bahr 30. 11. Dr. Barzel 30. 11. Bayha 30. 11. Frau Beck-Oberdorf 30. 11. Buckpesch 30. 11. Büchner (Speyer) 30. 11. Dr. von Bülow 30. 11. Dr. Ehrenberg 30. 11. Dr. Enders * 30. 11. Erhard (Bad Schwalbach) 30. 11. Eylmann 30. 11. Genscher 30. 11. Dr. Glotz 30. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 30. 11. Jung (Düsseldorf) 30. 11. Klein (München) 30. 11. Dr. Klejdzinski * 30. 11. Dr. Kohl 30. 11. Dr. Kreile 30. 11. Kroll-Schlüter 30. 11. Dr.-Ing. Laermann 30. 11. Lenzer * 30. 11. Liedtke 30. 11. Frau Dr. Martiny-Glotz 30. 11. Dr. Müller * 30. 11. Polkehn 30. 11. Poß 30. 11. Frau Renger 30. 11. Reuschenbach 30. 11. Schmidt (Hamburg) 30. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 30. 11. Schmidt (Wattenscheid) 30. 11. Dr. Schöfberger 30. 11. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 11. Dr. Spöri 30. 11. Dr. Sprung 30. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 30. 11. Vahlberg 30. 11. Voigt (Sonthofen) 30. 11. Vosen 30. 11. Weiskirch (Olpe) 30. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 26. September bis 4. Oktober 1984 in Straßburg - Drucksache 10/2225 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Innenausschuß Sportausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Angemessenheit der mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1983 getroffenen Regelung zum horizontalen Länderfinanzausgleich und zur Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen - Drucksache 10/2298 - zuständig: Finanzausschuß (federführend) Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland (Unfallverhütungsbericht) - Drucksache 10/2353 - zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß der Konsultation des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und an den Ständigen Ausschuß für Beschäftigungsfragen über Maßnahmen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit einschließlich eines Entschließungsentwurfs des Rates zur Langzeitarbeitslosigkeit - Drucksache 10/2338 - zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare Siebenundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung - Drucksache 10/2361 - Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 28. Februar 1985 vorzulegen Aufhebbare Vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - Drucksache 10/2362 - Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 28. Februar 1985 vorzulegen Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 23. November 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Verordnung (EWG) Nr. 2626/84 des Rates zum 15. September 1984 zur Änderung von Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3180/78 zur Änderung des Wertes der vom Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit verwendeten Rechnungseinheit - Drucksache 10/2286 Nr. 13 -
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    Rede von Eckhard Stratmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Harrison ist in diesen Wochen unterwegs, um in der Bundesrepublik, insbesondere im Ruhrgebiet, um Unterstützung für die streikenden britischen Bergarbeiter zu werben.

    (Kolb [CDU/CSU]: Wo ist Adolf Schmidt? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Interessanterweise ist ihm wie auch anderen Vertretern der Nationalen Union der britischen Bergarbeiter verweigert worden, auf dem Kongreß der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, der heute morgen zu Ende geht, aufzutreten. Um diesen skandalösen Vorgang einmal vor Augen zu führen, möchte ich Herrn Adolf Schmidt zitieren. Herr



    Stratmann
    Schmidt hat auf dem Kongreß der IGBE vor Tagen erklärt:

    (Zuruf von der SPD: Was hat das mit dem Haushalt zu tun?)

    Die zweite bedeutende britische Steinkohlengewerkschaft, die NACODS, vertritt für uns die Stimme der Bergarbeiter Großbritanniens. NACODS streikt nicht.

    (Zurufe von der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Stratmann, ich mache Sie jetzt zum zweitenmal darauf aufmerksam, daß Sie zur dritten Lesung des Haushaltes sprechen und hier nicht sachfremde Themen einführen sollten.

(Kühbacher [SPD]: Er kann doch reden, was er will! — Seiters [CDU/CSU]: Sagt einmal etwas zu den Punkern, zu euren Freunden!)


