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ID1010304200

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    Plenarprotokoll 10/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Oldenstädt 7497 A Verzicht des Abg. Graf Stauffenberg auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 7497 A Eintritt des Abg. Wittmann (Tännesberg) in den Deutschen Bundestag 7497 A Erweiterung der Tagesordnung 7497 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksachen 10/1800, 10/2250 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/2301, 10/2330 — . . . 7497 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/2302, 10/2330 — Esters SPD 7497 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 7499 B Frau Nickels GRÜNE 7500 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 7502 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/2303, 10/2330 — . . . 7504 B Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/2304, 10/2330 — Dr. Vogel SPD 7504 D Dr. Dregger CDU/CSU 7515 B Verheyen (Bielefeld) GRÜNE . . . 7521C, 7561B Hoppe FDP 7526 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 7530 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 7542 B Genscher, Bundesminister AA 7546 A Horn SPD 7549 C Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 7552C, 7558 B Dr. Apel SPD 7556A, 7558 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7559 B Frau Fuchs (Köln) SPD 7560 B Präsident Dr. Jenninger 7530 D Namentliche Abstimmung 7562 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — Drucksachen 10/2305, 10/2330 — Dr. Ehmke (Bonn) SPD 7564A Dr. Rose CDU/CSU 7568 B Reents GRÜNE 7571 D Schäfer (Mainz) FDP 7573C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 Frau Huber SPD 7576 B Genscher, Bundesminister AA . . 7578C, 7584 D Voigt (Frankfurt) SPD 7581 C Klein (München) CDU/CSU 7582 C Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/2314, 10/2330 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/2325 — Kleinert (Marburg) GRÜNE 7585 D Frau Traupe SPD 7586 C Dr. Stavenhagen CDU/CSU 7590A Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 7592 D Dr. Weng FDP 7594 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 7597 A Leonhart SPD 7602 A Namentliche Abstimmung 7604 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/2318, 10/2330 — Esters SPD 7606 C Frau Gottwald GRÜNE 7607A, 7612 D Borchert CDU/CSU 7609 B Frau Seiler-Albring FDP 7611A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 7614A Vizepräsident Westphal 7609 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/2320, 10/2330 — Löffler SPD 7616 B Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 7618 B Schneider (Berlin) GRÜNE 7620 B Ronneburger FDP 7623 D Windelen, Bundesminister BMB . . . 7625 C Nächste Sitzung 7626 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7627*A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Löffler (SPD) und Heimann (SPD) zur Abstimmung über den Einzelplan 35 — Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — (Drucksache 10/2325) 7627* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. November 1984 7497 103. Sitzung Bonn, den 27. November 1984 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28.11. Dr. Barzel 30.11. Erhard (Bad Schwalbach) 30.11. Ertl 28.11. Dr. Glotz 30.11. Haase (Fürth) * 28.11. Handlos 27.11. Dr. Hauff 27.11. Hauser (Esslingen) 30.11. Frau Hoffmann (Soltau) 30.11. Lemmrich * 27. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 28. 11. Polkehn 30.11. Frau Renger 30.11. Frau Schmidt (Nürnberg) 30.11. Schmidt (Wattenscheid) 30.11. Dr. Solms 27. 11. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 28. 11. Dr. Spöri 30.11. Dr. Sprung 30.11. Dr. Stark (Nürtingen) 30.11. Vosen 30.11. Weiskirch (Olpe) 30.11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Löffler (SPD) und Heimann (SPD) zur Abstimmung über den Einzelplan 35 - Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte - (Drucksache 10/2325) Das Verhältnis zwischen den westlichen Schutzmächten und der Berliner Bevölkerung ist traditionell gut. So wird es bleiben, auch wenn gegenwärtig zwischen der britischen Schutzmacht und einem Teil der Bewohner von Berlin-Spandau eine gewisse Spannung besteht. Ursache dieser Spannung ist der Bau einer neuen großen Schießanlage in unmittelbarer Nähe einer Wohnsiedlung am Rande eines Erholungsgebietes. Eine Klagemöglichkeit wegen dieser Baumaßnahme vor deutschen Gerichten besteht nicht. Die Entscheidung eines Londoner Gerichts, ob überhaupt die Zuständigkeit eines britischen Gerichts gegeben ist, steht kurz bevor. Mit unserer Zustimmung zum Einzelplan 35 verbinden wir auch die Erwartung, daß die Bundesregierung einen Beitrag leistet, der das gute Verhältnis zwischen Schutzmacht und Bevölkerung bewahren hilft. Das könnte einmal dadurch geschehen, daß die Bundesregierung die Mehrkosten übernimmt, die durch den Gerichtsort London entstehen und dadurch, daß die Bundesregierung bei der britischen Regierung ihren Einfluß ausübt, um noch bessere Lärmdämmungsmaßnahmen zu erreichen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der politischen Gesamtschau, die traditionell zur Haushaltsberatung gehört, werden nun einmal Glanzpunkte und Schattenseiten ausgeleuchtet. Verständlich ist, daß sich die Opposition mehr an den Schwachstellen orientiert.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Deswegen hatte sie auch nicht viel zu bieten!)

