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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/105 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 105. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. November 1984 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksachen 10/1800, 10/2250 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/2308, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/2323 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/2327 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/2317, 10/2330 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksachen 10/1801, 10/2251, 10/2387 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an das Saarland — Drucksache 10/2229 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksache 10/2503 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an die Freie Hansestadt Bremen — Drucksache 10/2141 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksache 10/2502 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Ein- II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. November 1984 kommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 10/2460 — Dr. Apel SPD 7774 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 7781 C Dr. Weng FDP 7786 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7789 C Wieczorek (Duisburg) SPD 7800 C Dr. Hackel CDU/CSU 7804 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 7806 D Dr. Solms FDP 7810 A Dr. Wieczorek SPD 7811 D Krizsan GRÜNE 7814 B Austermann CDU/CSU 7815 B Waltemathe SPD 7816 D Dr. Knies, Minister des Landes Saarland 7817 D Erklärungen nach § 31 GO Matthöfer SPD 7818 C Stratmann GRÜNE 7818 D Namentliche Abstimmung 7820 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/2309, 10/2330 — Glos CDU/CSU 7822 B Frau Simonis SPD 7827 C Dr. Weng FDP 7831 A Lattmann CDU/CSU 7832 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 7834 B Roth SPD 7839 B Burgmann GRÜNE 7843 A Urbaniak SPD (Erklärung nach § 31 GO) 7845A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen 10/2310, 10/2330 — Frau Zutt SPD 7846 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 7849 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 7852 A Kiechle, Bundesminister BML 7855 B Bredehorn FDP 7857 C Frau Reetz GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 7860 C Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 10/2312, 10/2330 — Metz CDU/CSU 7861 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7864 B Hoffie FDP 7868 B Drabiniok GRÜNE 7871 B Dr. Dollinger, Bundesminister BMV . . 7874A Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksachen 10/2313, 10/2330 — Paterna SPD 7878 B Dr. Friedmann CDU/CSU 7880 D Frau Reetz GRÜNE 7883 B Hoffie FDP 7885 D Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 7888 C Haushaltsgesetz 1985 — Drucksachen 10/2328, 10/2329 — Sieler SPD 7891A von Hammerstein CDU/CSU 7893 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 7895 C Dr. Weng FDP 7898 C Strube CDU/CSU 7899 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7900 C Nächste Sitzung 7902 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7903*A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hinrichs (CDU/CSU) und Metz (CDU/CSU) zur Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG an die Freie Hansestadt Bremen — Drucksache 10/2141 — 7903* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. November 1984 7773 105. Sitzung Bonn, den 29. November 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 104. Sitzung, Seite 7738 A: In der 23. Zeile ist statt „ISRF" zu lesen: „ESRF". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter * 30. 11. Dr. Barzel 30. 11. Bayha 30. 11. Frau Beck-Oberdorf 30. 11. Dr. Bugl 29. 11. Erhard (Bad Schwalbach) 30. 11. Gerlach (Obernau) 29. 11. Dr. Glotz 30. 11. Dr. Haack 29. 11. Dr. Hauff 29. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 30. 11. Jung (Düsseldorf) 30. 11. Kittelmann 29. 11. Dr. Kreile 30. 11. Lenzer * 30. 11. Frau Dr. Martiny-Glotz 29. 11. Dr. Müller * 30. 11. Polkehn 30. 11. Frau Renger 30. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 30. 11. Schmidt (Wattenscheid) 30. 11. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 11. Dr. Spöri 30. 11. Dr. Sprung 30. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 30. 11. Stobbe 29. 11. Vahlberg 30. 11. Voigt (Sonthofen) 30. 11. Vosen 30. 11. Weiskirch (Olpe) 30. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hinrichs (CDU/CSU) und Metz (CDU/CSU) zur Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 GG an die Freie Hansestadt Bremen (Drucksache 10/2141) Wir halten die Bremer Verhältnisse angesichts der Konzentration vieler Problembranchen und der Anlagen zum Stenographischen Bericht vorliegenden Wirtschaftsdaten mit denen des Saarlandes für vergleichbar, wenn auch nicht für identisch. Bremen leidet unter den vielfältigen Wettbewerbsverzerrungen in der Schiffahrt, beim Schiffbau und beim Hinterlandverkehr der norddeutschen Häfen sowie unter den EG-Beschränkungen für die Hochseefischerei und die Stahlproduktion. Dadurch wurde und wird die Finanzkraft des kleinsten Bundeslandes stark belastet. Ferner muß Bremen als Stadtstaat durch die Finanzreform 1969 bei Pendlern (etwa jeder vierte Arbeitnehmer) Einnahmeverluste in Höhe von mehreren 100 Millionen DM hinnehmen. Wir sind der Auffassung, daß statt einer einmaligen Zahlung in einer umstrittenen Höhe der Freien Hansestadt Bremen mit dem Abbau oder Ausgleich von internationalen Wettbewerbsverzerrungen, mit gezielten Hilfen zur Selbsthilfe, wie zum Beispiel mit Infrastrukturmaßnahmen und durch eine dringend notwendige Verbesserung des Länderfinanzausgleichs sehr viel wirksamer geholfen werden könnte. Bremen erhält als einziges der nehmenden Länder im horizontalen Länderfinanzausgleich keine Bundesergänzungszuweisung. Die Bedingung für diesen Anspruch, nämlich finanzielle Leistungsschwäche, liegt vor. Ferner müßte die jährliche Entschädigung für die Hafenlasten, die seit 1956 unverändert 25 Millionen DM beträgt, den heutigen Verhältnissen angepaßt werden. Bremen nimmt in diesem Zusammenhang zugleich nationale Aufgaben für die Bundesrepublik Deutschland, das zweitgrößte Welthandelsland, wahr. Wir glauben, daß der Freien Hansestadt Bremen in dieser Situation geholfen werden muß. Wir haben aber zugleich feststellen müssen, daß der von der SPD eingeschlagene Weg auf keiner politischen Ebene durchsetzbar war. Der Bundesrat hat das bremische Begehren eindeutig abgelehnt. In den Ausschüssen des Bundestages war keine Mehrheit zu bekommen. Die Bundesregierung war in dieser Frage nicht zu überzeugen, zumal sie vor kurzer Zeit 80 Millionen DM für Bremen zur Verfügung gestellt hat. In dieser Situation halten wir es für klüger, uns auf die Durchsetzung der von uns genannten, für Bremen notwendigen Maßnahmen zu konzentrieren, als einer gescheiterten Initiative zuzustimmen. Da wir die Auffassung unserer Fraktion in diesem Punkt aus den genannten Gründen nicht teilen, werden wir uns bei der Abstimmung über den SPD-Gesetzentwurf der Stimme enthalten.
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    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