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    Rede von Eckhard Stratmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident, ich will zum Haushalt sprechen. Ich habe diesen Einstieg für meinen Beitrag zur Haushaltsdebatte bewußt gewählt, weil die Probleme der Arbeitslosigkeit und der Umweltzerstörung an den Problemen des heimischen Steinkohlenbergbaus exemplarisch dargestellt werden können, weil der Kongreß der IGBE zum Stelldichein von Politikern aller etablierten Parteien geworden ist und weil hier das Kartell der etablierten Parteien von CSU bis SPD — inklusive FDP —, der Ruhrkohle AG und einer in dieses Kartell eingebundenen Industriegewerkschaft demonstriert worden ist, die den umweltfeindlichen und arbeitsplatzfeindlichen Kurs der Bundesregierung gestützt hat. Herr Präsident, aus diesem Grunde habe ich diesen Einstieg gewählt.
    Für uns GRÜNE ist klar: Wir lehnen den Haushalt 1985 der Bundesregierung in seiner Gesamtheit ab,

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: War auch nicht anders zu erwarten!)

    und zwar deswegen, weil er bis in seine Poren hinein den Atem eines industriepolitischen Konzepts atmet, das zentralen Zielen grundsätzlich nicht gerecht werden kann.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zu diesen Zielen gehört: erstens ökologische Produktion, zweitens sinnvolle Arbeit für alle,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie waren so gut wie nie im Haushaltsausschuß!)

    drittens soziale Lebenssicherung, viertens Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft.

    (Seiters [CDU/CSU]: Und Randale in Bonn!)

    Die Bundesregierung kann diese Ziele nicht erreichen, weil sie die Entwicklung von Staat und Gesellschaft den Interessen der privaten Wirtschaft ausliefert. Oder auch umgekehrt: Die private Wirtschaft ist so mächtig, daß sich Staat und Gesellschaft ihrem Zugriff nicht entziehen können.
    Ich will das konkret belegen. Ich nehme Bezug auf die Finanz- und Wirtschaftsdebatte des gestrigen Tages. Da waren sich die Hauptredner der Regierung, Herr Stoltenberg und Herr Bangemann, darin einig — sie fühlten sich unterstützt vom Sachverständigenrat —, daß der Aufschwung in vollem Gange sei.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist!)

    Wenn ich mir das Aufschwunggerede anhöre und mir vorstelle, wie sich der Aufschwung tagespolitisch vollziehen soll, dann stelle ich mir die beiden Herren, die dort nebeneinandersitzen, Herrn Bangemann und Herrn Stoltenberg, am Reck hängend vor, und beide wissen nicht, wie sie hochkommen sollen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir haben diesen Aufschwung angeblich im dritten Jahr. Die strukturelle Arbeitslosigkeit ist — das wird von niemandem bestritten — seit drei Jahren gestiegen. Wenn man den optimistischen Prognosen Glauben schenken will, dann wird sie im nächsten Jahr nur unwesentlich zurückgehen.
    Die Bundesregierung beruft sich für ihre Prognosen auf fünf Hofberichterstatter, genannt „die Fünf Wirtschaftsweisen".

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Unverschämtheit gegenüber den Weisen! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ein weißer Pullover ist nicht dasselbe wie eine weiße Weste!)

    Diese Fünf Wirtschaftsweisen haben nach dem Gesetz den Auftrag, Fehlentwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung und Beseitigung aufzuzeigen.
    Wer auf der Pressekonferenz des Sachverständigenrats anwesend war und Herrn Sievert zuhören konnte, konnte dort solche fundamentalen wirtschaftswissenschaftlichen Sätze vernehmen wie den: „Eine neue Aufbruchstimmung zu erzeugen wäre für eine neue Wachstumsdynamik die beste Voraussetzung." Also: Wirtschaftspsychologie statt wirtschaftswissenschaftlicher Beratung.
    Ich darf folgenden Satz aus dem Gutachten der sogenannten Fünf Weisen zitieren:

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Jedenfalls weiser als Sie!)

    Bedrückend ist die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, und die Sorge bleibt, diese werde sich auch in den kommenden Jahren nicht entscheidend verringern. Aufgrund der Entwicklung der Jahre 1983 und 1984 sowie der Vorausschau auf das Jahr 1985 sollte solche Sorge freilich nicht entstehen.
    Angesichts solcher Aussagen muß man feststellen: Sie haben die Qualität einer Aussage wie „Morgen regnet es oder auch nicht."