    Aber wenn der Kollege Vogel die Summe der Regierungspolitik schlankweg als negativ bezeichnet,
    dann, so scheint mir, hat der Oppositionsführer vom Boden abgehoben und befindet sich mit der SPD gerade auf Blindflug.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nun will ich nicht auf die Presseschau aus der Vogel-Perspektive eingehen.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Auf den „Stern" z. B.!)

    Denn, meine Damen und Herren, schließlich kennen wir die Probleme unseres Landes selbst gut genug. Lassen Sie uns deshalb aus eigener Kenntnis miteinander auch darüber reden, aber schließen wir Diffamierungen und Unterstellungen dabei aus.
    Der Vorwurf, die Bundesregierung verhalte sich gegenüber Amerika wie ein Vasall, ist eine schlichte Gemeinheit, mit der offenbar nur Stimmung gemacht werden soll.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nein, meine Damen und Herren, wir liegen vor unseren Partnern nicht auf den Knien, und wir machen auch keinen krummen Buckel, auch nicht vor den Vereinigten Staaten. Ich kann nur wünschen, daß die SPD das im Umgang mit ihren innenpolitischen Partnern auch von sich sagen kann.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sehr wahr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Was nun die tickende Zeitbombe angeht, mit der ich 1979 die Gefahren der Staatsverschuldung und der drohenden Handlungsunfähigkeit beschrieben habe, so möchte ich sie nicht, auch nicht vom GRÜNEN-Kollegen Verheyen, „chemisch" verfremden lassen,

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wo ist er denn?)

    das um so weniger, als es uns ja gerade gelungen ist, das gefährliche Potential für den Haushalt zu entschärfen.
    Meine Damen und Herren, auch die Diskussion über die Steuerentlastung möchte ich hier nicht im Vorgriffsverfahren erledigen, aber es war schon bemerkenswert, zu hören, daß Großverdiener für den Kollegen Verheyen bei 3 000 DM Monatseinkommen auszumachen sind.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Herr Bastian z. B. gehört auch dazu!)

    Diese Form des Klassenkampfes ist doch absurdes Theater.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    In der ersten Lesung des Haushalts habe ich meinen Beitrag mit dem Wunsch geschlossen, folgende Lebensregel zu beherzigen!



    Hoppe
    Der Blick zurück im Zorn kann einem auf die Galle schlagen, der Blick voraus in Zuversicht erhöht das Wohlbehagen.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Daß sich diese Wunschvorstellung in den letzten Wochen erfüllt hätte, kann man nun wahrlich nicht sagen. Mag es da noch im Haushaltsausschuß — trotz aller politischen Gegensätze — auch einmal launisch zugegangen sein, im übrigen Bonn war es eher lausig. Diese miese Stimmung, an der alle Parteien mit der noch nicht aufgearbeiteten Spendenvergangenheit ihren Anteil haben, wird sich selbst der Kollege Vogel nicht zugute halten wollen, auch wenn er mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Lande zieht, schlechte Noten verteilt und eher Verdrießlichkeit verbreitet.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nein, das von uns selbst erzeugte Bild, meine Damen und Herren, können und dürfen wir nicht verdrängen, sondern wir müssen es durch eigenes Tun und durch werbende Politik auslöschen.
    Nun hat sich der politische Hintergrund in der vergangenen Woche an wichtigen Stellen aufgehellt. Das gilt außenpolitisch für das Entspannungssignal, das die Wiederaufnahme der amerikanischsowjetischen Abrüstungsverhandlungen anzeigt, und innenpolitisch für das Sachverständigengutachten, das unsere Finanz- und Haushaltspolitik mit einem Gütesiegel versehen hat. Gleichwohl wollen wir gewisse Eintrübungen, die es nach wie vor gibt, nicht leugnen. Was die Weisen an Ratschlägen für eine längerfristige Haushalts- und Steuerpolitik geben, das macht den eigentlichen Wert des Gutachtens aus. Und ihre Empfehlung lautet, am Konsolidierungsziel festzuhalten, den Staatsanteil am Sozialprodukt weiter zu vermindern, nicht nur die Einkommensteuer zu senken, und zur weiteren Beschaffung von Finanzmasse die Subventionen drastisch abzubauen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ja, die Bundesregierung muß in der Tat noch mehr als bisher für Wachstum und Beschäftigung tun und darf sich nicht von dieser oder jener Gruppe beirren lassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    „Wer nur ängstlich nach rechts oder links schaut, verfehlt leicht den Weg geradeaus", hat ein Kommentator treffend bemerkt.
    Ich vermute, meine Damen und Herren, niemand in diesem Hause hätte sich vor rund zwei Jahren, als CDU/CSU und FDP die Regierungsverantwortung übernahmen, vorstellen können, daß wir in so kurzer Zeit derart überzeugende wirtschafts- und finanzpolitische Ergebnisse erzielen würden und daß die Aussichten für die Zukunft immer noch günstiger werden würden. Wie war das noch vor zwei Jahren? Die deutsche Wirtschaft befand sich auf einer scheinbar unaufhaltsamen Talfahrt. Der Anstieg der Verbraucherpreise pendelte zwischen fünf und sechs Prozent, für den Bundeshaushalt 1983 drohte eine Neuverschuldung von über 50 Milliarden DM, und es gab nicht wenige, die der galoppierenden Arbeitslosigkeit nach dem Überschreiten der Zwei-Millionen-Grenze bereits die Drei-Millionen-Marke setzten.

