Rede:
ID1010304400

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    Vokabeln: 12
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    12. Kollege.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Oldenstädt 7497 A Verzicht des Abg. Graf Stauffenberg auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 7497 A Eintritt des Abg. Wittmann (Tännesberg) in den Deutschen Bundestag 7497 A Erweiterung der Tagesordnung 7497 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksachen 10/1800, 10/2250 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/2301, 10/2330 — . . . 7497 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/2302, 10/2330 — Esters SPD 7497 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 7499 B Frau Nickels GRÜNE 7500 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 7502 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/2303, 10/2330 — . . . 7504 B Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/2304, 10/2330 — Dr. Vogel SPD 7504 D Dr. Dregger CDU/CSU 7515 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE . . . 7521C, 7561B Hoppe FDP 7526 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 7530 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 7542 B Genscher, Bundesminister AA 7546 A Horn SPD 7549 C Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 7552C, 7558 B Dr. Apel SPD 7556A, 7558 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7559 B Frau Fuchs (Köln) SPD 7560 B Präsident Dr. Jenninger 7530 D Namentliche Abstimmung 7562 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — Drucksachen 10/2305, 10/2330 — Dr. Ehmke (Bonn) SPD 7564A Dr. Rose CDU/CSU 7568 B Reents GRÜNE 7571 D Schäfer (Mainz) FDP 7573C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 Frau Huber SPD 7576 B Genscher, Bundesminister AA . . 7578C, 7584 D Voigt (Frankfurt) SPD 7581 C Klein (München) CDU/CSU 7582 C Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/2314, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/2325 — Kleinert (Marburg) GRÜNE 7585 D Frau Traupe SPD 7586 C Dr. Stavenhagen CDU/CSU 7590A Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 7592 D Dr. Weng FDP 7594 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 7597 A Leonhart SPD 7602 A Namentliche Abstimmung 7604 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/2318, 10/2330 — Esters SPD 7606 C Frau Gottwald GRÜNE 7607A, 7612 D Borchert CDU/CSU 7609 B Frau Seiler-Albring FDP 7611A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 7614A Vizepräsident Westphal 7609 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/2320, 10/2330 — Löffler SPD 7616 B Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 7618 B Schneider (Berlin) GRÜNE 7620 B Ronneburger FDP 7623 D Windelen, Bundesminister BMB . . . 7625 C Nächste Sitzung 7626 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7627*A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Löffler (SPD) und Heimann (SPD) zur Abstimmung über den Einzelplan 35 — Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — (Drucksache 10/2325) 7627* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 7497 103. Sitzung Bonn, den 27. November 1984 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28.11. Dr. Barzel 30.11. Erhard (Bad Schwalbach) 30.11. Ertl 28.11. Dr. Glotz 30.11. Haase (Fürth) * 28.11. Handlos 27.11. Dr. Hauff 27.11. Hauser (Esslingen) 30.11. Frau Hoffmann (Soltau) 30.11. Lemmrich * 27. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 28. 11. Polkehn 30.11. Frau Renger 30.11. Frau Schmidt (Nürnberg) 30.11. Schmidt (Wattenscheid) 30.11. Dr. Solms 27. 11. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 28. 11. Dr. Spöri 30.11. Dr. Sprung 30.11. Dr. Stark (Nürtingen) 30.11. Vosen 30.11. Weiskirch (Olpe) 30.11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Löffler (SPD) und Heimann (SPD) zur Abstimmung über den Einzelplan 35 - Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte - (Drucksache 10/2325) Das Verhältnis zwischen den westlichen Schutzmächten und der Berliner Bevölkerung ist traditionell gut. So wird es bleiben, auch wenn gegenwärtig zwischen der britischen Schutzmacht und einem Teil der Bewohner von Berlin-Spandau eine gewisse Spannung besteht. Ursache dieser Spannung ist der Bau einer neuen großen Schießanlage in unmittelbarer Nähe einer Wohnsiedlung am Rande eines Erholungsgebietes. Eine Klagemöglichkeit wegen dieser Baumaßnahme vor deutschen Gerichten besteht nicht. Die Entscheidung eines Londoner Gerichts, ob überhaupt die Zuständigkeit eines britischen Gerichts gegeben ist, steht kurz bevor. Mit unserer Zustimmung zum Einzelplan 35 verbinden wir auch die Erwartung, daß die Bundesregierung einen Beitrag leistet, der das gute Verhältnis zwischen Schutzmacht und Bevölkerung bewahren hilft. Das könnte einmal dadurch geschehen, daß die Bundesregierung die Mehrkosten übernimmt, die durch den Gerichtsort London entstehen und dadurch, daß die Bundesregierung bei der britischen Regierung ihren Einfluß ausübt, um noch bessere Lärmdämmungsmaßnahmen zu erreichen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tradition entsprechend ist die Generalaussprache über den Haushalt des Bundeskanzlers auch immer die Ge-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    neralaussprache über die Politik der jeweiligen Bundesregierung. Das ist eine gute Tradition. Sie bietet die Chance und die Gelegenheit, Politik auszutauschen,

    (Reents [GRÜNE]: Ja, tauschen Sie einmal Ihre Politik aus! Das wäre ganz gut!)

    alternative Wege im politischen Alltag miteinander zu erwägen und, wenn möglich, auch zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Zum Wesen einer solchen Generalaussprache gehört selbstverständlich auch Kritik, und es gehört zum Wesen einer parlamentarischen Opposition, daß diese Kritik auch durchaus eine herbe Kritik sein kann.
    Nun, meine Damen und Herren, mit großem Interesse habe ich — und viele Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause sicherlich auch — heute früh nach den Ankündigungen der letzten Tage die alternative Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, vertreten durch ihren Sprecher, den Herrn Abgeordneten Dr. Vogel, erwartet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Null Komma nichts!)

    Trotz aufmerksamem Zuhörens habe ich im wesentlichen nur Polemik gehört,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Polemik und Behauptungen, die durch die Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland längst widerlegt wurden.
    Herr Kollege Vogel, im Verlaufe Ihrer Rede drängte sich mir ein Eindruck auf: Wenn das Bild wirklich so wäre, wie Sie es schildern, müßten Sie doch von Wahlsieg zu Wahlsieg schreiten,

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    müßte es doch ein demoskopisches Bild geben, nach dem Sie von einem Triumpf zum anderen gehen.

    (Zuruf von der SPD: Warten Sie erst einmal ab!)

    Jetzt schauen Sie sich doch einmal das Wahlergebnis in Stuttgart oder das Wahlergebnis in Tübingen an. Dort haben Sie es doch so weit gebracht, daß Sie — nach den GRÜNEN — die drittstärkste Fraktion im Rat der Stadt geworden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Und in Ludwigshafen? Und in München? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Sehen Sie, das, was Sie hier geboten haben, Herr Kollege Vogel, ist der alte Rückfall in die sozialistische Mottenkiste der Aufforderung zum Klassenkampf und zum Neid als Mittel der Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, deswegen lohnt es sich in der Tat nicht, auf diese Rede weiter einzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP)

    Abschließend will ich dazu nur noch zwei Bemerkungen machen, weil Sie so vieles behauptet haben, was nicht zutreffend ist. Wenn sie gestern bei der Tagung der IG Bergbau nur etwas zugehört hätten, hätten Sie daraus entnehmen können, daß das, was Sie mir hier vorgeworfen haben, wirklich absurd ist. Seit Wochen ist gerade für diese Woche ein Gespräch mit Herrn Breit, dem Vorsitzenden des DGB, vereinbart. Ich kann ja nichts dazu, daß Ihre Kontakte zum DGB offensichtlich so erlahmt sind, daß Sie die einfachsten Nachrichten nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Was Sie zum Thema der Koalition gesagt haben: Nun, Herr Abgeordneter Vogel, Sie sind — wie ich auch — lange genug in der Politik und wissen, daß eine Koalitionsregierung immer eine schwierige Sache ist. Das weiß jeder, der Mitglied einer Koalitionsregierung war. Die Koalitionsregierung aus FDP, CSU und CDU als Koalition der Mitte ist angetreten, das wieder in Ordnung zu bringen, was Sie uns im Jahre 1982 an Abstiegskandidaten hinterlassen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich haben wir dabei unsere Schwierigkeiten. Wer die bundesstaatliche Ordnung kennt, wer die Parteienlandschaft kennt,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wer Kohl kennt!)

    der weiß: Es ist doch ein ganz natürlicher Vorgang, daß in einer Frage wie der der Steuerreform zwischen den drei Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP in der besonderen Situation einer Verteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern viele — häufig allerdings, wie ich gerne einräume, unnötig laute, überhaupt viele sonst unnötige — Gespräche zu führen sind. Nur, meine Damen und Herren, das war doch zu allen Zeiten so.
    Schauen Sie doch einmal zurück in die Geschichte der Bundesrepublik. Da gab es sehr früh die Koalition zwischen CDU/CSU und FDP. Schauen Sie zurück in die Zeit der Großen Koalition. Sie haben das doch alles miterlebt. Natürlich gab es da immer Probleme und manches Mal ganz unnötige. Das gilt auch für die von mir geführte Koalition.
    Aber das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist: Wenn Sie die Zeit vom 1. Oktober 1982 bis zum heutigen Tag noch einmal abmessen, dann werden Sie eben feststellen, daß diese Koalition der Mitte eine ganz ungewöhnlich erfolgreiche Koalition für die Bundesrepublik Deutschland war.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Das kann man doch nun wirklich in allen entscheidenden Feldern der Politik nachweisen.