    (Zurufe: Guten Morgen! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wie geht's?)

    In diesen Wochen erreichen uns in der Tendenz unterschiedliche Signale über die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 1985.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, nur positive!)

    Die einen prognostizieren uns ein Wirtschaftswachstum von 2 %, die anderen gar von 3 %. Aber alle, auch der Sachverständigenrat, erwarten, daß die Arbeitslosigkeit hoch bleibt, daß sie sich kaum verändert, daß mehr als 2 Millionen Menschen ohne Arbeit bleiben, und das ist doch, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, auch für die Finanzpolitik eine zentrale Herausforderung.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Sommer 1982 haben Sie, Herr Dr. Stoltenberg, kurz vor dem Regierungswechsel in einem Interview des Deutschlandfunks zu einer verstärkten Bekämpfung der Dauerarbeitslosigkeit aufgerufen. Sie haben damals festgestellt — ich zitiere —: Wenn das nicht geschieht,
    entsteht eine Vertrauenskrise in der Bevölkerung,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr richtig!)

    die heute schon erkennbar ist, weil die Absichtserklärungen der Politiker in Bonn — Bekämpfung der Arbeitslosigkeit — und das tatsächliche Verhalten in der Finanzpolitik immer weiter auseinanderfallen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr wahr!)

    Genau das, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, werfen wir Sozialdemokraten Ihnen heute vor.

    (Beifall bei der SPD)

    Versprechungen der Bundesregierung und Erwartungen in den Abbau der Arbeitslosigkeit einerseits, das tatsächliche Handeln der Finanzpolitik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit andererseits haben nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir machen keine falschen Versprechungen!)

    Wir fordern auch für den Bundeshaushalt 1985 eine Verstärkung der investiven Ansätze. Meine Damen und Herren von der Koalition, selbst die sonst sehr vorsichtige Bundesbank fordert in ihrem Monatsbericht vom November 1984 die Verstärkung der wachstums- und beschäftigungsfördernden Ausgaben als ein derzeitig wichtiges Ziel der Finanzpolitik.
    Die Finanzpolitik des Herrn Dr. Stoltenberg wird diesem Gebot auch nicht im entferntesten gerecht.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Investitionsanteil an den Bundesausgaben geht in den vor uns liegenden Jahren weiter zurück. Dieser, Investitionsanteil wird einen Rekordtiefstand erreichen. Ich füge hinzu, Herr Kollege Dr. Stoltenberg: Mit Haushaltskonsolidierung hat das überhaupt nichts zu tun, denn während die Investitionsausgaben dank der Finanzpolitik des Herrn Dr. Stoltenberg in den Keller rutschen,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Dafür nehmen die privaten Investitionen zu! Das ist doch viel wichtiger!)

    nehmen die Steuersubventionen von 29 Milliarden DM im Jahre 1982 auf 39 Milliarden DM für das nächste Jahr, also um 10 Milliarden DM, d. h. um ein Drittel, zu!

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Hört! Hört!)

    Das ist Ihr Werk. Es gibt wahrlich keinen Grund, darauf stolz zu sein.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Investitionen nehmen zu! Wir wollen private Investitionen!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, greifen wir noch einmal auf die Aussagen des Herrn Dr. Stoltenberg vor dem Regierungswechsel zurück. Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben kurz vor dem Regierungswechsel in einem „Spiegel"-Interview folgendes erklärt:
    Es ist unbefriedigend, wenn Bürger mit hohem
    Einkommen durch das legale Benutzen von Ab-



    Dr. Apel
    schreibungsmöglichkeiten ihre Steuerschuld praktisch auf Null bringen.
    Wie wahr, Herr Kollege Dr. Stoltenberg!

    (Beifall bei der SPD)

    Inzwischen hat der Bundesfinanzminister — einem Auftrag entsprechend, den wir ihm als Deutscher Bundestag gemeinsam gegeben haben — einen ausführlichen Bericht über die Möglichkeiten zur Einschränkung derartiger Steuersparmodelle vorgelegt. Ergebnis: Nichts, aber auch gar nichts will der Finanzminister in dieser Frage unternehmen.

    (Frau Dr. Hellwig [CDU/CSU]: Von Ihnen fehlen aber auch jede Vorschläge!)

    Dabei stecken im Subventionsabbau, sehr geehrte gnädige Frau, doch die Milliarden, die beim Bund, aber insbesondere bei den Städten und Gemeinden wachstums- und beschäftigungsfördernd einzusetzen wären.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Und meistens Arbeitsplätze sichern!)

    Herr Kollege Stoltenberg, Sie und Ihre Mitwirkenden sollten endlich aufhören, in diesem Zusammenhang die Gemeindefinanzen gesundzubeten.

