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ID1010308800

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    Plenarprotokoll 10/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Oldenstädt 7497 A Verzicht des Abg. Graf Stauffenberg auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 7497 A Eintritt des Abg. Wittmann (Tännesberg) in den Deutschen Bundestag 7497 A Erweiterung der Tagesordnung 7497 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksachen 10/1800, 10/2250 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/2301, 10/2330 — . . . 7497 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/2302, 10/2330 — Esters SPD 7497 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 7499 B Frau Nickels GRÜNE 7500 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 7502 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/2303, 10/2330 — . . . 7504 B Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/2304, 10/2330 — Dr. Vogel SPD 7504 D Dr. Dregger CDU/CSU 7515 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE . . . 7521C, 7561B Hoppe FDP 7526 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 7530 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 7542 B Genscher, Bundesminister AA 7546 A Horn SPD 7549 C Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 7552C, 7558 B Dr. Apel SPD 7556A, 7558 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7559 B Frau Fuchs (Köln) SPD 7560 B Präsident Dr. Jenninger 7530 D Namentliche Abstimmung 7562 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — Drucksachen 10/2305, 10/2330 — Dr. Ehmke (Bonn) SPD 7564A Dr. Rose CDU/CSU 7568 B Reents GRÜNE 7571 D Schäfer (Mainz) FDP 7573C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 Frau Huber SPD 7576 B Genscher, Bundesminister AA . . 7578C, 7584 D Voigt (Frankfurt) SPD 7581 C Klein (München) CDU/CSU 7582 C Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/2314, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/2325 — Kleinert (Marburg) GRÜNE 7585 D Frau Traupe SPD 7586 C Dr. Stavenhagen CDU/CSU 7590A Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 7592 D Dr. Weng FDP 7594 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 7597 A Leonhart SPD 7602 A Namentliche Abstimmung 7604 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/2318, 10/2330 — Esters SPD 7606 C Frau Gottwald GRÜNE 7607A, 7612 D Borchert CDU/CSU 7609 B Frau Seiler-Albring FDP 7611A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 7614A Vizepräsident Westphal 7609 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/2320, 10/2330 — Löffler SPD 7616 B Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 7618 B Schneider (Berlin) GRÜNE 7620 B Ronneburger FDP 7623 D Windelen, Bundesminister BMB . . . 7625 C Nächste Sitzung 7626 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7627*A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Löffler (SPD) und Heimann (SPD) zur Abstimmung über den Einzelplan 35 — Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — (Drucksache 10/2325) 7627* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 7497 103. Sitzung Bonn, den 27. November 1984 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28.11. Dr. Barzel 30.11. Erhard (Bad Schwalbach) 30.11. Ertl 28.11. Dr. Glotz 30.11. Haase (Fürth) * 28.11. Handlos 27.11. Dr. Hauff 27.11. Hauser (Esslingen) 30.11. Frau Hoffmann (Soltau) 30.11. Lemmrich * 27. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 28. 11. Polkehn 30.11. Frau Renger 30.11. Frau Schmidt (Nürnberg) 30.11. Schmidt (Wattenscheid) 30.11. Dr. Solms 27. 11. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 28. 11. Dr. Spöri 30.11. Dr. Sprung 30.11. Dr. Stark (Nürtingen) 30.11. Vosen 30.11. Weiskirch (Olpe) 30.11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Löffler (SPD) und Heimann (SPD) zur Abstimmung über den Einzelplan 35 - Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte - (Drucksache 10/2325) Das Verhältnis zwischen den westlichen Schutzmächten und der Berliner Bevölkerung ist traditionell gut. So wird es bleiben, auch wenn gegenwärtig zwischen der britischen Schutzmacht und einem Teil der Bewohner von Berlin-Spandau eine gewisse Spannung besteht. Ursache dieser Spannung ist der Bau einer neuen großen Schießanlage in unmittelbarer Nähe einer Wohnsiedlung am Rande eines Erholungsgebietes. Eine Klagemöglichkeit wegen dieser Baumaßnahme vor deutschen Gerichten besteht nicht. Die Entscheidung eines Londoner Gerichts, ob überhaupt die Zuständigkeit eines britischen Gerichts gegeben ist, steht kurz bevor. Mit unserer Zustimmung zum Einzelplan 35 verbinden wir auch die Erwartung, daß die Bundesregierung einen Beitrag leistet, der das gute Verhältnis zwischen Schutzmacht und Bevölkerung bewahren hilft. Das könnte einmal dadurch geschehen, daß die Bundesregierung die Mehrkosten übernimmt, die durch den Gerichtsort London entstehen und dadurch, daß die Bundesregierung bei der britischen Regierung ihren Einfluß ausübt, um noch bessere Lärmdämmungsmaßnahmen zu erreichen.
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    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein.


Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Gilt das generell, Herr Abgeordneter?

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    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja.
    Daß wir nicht die DDR vertreten, Herr Kollege Czaja, haben wir im Grundlagenvertrag feierlich unterschrieben;

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Aber die Mitverantwortung haben wir!)

    und daß wir nicht das juristische Reich von 1937
    vertreten, ergibt sich aus den Vorbehaltsrechten



    Dr. Ehmke (Bonn)

    der vier Siegermächte für „Deutschland als Ganzes". Wir sprechen nur für die Bundesrepublik

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Sie nicht!)

    und können daher — das ist die Kehrseite der Medaille —

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Auch nichts herschenken!)

    auch nur diese völkerrechtlich binden.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Lesen Sie sich die Präambel des Grundgesetzes durch!)

    Diese völkerrechtliche Bindung gilt dann aber für Gegenwart und Zukunft, so wie das auch der Herr Bundespräsident noch einmal unterstrichen hat.
    Der zweite Irrtum ist der, Herr Hupka: Sie mögen noch so starke Sympathien für die polnische „Solidarität" haben — wer hat sie trotz aller außenpolitischen Sorgen nicht? —, Sie dürfen nur nicht annehmen, in der Grenzfrage seien die Solidarnosc, die polnische Kirche und die polnische Regierung unterschiedlicher Meinung.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Regierung in Warschau vertritt in der Grenzfrage nicht lediglich die Meinung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, sondern die Überzeugung des ganzen polnischen Volkes, die übrigens von vielen anderen Völkern in der Welt geteilt wird.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Und von der SPD!)

    Da war Ihr Kollege Sauer schon folgerichtiger, der — Staatsmann, wie er ist — nicht nur die katholische Kirche, sondern gleich auch den Papst zur Ordnung gerufen hat, weil sie die deutschen Interessen nicht ausreichend berücksichtigten.
    Nun redet der Herr Bundeskanzler gerne von der Versöhnung mit Polen. Aber er läßt einen solchen Mann wie Herrn Sauer einfach gewähren.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Sie müssen sich ans Grundgesetz halten!)

    Und nicht nur das; durch seine Politik der Wiederbelebung und der Unterstützung der Vertriebenenverbände trotz dieser unglaublichen Töne trägt der Bundeskanzler persönliche Verantwortung für die Vergiftung des Klimas zwischen Deutschland und Polen und erweckt den Eindruck der Doppelzüngigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    In dieses Bild paßt es, daß das unter der direkten politischen Verantwortung des Bundeskanzlers stehende Bundespresseamt jetzt in einem Tischkalender mit dem Titel „Bundesrepublik 1985" eine Karte abdruckt, die die Gebiete östlich von Oder und Neiße als „unter polnischer Verwaltung stehend" bezeichnet.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Na und? — Zuruf von der SPD: Das kann man kaum fassen!)

    Die Ausrede, es handele sich um eine „historische Karte", die schon unter früheren Regierungen abgedruckt worden sei, ist fadenscheinig; denn der frühere Abdruck erfolgte in einer Serie historischer Karten und nicht in einem aktuellen Kalender, der Territorium und Bevölkerung der Bundesrepublik beschreibt.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Das Bild wird durch den Beschluß der Jungen Union abgerundet, die die im Warschauer Vertrag von 1970 für die Bundesrepublik völkerrechtlich ausgesprochene Anerkennung der polnischen Westgrenze nachträglich ablehnt, den Polen dafür aber — großzügig, wie die Junge Union ist — ein Heimatrecht zugesteht, offenbar nach Rückkehr dieser Gebiete „heim ins Reich".

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Das ist unglaublich!)

    Der Herr Bundeskanzler nimmt gegen alles dieses nicht Stellung und wundert sich dann, wenn dem von außen mit Revanchismus- und Revisionismusvorwürfen begegnet wird.

    (Beifall bei der SPD — Frau Gottwald [GRÜNE]: Der kann sich an nichts erinnern!)

    Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler, und ich sage Ihnen, Herr Bundesaußenminister, noch einmal: Nichts kann deutsche Außenpolitik in ihrer Glaubwürdigkeit und Operationsfähigkeit

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Wie Eure Haltung zum NATO-Doppelbeschluß!)

    zentraler treffen und lahmlegen als der Eindruck, wir wollten den Streit um die Grenzen in Europa neu beginnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich frage mich: Wann werden auch die Ewiggestrigen begreifen, daß man die aus dem Hitler-Krieg entstandenen staatlichen Grenzen anerkennen muß, wenn man die politische Lage in Europa ändern will?

    (Beifall bei der SPD — Dr. Czaja [CDU/ CSU]: Dann müßt ihr das Grundgesetz abschaffen!)

    Im Auswärtigen Ausschuß habe ich — Herr Czaja, ich komme zu Ihnen — bereits zur Sprache gebracht, daß die Vertriebenenverbände im kommenden Mai des 40. Jahrestages des Kriegsendes und des Endes des Naziregimes — ebenfalls mit Unterstützung der Bundesregierung — unter dem Motto „40 Jahre Vertreibung" gedenken wollen. Auch die Herausgabe einer Briefmarke mit diesem Motto ist geplant.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Rosa Luxemburg ist besser? — Abg. Dr. Riedl [München] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Nun gehört sicher auch die Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten



    Dr. Ehmke (Bonn)

    — Herr Kollege Czaja, darin sind wir uns sogar einig —,

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Na also!)

    zu der Geschichte des Hitlerregimes und zu dessen schmählichem und bitterem Ende. Aber ich frage mich, Herr Bundesaußenminister: Welcher Eindruck wird wohl in der ganzen Welt entstehen — im Osten wie im Westen —, wenn wir dieses so einschneidenden Ereignisses in der deutschen Geschichte vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Vertreibung gedenken, während die Alliierten — im Zeichen einer neuen amerikanisch-sowjetischen Annäherung — den 40. Jahrestag ihres Sieges über Nazi-Deutschland feiern werden.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Wart's ab!)

    Die Planungen dazu sind Ihnen ja bekannt, nehme ich an. Sonst lassen Sie sich bitte unterrichten.
    Daß der Bundeskanzler dies alles laufen läßt und zum Schaden der Bundesrepublik auch noch unterstützt, halte ich für eine politische Katastrophe, was sich aber auch dahin formulieren läßt, daß ich diesen Bundeskanzler für eine politische Katastrophe halte.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Frau Gottwald [GRÜNE]: Das ist noch mal ein Wort!)

    Sie, Herr Außenminister, sollten, nachdem Sie offensichtlich in unserer Außenpolitik nicht mehr viel zu sagen haben, meines Erachtens schon aus Selbstachtung nicht nur vom Vorsitz der FDP, sondern auch vom Amt des Außenministers zurücktreten. Ich werde darin bestätigt, wenn ich mir ansehe, wie das Kabinett Sie heute in einer wesentlichen Frage der internationalen Politik, bei der Seerechtskonvention, heruntergebügelt hat.
    Die „Süddeutsche Zeitung" hat zu dem Thema Seerechtskonvention vor kurzem unter der Überschrift „Opfer des Taktierens" die Lage treffend beschrieben. Seit Jahren ist bekannt, daß die Zeichnungsfrist am 9. Dezember abläuft. Nichts ist geschehen. Der Herr Bundesaußenminister ist zwar — das sei dankend anerkannt — mit Unterstützung der SPD-Fraktion und sogar eines Teiles seiner eigenen Fraktion mannhaft für die im deutschen und europäischen Interesse liegende Unterzeichnung der Seerechtskonvention eingetreten, zumal nur sie die Möglichkeit einer Besserung der als unbefriedigend empfundenen Teile der Konvention eröffnet. Herr Genscher war aber auch insofern erfolglos.

    (Dr. Stercken [CDU/CSU]: Wieso?)

    — Wenn Sie im Auswärtigen Ausschuß erst die Beratung verhindern und mich jetzt bitten, das zu erklären, dann kann ich mit Fritz Reuter nur sagen: „Ich habe ja sehr viel Gefühl, doch was zuviel ist, ist zuviel." Machen Sie also demnächst eine anständige Beratung im Auswärtigen Ausschuß.