    (Zuruf von der SPD: Aber der Lambsdorff war Wirtschaftsminister!)

    Aber statt der drei Millionen können wir, so jedenfalls die Prognose des Sachverständigenrates, im nächsten Jahr mit einem leichten Rückgang rechnen.

    (Horn [SPD]: Wer war denn damals Wirtschaftsminister? — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wer war denn Kanzler?)

    — Entscheidend war doch wohl, wer damals als Weltökonom wie die SPD immer gesagt hat, die Republik fest in seinen Händen hatte.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Erregte Zurufe von der SPD)

    — Lieber Herr Horn, ich habe mich zu keiner Zeit aus meiner Vergangenheit entfernt, und ich kann noch heute meine mahnenden Reden von damals mit gutem Gewissen lesen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Herr Horn, Sie wollten mich damals nicht hören, und ich kann Sie heute nicht verstehen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber auch der positiv prognostizierte Zuschnitt ist kein Grund zur Befriedigung, ganz gewiß nicht. Er liefert jedoch einen seriösen Hinweis auf eine allmähliche, sicherlich sehr mühsame, langsame Trendumkehr. Immerhin haben wir bereits drei der vier Zielvorgaben des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes erreicht: Die Wirtschaft wächst — und das immer dynamischer —, das Preisniveau ist — wie seit den 60er Jahren nicht mehr — stabil, und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist auch gesichert. Dies alles sind Pluspunkte, die Anfang der 80er Jahre verspielt waren und die auf absehbare Zeit unerreichbar schienen.
    Folgt man dem Sachverständigenrat, dann besteht auch wieder begründete Zuversicht, daß es in den kommenden Jahren gelingen kann, dem Beschäftigungsziel näherzurücken. Der entscheidende Qualitätssprung besteht jedenfalls darin, daß die konjunkturelle Dynamik im nächsten Jahr vor allem von den Investitionen kommt und daß sich die Voraussetzungen für eine langgezogene wirtschaftliche Aufwärtsbewegung stark verbessert haben, vor allem durch die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation und durch die Fortschritte bei der Gesundung der Staatsfinanzen, die ab 1986 eine spürbare Senkung der Steuerlast möglich macht.
    Leistung muß sich wieder lohnen! Dieses Schlagwort erhält mit der Steuerreform endlich Leben.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Damit werden Leistungsanreize erhöht und Wachstumseffekte verstärkt. Ich warne deshalb mit Nach-



    Hoppe
    druck davor, die gewonnene Chance zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Erhaltung gefährdeter Arbeitsplätze dadurch zu verspielen, daß das eifrige bis geradezu eifernde Überbieten von Vorschlägen in Sachen Ergänzungsabgabe auf die Spitze getrieben wird.

    (Beifall bei der FDP)

    Unter dem Aspekt des Wirtschaftswachstums und der Klimapflege wäre es nämlich ausgesprochen töricht, dieses konjunkturpolitische Monster in die Welt zu setzen.

    (Beifall bei der FDP)

    Nein, meine Damen und Herren, keine verstaubten Requisiten sind gefragt, gefordert ist vielmehr die stete Verbesserung der Rahmenbedingungen für unternehmerische Initiativen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nur dann können die Arbeitslosen von heute für morgen wieder Hoffnung schöpfen.
    Wir dürfen es nicht zulassen, daß die erfolgreiche Wirtschaftspolitik durch populistische Elemente, die in ein soziales Mäntelchen gekleidet sind, behindert wird. Es gibt nichts Sozialeres als die Kombination von dynamischem Wachstum und Stabilitätspolitik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Rechnung ist sehr einfach. 800 Milliarden DM haben die Arbeitnehmer und ihre Familien sowie die Rentner im vergangenen Jahr insgesamt an Nettolöhnen, -gehältern und staatlichen Transferleistungen erhalten. 1 % weniger Preissteigerung bedeutet da genau 8 Milliarden DM Kaufkraftzugewinn.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist doch eine Milchmädchenrechnung!)