    (Zuruf von der SPD: Richtig! — Hornung [CDU/CSU]: Die werden nicht gesund gebetet, sondern gesund gemacht!)

    Es war doch eher peinlich, daß Sie uns, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, bei der ersten Lesung des Bundeshaushaltes am 15. September 1984 hier mitgeteilt haben, daß die kommunalen Investitionen 1984 erstmals wieder um eine Milliarde DM ansteigen werden. Zur gleichen Zeit hat das Statistische Bundesamt die Ergebnisse der Kommunalfinanzen für das erste Halbjahr 1984 vorgelegt. Schauen Sie einmal hinein, meine Damen und Herren von der Koalition, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, und Sie werden feststellen, daß die Sachinvestitionen um mehr als 5 % im ersten Halbjahr 1984 zurückgegangen sind,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Hört! Hört!)

    die Baumaßnahmen sogar um fast 7 %. Das ist die Realität.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Finanzen sind trotzdem besser geworden!)

    Auch 1984 hat sich der massive Rückgang der Gemeindeinvestitionen fortgesetzt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Finanzen sind besser geworden!)

    Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesen Tagen Alarmrufe aus der Bauwirtschaft hören, dann hat das auch damit etwas zu tun,

    (Hornung [CDU/CSU]: Der Apel setzt nur auf den Staat, auf sonst nichts!)

    daß die Gemeindeinvestitionen zurückhängen, daß
    die Gemeinden nicht in der Lage sind, dringende
    Neubau-, Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen vorzunehmen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das stimmt gar nicht! Die Finanzen haben sich verbessert!)

    — Die Gemeinden können keine Kredite aufnehmen, weil sie auf Grund der Schuldengrenzen eingeengt sind. Das wissen Sie genauso wie ich. Ersetzen Sie doch Sachkenntnis nicht durch dumme Zwischenrufe und Polemik.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Gehen Sie einmal in einen Stadtrat! Sie wissen gar nicht, wie es aussieht!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Vorschläge zur Verbesserung der Gemeindefinanzen liegen vor. Wir begrüßen es, daß der Sachverständigenrat in dem vielgerühmten Gutachten erneut die Reform der Gemeindefinanzen gefordert hat. Wir stimmen dem zu. Wir fordern Sie, Herr Dr. Stoltenberg, auf, endlich Ihre Untätigkeit aufzugeben

    (Frau Dr. Hellwig [CDU/CSU]: Und Schulden zu machen!)

    und mit uns gemeinsam

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wieder Schulden zu machen!)

    die Gemeindefinanzreform anzupacken, die alle Spitzenverbände der Gemeinden und der Städte fordern.

    (Hornung [CDU/CSU]: Die Sie, Herr Apel, in Ihrer Zeit nicht gemacht haben!)

    Handeln Sie endlich. Schwätzen Sie nicht. Die Gemeinden brauchen eine Gemeindefinanzreform, meine sehr geehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Am 25. September 1981 hat der damalige Ministerpräsident Dr. Stoltenberg im Zusammenhang mit der Diskussion über Sparmaßnahmen der sozialliberalen Koalition im Bundesrat folgendes erklärt:
    Die meisten Menschen sind ja heute problembewußter, kritischer und wacher, als manche Partei- und Verbandsfunktionäre unterstellen. Sie werden zumutbare Einschränkungen dann tragen, wenn sie von dem ernsthaften Willen der Verantwortlichen überzeugt sind,
    — nun kommt der entscheidende Satz von Herrn Dr. Stoltenberg —
    daß diese Kürzungen nicht einseitig erfolgen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist gut!)

    Ich frage Sie, Herr Bundesfinanzminister: Wo haben Sie denn eigentlich seit der Bonner Wende in Ihrer eigenen Politik den ernsthaften Willen dokumentiert, daß Ihre Haushaltskürzungen nicht einseitig sind und nicht einseitig sein sollen.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Apel
    Tatsache ist doch: Rentner, Arbeitslose, Familien mit Kindern, Schüler, Studenten und Mieter sind die Opfer Ihrer unsozialen Sparpolitik.

    (Hornung [CDU/CSU]: Konsumstaat!)

    Die Vermögensteuer wird massiv gesenkt. Nun kommt noch eines dazu: Die Zwangsanleihe wird zurückgezahlt. Damit wird deutlich, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, daß sich Ihre grundsätzlichen Aussagen des Jahres 1981, nämlich keine einseitigen Kürzungen, in Ihrem heutigen politischen Handeln als leere Worthülsen erweisen.

    (Beifall bei der SPD Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie wissen doch, daß das Unsinn ist, was Sie da reden!)

    Ihre Parolen, Herr Kollege Stoltenberg, und Ihr tatsächliches Handeln haben nichts miteinander zu tun.

    (Hornung [CDU/CSU]: Das sagen andere Leute anders!)

    Dieser Eindruck verstärkt sich in der ganz aktuellen Diskussion. Wie war das denn mit der Zwangsanleihe, die jetzt vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden ist? Hier haben doch, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, die Finanzwissenschaftler und die Verfassungsrechtler von Anbeginn schwerste Bedenken geäußert. Ich selbst habe Sie dreimal, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, von dieser Stelle aus vor Ihrem verfassungswidrigen Weg der Zwangsanleihe gewarnt.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Er wußte das auch! Er wollte das so!)

    Sie haben das alles vom Tisch gewischt. Heute tun Sie überrascht über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dabei hätten Sie doch spätestens nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs wissen müssen, was auch Herr Mundorf jetzt im Handelsblatt festgestellt hat — ich zitiere —:
    Die Investitionshilfeabgabe verstößt nicht nur gegen eine, sie verstößt gegen sämtlich in Frage kommenden Bestimmungen des geltenden Verfassungsrechts ...