    (Zuruf des Abg. Reents [GRÜNE])

    Ihr Beitrag in diesen zwei Jahren bestand doch in
    jenen gleichen Lärmszenen, die Sie auch jetzt dem
    Zuschauer bieten. Lassen Sie uns doch einmal in



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    aller Ruhe die einzelnen wesentlichen Kapitel deutscher Politik in diesen zwei Jahren besprechen.

    (Zurufe von der SPD)

    Da ist zunächst einmal das Verhältnis im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik zu unserem wichtigsten verbündeten, den Vereinigten Staaten.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die lachen inzwischen über Sie!)

    — Herr Dr. Ehmke, ich weiß nicht, warum Sie hier dazwischenrufen. Ich hätte mir gewünscht, daß Sie beispielsweise Ihre Stimme laut erhoben hätten, als der Pöbel von Berlin die amerikanische Flagge durch den Dreck gezogen hat. Ich hätte mir Ihre Stimme zu hören gewünscht, als sich vor einigen Wochen ein ähnliches Schauspiel im Bonner Hofgarten ereignet hat und der Parteivorsitzende der SPD dort in der Nähe stand.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Wenn morgen der Bundesaußenminister und ich auf Einladung des Präsidenten der Vereinigten Staaten nach Washington fahren, können wir mit der Gewißheit fahren, daß die Parlamentsmehrheit der Bundesrepublik Deutschland, und zwar in beiden Kammern, im Bundestag und Bundesrat, die Sicherheitspolitik der NATO ohne Wenn und Aber unterstützt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Jawohl, Herr Präsident!)

    Unsere amerikanischen und unsere kanadischen Freunde, auch die Freunde in Europa wissen sehr genau, daß die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Parlamentsmehrheit ein berechenbarer, guter Freund und ein verläßlicher Partner auch in schwierigen Zeiten ist.
    Meine Damen und Herren, so hat sich gerade in den letzten zwei Jahren das Verhältnis, das Vertrauensverhältnis zwischen der Bundesregierung und dem Weißen Haus, der amerikanischen Administration, ganz vorzüglich entwickelt. Wir haben ähnlich gute Beziehungen zu unseren Freunden in Paris. Das gleiche gilt für alle anderen Partner in der Europäischen Gemeinschaft und auch in der NATO. Das war vor zwei Jahren doch keineswegs selbstverständlich. Es war doch Ihre Politik, die Politik der deutschen Sozialdemokraten, die die Sicherheitspolitik meines Amtsvorgängers ins Zwielicht gebracht hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich brauche Sie doch nicht daran zu erinnern, welch schockierendes, welch deprimierendes Bild die SPD in diesen Fragen auf ihrem letzten Parteitag geboten hat.
    Wir haben vor allem in den letzten zwei Jahren auf Grund dieses engen und vertrauensvollen Verhältnisses zu unseren amerikanischen Freunden und unseren Partnern die Möglichkeit gehabt, intensiven Einfluß auf die Genfer INF- und die START-Verhandlungen zu nehmen. Als wir vor einem knappen Jahr — als Sie mit anderen dabei waren, der Bundesrepublik den heißen Herbst zu bereiten — gesagt haben, nach den amerikanischen Wahlen werden die Verhandlungen wieder aufgenommen, werden sich die Sowjets und die Amerikaner aufeinander zubewegen, haben Sie von diesem Pult aus Spott und Hohn verbreiten wollen. Sie haben Angst im Land verbreitet, um Ihre politischen Geschäfte zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was haben Sie nicht alles an Schmähungen über den amerikanischen Präsidenten verbreitet, um Ihren zum Teil wirklich absurden und törichten Antiamerikanismus zu füttern. Wenn Sie die Rede des Präsidenten vor der UNO-Vollversammlung, wenn Sie die Gespräche der amerikanischen Administration, auch des Präsidenten selbst, mit dem sowjetischen Außenminister Gromyko betrachten, dann wissen Sie: wir haben ein Verhältnis des Vertrauens und der Partnerschaft, und das hat überhaupt nichts mit der Inspiration von Vasallen zu tun; dann wissen Sie, daß hier Europäer und Amerikaner gemeinsam um den Frieden und um die Sicherheit ihrer Länder kämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Durch unsere Entscheidungen in der Sicherheitspolitik sind die Grundlagen gelegt worden, daß dieser Kontakt jetzt unter ganz anderen und, wie ich hoffe, günstigeren Bedingungen wiederaufgenommen werden kann. Wir begrüßen den Wiederbeginn von Verhandlungen ganz uneingeschränkt. Ich begrüße es auch — auch das, meine Damen und Herren, ist ziemlich bemerkenswert —, daß beide Seiten, die sowjetische wie die amerikanische, es für selbstverständlich gehalten haben, uns und speziell mich persönlich über ihre Vorstellungen für die nächste Zeit zu unterrichten.
    Ich sage es noch einmal: Vor einem Jahr haben Sie eine neue Eiszeit in den Beziehungen zwischen Ost und West prophezeit. Sie haben die Behauptung des sowjetischen Ministerpräsidenten Tichonow, zwischen beiden Teilen Deutschlands ginge jetzt ein Raketenzaun nieder, im ganzen Land verbreitet und damit Angst unter die Mitbürger gebracht. Sie haben niemals eine vernünftige Alternative angeboten. Nach zwölf Monaten hat sich deutlich erwiesen, daß unsere Position die richtige war. Ich füge hinzu: Unsere Position, das heißt auch die Position meines Amtsvorgängers Helmut Schmidt. Bundeskanzler Helmut Schmidt war ja ein Mitautor des NATO-Doppelbeschlusses. Wir haben diese Politik als Opposition — ich als Sprecher meiner Fraktion und viele andere auch — unterstützt. Wir haben unser Wort dafür gegeben. Wir haben als Regierungspartei unser Wort selbstverständlich eingelöst. Sie sind in Wahrheit von einer vernünftigen Politik abgewichen und taumeln jetzt immer mehr in die politische Direktion des Neutralismus, von dem für unser Land mit Sicherheit kein Vorteil erlangt werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir lassen uns auf diesem Wege auch nicht durch diese oder jene Propaganda von draußen beirren. In meinen Gesprächen in den letzten vierzehn Tagen