    Auch die Sparer gewinnen im Jahr — wie wir ja wohl alle wissen — viele Milliarden hinzu, wenn ihre Zinsen nicht mehr von der Inflation aufgefressen werden.
    Diesen erfreulichen Zustand haben wir endlich erreicht. Wer in dieser Situation den Eindruck zu erwecken versucht, er würde dem sogenannten kleinen Mann eine Wohltat erweisen, indem er den Besserverdienenden über seine progressive Besteuerung hinaus ein, zwei oder drei ergänzende Prozentpunkte abknöpft, der täuscht nicht nur sich und jene, von denen er sich Beifall erhofft; nein, er beweist vielmehr, daß er von dem von der Regierung Kohl/Genscher ausgegebenen und praktizierten Leitspruch von der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft nichts, aber auch gar nichts begriffen hat.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Natürlich gibt es eine Alternative zu der von uns angepackten Politik. Statt auf Leistung zu setzen, auf unternehmerischen Wagemut, auf weniger Bürokratie, auf die Stärkung persönlicher Verantwortungsbereitschaft und Risikofreude, statt diese Linie fortzuentwickeln, kann man natürlich auch einen Schwenk in Richtung auf Umverteilung, mehr staatliche Eingriffe und mehr Wohlfahrtsdenken tun. Wohin das führt, haben wir Ende des vergangenen und Anfang des neuen Jahrzehnts gesehen.

    (Hornung [CDU/CSU]: Eine leidvolle Erfahrung!)

    Der schließlich unausweichlich gewordene Wechsel der Koalition verlöre seinen Sinn und seine Logik, wenn wir nur mühsam verhinderte Sündenfälle von ehedem nun ausgerechnet im Bündnis mit der CDU/CSU zuließen.
    Die Schwachstelle dieses Haushalts ist — wer wollte es bestreiten? — der unzureichende Subventionsabbau. Bereits seit 1975, als sich der Bundesrechnungshof dieses Themas annahm, wissen wir, daß sich nicht nur Gesetz und Recht wie eine ewige Krankheit forterben, sondern sich auch Zuwendungen und Subventionen zur chronischen Erkrankung des Bundeshaushalts fortentwickeln können. Subventionen sollen in erster Linie Arbeitsplätze schaffen. Als Sterbehilfe wie auch als Zubrot sind sie herausgeschmissenes Geld, das uns an anderer Stelle fehlt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der Herr Bundeskanzler war schon vor uns, noch als Oppositionsführer, nämlich am 19. Januar 1982 an diesem Thema:
    Wir haben
    — sagte er damals —
    dazu im September unsere Vorschläge eingebracht. Ich erinnere an den Vorschlag der 5 %igen Kürzung, einen Vorschlag, der nicht so dahingesagt war. Ich lade heute noch die Kollegen ... ein, auf diesen Boden zu treten. Wir werden sehen, daß dabei eine Menge herauskommt.

    (Dr. Apel [SPD]: Ja, und jetzt eine Erhöhung!)

    So am 19. Januar 1982.
    Die Haushaltspolitiker der Koalition haben sich dann im April 1984 an die Arbeit gemacht und Vorschläge zum Abbau von Suventionen in Höhe von rund 5 Milliarden DM vorgelegt. Begeistert haben wir damit niemanden, selbst nicht unsere Parteivorsitzenden. Das Ganze wurde so zu einem Aprilscherz. Es hat sich erneut bestätigt: Der Ruf nach Subventionsabbau ist populär, das Echo ist gewaltig. Die Konkretisierung weckt dann schon Zweifel. Doch bei der endgültigen Entscheidung will keiner mehr den Wegfall der Wohltaten verantworten und vertreten.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    So sind wir nun wieder an dem Punkt angekommen, wo der Subventionsabbau erneut gefordert wird, und das aus allen Richtungen. Nun ja, ein neuer Anlauf ist unerläßlich. Aber diesmal muß er auch gelingen. Eine Schlappe können wir uns nicht noch einmal leisten; sonst degradieren wir uns zu Maulhelden.