    (Dr. Vogel [SPD]: Das hat er gewußt!)

    Alle diese verfassungsrechtlichen Bedenken sind gegen die Zwangsanleihe schon erhoben worden, bevor sie Gesetz geworden ist ...

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

    — immer noch das „Handelsblatt", Herr Kollege Dr. Stoltenberg —
    Die Leichtfertigkeit, mit der die Bundesregierung solche Einwände ignorierte, ist wirklich erstaunlich ...

    (Beifall bei der SPD — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das wollten die so! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das müssen ausgerechnet Sie sagen! — Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Das war doch eine bewußte Strategie!)

    Herr Kollege Dr. Stoltenberg, dafür tragen Sie die Verantwortung. Haben Sie denn schon einmal überlegt, wie viele Beamte in den Finanzämtern durch Ihre Schuld mit dem Einziehen und Rückzahlen der Zwangsanleihe beschäftigt waren, beschäftigt sind und noch eine ganze Zeit beschäftigt sein werden

    (Hornung [CDU/CSU]: Ohne Ihre finanzielle Erblast wäre das doch alles gar nicht notwendig gewesen!)

    und wie viele Finanzbeamte dadurch von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten werden, nämlich im Interesse aller Bürger eine zügige und gerechte Besteuerung durchzuführen?
    Sie, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, haben am 15. November 1984, also vor zwei Wochen, hier im Deutschen Bundestag versucht, den Vorwurf des leichtfertigen Umgangs mit der Verfassung zu widerlegen. Sie haben auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1953 — tatsächlich ist sie im Jahre 1954 ergangen — hingewiesen. Herr Kollege Dr. Stoltenberg, schauen Sie in dieses Urteil hinein, und Sie werden feststellen, daß dieses Urteil mit dem heutigen Urteil und mit der Finanzierung des Bundeshaushalts nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun hat. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Judikatur nicht geändert. Es weist Ihnen nach, daß Sie in jedem Punkte gegen Verfassungsrecht verstoßen haben. Es bleibt dabei: Sie sind leichtfertig mit der Verfassung umgegangen. So billig können Sie sich nicht aus der Affäre ziehen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Doch eine bewußte Strategie!)

    Alles das ist schlimm genug. Herr Kollege Nils Diederich, Sie haben ja recht, in diesem Zusammenhang stellt sich eine ganz andere Frage: Wurde nicht vielmehr aus übergeordneten politischen, auch koalitionstaktischen, Erwägungen die Zwangsanleihe beschlossen, deren Verfassungswidrigkeit bewußt in Kauf genommen, sogar einkalkuliert,

    (Hornung [CDU/CSU]: Eine böse Unterstellung!)

    um auf diese Art und Weise soziale Gerechtigkeit und soziale Ausgewogenheit

    (Dr. Vogel [SPD]: Vorzutäuschen!) vorzugeben und den Wähler zu täuschen?


    (Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Herr Apel, Sie haben Art. 115 des Grundgesetzes jahrelang überhaupt nicht beachtet!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union, bleiben Sie doch endlich bei der Wahrheit!

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Es ist doch so gewesen, daß Sie in Ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahlen im März 1983 die Ergänzungsabgabe für die sehr gut Verdienenden dem Wähler versprochen haben. Herr Blüm hat im Fernsehen nach diesem Beschluß auf seine rhei-



    Dr. Apel
    nische Art gesagt, jetzt mache ihm Wahlkampf wieder Spaß.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Eine ehrliche Politik!)

    Was ist hinterher gewesen? Sie haben dieses Wahlversprechen gebrochen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Abgabenlüge!)

    Es ist bei der Zwangsanleihe geblieben. Und wir wissen es doch, diese Zwangsanleihe sollte einen ganz bestimmten politischen Zweck erfüllen; sie sollte den Eindruck sozialer Ausgewogenheit bei den sozial Schwächeren vermitteln, denen Sie doch viele Milliarden DM zur Hilfe zum Lebensunterhalt und für die Chancengleichheit genommen haben und auf Dauer weiter nehmen.

    (Hornung [CDU/CSU]: Chancen haben Sie genommen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Kollege Dr. Stoltenberg, früher haben Sie die Zwangsanleihe wiederholt — ich habe das stets begrüßt — als einen Solidarbeitrag der Besserverdienenden bezeichnet. Auch jetzt noch haben Sie diesen Grundgedanken, nämlich sehr gut Verdienende auch heranzuziehen, als im nachhinein für richtig bezeichnet. Herr Kollege Dr. Stoltenberg, erinnern wir uns gemeinsam: Ich war damals Bundestagsabgeordneter, Franz Josef Strauß und Sie waren Bundesminister. Am 7. Dezember 1967 haben wir in der Großen Koalition in ähnlichen Umständen eine befristete Ergänzungsabgabe beschlossen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das war gut so!)

    Auch damals hat Herr Genscher seine infamen Argumente der Neidsteuer,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    Leistung darf nicht bestraft werden, vorgebracht. Leistung beginnt bei Ihnen anscheinend erst bei einem Familieneinkommen von 100 000 DM, und Rentner haben augenscheinlich ihr ganzes Leben lang nichts geleistet. Deswegen dürfen sie auch andauernd und dauernd bestraft werden.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der SPD und der CDU/CSU)

    Doch heute morgen, nach dem gestrigen Tage, stellt sich das alles ganz anders dar. Nach anhaltenden wechselseitigen Beschimpfungen der Koalitionäre untereinander erklärt der Bundeskanzler diese wichtige Debatte über die soziale Ausgewogenheit Ihrer Sparpolitik zu einer „Phantomdiskussion". Soziale Gerechtigkeit wird bei Ihnen zu einem Phantom; der Bundeskanzler hat seine eigene Politik richtig charakterisiert. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Im übrigen soll der Streit nach bewährter Manier ausgesessen werden.
    Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, eines ist doch bereits heute deutlich: Obwohl unklar ist, ob und wann sich die Koalition einig wird, strikken Sie doch schon bereits an einer Badehose, mit der Sie die schreienden Ungerechtigkeiten Ihrer unsozialen und ungerechten Sparpolitik schamlos verbergen wollen.