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Seine Prognose, daß sich der Aufschwung auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt, gründet der Sachverständigenrat und unter Berufung auf ihn und das Ifo-Institut Herr Stoltenberg gestern ausdrück-



    Stratmann
    lieh darauf, daß die privaten Ausrüstungsinvestitionen im nächsten Jahr ein Konjunkturmotor seien und um 10 % wachsen würden. Der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten erklärt, statt auf Konjunkturpolitik komme es auf eine mittelfristige Strukturpolitik an. Diese Auffassung teile ich. Wenn man das ernst meint, muß man natürlich erwarten, daß sich der Sachverständigenrat die Struktur der privaten Ausrüstungsinvestitionen und ihres Wachstums um 10 % einmal anschaut.
    Aber nichts davon. Nichts z. B. von der ökologischen Struktur dieser prtivaten Ausrüstungsinvestitionen, obwohl mittlerweile alle Parteien wie eine Gebetsmühle herunterrasseln, daß Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze, sondern als eine Einheit zu begreifen seien. Das haben wir seit Jahr und Tag gesagt: Nur aus der Einheit von Ökologie und Ökonomie folgen Konsequenzen. Das wird beim Sachverständigenrat und bei der Bundesregierung systematisch außer acht gelassen.
    Ein Beispiel hierfür bietet die Chemieindustrie, etwa die BASF, einer der größten Chemiekonzerne. Die Hypothese der Bundesregierung lautet j a: Wir müssen die Rahmenbedingungen für Gewinnmöglichkeiten verbessern, dann steigen die Investitionen, und übermorgen gibt es mehr Arbeitsplätze.
    Die Chemiebranche ist eine der großen Wachstumsbranchen. Schauen wir uns den BASF-Konzern an! Ich beziehe mich hierbei auf einen Artikel in der „Frankfurter Rundschau" vom 19. November 1984. Dieser Konzern hatte im letzten Jahr weltweit ein Umsatzwachstum von 16 % zu verzeichnen. Beim Stammhaus steht für die ersten neun Monate des Jahres einer Umsatzsteigerung um fast ein Fünftel, also um fast 20 %, eine Zunahme der durchschnittlichen Belegschaftsstärke um 0,5 % gegenüber.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Umsatz ist nicht Gewinn!)

    Ähnlich sieht es bei Hoechst aus.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Wissen Sie, daß 10 000 neue Arbeitsplätze in der chemischen Industrie geschaffen wurden?)

    Ein anderes Beispiel nach Aussagen des Vorstandsvorsitzenden der BASF: In einem Düngemittelwerk der BASF ziehe das Unternehmen zur Zeit ein Investitionsprogramm in Höhe von 55 Millionen DM zur Modernisierung der Verfahren durch.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das paßt genau zur Agrarpolitik!)