    Hoppe
    Solides Haushalten und Wirtschaften sind die Voraussetzungen für eine jegliche zukunftsgerichtete Politik. Das gilt für die innen- wie außenpolitischen Aufgaben, für die Stabilisierung des Systems sozialer Sicherheit ebenso wie für den Umweltschutz, für unser Gewicht in der Europäischen Gemeinschaft wie im Verteidigungsbündnis. Die Bundesrepublik Deutschland ist als mitgestaltender Partner der internationalen Politik um so einflußreicher, je gründlicher sie ihr eigenes Haus in Ordnung hält und die wirtschaftlichen Fundamente sichert.
    Meine Damen und Herren, die FDP hat Ende der 60er Jahre und in den 70er Jahren maßgebend mit dazu beigetragen, daß die Politik der Verständigung über die Blockgrenzen hinweg eine Chance bekam. Sie hat aus Verantwortung um die Erhaltung des Friedens in Europa und um die Wahrung der Einheit der deutschen Nation die Entspannungspolitik — so durch ihren Entwurf eines Generalvertrags mit der DDR — mitgestaltet und Schritt um Schritt in praktische Konsequenzen umgesetzt.
    Die Früchte dieser Entspannungspolitik sind trotz der schweren Rückschläge, die es spätestens seit der Invasion in Afghanistan gab, nicht verdorrt. Der Abrüstungsdialog, der nun zwischen den beiden Supermächten wieder langsam in Gang kommt, bestätigt die Richtigkeit unserer Politik. Wir haben uns auch nicht anstecken lassen von der Eisschrankmentalität, die im Osten wie im Westen aufkam. Dieses Verhalten hat ja dann auch in den vergangenen 15 Jahren ein Geflecht von Verträgen zwischen West und Ost hervorgebracht, die trotz aller Abnutzungserscheinungen immer noch tragfähig sind: von SALT über das Berlin-Abkommen bis zum Moskauer und Warschauer Vertrag, vom deutsch-deutschen Grundlagenvertrag bis zur KSZE-Schlußakte von Helsinki.
    Wir Freien Demokraten sind stolz, daß wir an vielen der maßgebenden Vereinbarungen verantwortlich mitwirken konnten.
    Unverändert gelten jene vier Prinzipien, die bereits in der Frühphase der Entspannungspolitik von Liberalen zur Leitlinie erhoben wurden:
    Erstens. Deutsche Politik kann nur Friedenspolitik sein.
    Zweitens. Deutsche Politik darf nicht illusionär oder emotional sein; sie muß realistische Politik sein.
    Drittens. Deutsche Politik muß auf Vertrauen in Europa hinarbeiten; sie darf vorhandenes Mißtrauen nicht nähren.
    Viertens. Deutsche Politik kann nur im Verband mit Freunden und Verbündeten geführt werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich meine, daß sich diese Erkenntnisse jedem aufdrängen müssen, der sich dem Wohl und der Zukunft unseres Volkes verpflichtet fühlt. Verzicht auf Anwendung oder Androhung von Gewalt — in welcher Form auch immer — ist der Kern unserer Außenpolitik, und zwar über Jahrzehnte hinweg: von der Aussöhnung mit Frankreich über die wirtschaftliche und politische Integration in Westeuropa, das Nordatlantische Bündnis bis zur Zusammenarbeit und Freundschaft mit vielen europäischen und außereuropäischen Staaten.
    Im Osten wie im Westen konnte man in den letzten Jahren die Erfahrung sammeln, daß ein Verharren in der Sackgasse und in der relativen Sprachlosigkeit nur Probleme aufstaut, aber keinerlei Nutzen bringt. Ein Gegenüberstehen hochgerüsteter Militärblöcke kann nicht die letzte Antwort vernunftbegabter Wesen auf die Unsicherheiten unserer Zeit sein.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wer den militärischen Konflikt und mit ihm die Katastrophe vermeiden will, tut gut daran, sich um die Überwindung jedweder Ansätze von Konfrontation zu kümmern. Die Politik der Verständigung und des langen Atems ist für die Freien Demokraten die Alternative zur Fruchtlosigkeit des Kalten Krieges und auch zu Rückfalltendenzen der jüngsten Zeit. Wir kommen damit nur voran, wenn sich Ost und West darüber einigen können, daß der Wettbewerb der Systeme den Bestand des jeweils anderen Systems nicht gefährden soll.
    Gradmesser für die Bereitschaft zur- Einhaltung dieser Wettbewerbsregel sind u. a. die uneingeschränkte Erfüllung von Verträgen und Vereinbarungen, das faire Verhalten in der Tagespolitik und die loyale Mitwirkung bei Konfliktregelungen. Ich könnte mir auch die Schaffung schiedsgerichtlicher Institutionen zwischen Ost und West vorstellen.
    Aber das alles hat nur Aussicht auf allmähliche Realisierung, wenn Washington und Moskau ihren jüngsten, fast schon verheißungsvollen Worten über ihre Bereitschaft zum Rüstungskontrolldialog handfeste Vorschläge und Abmachungen folgen lassen.

    (Beifall bei der FDP)

    „Seit der unmittelbaren Nachkriegszeit", so schrieb dieser Tage Henry Kissinger, „hatte kein amerikanischer Präsident eine solche Möglichkeit, eine friedvolle internationale Ordnung zu formen", wie sie nun Präsident Reagan nach seinem großen Wahlsieg gegeben ist. Und nur wenige Präsidenten befanden sich — so Kissingers Analyse — in einer günstigeren Ausgangsposition als Reagan, „um die Einsicht zu verwirklichen, daß Gesellschaften nicht in Zwietracht wachsen und gedeihen, sondern in einem Klima der Versöhnung". Gedeihenlassen und Versöhnen, das muß in der Tat der innen- und außenpolitische Auftrag all derer sein, die höchste Verantwortung tragen — in Washington, in Moskau, auch in Bonn und Ost-Berlin.
    Kanzleramtsminister Schäuble wünsche ich für seine bevorstehende Reise nach Ost-Berlin, daß er sie als deutschlandpolitischer Ideenträger antritt und als Ideenvermittler zurückkommt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir sind es den Menschen in der Bundesrepublik
    und der Deutschen Demokratischen Republik