    (Glos [CDU/CSU]: Sie sind fast so gut wie der Dr. Vogel!)

    Meine Damen und Herren, an eine echte Belastung der sehr gut Verdienenden wird nicht mehr gedacht.

    (Hornung [CDU/CSU]: Sie widersprechen sich!)

    So wie ich es verstanden habe, erhalten die Durchschnittsverdiener ab 1986 ein steuerliches Trinkgeld als Trostpflaster,

    (Glos [CDU/CSU]: Sie sind doch ein finanzpolitischer Exhibitionist! Sie haben doch nicht mal eine Badehose!)

    oder aber die sehr gut Verdienenden verzichten für zwei Jahre auf einen bescheidenen Teil der Ihnen zugedachten üppigen Steuererleichterungen. So geht diese Debatte am Ende aus. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Union, so endet dann Ihr Wahlversprechen aus dem Jahre 1983.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich sage Ihnen: Was Sie heute vorhaben, ist im nachhinein Betrug an den Wählern, nichts anderes.

    (Beifall bei der SPD)

    Ausgerechnet zu Weihnachten werden jetzt Millionen von Normalverdienern

    (Hornung [CDU/CSU]: Warum denn „ausgerechnet zu Weihnachten"?)

    bei ihrem Weihnachtsgeld erleben, wie ihnen die Bundesregierung, die Koalition, tief in die Tasche greift.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht tief!)

    Teilweise werden die Sozialversicherungsabgaben auf das 13. Gehalt verdoppelt. Nur bei denen, die mehr als 5 000 DM verdienen, wird nicht 1 DM zusätzlich abkassiert, im Gegenteil, sie werden noch vor Weihnachten einige Tausend DM aus der verbotenen Zwangsanleihe_ zurückerhalten. Frohe Weihnacht! Christdemokratische Politik: Wer hat, dem wird gegeben, wer nichts hat, dem wird genommen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Aber jetzt bringen Sie alles durcheinander, Herr Apel!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokraten wissen — und das hat die Debatte der letzten Wochen deutlich gemacht —, daß es auch in der Union Abgeordnete mit sozialem Gewissen gibt. Wir bieten Ihnen unsere Zusammenarbeit an, um der sozialen Gerechtigkeit eine Chance zu geben. Wir debattieren heute auch unseren Gesetzentwurf zur Einführung einer Ergänzungsabgabe, die Sie 1983 den Wählern versprochen haben. Wir laden Sie ein, unserer Initiative zu folgen, damit Sie



    Dr. Apel
    sich selber treu bleiben können, meine sehr geehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bundesfinanzminister hat erst vor zwei Wochen hier im Deutschen Bundestag starke Worte im Hinblick auf die Steuerdiskussion in den eigenen Reihen gebraucht. Herr Kollege Dr. Stoltenberg, Sie haben es selbst gespürt: Ihre starken Worte haben niemanden sonderlich beeindruckt.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Was halten Sie denn von Ihrer Rede?)

    Die Debatte geht lustig weiter. Steuerentlastung in einem Schritt oder in zwei Schritten? Geringere Entlastung für die Gutverdienenden als Kompensation für die zurückgezahlte Zwangsanleihe, ja oder nein? Es wird hin und her geredet. Und wenn es um die Frage geht, Steuerreform in einem Schritt oder in zwei Schritten, bahnen sich ganz neue Männerfreundschaften an.

    (Dr. Vogel [SPD]: Genscher und Strauß!)

    Bangemann und Strauß, Genscher und Strauß Arm in Arm gegen den Bundesfinanzminister. Herr Dr. Stoltenberg, so ist das Leben.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Apel und Kleinert!)

    Meine Damen und Herren, angesichts dieser chaotischen Debatte in Regierung und Koalition möchte ich für die Sozialdemokraten zur Steuerentlastung folgendes feststellen:

    (Hornung [CDU/CSU]: Ja, was ist denn das, was Sie hinterlassen haben?)

    Wir halten eine Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer grundsätzlich für notwendig. Bei der Wahl des Zeitpunkts muß berücksichtigt werden, daß die Möglichkeiten der öffentlichen Haushalte, beschäftigungswirksame Impulse zu geben, nicht noch stärker eingeschränkt werden dürfen. Ich sage das insbesondere im Hinblick auf die Haushalte von Ländern und Gemeinden. Und aus diesem Grunde unterstützen wir den Bundesfinanzminister: Wir halten eine Tarifentlastung in einem Schritt zum 1. Januar 1986 nicht für realistisch.
    Aber der Inhalt des Pakets, der Steuerentlastungsvorschläge, ist allerdings verteilungspolitisch skandalös.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Sie können doch nicht leugnen, meine Damen und Herren von der Union — und die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft hat Ihnen das doch selber kritisch ins Stammbuch geschrieben, Ihre eigenen Kollegen von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, auch hier im Deutschen Bundestag —

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Die haben doch gar nichts zu sagen! — Hornung [CDU/ CSU]: Von denen zu viele in den Gewerkschaften sind!)

    daß die Bundesregierung die Spitzenverdiener sage und schreibe fünfzigmal stärker als den Durchschnittsverdiener entlastet.