    (Beifall bei der SPD)

    Der CDU-Fraktionsvorstand hat gleich einstimmig befunden, daß eine Unterzeichnung gegen deutsche Interessen verstoßen würde, wobei zum rechten Verständnis der deutschen Interessen offenbar einige Briefe beigetragen haben, die der US-Präsident Reagan in dieser Sache an Herrn Kohl geschrieben hat.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Was haben Sie dagegen? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Bei den Freien Demokraten wurde wieder einmal Liberalität mit Wankelmut verwechselt. Herr Bundeswirtschaftsminister Bangemann, der jetzt fehlt, hat vor knapp zwei Jahren als FDP-Abgeordneter und Vorsitzender der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament für den Beitritt der EG-Mitgliedstaaten zum Seerechtsabkommen gestimmt.

    (Zuruf von der SPD: Ach!)

    Jetzt nimmt er unter dem Druck von Herrn Lambsdorff — Kehrtwendung um 180 Grad; darin ist die FDP ja geübt — gegen unsere Unterschrift Stellung.
    Der Herr Bundeskanzler aber hat versucht — übrigens unter Ausschaltung des Parlaments, wozu leider auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses beigetragen hat —,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: He, he!) auch diese Frage bis zum letzten auszusitzen.

    Das Ergebnis dieser Gesäßpolitik wird uns in der Welt erneut zum Gespött machen, wie immer man zur Seerechtskonvention in der Sache steht.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Außenpolitischer Spagat!)

    Die Unterzeichnung durch die EG zu dulden, die eigene Unterschrift aber zu verweigern, kann nur schlicht als außenpolitische Schizophrenie bezeichnet werden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Zugleich handelt es sich hier um eine Irreführung der Öffentlichkeit. Dieser wird nämlich verschwiegen, daß die EG nur für den Teilbereich der Seerechtskonvention zeichnet, für den sie sachlich zuständig ist, also nur für Fischerei und Küstenumweltschutz.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Richtig!)

    Den Konflikt mit unseren EG-Partnern — mit Ausnahme von Mrs. Thatcher — und den Konflikt mit der Dritten Welt nimmt man sehenden Auges in Kauf. Wünsche des amerikanischen Präsidenten sind für die Rechtskoalition halt immer noch Befehl, was immer Sie auch in Sonntagsreden über die Selbstbehauptung Europas sagen mögen.
    Herr Bundesaußenminister, die Außenpolitik der Bundesrepublik unter der Rechtskoalition ist — diese zwei Beispiele sind nur zwei Belegstellen dafür — auf einem Tiefpunkt angelangt. Er wird aber noch nicht das Ende der Talfahrt sein. Die nächste Fehlleistung ist schon in Vorbereitung: ein Nuklearvorbehalt der Bundesregierung bei Zeichnung der Zusatzprotokolle zu dem Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte. Hier tickt, wie der aus Ihren Reihen stammende Präsident des



    Dr. Ehmke (Bonn)

    Deutschen Roten Kreuzes immer wieder zu Recht betont, für die Bundesrepublik, für ihre Außen-, ihre Sicherheits- und ihre Völkerrechtspolitik eine Zeitbombe. Die Vorstellung, daß der Bundeskanzler versuchen wird, auch diese Zeitbombe auszusitzen, mag die Phantasie der Karikaturisten beflügeln; der Bundesrepublik droht neuer Schaden.
    Herr Bundesaußenminister, verstrickt in Revanchismusauseinandersetzungen mit den östlichen Nachbarn, an denen diese Bundesregierung selber leider nicht unschuldig ist, ohne eigene Perspektive in Sachen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik, tief zerstritten in ihrer Dritte-Welt-Politik, in einer europapolitischen Sackgasse müssen sich die Bundesregierung und der Bundesaußenminister inzwischen sogar von westlichen Verbündeten, von christdemokratischen Parteifreunden und von höchsten Vertretern der Kirche kritische Worte zu ihrer Außenpolitik anhören.
    Auch in den internationalen Organisationen und Gremien sinken Einfluß und Ansehen der Bundesrepublik rapide. Das läßt sich selbst mit Ihrer Betriebsamkeit, Herr Bundesaußenminister, nicht mehr verdecken und schon gar nicht ändern.
    Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, reden zur Entschuldigung Ihres Versagens immer gerne von „Erblast". Die Wahrheit ist, daß Sie in nur zwei Jahren ein großes außenpolitisches Erbe schmählich vertan haben.

    (Beifall bei der SPD)