    Hoppe
    schuldig, den immer noch schwer erträglichen Zustand unserer gespaltenen Nation Schritt für Schritt zu überwinden. Deutschlandpolitik bewegt nur dann etwas für die Menschen, wenn sie die Ausgangsposition ihres Handelns nie kaschiert oder relativiert, daß sie nämlich über jene Grenze hinweg betrieben wird, die die Teilung der Welt in Ost und West markiert. Keine nationale Kraftmeierei, keine schöne Illusion — auch wenn sie mit Paragraphen gepflastert sein mag — kann an diesem massiven Tatbestand etwas ändern. Das ist die Lage, die zweifellos unbequeme Lage der Menschen unserer Nation.
    Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal unterstreichen: Alle unsere politischen Initiativen setzen stabile innenpolitische, nicht zuletzt stabile finanz- und wirtschaftspolitische Verhältnisse voraus, damit wir als geachteter Partner auftreten können. Wir müssen unsere Fähigkeit zu Höchstleistungen und Verantwortung gerade jetzt unter Beweis stellen, da durch die neuen Technologien eine Revolutionierung des Wirtschaftsgeschehens stattfindet. Entbürokratisierung und Minderung der Steuerlast sind zwei typische Bausteine zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft. Aber noch wichtiger für das Mithalten der Deutschen in der internationalen Konkurrenz ist ein forcierter Bewußtseinswandel: weg vom defensiven, eher angstbesetzten Denken, hin zur offensiven und schöpferischen Geisteshaltung.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist das gute Recht der GRÜNEN, Technikfeindlichkeit und selbst ökonomischen Nonsens zu predigen, wie etwa die abrupte Abschaltung aller Kraftwerke, die uns ein neues Arbeitslosenheer bescheren würde. Es ist aber auch das gute Recht, ja die Pflicht aller verantwortungsbewußten Demokraten, die Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft zu ermuntern, sich auf die Möglichkeiten der technologischen Zeitwende einzustellen und sich darauf einzulassen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Freien Demokraten setzen unverändert auf eine Politik, die für neue Entwicklungen, für Wandel aufgeschlossen ist, die sich aber auch den Blick für das Mögliche bewahrt. Sie wissen, daß die Leistungsfähigkeit der Bürger wie der Demokratie nur aufrechterhalten wird, wenn wir die Entfaltungsmöglichkeiten, das Verantwortungsbewußtsein und den Leistungswillen des einzelnen nicht ersticken. Ein starker liberaler Staat zeichnet sich durch Ausgleichsfähigkeit und Erneuerungsfähigkeit aus. Bürgerfreiheit und Bürgerrechte sind für Liberale immer das Ziel, nie die Restgröße staatlichen Handelns. Deshalb bestehen wir auf dem Prinzip: Reform in Wirtschaft und Gesellschaft. Wer dem Wandel mit linken oder rechten Ideologien seinen Stempel aufdrücken will, setzt seine Ordnungsvorstellung über die Reformfähigkeit jedes freien Gemeinwesens. Unser Leitmotiv lautet dagegen: Ordnung durch Reform. Unter dieser Zielsetzung steht unsere parlamentarische Arbeit.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Schluß der Rede eine Bemerkung wiederholen, die da lautet:
    Bei der Durchsetzung dieses Konzepts

    (Zuruf von der SPD: Welches?)

    dürfen wir uns durch nichts und niemanden beirren lassen. Wir müssen an folgenden Annahmen festhalten: Der Vertrauensbildungseffekt der Konsolidierung, auch an den internationalen Finanzmärkten, ist gesamtwirtschaftlich ungleich wichtiger als ausfallende Staatsnachfrage. Wir machen damit deutlich, daß privater Initiative wieder mehr Raum gegeben und den für Produktion und Beschäftigung wichtigen privaten Investitionen wieder ein entsprechender Finanzspielraum eingeräumt wird. Nach Jahren ständig steigender Nettokreditaufnahme der öffentlichen Haushalte und der Gefahr einer Überforderung des Kapitalmarkts werden die Rahmenbedingungen für private Investitionen deutlich verbessert. Die — gewiß hilfreiche — Abführung des hohen Bundesbankgewinns läßt es noch nicht zu, von einer dauerhaften Konsolidierung zu sprechen. Einen Teil der zu lösenden Aufgaben haben wir deshalb noch vor uns.
    Meine Damen und Herren, so habe ich meine Haushaltsrede am 19. Januar 1982 geschlossen. Ich hatte damals viel Beifall aus der Opposition. Jetzt sitzen wir zusammen in einem Boot. Ich hoffe, wir können die Zahl der Ruderschläge erhöhen.

    (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, bevor ich weiter das Wort erteile, darf ich Ihnen folgende Mitteilung machen. Nach den vorliegenden stenographischen Aufzeichnungen hat in der heutigen Vormittagssitzung der Abgeordnete Kittelmann den Abgeordneten Verheyen während dessen Rede in einem Zwischenruf als „unverschämten Lümmel" bezeichnet.