    (Beifall bei der SPD — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Unerhört, skandalös ist das!)

    Oder nehmen wir eine andere Quelle: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat gerechnet. Es werden 15 Milliarden DM für die Steuertarifentlastung eingesetzt. Von diesen 15 Milliarden DM erhalten ein Sechstel der Steuerzahler 10 Milliarden DM, zwei Drittel der gesamten Summe. Das sind die, die mehr als 75 000 DM im Jahr verdienen. Und wenn wir hinzunehmen, daß die Kinderfreibeträge — das können Sie doch nicht leugnen, Herr Dr. Stoltenberg —, die Sie nun erhöhen wollen, dem Spitzenverdiener pro Kind zweieinhalbmal soviel Entlastung bringen wie dem Normalverdiener, dann ist richtig, was die christdemokratischen Arbeitnehmer sagen: Diese Steuervorschläge sind' skandalös; sie müssen geändert werden. Auch hier bieten wir Ihnen unsere Hilfe an.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Dr. Stoltenberg, untersuchen wir einen anderen Aspekt. Sie stellen diese Tarifentlastung unter das Motto: Leistung muß sich wieder lohnen. Sie sagen: Damit das so ist,

    (Hornung [CDU/CSU]: Damit Arbeitsplätze geschaffen werden!)

    müssen die Grenzsteuersätze gesenkt werden. Schauen wir genau hin, was das bedeutet.
    Beim verheirateten gut verdienenden Arbeitnehmer, der heute etwa 3 500 DM monatlich verdient, wird die Grenzsteuerbelastung 1988 nach Ihrer Steuerreform um sechs Punkte höher liegen als 1982.

    (Zurufe von der SPD: Was? Hört! Hört!)

    Dagegen werden die sehr gut Verdienenden eine deutlich niedrigere Grenzsteuerbelastung haben. Für sie — das haben wir erkannt — beginnt Leistung, die steuerlich zu begünstigen ist, offensichtlich erst bei einem Monatseinkommen von rund 10 000 DM und mehr.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Das ist dann die Konsequenz Ihrer Steuerreform: Den Großen wird gegeben, und bei der Masse der mittleren und kleinen Einkommen wird kassiert.

    (Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Sie müssen dabei die Ausgangsbasis berücksichtigen!)

    Ich sage Ihnen: Dieser verschärften Umverteilung werden wir nicht zustimmen. Unsere Vorschläge für eine gerechte Steuerentlastung sind bekannt: eine stärkere Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen und an Stelle der unsozial wirkenden Kinderfreibeträge eine Erhöhung des Kindergeldes. Das führt nämlich dazu, daß dann dem Staat jedes Kind, ob das eines Arbeitslosen oder eines Millionärs, gleich viel wert ist. Es darf nicht dahin kommen — wie Sie es wollen —, daß das Kind des Millionärs dem Staat sehr viel mehr



    Dr. Apel
    wert ist als das Kind eines Durchschnittsverdieners.

    (Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Was haben Sie denn gemacht? Sie haben doch den Millionär genauso entlastet!)

    Meine Damen und Herren, wenn wir in zweiter Lesung über den Bundeshaushalt reden, müssen wir über die Risiken der Bundesfinanzen sprechen, die sich aus der Europäischen Gemeinschaft ergeben. Der Bundesfinanzminister und seine Kollegen haben sich bemüht, die EG-Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Die Ergebnisse sind kümmerlich. Das ist wohl auch der Grund, weswegen Herr Kollege Dr. Stoltenberg in der letzten Debatte im Deutschen Bundestag — wenn auch vorsichtig, ich gebe das zu, aber immerhin — deutlich versucht hat, die Finanzprobleme der Europäischen Gemeinschaft der sozialliberalen Koalition zuzuschieben.

    (Richtig! bei der CDU/CSU)

    „Das Erblastgerede erinnert mich" — so Außenminister Genscher am 29. Oktober 1984 im Deutschlandfunk —

    (Hornung [CDU/CSU]: Das sind Fakten!)

    „an die Methode ,Haltet den Dieb`." Das ist ein Zitat des Vizekanzlers dieser Koalition.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich wiederhole es für Sie, damit Sie es begreifen. „Das Erblastgerede des Herrn Kollegen Dr. Stoltenberg erinnert den Vizekanzler dieser Koalition an die Methode ,Haltet den Dieb`."

    (Beifall bei der SPD) Herr Kollege Genscher fährt fort:

    Ich kann mich noch genau an die Aussprachen im Deutschen Bundestag erinnern, in denen Kollege Ertl gerügt wurde,
    — gerügt wurde, und zwar von Ihnen —
    daß er in der EG versucht hatte, die Entwicklung
    — der Preise —
    in Grenzen zu halten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wann denn?)

    Die Unions-Politiker verlangten mehr, nicht weniger.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Ich gebe Ihnen notfalls die Protokolle des Deutschen Bundestages, aus denen hervorgeht, daß der heutige Bundesernährungs- und -landwirtschaftsminister ununterbrochen mehr und nicht weniger verlangt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Genscher hat recht: Hören Sie auf, über Erblast zu reden. Sie sind es gewesen, die die Preise in Brüssel auch nach oben getrieben haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das sind die Erblaster! — Weiterer Zuruf von der SPD: Eure Erblast!)

    Nehmen wir es doch zur Kenntnis, wie es wirklich ist. Die Ausgabenexplosion im Agrarbereich ist doch trotz gegenteiliger Beteuerung von Ihrer Seite kaum gebremst. 1983 schnellten die Ausgaben für den Agrarbereich um 27 % in die Höhe. 1984 sollte das besser werden, aber wir stellen fest: Auch im Jahre 1984 wird der Anstieg 16 % betragen. Und er wäre sehr viel höher gewesen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, hätten Sie nicht fällige Ausgaben des Jahres 1984 erneut in das nächste Haushaltsjahr geschoben.