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    mit unseren europäischen Partnern, mit Präsident Mitterrand, mit Ministerpräsident Craxi, mit der Kollegin Frau Thatcher und mit anderen, hat sich gezeigt — ich finde, das ist eine großartige Chance, auch für Europa —, daß wir allesamt fest entschlossen sind — vor allem jene, die den NATO-Doppelbeschluß mit besonderer Entschiedenheit und mit den notwendigen Handlungen im eigenen Land unterstützt haben —, jetzt die Chance zu einem neuen kraftvollen Anlauf für vernünftige Abrüstungsverhandlungen, für eine vernünftige Verbesserung des Ost-West-Verhältnisses zu unterstützen. Es ist wahr — ich glaube, es war Kollege Hoppe, der das gerade gesagt hat —, die Gespräche in den USA finden zum bestmöglichen Zeitpunkt statt. Und dabei geht es um die Verbesserung der Ost-West-Beziehungen, um Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle, um die künftige Zusammenarbeit innerhalb des Atlantischen Bündnisses und damit die Sicherung der gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit.
    Meine Damen und Herren, für uns bleibt dabei ganz klar, daß Voraussetzung für dies alles die enge, freundschaftliche Beziehung zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist. Es ist eine Beziehung der Freundschaft, es ist eine Beziehung, von der beide Seiten wohl wissen, daß sie gegenseitig großen Vorteil aus dieser Partnerschaft und Freundschaft ziehen. Dazu gehört auch die Chance, daß wir insgesamt im Ost-West-Dialog vorankommen. Wir denken, die Beziehungen zwischen West und Ost dürfen eben nicht auf Fragen der Raketen, der Rüstungskontrolle reduziert werden, so existentiell wichtig diese Fragen selbstverständlich sind. Wir halten für unabdingbar, alle Möglichkeiten eines konstruktiven Zusammenwirkens in allen Bereichen auszuschöpfen. Mit diesem Ziel hat die Bundesregierung in diesem Jahr den Gesprächsfaden mit allen Staaten des Warschauer Pakts nicht abreißen lassen, sondern hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Kontakte und die Kooperation mit diesen Ländern fortgesetzt und vertieft. Ich verweise auf meine Gespräche in Ungarn, auf die Gespräche anläßlich des Staatsbesuches des rumänischen Präsidenten Ceausescu. Der Dialog geht weiter; er ersetzt natürlich nicht das Gespräch zwischen den Weltmächten, aber er ist eine notwendige und besonders aus europäischer Sicht zwingende Ergänzung zum Dialog der Weltmächte.
    Es gibt unverändert die Chance, im KSZE-Prozeß eine Fülle von Feldern für nutzbringende Zusammenarbeit zwischen Ost und West aufzuarbeiten. Der Korb II der Schlußakte von Helsinki zählt solche Felder auf. In Wirtschaft und Handel gibt es zwischen West und Ost gemeinsame oder komplementäre Interessen. In den letzten Monaten haben wir einen neuen wichtigen Beitrag auf diesem Weg erfahren, nämlich das zunehmend wachsende Bewußtsein in Ost und West für die Notwendigkeit des Schutzes der gemeinsamen natürlichen Lebensgrundlagen. Es ist heute wahr, daß wir uns mit unseren Gesprächspartnern in Ost-Berlin, in der CSSR oder in Polen über Fragen des Waldsterbens wegen der gegebenen Verhältnisse aus Gründen der gemeinsamen Bedrohung schneller verständigen und einigen können als mit etlichen unserer
    Partner in der EG, die dieses Problem überhaupt nicht kennen. Ich finde, es ist eine gute Sache — das war ja auch ein Stück Erfolg bei der entsprechenden Umweltschutzkonferenz in München —, daß es gerade in einem Zeitalter, in dem soviel über Raketen und über Waffen gesprochen wird, möglich ist, den nützlichen und erforderlichen ökologischen Ost-West-Dialog so voranzutreiben. Wir sind dazu bereit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich nenne ein anderes wichtiges Feld, das eigentlich jeden Demokraten in der Bundesrepublik Deutschland ansprechen muß. Im kommenden Jahr findet in Ottawa das KSZE-Expertentreffen über Menschenrechte statt. Auf der im Mai 1985 beginnenden Konferenz sind wir in jeder Weise zur Mitarbeit bereit. Und wir werden auch auf Fortschritte bei der tatsächlichen Beachtung der Menschenrechte dringen. Gute Beziehungen zwischen West und Ost sind auf Dauer nur denkbar, wenn im Bereich der Menschenrechte die notwendigen und möglichen Verbesserungen eintreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie mich gerade in diesem Zusammenhang ein Wort zu unserer Deutschlandpolitik sagen. Wir verstehen Deutschlandpolitik als einen Beitrag zur europäischen Friedenspolitik. Sie fußt auf unserer engen Partnerschaft und Freundschaft mit den Demokratien des Westens, und wir suchen dabei die Verständigung mit allen unseren Nachbarn in Ost- und Mitteleuropa. Das ist für uns ein Gesamtkonzept einer in sich geschlossenen Politik. Wir wissen auch — lassen Sie mich das wiederum einmal aussprechen —, daß es keinen irgendwie gearteten deutschen Sonderweg oder einen Alleingang für die Deutschen geben könnte. Deutschlandpolitik muß immer eingebunden sein in die gesamte politische Szenerie in Europa und in der Welt. Deutschlandpolitik muß auch immer bedenken, daß für das Schicksal der Völker in Mittel- und Osteuropa und damit auch für das Schicksal unserer Landsleute in der DDR die Beziehungen zu unserem wichtigsten und mächtigsten Nachbarn in Osteuropa, zur Sowjetunion ganz entscheidend sind. Deutschlandpolitik heißt: eingegangene Verträge und Verpflichtungen honorieren und auch — wenn dies not tut — Vertragspartner an ihre Verpflichtungen erinnern. Unsere Deutschlandpolitik habe ich hier von dieser Stelle aus immer wieder deutlich dargelegt, eingehend in meinen Regierungserklärungen im Oktober 1982 und im Mai 1983. Sie hat auch ihren Niederschlag gefunden in der gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages vom Februar dieses Jahres.
    Meine Damen und Herren, diese Politik ist für jedermann berechenbar und klar. Aber zu dieser Deutschlandpolitik gehört nach unserem Selbstverständnis, nach unserem Verfassungsverständnis im Sinne der Präambel des Grundgesetzes und nach dem Verständnis unseres geschichtlichen Auftrags eben die Tatsache, daß wir als Deutsche uns mit der Teilung unseres Vaterlandes nicht abfinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Politisch wie rechtlich und letztlich auch moralisch bleibt der nationale Auftrag gültig, in einem freien Europa in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
    Man kann es nicht oft genug sagen: Die deutsche Nation lebt im Bewußtsein der Deutschen weiter. Das ist der Wille unseres Volkes, das ist eine politische Realität. Und das heißt: Die deutsche Frage ist und bleibt offen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich weiß jeder von uns — wir sind Realisten —, daß dies kein Thema ist, das auf der Tagesordnung der Weltpolitik von heute steht, aber wir wissen auch — ich sage das nicht ohne Grund — angesichts des geschichtlichen Beispiels unserer polnischen Nachbarn, daß der Wille zur Einheit einer Nation auch die Teilung eines Landes über viele Generationen überwinden kann. Wer bei uns davon spricht, so wie es die Präambel des Grundgesetzes sagt, daß wir den Willen zur Selbstbestimmung haben und nicht aufgeben, der ist eben kein aggressiver Revanchist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer durch unser Volk geht, der weiß: Er findet nirgendwo ein Anzeichen für Revanchismus. Wir haben aus der Geschichte gelernt.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Es mag sein, daß es bei Ihnen in einer bestimmten Bankgruppe dieses Hauses eine neue Form von Revanchismus gibt,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Reents [GRÜNE]: Dümmlichere Anmerkungen können Sie nicht machen!)

    aber ich habe nicht die Absicht, mich mit einem vorübergehenden parlamentarischen Zustand hier weiter auseinanderzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist so — das wissen Sie auch; auch die sozialdemokratischen Kollegen wissen das —, daß es bei uns nirgendwo Revanchismus gibt, weder bei den Vertriebenen, die das Schicksal der Vertreibung persönlich erlebt haben, noch bei ihren Nachkommen, die inzwischen ganz selbstverständlich Heimatrecht in ihrer neuen Heimat haben, noch bei irgendeinem anderen in unserem Volk, schon gar nicht bei der jungen Generation.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage das auch ganz bewußt an die Adresse unserer polnischen Nachbarn. Ich habe bedauert — ich habe dies auch öffentlich gesagt —, daß die geplante Reise des Bundesaußenministers nicht zustande kam, nicht zustande kommen konnte angesichts des Verhaltens polnischer Behörden, die eine solche Reise unter den gegebenen Umständen unmöglich gemacht haben. Ich wünsche mir, daß diese Reise nicht allzu lange auf sich warten lassen muß, daß der Kontakt mit Polen fortgesetzt werden kann, denn wir, die Bürger der Bundesrepublik Deutschland, wollen Frieden und Ausgleich mit unseren polnischen Nachbarn.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Konrad Adenauer hat in der ersten Regierungserklärung nach seiner Wahl zum Bundeskanzler 1949 von dieser Stätte aus unseren Bürgern und unseren Nachbarn in der Welt zugerufen: Wir wollen Friede, Ausgleich und, wenn möglich, gute Nachbarschaft zu allen Kriegsgegnern von gestern. Wir wollen dies vor allem — ich sage es mit meinen Worten — mit dem Volk und dem Staate Israel, mit Frankreich und mit Polen. Es ist eines der großartigsten Versöhnungswerke, daß es nach Auschwitz und Treblinka gelungen ist, mit dem Volk und dem Staate Israel zur Aussöhnung zu kommen. Das Bild, das alle Welt vor wenigen Wochen sah: vor dem Ossuaire in Verdun der französische Staatspräsident und der deutsche Kanzler, es zeigt, daß dies auch ein Schlußstrich unter einer langen Epoche schlimmer Heimsuchungen der gegenwärtigen und der früheren Geschichte unseres Volkes war und ist.
    Wir wünschen uns von Herzen, daß eine solche Aussöhnung auch mit dem polnischen Volk möglich ist.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Dann müssen Sie sich anders verhalten!)