    Das heißt, hier wird auf Grund hoher Gewinnerwartung, hoher Kapitalmöglichkeiten kräftig investiert. Das Ergebnis ist: „Darüber hinaus ist aber ein Abbau der Zahl unserer Mitarbeiter um 200 unvermeidbar." Herr Stoltenberg, ich frage Sie — die sogenannten Fünf Weisen frage ich nicht —: Worauf gründen Sie Ihre Hoffnung, daß private Ausrüstungsinvestitionen zu einem nennenswerten Abbau der Arbeitslosigkeit führen?
    Zweiter Aspekt des Chemiekonzerns BASF und ein Paradebeispiel dafür, wie ein Chemiegigant mit seiner ökonomischen Macht die Regierung in die
    Zange nimmt und politische Ergebnisse erwirkt, die ihm zupaß kommen: Bei der Diskussion Ende letzten Jahres um die Frage: Ist Formaldehyd krebserzeugend oder nur krebsverdächtig? kamen die drei eingeschalteten Bundesämter, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung, das Umweltbundesamt und das Bundesgesundheitsamt, Ende 1983 einmütig zu dem Ergebnis, daß nach allen experimentellen Vorerfahrungen Formaldehyd als krebserzeugend darzustellen sei. Ende 1983 war der Bericht des Bundesgesundheitsamts mit dem Ergebnis druckfertig: Formaldehyd ist krebserzeugend. Ende 1983 war der Bericht des Bundesumweltamtes druckfertig, daß Formaldehyd krebserzeugend sei.
    Allerdings wurde Anfang 1984 der BASF-Konzern aktiv. Er machte das auf folgende Weise. Er erstellte ein Memorandum mit dem Titel „Formaldehyd — Einstufung als krebserzeugend". Hierin wird den Gutachtern des Bundesgesundheitsamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung Oberflächlichkeit, Leichtfertigkeit und eine formalistische Betrachtungsweise attestiert. Das ist sehr interessant. Die BASF beziffert ihre Jahresproduktion an Formaldehyd-Produkten auf 1 Milliarde DM, die der gesamten Branche auf 300 Milliarden DM. In Ludwigshafen sind zudem mehr als 2 000 Mitarbeiter direkt oder indirekt mit Formaldehyd oder seinen Folgeprodukten beschäftigt.
    Ferner kommt die BASF zu dem Schluß, daß die bisherige Einstufung von Formaldehyd als lediglich krebsverdächtig absolut richtig sei.
    Die Geschichte geht weiter. BASF beauftragt Herrn Julius Hetterich, Vorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion Ludwigshafen und gleichzeitig Laborant bei der BASF im Bereich der Formaldehyd-Produktion, mit diesem Memorandum der BASF zu Bundeskanzler Helmut Kohl zu gehen. Das tat der Parteigenosse von Herrn Kohl.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genossen gibt es bei uns nicht, nur Freunde!)

    Jetzt muß man etwas zur persönlichen Geschichte von Herrn Kohl wissen. Herr Kohl war in jungen Jahren Werkstudent bei BASF

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Der hat im Gegensatz zu euch gearbeitet!)

    und später kaufmännischer Angestellter. Im Bundestagshandbuch steht: „Kaufmännischer Angestellter in einem Wirtschaftsverband". Er war Sekretär des Verbandes der chemischen Industrie und damit in der Leitung dieses chemischen Verbandes aktiv.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Sehr interessant! Erzähle mal, wer noch alles! — Zurufe von der CDU/CSU)

    Jetzt kann man sich vorstellen, wie die Geschichte weitergeht. Herr Julius Hetterich, Stadtratsfraktionsvorsitzender der CDU, kommt zu dem BASF-Geschichtler, Herrn Kohl, mit dem Memorandum der BASF. Herr Kohl leitet das mit einem Brief an Geißler weiter, der für das Bundesgesund-



    Stratmann
    heitsamt zuständig ist: Lieber Herr Geißler, ich bitte Dich, Dich schnell mit der Sache, mit dem Memorandum der BASF zu befassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was für ein Blödsinn!)

    Herr Geißler an Julius Hetterich: Wir kümmern uns darum.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unverschämt, was Sie da machen!)

    Das Ministerium von Herrn Geißler leitet das Memorandum weiter an das Bundesgesundheitsamt mit der Auflage, zu prüfen: Muß denn die Einstufung als krebserzeugend sein?
    Ergebnis dieser politischen Einflußnahme über mehrere Kanäle gleichzeitig — Stadtratsfraktion einerseits, Bundeskanzleramt andererseits —:

    (Graf von Waldburg-Zeil [CDU/CSU]: Dies ist eine Haushaltsdebatte! — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Kommen Sie mal zum Thema!)

    Die drei Bundesämter werden politisch so in die Zange genommen, daß sie ihre Einstufung zurücknehmen, Formaldehyd sei krebserzeugend.
    In dem Bericht, der dann schließlich von der Bundesregierung vorgelegt wird, wird die Einschätzung von BASF übernommen, Formaldehyd lediglich als krebsverdächtig einzustufen. Dies bedeutet in der politischen und umweltpolitischen Auswirkung, daß die Meßlatte für die Einstufung gefährlicher Stoffe nach dem Chemikaliengesetz so hoch gehängt wird im Interesse der Chemiekonzerne und der Produzenten, daß zu befürchten ist, daß tatsächliche, wirksame Maßnahmen der Umwelt- und der Gesundheitsvorsorge in Zukunft nicht in dem ausreichenden Maße ergriffen werden.