Rede von
Wolfgang
Roth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Bangemann, möchte ich mich sehr herzlich bedanken, daß Sie so ausführlich mein Geschenk zu Ihrem 50. Geburtstag gewürdigt haben. Ich habe mir natürlich etwas dabei gedacht, warum ich Ihnen ein liberales Lehrbuch der Wirtschaftspolitik geschenkt habe. Ich dachte, zum Einstieg in die Wirtschaftstheorie überhaupt sei ein liberales Buch für Sie besser. Denn wenn ich ein politisch mir nahestehendes Buch geschenkt hätte, dann hätten Sie gleichzeitig zwei Sachen lernen müssen. Nun fangen Sie erst einmal mit der liberalen Wirtschaftstheorie an. Später kriegen Sie dann ein zweites, mir ideologisch nahestehendes Buch. Sie werden genauso wie wir alle ein bißchen älter, und vielleicht lernen Sie hinzu.
— Vielen Dank.
Als ich die Rede des Herrn Wirtschaftsministers hörte — ich nehme an, viele, die zugehört haben, hier und draußen, haben ähnliche Empfindungen gehabt —, entstand bei mir der Eindruck, als lebten wir in einer Gesellschaft und Wirtschaft, die ein paar Problemchen hätte, die man insgesamt leicht lösen könnte, die von sich aus automatisch in Ordnung kämen. Das heißt, im Wirtschaftsministerium regieren jetzt die verharmlosende Ratlosigkeit und Einfallslosigkeit.
Ich frage mich: Was empfinden eigentlich die 2,2 Millionen Arbeitslosen? In Wahrheit sind es nicht 2,2 Millionen, sondern wenn man die stille Reserve einbezieht, 3,7 Millionen.
Was empfinden die Arbeitslosen, wenn so über Wirtschaft geredet wird, wie es heute nachmittag der Wirtschaftsminister getan hat?
Wo finden die sich in den Ausführungen der Verantwortlichen der Regierung eigentlich wieder?
Wir gehen jetzt in das dritte Jahr der Regierung Kohl. Zum Amtsantritt am 1. Oktober 1982 hatten wir in der Bundesrepublik laut Arbeitslosenstatistik 1,82 Millionen Arbeitslose. Zum jetzigen Zeitpunkt, zwei Jahre später, nämlich am 1. Oktober 1984, betrug die Arbeitslosenzahl 2,14 Millionen.
Das heißt, es sind 280 000 mehr bzw. — saisonbereinigt — 350 000 mehr. Wenn man von den Erwerbstätigen, von denjenigen ausgeht, die in unserer Volkswirtschaft überhaupt schaffen, dann sind jetzt eine halbe Million Menschen weniger tätig. Das ist die Sachlage.
Davon redet hier kein Mensch.