    Wir wünschen uns, daß es, so wie es ein deutschfranzösisches Jugendwerk gibt, ein deutsch-polnisches Jugendwerk geben möge.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Bundeskanzler gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gansel? — Nein, Herr Kollege.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, wenn dann im kommenden Sommer einige 10 000 junge Polen ihre Ferien bei uns in deutschen Familien mit Gleichaltrigen verbringen würden, würden sie zu Hause die Nachricht überbringen, daß sie nicht einen einzigen Revanchisten getroffen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Gansel [SPD]: Was war denn bei der Jungen Union los? Antworten Sie doch! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich finde, meine Damen und Herren, es ist ein schlimmes Zeichen für die Entwicklung in unserem Land, daß hier unter den großen demokratischen Parteien offensichtlich keine Gemeinsamkeit mehr aufkommen kann. Wir jedenfalls werden in unserer Politik gegenüber unserem polnischen Nachbarn in der gebotenen Weise, mit Ruhe und mit Entschiedenheit, aber auch mit großer Geduld den Weg weitergehen, der zur Versöhnung und zur Aussöhnung beitragen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Das ist und bleibt das Ziel unserer Politik.
    Meine Damen und Herren, das aktuelle Ziel unserer Deutschlandpolitik besteht gemäß der Zielset-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    zung des Grundlagenvertrags darin, „normale gutnachbarliche Beziehungen" zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu entwickeln. Wir wollen die bestehenden Verträge nutzen und ausfüllen. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß sich der Generalsekretär und Staatsratsvorsitzende Honecker nicht in der Lage sah, den angesagten Besuch jetzt auszuführen. Er hat den Besuch nicht aufgehoben, sondern verschoben. Ich gehe davon aus, daß dieser Besuch zu einem späteren Zeitpunkt — das hat sehr viel auch mit der weltpolitischen Entwicklung zu tun — möglich sein wird, und ich hoffe, daß er möglich sein wird. Wir wollen die bestehenden Verträge ausfüllen und nutzen. Wir streben weitere Fortschritte an, um zu langfristigen Abmachungen über wissenschaftliche, technische und kulturelle Bereiche zu kommen, und wollen nicht zuletzt auch im Bereich des Umweltschutzes eine möglichst enge Zusammenarbeit ermöglichen. Wir werden das alles tun, aber wir denken nicht daran, unsere Prinzipien aufzugeben — nicht die Grundpositionen und nicht die Rechtspositionen.
    Das, worauf es ankommt, sind weitere Erleichterungen für die Menschen im geteilten Deutschland. Sie sollen und müssen spüren, daß ihr Leben erleichtert wird, und sie spüren es. Sie wissen, daß unsere Politik auch den Menschen in der DDR dient. Daß die Kontakte zwischen den Verantwortlichen heute unbefangener und zahlreicher geworden sind, findet, wie ich denke, auch eine sehr sinnvolle und gute Ergänzung in der Zunahme der Kontakte zwischen Bürgern aus beiden Teilen Deutschlands.
    Meine Damen und Herren, in den ersten zehn Monaten, von Januar bis Ende Oktober dieses Jahres, konnten 30 896 Bürger aus der DDR in die Bundesrepublik umsiedeln. Das heißt: Wir nähern uns bis Ende Dezember, bis Weihnachten einer Zahl nicht weit von 40 000 entfernt. Das ist der absolute Rekord seit dem Bau der Mauer. Das ist ein großartiger Erfolg. Nicht eine neue Eiszeit, sondern mehr Menschlichkeit zwischen beiden Teilen Deutschlands war durch unsere Politik möglich geworden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wenn Sie nur annähernd solche Erfolge in Ihrer Zeit zu verzeichnen gehabt hätten, dann hätte ich einmal die Propagandareden von diesem Pult aus ertragen mögen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung wird ihre Deutschlandpolitik mit Ruhe und Nüchternheit stetig fortführen. Die Fortentwicklung unserer Beziehungen muß den Menschen dienen. Sie soll aber auch zur Vertrauensbildung in Europa beitragen. Wir wollen, daß — wie der Satz aus gutem Grund von uns gemeinsam ausgesprochen wird — für die Zukunft von deutschem Boden Frieden ausgeht.
    Meine Damen und Herren, eine andere entscheidende Frage ist in diesen Jahren von uns vorangetrieben worden. Ich spreche von der Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft. Wir werden in wenigen Tagen, am 3. und 4. Dezember, in Dublin vor sehr schwierigen Entscheidungen stehen, ich sage: wiederum vor schwierigen Entscheidungen, nicht zuletzt im Blick auf die Süderweiterung, die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft um Spanien und Portugal. Die demokratischen Parteien des Deutschen Bundestages haben schon vor vielen Jahren unseren Freunden in Spanien und Portugal zugerufen, und daran hat sich sicher nichts geändert: Wenn ihr in die Gemeinschaft der freien Völker zurückkommt, wenn ihr eine neue Demokratie aufbaut, müßt ihr die Gewißheit haben, daß wir bereit sind, die Tore zur Europäischen Gemeinschaft weit zu öffnen. — Genau das wollen und werden wir tun. Das heißt aber, meine Damen und Herren: Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir unter den gegebenen Verhältnissen in vielen, auch unsere Volkswirtschaft und einzelne Berufsgruppen betreffenden Themen die Chancen nutzen müssen, jetzt zu klaren Absprachen zu kommen.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Genauso ist es!)

    Die Erfahrungen, die wir etwa im Bereich der Milchwirtschaft in den letzten Jahrzehnten in der EG gemacht haben, müssen uns dazu zwingen, in allen relevanten Fragen jetzt zu klaren Absprachen zu kommen; denn die Erfahrung zeigt, daß nach einem Beitritt vernünftige Lösungen noch viel schwieriger sind. Auch das ist eine Erfahrung aus den letzten Jahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die unter der deutschen Präsidentschaft auf dem Europäischen Rat im Juli 1983 in Stuttgart eingeleitete Entwicklung zur Lösung der Probleme hat mit der Verständigung auf dem Europäischen Rat in Fontainebleau eine entscheidende Hürde überwunden. Ich stehe hier in der sehr günstigen Situation, daß — mit Ausnahme des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel — unsere Präsidentschaft in Europa nur positive Erwähnung findet

    (Dr. Vogel [SPD]: Selbstlob! Wenn kein anderer lobt, macht man es selber!)

    und eigentlich alle Kollegen, ob Sie nun die sozialistischen Regierungschefs nehmen oder die Christlichen Demokraten, auch heute noch sagen, daß die Beschlüsse von Stuttgart richtig waren.
    Sie, meine Damen und Herren, haben vor wenigen Tagen den Nachtragshaushalt 1984 beschlossen, der den deutschen Anteil zum Nachtragshaushalt der Gemeinschaft zum Gegenstand hat. Zusatzfinanzierung war nach Erschöpfung der eigenen Einnahmen der Gemeinschaft notwendig geworden, um ihr normales Funktionieren auch für den Rest des Jahres sicherzustellen.
    Die Bundesregierung — lassen Sie mich das deutlich sagen — hätte um die Zustimmung des Hohen Hauses nicht gebeten, wenn nicht zugleich sichergestellt gewesen wäre, daß auch für die Gemeinschaft künftig strenge Grundsätze über eine sparsame Haushaltsführung gelten. Was für uns angesichts knapper öffentlicher Haushalte innerstaatlich eine Selbstverständlichkeit ist, muß auch für die Gemeinschaft gelten.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Meine Damen und Herren, in einer Welt, die unverändert durch das Ringen entgegengesetzter Systeme, aber auch durch die Gefahr eines technologischen Rückstandes Europas gegenüber Japan und den USA gekennzeichnet ist, kommt es heute mehr denn je darauf an, ein auch politisch gemeinsam handelndes Europa zu schaffen. Für uns kann die Europäische Gemeinschaft in ihrer jetzigen Form kein Endzustand sein. Die wirtschaftliche Einigung und Integration sind eine ganz gewiß wichtige Etappe, aber sie können eben nur eine Etappe auf dem Weg der politischen Einigung sein. Unser Ziel — und die Bundesregierung wird alles tun, was sie als Beitrag dazu leisten kann — bleibt die Schaffung der europäischen Union. Darunter verstehen wir ein Europa, das gekennzeichnet ist durch klar festgelegte Ziele, durch die Verständigung auf die Mittel, diese Ziele zu verwirklichen, und durch eine gemeinsame Auffassung in den wichtigsten und entscheidenden Feldern der internationalen Politik.
    Auf der anderen Seite — auch das gehört dazu — müssen wir alles tun, damit dieses Europa auch für den einzelnen Bürger sichtbar wird. Die auf Grund einer Abrede mit Präsident Mitterrand getroffene deutsch-französische Vereinbarung über den Abbau von Grenzkontrollen stellt einen wichtigen Schritt in diesem Zusammenhang dar. Wir sind gegenwärtig in Verhandlungen mit den Regierungen der Beneluxstaaten und mit der Regierung von Dänemark. Ich hoffe, daß wir auch auf diesem Feld weiter vorankommen.