    (Hornung [CDU/CSU]: Der Bundeskanzler hat gehandelt!)

    Nehmen wir doch zur Kenntnis: Die Agrarüberschüsse in Brüssel sind auf ein unerträgliches Maß gewachsen. Der Warenwert dieser größtenteils unverkäuflichen Überschüsse beläuft sich auf 20 Milliarden DM. Die Butter wird ranzig; sie muß langsam verkauft werden. Das kostet dann zusätzliche Milliarden, auch aus dem Bundeshaushalt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das war doch schon Ihr Problem! Warum haben Sie denn nicht gehandelt?)

    Bleiben wir doch wenigstens ehrlich, und sagen wir nicht, wir hätten in Brüssel etwas bewegt und in Ordnung gebracht. Das ist es, was wir dem Kollegen Stoltenberg vorwerfen.

    (Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Sie haben nichts getan!)

    Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Deutschen Bundestag immer wieder gesagt: Wir wollen die Mehrwertsteuergrenze von 1 % in Brüssel festhalten. Das ist doch längst Vergangenheit. Das wird schlimme Konsequenzen haben. Vor einigen Tagen mußte der Bundesfinanzminister im Nachtragshaushalt für 1984 650 Millionen DM für die EG nachschießen. Im Bundeshaushalt 1985 haben Sie vorsorglich einen Betrag von 1,6 Milliarden DM eingestellt.
    Ich habe meine ganz großen Zweifel, daß dieser Betrag ausreichen wird. Herr Kollege Dr. Stoltenberg, das ist keine Schwarzmalerei, auch nicht der Versuch der Besserwisserei. Ich komme aber zu dem Ergebnis — ich hoffe, Sie teilen das Ergebnis mit mir —:

    (Glos [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

    Wer die Lage in der EG nüchtern analysiert, kann die Risiken für den Haushalt 1985 aus der EG-Agrarpolitik gar nicht hoch genug veranschlagen.
    Herr Kollege Dr. Stoltenberg, Sie haben uns am 15. November 1984 im Deutschen Bundestag mitgeteilt, daß es ihnen gelungen sei, in Brüssel Grundsätze für die Haushaltsdisziplin zu erreichen. Ich zitiere Sie jetzt wörtlich. Sie haben hier im Deutschen Bundestag gesagt:
    Wir sind einen großen Schritt vorangekommen. Wir haben erstmals ein wirksameres Instrument, auch eine vernünftige Ausgabenkontrolle im Verfahren und in der Sache herzustellen.
    Ich wollte Sie, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, dazu heute eigentlich beglückwünschen. Aber das Selbst-



    Dr. Apel
    lob des Finanzministers hält einer kritischen Nachprüfung leider nicht stand. In Brüssel wurden — Herr Kollege Stoltenberg, Sie wissen es doch — lediglich Schlußfolgerungen beschlossen, die keinerlei rechtliche Bindung haben. Der Spielraum der Agrarminister wurde kaum eingeengt.
    Die „Neue Zürcher Zeitung" schrieb dazu am 14. November 1984 unter der Überschrift „Fragwürdiger Kompromiß der Finanzminister" — ich zitiere —, in Brüssel sei von den Finanzministern ein Text erarbeitet worden, „der mit den ursprünglichen Ambitionen nicht mehr allzuviel gemein hat".

    (Hornung [CDU/CSU]: Zitieren Sie doch nicht die Schweiz, wo die Bauern ein Vielfaches mehr für ihre Produkte bekommen!)

    Die „Neue Zürcher Zeitung" schreibt weiter: „Erneut hat der Berg, wie in Brüssel üblich, nur eine Maus geboren."
    Herr Kollege Stoltenberg, ich habe den Agenturmeldungen im übrigen entnommen, daß selbst diese „Maus" inzwischen an den europäischen Realitäten in Brüssel „gestorben" ist.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wie traurig!)

    Ich frage Sie, Herr Kollege Dr. Stoltenberg: Warum können Sie vor diesem Bundestag nicht einfach zugeben, daß Sie in Brüssel ihre Ziele nicht erreicht haben?

    (Rode [Wietzen] [CDU/CSU]: Bloß weil die Schweizer Zeitung das schreibt?)

    Warum immer wieder diese Selbstbeweihräucherung, die doch genauer Nachprüfung nicht standhält?
    Wir sagen: Die finanzpolitische Bilanz Ihrer Europapolitik ist miserabel. In Brüssel setzten Sie keine durchgreifenden Sparmaßnahmen durch. Aber hier in Bonn beschließen Sie mit Ihrer Mehrheit einen Nachschlag nach dem anderen für die Landwirtschaft.

    (Hornung [CDU/CSU]: Als Ausgleich für das, was aus Ihrer falschen Politik entstanden ist! Das haben Sie immer noch nicht begriffen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ich komme darauf zurück; nur ruhig.
    Mit der Anhebung der Vorsteuerpauschale um 5 % hat der Bundesfinanzminister seinen Ruf als seriöser Finanzpolitiker ramponiert,

    (Beifall bei der SPD)

    und zwar nicht nur in der Bundesrepublik,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das müssen Sie sagen!)

    sondern auch bei den Kollegen in der EG. Man nimmt doch einem Mann, nämlich dem Bundesminister der Finanzen, der Jahr für Jahr Geld — und dann über Nacht 3 Milliarden DM zusätzlich — für die deutsche Landwirtschaft übrig hat, doch nicht ab, daß er kein Geld hat.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    Die Auswirkungen für die deutsche Landwirtschaft sind nicht besser. Der Kollege Bredehorn von der FDP hat die Beschlüsse, die im wesentlichen von Bundesfinanzminister Stoltenberg für die deutsche Landwirtschaft geprägt worden sind, am 18. Oktober 1984 im Deutschen Bundestag folgendermaßen bezeichnet — ich zitiere —:
    Die agrarpolitischen Entscheidungen wie die Milchkontingentierung, der Abbau des Grenzausgleichs, die undifferenzierte generelle 5 %Erhöhung der Vorsteuerpauschale sind Entscheidungen gegen den bäuerlichen Familienbetrieb.