(Demonstrative Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Im Auftrage des Sitzungspräsidenten Vizepräsident Stücklen erteile ich dem Abgeordneten Kittelmann wegen dieses Zwischenrufs einen Ordnungsruf.

(Reents [GRÜNE]: Und was passiert mit denen, die jetzt Beifall klatschen? — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Er hat sich nur selbst vorgestellt!)

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tradition entsprechend ist die Generalaussprache über den Haushalt des Bundeskanzlers auch immer die Ge-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    neralaussprache über die Politik der jeweiligen Bundesregierung. Das ist eine gute Tradition. Sie bietet die Chance und die Gelegenheit, Politik auszutauschen,

    (Reents [GRÜNE]: Ja, tauschen Sie einmal Ihre Politik aus! Das wäre ganz gut!)

    alternative Wege im politischen Alltag miteinander zu erwägen und, wenn möglich, auch zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Zum Wesen einer solchen Generalaussprache gehört selbstverständlich auch Kritik, und es gehört zum Wesen einer parlamentarischen Opposition, daß diese Kritik auch durchaus eine herbe Kritik sein kann.
    Nun, meine Damen und Herren, mit großem Interesse habe ich — und viele Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause sicherlich auch — heute früh nach den Ankündigungen der letzten Tage die alternative Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, vertreten durch ihren Sprecher, den Herrn Abgeordneten Dr. Vogel, erwartet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Null Komma nichts!)

    Trotz aufmerksamem Zuhörens habe ich im wesentlichen nur Polemik gehört,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Polemik und Behauptungen, die durch die Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland längst widerlegt wurden.
    Herr Kollege Vogel, im Verlaufe Ihrer Rede drängte sich mir ein Eindruck auf: Wenn das Bild wirklich so wäre, wie Sie es schildern, müßten Sie doch von Wahlsieg zu Wahlsieg schreiten,

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    müßte es doch ein demoskopisches Bild geben, nach dem Sie von einem Triumpf zum anderen gehen.

    (Zuruf von der SPD: Warten Sie erst einmal ab!)

    Jetzt schauen Sie sich doch einmal das Wahlergebnis in Stuttgart oder das Wahlergebnis in Tübingen an. Dort haben Sie es doch so weit gebracht, daß Sie — nach den GRÜNEN — die drittstärkste Fraktion im Rat der Stadt geworden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Und in Ludwigshafen? Und in München? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Sehen Sie, das, was Sie hier geboten haben, Herr Kollege Vogel, ist der alte Rückfall in die sozialistische Mottenkiste der Aufforderung zum Klassenkampf und zum Neid als Mittel der Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, deswegen lohnt es sich in der Tat nicht, auf diese Rede weiter einzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP)

    Abschließend will ich dazu nur noch zwei Bemerkungen machen, weil Sie so vieles behauptet haben, was nicht zutreffend ist. Wenn sie gestern bei der Tagung der IG Bergbau nur etwas zugehört hätten, hätten Sie daraus entnehmen können, daß das, was Sie mir hier vorgeworfen haben, wirklich absurd ist. Seit Wochen ist gerade für diese Woche ein Gespräch mit Herrn Breit, dem Vorsitzenden des DGB, vereinbart. Ich kann ja nichts dazu, daß Ihre Kontakte zum DGB offensichtlich so erlahmt sind, daß Sie die einfachsten Nachrichten nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Was Sie zum Thema der Koalition gesagt haben: Nun, Herr Abgeordneter Vogel, Sie sind — wie ich auch — lange genug in der Politik und wissen, daß eine Koalitionsregierung immer eine schwierige Sache ist. Das weiß jeder, der Mitglied einer Koalitionsregierung war. Die Koalitionsregierung aus FDP, CSU und CDU als Koalition der Mitte ist angetreten, das wieder in Ordnung zu bringen, was Sie uns im Jahre 1982 an Abstiegskandidaten hinterlassen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich haben wir dabei unsere Schwierigkeiten. Wer die bundesstaatliche Ordnung kennt, wer die Parteienlandschaft kennt,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wer Kohl kennt!)

    der weiß: Es ist doch ein ganz natürlicher Vorgang, daß in einer Frage wie der der Steuerreform zwischen den drei Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP in der besonderen Situation einer Verteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern viele — häufig allerdings, wie ich gerne einräume, unnötig laute, überhaupt viele sonst unnötige — Gespräche zu führen sind. Nur, meine Damen und Herren, das war doch zu allen Zeiten so.
    Schauen Sie doch einmal zurück in die Geschichte der Bundesrepublik. Da gab es sehr früh die Koalition zwischen CDU/CSU und FDP. Schauen Sie zurück in die Zeit der Großen Koalition. Sie haben das doch alles miterlebt. Natürlich gab es da immer Probleme und manches Mal ganz unnötige. Das gilt auch für die von mir geführte Koalition.
    Aber das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist: Wenn Sie die Zeit vom 1. Oktober 1982 bis zum heutigen Tag noch einmal abmessen, dann werden Sie eben feststellen, daß diese Koalition der Mitte eine ganz ungewöhnlich erfolgreiche Koalition für die Bundesrepublik Deutschland war.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Das kann man doch nun wirklich in allen entscheidenden Feldern der Politik nachweisen.