    (Zuruf von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, warum Sie hier jetzt Zwischenrufe machen. Das ist doch ein Punkt, mit dem Sie zufrieden sein sollten. Was hätten Sie denn gesagt, wenn Sie in den letzten elf Jahren einen vergleichbaren Erfolg mit nach Hause gebracht hätten?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ähnlich wie im Felde der Außen-, der Sicherheits- und der Deutschlandpolitik haben wir im letzten Jahr ein gewaltiges Stück auf dem Weg nach vorn zur Konsolidierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage unseres Landes zurückgelegt. Meine Damen und Herren, ich weiß, Sie hören es nicht gerne und ertragen es schwer, aber Sie müssen es schon ertragen: Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

    (Reents [GRÜNE]: Wir kennen es!)

    formuliert bereits in dem Titel seines neuesten Jahresgutachtens sehr charakteristisch. Die Überschrift dieses Gutachtens lautet: „Chancen für einen langen Aufschwung". Die Tatsache, daß diese angesehenen Wissenschaftler diese Überschrift für ihr Gutachten ausgewählt und formuliert haben, ist ein Beweis für die Qualität der Wirtschaftspolitik der letzten zwölf Monate.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Da heißt es im Text — wörtlich zitiert —:

    Die deutsche Wirtschaft dürfte auch 1985 auf expansivem Kurs bleiben. Die Voraussetzungen dafür sind so gut wie lange nicht mehr.
    Ja, meine Damen und Herren, was wollen Sie denn eigentlich noch mehr nach dem Scherbenhaufen, den Sie uns 1982 überlassen haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was hätte mancher berühmte Ökonom dafür gegeben, wenn er mit diesem Zitat ans Pult hätte treten können!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Gutachter erwarten ein Wirtschaftswachstum von 3 %, und dies zusammen mit einem Anstieg der Beschäftigung um 250 000 bis 300 000 und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um nahezu 200 000 im Verlauf des nächsten Jahres. Sie sagen mit Recht: Wichtige Antriebskräfte sind Investitionen und Exporte. — Unsere Politik der soliden Finanzen, des Augenmaßes, eine Politik der Mitte, hat in den letzten zwei Jahren die Perspektive eröffnet, daß Wirtschaftswachstum eben wieder möglich ist. Nur so sichern wir Chancen für Investitionen, Wettbewerbsfähigkeit und neue Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Gutachten zeigt nicht nur, mit welcher Perspektive wir für das kommende Jahr rechnen können, es läßt auch erkennen, welche Wegstrecke wir zurückgelegt haben. Vor dem Regierungswechsel — daran muß man immer wieder erinnern, vor allem auch angesichts Ihrer Verelendungspropaganda draußen im Lande — hatte die Politik der deutschen Sozialdemokraten die deutsche Wirtschaft auf das falsche Gleis gefahren. Das Ergebnis war 1982 der größte Wachstums- und Beschäftigungseinbruch, den die Bundesrepublik Deutschland je erlebt hat. Wie schwierig die Situation damals noch war, kann nicht zuletzt an den Prognosen abgelesen werden, die Ende 1982 abgegeben wurden. Nullwachstum — das war doch erst vor zwei Jahren — war schon die Obergrenze. Die Mehrzahl der Experten war noch pessimistischer. Wir haben uns davon nicht beeindrucken lassen, auch nicht von jenem Zweckpessimismus, den Sie immer wieder verbreitet haben, indem Sie unseren Mitbürgern zugerufen haben, der Anstieg der Arbeitslosenzahl auf 3 Millionen sei unabwendbar. Wir sind an die Arbeit gegangen und haben mit Ihrer verfehlten Politik Schluß gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit dieser Politik haben wir nicht nur eine Bundestagswahl gewonnen — wobei wir allen Bürgern vor der Wahl gesagt haben, was wir tun werden —, sondern auch wieder neues Vertrauen in staatliches Handeln.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ergänzungsabgabe z. B.!)

    Nur weil es dieses neue Vertrauen, diese Zuversicht, diesen neuen Optimismus mit Augenmaß gab, nur deswegen konnten auch die Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft die Umkehr des verhängnisvollen Abwärtstrends bewirken.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    In den zwei Jahren von 1980 bis 1982 ist die volkswirtschaftliche Leistung um 1,3 % geschrumpft. Von Ende 1982 bis heute — das ist ungefähr der gleiche Zeitraum — ist sie dagegen um 4 % gestiegen. Gleichzeitig ist die Staatsquote, also der Anteil aller öffentlichen Ausgaben am Bruttosozialprodukt, erstmals wieder gesunken. Hier war doch in der Tat weniger mehr.
    Aus Inflationsraten von 6 % ist praktisch Preisstabilität geworden. Herr Abgeordneter Vogel stellt sich hier hin und bemängelt — man sieht ihm beinahe die hämische Freude dabei an —, daß es jetzt statt 1,9% womöglich 2,3 % werden.

    (Zuruf von der SPD)

    Schauen Sie sich doch in anderen europäischen Ländern um. Die wären doch froh, wenn sie vergleichbare Daten aufzuweisen hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage es noch einmal: Aus Inflationsraten von über 6 % ist praktisch Preisstabilität geworden. Was das konkret bedeutet, hat kürzlich die Gemeinschaft zum Schutz der Sparer eindrucksvoll vorgerechnet.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    — Es ist mir klar, daß die Gemeinschaft zum Schutz der Sparer Ihre Sympathie nicht genießt. Das weiß ich. Von ihr erwarten Sie gesellschaftspolitisch ja auch nichts.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Halbierung der Inflationsrate seit 1982 hat Substanzeinbußen beim Geldvermögen der Bürger in Höhe von 80 Milliarden DM verhindert. Heute sind die Zinsen auf dem Sparbuch wieder höher als die Inflationsrate. Das war abgesehen von einer sehr kurzen Zwischenphase zuletzt vor über zehn Jahren der Fall. Sparen bringt eben auch wieder Vermögensgewinn und nicht mehr Substanzverlust. Das ist soziale Politik für die breiten Schichten unseres Volkes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    1982 wurden die Löhne um 4,2 % erhöht. Die Preissteigerungsrate betrug gleichzeitig 5,3 %. Das Ergebnis war damals ein Rückgang der Realeinkommen von rund 1 %. 1984 steigen Löhne und Gehälter um rund 31/2 %, die Preise dagegen um 21/2 %. Das bedeutet doch unleugbar einen Anstieg der Realeinkommen von 1 %.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wenn Sie die Sozialabgaben hinzurechnen, ergibt es ein Minus!)

    Ich könnte diese Liste beliebig fortsetzen. Ich kann nur eines sagen: Diese Daten bezeugen, daß Sie mit Ihrer sozialistischen Verelendungspropaganda im Land eben keinen Widerhall finden, daß die Zukunft ganz anders ist.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reents [GRÜNE]: Sagen Sie einmal, ob Sie sich jetzt wenigstens ruhig in Ihrem Hubschrauber unterhalten können oder ob es noch immer so laut ist. Das interessiert uns viel mehr! Davon verstehen Sie doch etwas!)

    Breite Schichten unserer Bevölkerung haben die Richtigkeit des Satzes begriffen, daß stabile Preise soziale Politik im besten Sinne des Wortes sind. Und wenn Sie die Facharbeiter in Stuttgart bei der letzten Kommunalwahl gefragt hätten — hier sitzt j a einer der Spitzenkandidaten Ihrer Partei — —

    (Dr. Vogel [SPD]: In Ludwigshafen!)

    — Auch in Ludwigshafen. Herr Vogel, da Sie in Baden-Württemberg eben keine vergleichbare Minuszahlen wie wir in Ludwigshafen hatten, können Sie sich angesichts des Desasters, das Sie erlebt haben, wirklich davonschleichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben auch auf dem Arbeitsmarkt wichtige Teilerfolge erzielt. Ich sage: Teilerfolge, weil ich natürlich wie jeder hier im Saal weiß, daß wir bei dieser entscheidenden innenpolitischen Herausforderung noch lange nicht über den Berg sind. Aber diese Arbeitslosigkeit ist nicht über Nacht gewachsen, und sie geht nicht über Nacht weg. Ein Großteil der Gesetzgebung, die Sie in den letzten Jahren geschaffen haben, hindert uns ja an einem schnellen Abbau dieser Arbeitslosigkeit.

    (Reents [GRÜNE]: Sie gehen leider auch nicht über Nacht weg!)

    Meine Damen und Herren, wer erstmals seit den Nachkriegsjahren Massenarbeitslosigkeit in Deutschland wieder eingeführt hat, der hat allen Grund, seine Worte zur Lage auf dem Arbeitsmarkt behutsam zu wählen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist richtig!)