    (Beifall bei der SPD — Abg. Dr. Weng [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie ein Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein. — Ihr Kollege Bredehorn fügte hinzu — und wir Sozialdemokraten schließen uns dem an —:
    Ich mache mir große Sorgen um die Existenz unserer bäuerlichen Familienbetriebe.
    Herr Kollege Stoltenberg, das können Sie doch nicht bestreiten, auch wenn Sie es immer wieder versuchen: Die umsatzstarken Betriebe werden begünstigt. Wenn wir das nüchtern feststellen, dann hat das doch nichts mit Klassenkampf zu tun, wie Sie so gern behaupten. Rechnen Sie doch einmal, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, und Sie kommen zu dem Ergebnis,

    (Hornung [CDU/CSU]: Das ist die Korrektur Ihrer falschen Politik!)

    daß ein Betrieb mit 500 000 DM Umsatz seinen Gewinn nach Abzug der Unkosten schlagartig jährlich um 20 000 DM ohne eigene Leistung erhöht, während ein kleinerer Betrieb mit einem Jahresumsatz von 100 000 DM bei weitem nicht einmal den Verlustausgleich für die Folgen Ihrer verfehlten Politik erhält.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen im Interesse unserer Landwirtschaft — wenn Sie dazu bereit sind, mit Ihnen gemeinsam — einen Ausweg finden.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Sie sind j a ein Bauernvertreter!)

    Lassen Sie uns von dem von Ihnen eingeschlagenen falschen Weg abweichen. Lassen Sie uns ihn korrigieren.

    (Hornung [CDU/CSU]: Aber nicht in die Richtung, die Sie vorgeschlagen haben!)

    Wir müssen den Landwirten flächenbezogen helfen. Wir müssen entsprechend die Regelungen der Vorsteuerpauschale ändern. Nur so werden die hohen finanziellen Opfer für unsere Landwirtschaft sinnvoll eingesetzt und wird dem durch Ihre verfehlte



    Dr. Apel
    Finanzpolitik herbeigeführten „Bauernlegen" ein Ende bereitet.

    (Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Nicht einmal von dem Thema verstehen Sie etwas! — Hornung [CDU/CSU]: „Bauernlegen" ist eine juristische Angelegenheit!)

    Sie, Herr Dr. Stoltenberg, haben mir am 12. September 1983 hier im Deutschen Bundestag „Mäßigung und Selbstkritik" im Rückblick auf meine Zeit als Bundesfinanzminister empfohlen.

    (Glos [CDU/CSU]: Sie sollten sich schämen!)

    Ich gebe Ihnen heute diese Empfehlung zurück.

    (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Das braucht er!)

    Am 15. November 1984 erkärten Sie überheblich als Bundesfinanzminister

    (Glos [CDU/CSU]: Sie sind überheblich!)

    zu den Aussagen eines Kollegen im Bundestag — ich zitiere —:
    Es war kaum verständlich, was er hier vorgetragen hat, und schon gar nicht logisch und konsistent.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man bei Ihnen auch sagen!)

    Am 14. September 1984 bewerteten Sie die Aussagen eines anderen SPD-Kollegen hier im Parlament folgendermaßen — ich zitiere Stoltenberg —:
    Das ist selbst durch rheinisches Kabarett kaum noch zu überbieten. Melden sie sich doch bei den Laienschauspielern an.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Richtig!)

    Herr Kollege Dr. Stoltenberg, abschließend: Auf Ihre Entschuldigung wegen der Verleumdung unseres früheren Kollegen Rainer Offergeld durch Herrn Waigel und Sie hier im Bundestag am 24. Mai 1984 während der Debatte über Ihre gescheiterten Pläne der Amnestie bei Parteispenden warten wir immer noch. Wenn Sie ein Ehrenmann sind: Entschuldigen Sie sich! Sie haben damals zu Unrecht — hoffentlich nicht bewußt — Herrn Offergeld verdächtigt. Inzwischen ist dies alles klar. Sagen Sie hier, daß Sie sich geirrt haben.

    (Beifall bei der SPD — Hornung [CDU/ CSU]: Herr Apel, über Ihr Schauspiel ist schon längst der Vorhang gefallen!)

    Wir Sozialdemokraten stellen fest: Anspruch und Wirklichkeit fallen in der Finanzpolitik des Finanzministers immer wieder weit auseinander.

    (Stockhausen [CDU/CSU]: Das war in der Zeit von Apel!)

    Der Finanzminister tut nichts gegen die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit.

    (Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Jetzt redet er von sich selber!)

    Seine Haushaltspolitik erschöpft sich im Umverteilen zu Lasten der sozial Schwächeren. In seiner
    Steuerpolitik setzt sich das fort. Der versprochene Subventionsabbau findet nicht statt. Im Gegenteil. Aus der Europapolitik des Finanzministers erwachsen unkalkulierbare Risiken für den deutschen Steuerzahler. Das ist wahrlich keine glanzvolle Bilanz Ihrer Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, stünden auch Ihnen Mäßigung und Selbstkritik gut an.
    Ich bedanke mich.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Stockhausen [CDU/CSU]: Fangen Sie einmal bei sich selber an!)