    Die Sozialdemokraten täten gut daran, sich an die Prognose ihres damaligen Kanzlerkandidaten, des Herrn Abgeordneten Dr. Jochen Vogel, zu erinnern, der im Februar 1983 erklärte — ich zitiere —:
    Wenn Sie mich fragen, welchen Zeitraum ich brauche, um diesen Prozeß der weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit zu bremsen und dann umzukehren, dann antworte ich, daß dies eine Aufgabe für eine volle Legislaturperiode sein wird.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Sehr richtig!)

    Herr Abgeordneter Vogel, es ehrt mich ja, daß Sie mir die Kraft und die Chance zutrauen, es schneller zu schaffen. Ich bin ja auch überzeugt davon, daß das so ist.

    (Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    Aber bei einem fairen Umgang mit den Chancen müßten Sie uns wenigstens in etwa den gleichen Zeitraum konzedieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen, meine Damen und Herren, trifft es ja auch nicht zu, daß die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung am Arbeitsmarkt vorbeigeht. Ein deutliches Signal ist die Entwicklung bei der Kurzarbeit.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Sie ist seit ihrem Höhepunkt im Januar 1983 von 1,2 Millionen auf rund ein Viertel, nämlich auf 300 000, zurückgegangen. Dies bedeutet doch im Klartext: Neue Aufträge können heute wieder zu Neueinstellungen führen. Gleiches signalisiert auch die um 19 % höhere Zahl an offenen Stellen.
    Dann wird noch etwas übersehen: Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen liegt heute um 30 000 unter dem Stand — ich wiederhole: unter dem Stand —, den ich bei meiner Amtsübernahme am 1. Oktober 1982 vorgefunden habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Quote der Jugendarbeitslosigkeit liegt heute anders als damals unter der allgemeinen Arbeitslosenquote.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]) Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen.


    (Reents [GRÜNE]: Sagen Sie doch mal, was mit dem Hubschrauber ist!)

    Wenn wir es richtig sehen, meine Damen und Herren, stimmen die Aussagen von Sachverständigenrat, Bundesbank, Wirtschaftsverbänden und Instituten in einem überein, bei aller Kritik, die wir natürlich auch erfahren. Man sagt — das ist ja auch richtig —: Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien sind auf dem richtigen Weg. Wir haben eine echte Chance, daß aus der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung dieses Jahres ein dauerhafter Wachstumsprozeß wird.
    Um diese Chance zu realisieren, brauchen wir Bedingungen, die sowohl anhaltendes Wirtschaftswachstum als auch mehr Beschäftigung möglich machen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ergänzungsabgabe!)

    Für die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ziehe ich daraus folgende Schlußfolgerungen: Wir setzen die Politik strenger Haushaltsdisziplin fort, um den finanzpolitischen Handlungsspielraum weiter Schritt für Schritt zurückzugewinnen. Wir verwirklichen die angekündigte Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft, um mehr Wachstumskräfte freizusetzen. Wir fördern die Familie und festigen weiter die sozialen Sicherungssysteme, um ihre Tragfähigkeit auch für die Zukunft zu erhalten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Rente auf Pump!)

    Wir intensivieren den Umweltschutz, um die natürlichen Lebensgrundlagen für uns und die zukünftigen Generationen zu erhalten.
    Der vorliegende Haushalt einschließlich der mittelfristigen Finanzplanung läßt unmißverständlich erkennen, daß wir am Weg der Konsolidierung der Staatsfinanzen festhalten. Nur so, meine Damen und Herren, gewinnen wir den notwendigen Handlungsspielraum für die Zukunft.
    Wir haben Entbürokratisierung und Rechtsvereinfachung auf den Weg gebracht. Ich bin nach manchem, was ich aus der Opposition höre, sehr gespannt, wie das wohl sein wird bei der parlamentarischen Beratung, wenn das von dem Kollegen Schneider vorzubereitende Baubuch vorgelegt wird. Ich bin gespannt, ob Sie wirklich bereit sind, nicht nur zu reden, sondern auch durch tatkräftige Arbeit und Beschleunigung des parlamentarischen Ablaufs dieses Gesetz in dieser Legislaturperiode möglich zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist doch nur Makulatur!)

    Wir haben mit der Privatisierung von Bundesvermögen begonnen, und wir werden auf diesem Weg in Kürze weiter voranschreiten. Wir haben bessere Bedingungen für Existenzgründungen geschaffen. Die Erfolge können Sie an vielen Plätzen in der Bundesrepublik und nicht zuletzt in Berlin deutlich erkennen.
    Wir haben die indirekte Forschungsförderung zu Lasten der direkten Projektförderung gestärkt. Dies schafft wieder faire Wettbewerbsbedingungen auch für kleinere und mittlere Unternehmungen.
    Wir haben neue Impulse für die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen gegeben. Wir beschreiten damit einen Weg, dessen Bedeutung für Stellung und Selbstverständnis des Arbeitnehmers und des Unternehmers in unserer Gesellschaft gar nicht überschätzt werden kann.
    Meine Damen und Herren, zu dieser Politik gehört natürlich auch eine Konzeption für mehr Beschäftigung. Arbeitslosigkeit ist heute vor allem eine strukturell und leider auch regional konzentrierte Arbeitslosigkeit, die sich heute so wenig wie früher mit irgendwelchen bloßen Staatsausgaben lösen läßt. Hier ist wesentlich mehr gefordert. Wir helfen deshalb den betroffenen Branchen und Regionen ganz gezielt, um den Übergang zu erleichtern. Ich nenne als Beispiel das Stahlstandorteprogramm und unsere Hilfen für die Werften. Aber ich will deutlich sagen: Das sind Hilfen, die zeitlich begrenzt und an tragfähige Unternehmenskonzepte gebunden sind. Nur so können Arbeitsplätze dauerhaft gesichert werden.
    Wir tun ein Zweites: Wir schöpfen alle Möglichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes aus, um eine kurzfristige Entlastung des Arbeitsmarkts zu erreichen. Auch auf diesem Weg — das wird in der Debatte sicherlich noch eine Rolle spielen — haben wir im letzten Jahr beachtliche Erfolge erreichen können.
    Aber wir bleiben dabei nicht stehen. Mit dem Angebot einer Vorruhestandsregelung hat die Bundesregierung deutlich gemacht, daß sie die Tarifpartner bei der Suche nach neuen Lösungen für mehr Beschäftigung unterstützen will. Heute können wir feststellen — im Gegensatz zu Ihren Prognosen, meine Damen und Herren aus der SPD —, daß nach dieser kurzen Zeit für 250 000 ältere Arbeitnehmer die Möglichkeit besteht, von diesem Angebot Gebrauch zu machen.
    Darüber hinaus wollen wir den Arbeitslosen die Rückkehr in eine Erwerbstätigkeit erleichtern. Mit dem Gesetz zur Förderung der Beschäftigung ha-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    ben wir dafür bessere Voraussetzungen geschaffen. Ich weiß, daß dieses Vorhaben von manchen kritisch betrachtet wird. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir Arbeitslosigkeit tatsächlich abbauen wollen, müssen wir auch bereit sein, Regelungen, die früher richtig waren, uns heute aber eher hindern, Arbeitslosigkeit zu beseitigen, der jetzigen Zeit anzupassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin fest überzeugt, daß der befristete Arbeitsvertrag, die Aufwertung der Teilzeitarbeit und die Anpassung der Sozialplanregelungen zusammen mit einem ganzen Bündel weiterer Maßnahmen das Tor für die Einstellung von Arbeitslosen weiter öffnen werden. Ich weiß, daß damit wahrlich nicht alle Probleme zu lösen sind. Aber es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.
    Meine Damen und Herren, auch das ist eine stolze Bilanz für 1984: Wir können für dieses Jahr sagen, daß wir den Lehrstellenrekord des Jahres 1983 noch einmal überboten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist durch die gemeinsame Leistung vieler unserer Mitbürger,

    (Zuruf von der SPD)

    ob das Handwerksmeister oder Einzelhändler, ob das Großunternehmer oder Betriebsräte waren, durch die Leistung aller, die mitgemacht haben, möglich geworden, im letzten Jahr 700 000 jungen Leuten erstklassige Ausbildungsplätze anzubieten. In diesem Jahr, meine Damen und Herren, werden es nach den sich abzeichnenden Zahlen 740 000 sein. Das ist erneut ein Rekordergebnis, und ich bin gewiß, auf dieser gesicherten Basis der Erfahrung der letzten zwei Jahre werden wir auch 1985, wenn wir zum letztenmal das Problem der geburtenstarken Jahrgänge haben, unser Ziel erreichen.
    Was ist eigentlich Ihr Beitrag in der SPD in dieser Zeit gewesen?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Soll ich Sie an die Reden in Aktuellen Stunden hier erinnern? Soll ich Sie an Ihre Chöre hier und draußen von der „Lehrstellenlüge" erinnern?

    (Zurufe von der SPD)

    Wir haben jungen Leuten die Chance eröffnet, und Sie haben eine weitere Verelendungsprognose gerade jungen Leuten gestellt. Das war Ihr Beitrag für die junge Generation!

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der FDP)

    Ihr einziger Beitrag auch in dieser Frage war das Nachdenken über mehr staatliche Reglementierung, über Ausbildungsabgaben und was sonst noch möglich ist aus dem sozialistischen Inventar von gegenwärtiger und früherer Politik. Es ist eine großartige Leistung der Sozialen Marktwirtschaft und aller Gruppen unserer Gesellschaft, daß ohne Gesetz, ohne Verordnung, ohne Ausbildungsbeitrag
    diese in Europa einmalige Leistung vollbracht werden konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Und die 50 000, die auf der Straße stehen?)

    Ich will die Gelegenheit wahrnehmen, allen zu danken, die dabei der jungen Generation geholfen haben. Hier hat sich gezeigt, daß Solidarität auch zwischen den Generationen in der Bundesrepublik Deutschland keine Einbahnstraße ist.
    Mit einem Wort, meine Damen und Herren: Wenn Sie dies alles betrachten, müssen Sie der These zustimmen, die vielerorts zu hören ist: Wir haben mit unserer Politik der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft schon in kurzer Zeit neue politische Handlungsspielräume geschaffen, und wir nützen sie jetzt für eine große Steuerreform, eine Steuerreform, meine Damen und Herren, die, wenn ich sie vor zwei Jahren von diesem Pult aus vorgeschlagen hätte, von Ihnen in den Bereich der reinen Theorie und des Absurden geschoben worden wäre. Sie waren j a gewohnt, bei solchen Gelegenheiten, bei Steuersenkungen gleich Steuererhöhungen in einem anderen Bereich selbstverständlich mit zu kassieren. Wir tun dies nicht. Wir tun zum 1. Januar 1986 vor allem einen entscheidenden Schritt zugunsten der Familien mit Kindern. All das, was Sie in Ihrer Zeit versäumt haben, was eine kinderfeindliche Gesellschaft zum Ergebnis hatte, werden wir mit dieser Politik der Wende verändern. Wir werden einen neuen Anfang setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Wir wollen, daß der Satz wieder maßgebend ist: Wer die Familie vernachlässigt, vernachlässigt die Zukunft, und er liefert vor allem die junge Generation der Macht anonymer Kollektive aus. Das ist nicht unsere Politik. Das Ja zu Kindern darf niemals gleichbedeutend sein mit einem Ja zum sozialen Abstieg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reents [GRÜNE]: Das Ja zum familienpolitischen Strafstoß!)

    Ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren, wo ich notwendigerweise von Ihren Versäumnissen reden muß, wo ich nichts vorgefunden habe, weil Sie sich nicht einigen konnten oder nicht wollten,

    (Reents [GRÜNE]: Gucken Sie doch mal in die anderen Schubladen!)

    ist die Erblast auf dem Gebiet des Umweltschutzes.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Sie werden doch wirklich nicht sagen wollen, daß die Sozialdemokratische Partei in den letzten Jahren einen Beitrag zum Umweltschutz geleistet hat. Wo denn?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vielleicht in ihren Strategiepapieren, die Sie aber
    nie ernst genommen haben. In nur zwei Jahren
    haben wir für die drei wichtigsten Quellen der Um-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    weltbelastung — Kraftwerke, Industrieanlagen und Verkehr — die notwendigen Entscheidungen getroffen.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    — Natürlich gefallen Ihnen diese Entscheidungen nicht; denn wenn es nach Ihnen geht, wird der Bergbau stillgelegt, werden die Kernkraftwerke abgestellt, und im übrigen setzen wir dann auf Windkraftwerke oder was immer Sie nach Ihrem Konzept denken mögen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Von heißer Luft der GRÜNEN! — Zurufe von den GRÜNEN)

    Sie können diese Politik ja auch nur vertreten, weil andere dafür einstehen, daß das Land auch energiepolitisch eine Zukunft hat. Das ist doch die Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reents [GRÜNE]: Wenn wir Sie als Kanzler haben, brauchen wir gar keine andere Energie, Herr Kohl! Sie sind ein solches Energiebündel, was brauchen wir mehr? — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    Noch einmal: Ich nenne die Verschärfung der Technischen Anleitung Luft, die Großfeuerungsanlagen-Verordnung und das umweltfreundliche Auto, und ich nenne die Vorbereitung — —

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Was wollen Sie eigentlich mit Buschhaus? Wir sind doch mit dem Betriebsrat einig, wir sind mit der Bevölkerung einig, und Herr Kollege Dr. Vogel hat sich gestern füglich gehütet, vor der IG Bergbau das Thema Buschhaus anzusprechen.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Herr Abgeordneter Dr. Vogel, ich habe gestern auf meinem Platz gesessen und gedacht: Jetzt wird er den Kumpels ordentlich sagen, was moderner Umweltschutz ist.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Peinlich, peinlich! Das ist vielleicht peinlich, Herr Kohl!)

    Ich hatte eigentlich erwartet, daß Sie wenigstens etwas von dieser Rede, die Sie hier zu dem Thema Buschhaus gehalten haben, den Kumpels vermitteln würden. Aber Sie haben feige geschwiegen, weil Sie dort ausgepfiffen worden wären.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Der kriegt heute eine Abreibung!)

    Meine Damen und Herren, wir werden auf diesem Wege fortfahren; in Vorbereitung sind gegenwärtig eine Bodenschutzkonzeption und neue Regelungen zum Gewässerschutz. Aber ich füge hinzu: Für uns ist Umweltschutz keine Spielwiese für Ideologen. Für die Bundesrepublik Deutschland geht es um Umweltschutz in einem modernen Industriestaat. Es geht nie um Umweltschutz allein, sondern immer auch um Arbeitsplätze und Beschäftigung. Es geht um einen vernünftigen Mittelweg zwischen Ökologie und Ökonomie. Das war und ist und bleibt unsere Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, nicht zuletzt meine Damen und Herren aus der Opposition, wenn man also auf dieses Jahr zurückblickt, kann man klar und deutlich aussprechen, daß das Jahr 1984 und die Politik der Bundesregierung ein Gewinn für die Bundesrepublik Deutschland waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reents [GRÜNE]: Das mußte wirklich einmal gesagt werden, da Sie sonst ja niemand lobt!)

    In allen entscheidenden Punkten haben wir die Chance, daß wir weiter vorankommen. Es war ein Jahr einer erfolgreichen und zielstrebigen Regierungspolitik.

    (Reents [GRÜNE]: Alles gut gemacht, Herr Bundeskanzler!)

    Von Ihrem Oppositionsverhalten kann ich Vergleichbares leider nicht sagen. Die SPD ist gegenwärtig weitgehend damit beschäftigt, unter ihre eigene Vergangenheit Schlußstriche zu ziehen, Schlußstriche unter traditionelle Programmaussagen — Alfred Dregger sprach davon — und auch Schlußstriche unter zentrale Fragen der deutschen Politik.
    Besonders augenfällig ist das — und das muß hier und draußen ausgetragen werden — im Zusammenhang mit der deutschen Frage. Führende Sozialdemokraten ergehen sich in grüblerischer Schicksalsfügung, und sie geben einfach auf, sie finden sich mit der Teilung ab. So sagte Willy Brandt, das Tor zur deutschen Frage sei geschlossen, und zwar schon seit 1950.
    Meine Damen und Herren, glauben Sie im Ernst, daß Sie im Jahre 1969, wenn das schon damals Ihre Meinung war, auch nur ein Gran einer Chance gehabt hätten, Mehrheitsfraktion im Deutschen Bundestag zu werden? Wenn das Ihre Meinung war, haben Sie doch bewußt Ihre Wähler und unsere Bürger hintergangen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Sagen Sie uns bitte: Wo stehen Sie heute in der deutschen Frage?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reents [GRÜNE]: Was erwarten Sie denn anderes von der fünften Kolonne Moskaus?)

    Wir, die Bundesregierung, die Koalition der Mitte, FPD, CSU und CDU, sehen selbstverständlich die Realität von heute, und wir sehen die Pflicht und die Auflage der Geschichte, der Deutschlandpolitik in einer historischen Perspektive zu dienen. Im Interesse der Menschen wollen wir das Geflecht unserer Beziehungen zur DDR verdichten, und gleichzeitig tun wir alles, um den nationalen Auftrag in einem vereinten Europa in freier Selbstbestimmung erfüllbar zu machen.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Wir, die Bundesregierung, sind ganz gewiß in diesen zwei Jahren unserem historischen Auftrag gerecht geworden, unseren Beitrag zur Einigung Europas zu leisten. Durch beharrliche Arbeit haben wir dazu beigetragen, die Funktionsfähigkeit der EG zu stärken und zu verbessern. Meine Damen und Herren, das sind im Bereich der Außen-, der Deutschland- und der Sicherheitspolitik unübersehbare Erfolge.
    Sie von der SPD müssen heute nicht nur uns, sondern allen im In- und Ausland die Frage beantworten: Wohin treibt die SPD, genauer gesagt, wohin läßt sich die SPD in den existentiellen Fragen der Sicherung von Frieden und Freiheit treiben? Wenn man Ihre Äußerungen zur Kenntnis nimmt, muß man fragen: Begreifen Sie noch die Bedeutung der Macht der Sowjetunion? Sind Sie noch sensibel dafür, daß wir uns Erpressungen und subtileren Formen des Drucks mit militärischer Macht aussetzen, wenn wir mit unserer Abschreckungskapazität leichtfertig umgehen und wenn wir uns in beflissenem Wohlverhalten üben? Wie wollen Sie mit dem, was jetzt aus Ihren Kreisen an die Öffentlichkeit dringt, was die Zahlen der konventionellen Stärke der Bundeswehr angeht, eigentlich Sicherheitspolitik garantieren? Sie wissen doch so gut wie ich, daß unser gemeinsames erklärtes Ziel, die Atomschwelle nach oben zu heben und einen Beitrag zur nuklearen Abrüstung zu leisten, immer zur Folge hat, daß wir gleichzeitig unsere konventionellen Möglichkeiten eher verstärken müssen. Wenn dieser Satz richtig ist — und aus dem Mund vieler Sprecher Ihrer Partei wurde das ja in der Vergangenheit genauso gesagt — machen Sie derartige Vorschläge doch offenbar in der Absicht — Sie nannten das in anderem Zusammenhang populistisch, Herr Kollege Vogel —, auf das Wahlverhalten zu zielen und den jungen Menschen zu sagen: Ihr braucht das Opfer der Wehrpflicht nicht zu bringen. — Das ist keine Politik für den Frieden, das ist billiger Opportunismus.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir, die Koalition der Mitte, haben mit Standfestigkeit und Entschiedenheit die Position verteidigt und letztendlich durchgesetzt, die mein Vorgänger im Amt aus gutem Grund im Zusammenhang mit dem NATO-Doppelbeschluß mit auf den Weg gebracht hat. Das Jahr 1984 wäre doch in Wahrheit auch im Blick auf Abrüstung und Entspannung ein verlorenes Jahr geworden, wenn wir Ihren Anregungen gefolgt wären und der Straße und dem Geschrei auf den Plätzen nachgegeben hätten.

    (Reents [GRÜNE]: Dem Pöbel! Sagen Sie es!)

    Deutsche Politik wird im Deutschen Bundestag entschieden und nirgendwo anders in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Politik der Stetigkeit und Berechenbarkeit trägt jetzt Früchte. Unsere Besonnenheit, unsere Entschiedenheit, aber auch unsere Geduld zahlen sich aus. Es gibt viele Anzeichen dafür, daß wir uns, wie ich sehr hoffe, im Laufe dieses Jahres und vor allem natürlich des nächsten Jahres über Wegweisungen und Wegentscheidungen in diesem Zusammenhang — auch hier in der Diskussion miteinander — unterhalten können.
    Die Standpunktlosigkeit und die Kraftlosigkeit der Sozialdemokratischen Partei hat ihre Konsequenzen nicht nur auf dem Felde der Außen- und der Sicherheitspolitik gehabt, sondern nicht zuletzt im Bereich der Wirtschafts- und der Sozialpolitik.
    Herr Kollege Vogel, wir haben Sie heute früh hier sprechen gehört und miterlebt, welch eine Art von Kulturpessimismus, wie Sie ihn verstehen, Sie hier immer wieder ins Land tragen, wie Sie fast nirgendwo eine positive Perspektive erkennen können. Herr Kollege Vogel, wenn das Ihre Politik ist — das ist Ihre freie Entscheidung —, werden Sie sehen, wo die Sozialdemokratische Partei Deutschlands landen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aus einer Grundhaltung der Negation und der Resignation kann das, was jetzt geschehen muß, mit Sicherheit eben nicht geschehen.

    (Horn [SPD]: Hochmut kommt vor dem Fall!)

    — Meine Damen und Herren, im Umgang mit Ihnen warte ich mit größter Gelassenheit Wahlen ab. Ich kann meiner eigenen Fraktion nur raten, unserer Bevölkerung möglichst häufig die Gelegenheit zu vermitteln, Ihre Thesen und Ihre Sprecher zu erleben. Beides ist nützlich vor jeder denkbaren Wahl der nächsten Jahre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, mit dem Kult der Krise, mit dem Pessimismus, mit der Umverteilung von Defiziten, mit dem Ruf nach dem Staat als Risikoverwalter und Versicherer gegen alle Lebenswagnisse werden wir ganz gewiß nicht die Zukunft für die Bundesrepublik Deutschland gewinnen. Wir als Koalition der Mitte setzen bewußt auf das Wissen, auf das Können und auf die Kraft unserer Bürger. Deshalb erneuern wir Zug um Zug die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft, die Rahmenbedingungen für eigenverantwortliches Wirtschaften und für einen gerechten sozialen Ausgleich. Wir schaffen neue Freiräume, fördern die Leistungsbereitschaft, bringen mehr Flexibilität in die Arbeits- und Berufswelt. Wir wollen Verkrustungen abschaffen. Wir fördern den Kreislauf der Volkswirtschaft und gewinnen dadurch mehr Kreativität und Wagemut.

    (Zuruf des Abg. Schwenninger [GRÜNE])

    Dieses Wirken für Wandel und Erneuerung erfordert Zielbewußtsein, erfordert Geduld und muß natürlich — wer weiß das besser als ich — auf diesem Wege auch Rückschläge in Kauf nehmen.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Aber, meine Damen und Herren, die Bilanz hat gezeigt: Wir sind unserem Auftrag gerecht geworden, und wir werden dies auch im nächsten Jahr ganz sicherlich tun können.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Es bleibt noch viel zu tun. Ich sagte, wir sind vor allem im Blick auf die Arbeitslosigkeit noch lange nicht über den Berg. Die noch immer viel zu hohe Arbeitslosigkeit ist zweifellos das aktuellste, für die betroffenen Menschen bedrückendste Problem in der Bundesrepublik Deutschland.
    Auch im Umweltschutz kommen wir nicht so schnell voran — nicht zuletzt durch die Einbindung in die Europäische Gemeinschaft —, wie wir es uns wünschen. Aber ich bin sicher, daß wir die in Aussicht genommenen Daten, etwa für die Einführung des umweltfreundlichen Autos, einhalten können.
    Ich bin für jede Kritik aufgeschlossen. Aber diejenigen, die 1972 und 1974, als Japan und die USA das umweltfreundliche Auto einführten, den ganzen Vorgang verschlafen haben, die auf diesem Feld nichts getan haben, sind die allerletzten, die uns und mich kritisieren können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bewältigung des wissenschaftlich-technischen Strukturwandels, die Behauptung unseres Ranges als eine der führenden Industrie- und Exportnationen fordert auf viele Jahre hinaus die ganze Kraft unserer Volkswirtschaft und damit unserer Bürger. Die zutiefst besorgniserregende demographische Entwicklung, die unorganische Struktur unserer Alterspyramide, werden uns vor außergewöhnlich schwierige, von vielen in ihrer Bedeutung und Brisanz noch gar nicht wahrgenommene Probleme stellen. Friedenssicherung, meine Damen und Herren, fordert weit mehr als die Begrenzung der Waffenarsenale. Friede, so sagen wir aus gutem Grund, ist immer auch ein Werk der Gerechtigkeit.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Sagen Sie etwas zur Entwicklungspolitik!)

    Deshalb ist ein gerechter Ausgleich zwischen hochentwickelten Staaten der nördlichen Hemisphäre und den armen und ärmsten Ländern der Dritten Welt eine bleibende Aufgabe auch für uns, die wir in einem der reicheren Länder dieser Erde leben.
    Meine Damen und Herren, ich konnte Ihnen einige Perspektiven unserer Politik

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Perspektiven? Wir haben mehr Sprechblasen gehört!)

    im Zusammenhang mit der Rechenschaft für das letzte Jahr vortragen und bitte um Ihre Unterstützung für die schwierige Zeit, die auch im nächsten Jahr vor uns liegt. Ich bin ganz sicher, die Koalition der Mitte wird ihre Chance wahrnehmen. Wir werden unsere Pflicht erfüllen. Wir wollen einen Beitrag zum inneren und äußeren Frieden unseres Volkes leisten.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bravo-Rufe bei der CDU/CSU)