    (Zuruf des Abg. Reents [GRÜNE])

    Ihr Beitrag in diesen zwei Jahren bestand doch in
    jenen gleichen Lärmszenen, die Sie auch jetzt dem
    Zuschauer bieten. Lassen Sie uns doch einmal in



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    aller Ruhe die einzelnen wesentlichen Kapitel deutscher Politik in diesen zwei Jahren besprechen.

    (Zurufe von der SPD)

    Da ist zunächst einmal das Verhältnis im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik zu unserem wichtigsten verbündeten, den Vereinigten Staaten.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die lachen inzwischen über Sie!)

    — Herr Dr. Ehmke, ich weiß nicht, warum Sie hier dazwischenrufen. Ich hätte mir gewünscht, daß Sie beispielsweise Ihre Stimme laut erhoben hätten, als der Pöbel von Berlin die amerikanische Flagge durch den Dreck gezogen hat. Ich hätte mir Ihre Stimme zu hören gewünscht, als sich vor einigen Wochen ein ähnliches Schauspiel im Bonner Hofgarten ereignet hat und der Parteivorsitzende der SPD dort in der Nähe stand.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Wenn morgen der Bundesaußenminister und ich auf Einladung des Präsidenten der Vereinigten Staaten nach Washington fahren, können wir mit der Gewißheit fahren, daß die Parlamentsmehrheit der Bundesrepublik Deutschland, und zwar in beiden Kammern, im Bundestag und Bundesrat, die Sicherheitspolitik der NATO ohne Wenn und Aber unterstützt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Jawohl, Herr Präsident!)

    Unsere amerikanischen und unsere kanadischen Freunde, auch die Freunde in Europa wissen sehr genau, daß die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Parlamentsmehrheit ein berechenbarer, guter Freund und ein verläßlicher Partner auch in schwierigen Zeiten ist.
    Meine Damen und Herren, so hat sich gerade in den letzten zwei Jahren das Verhältnis, das Vertrauensverhältnis zwischen der Bundesregierung und dem Weißen Haus, der amerikanischen Administration, ganz vorzüglich entwickelt. Wir haben ähnlich gute Beziehungen zu unseren Freunden in Paris. Das gleiche gilt für alle anderen Partner in der Europäischen Gemeinschaft und auch in der NATO. Das war vor zwei Jahren doch keineswegs selbstverständlich. Es war doch Ihre Politik, die Politik der deutschen Sozialdemokraten, die die Sicherheitspolitik meines Amtsvorgängers ins Zwielicht gebracht hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich brauche Sie doch nicht daran zu erinnern, welch schockierendes, welch deprimierendes Bild die SPD in diesen Fragen auf ihrem letzten Parteitag geboten hat.
    Wir haben vor allem in den letzten zwei Jahren auf Grund dieses engen und vertrauensvollen Verhältnisses zu unseren amerikanischen Freunden und unseren Partnern die Möglichkeit gehabt, intensiven Einfluß auf die Genfer INF- und die START-Verhandlungen zu nehmen. Als wir vor einem knappen Jahr — als Sie mit anderen dabei waren, der Bundesrepublik den heißen Herbst zu bereiten — gesagt haben, nach den amerikanischen Wahlen werden die Verhandlungen wieder aufgenommen, werden sich die Sowjets und die Amerikaner aufeinander zubewegen, haben Sie von diesem Pult aus Spott und Hohn verbreiten wollen. Sie haben Angst im Land verbreitet, um Ihre politischen Geschäfte zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was haben Sie nicht alles an Schmähungen über den amerikanischen Präsidenten verbreitet, um Ihren zum Teil wirklich absurden und törichten Antiamerikanismus zu füttern. Wenn Sie die Rede des Präsidenten vor der UNO-Vollversammlung, wenn Sie die Gespräche der amerikanischen Administration, auch des Präsidenten selbst, mit dem sowjetischen Außenminister Gromyko betrachten, dann wissen Sie: wir haben ein Verhältnis des Vertrauens und der Partnerschaft, und das hat überhaupt nichts mit der Inspiration von Vasallen zu tun; dann wissen Sie, daß hier Europäer und Amerikaner gemeinsam um den Frieden und um die Sicherheit ihrer Länder kämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Durch unsere Entscheidungen in der Sicherheitspolitik sind die Grundlagen gelegt worden, daß dieser Kontakt jetzt unter ganz anderen und, wie ich hoffe, günstigeren Bedingungen wiederaufgenommen werden kann. Wir begrüßen den Wiederbeginn von Verhandlungen ganz uneingeschränkt. Ich begrüße es auch — auch das, meine Damen und Herren, ist ziemlich bemerkenswert —, daß beide Seiten, die sowjetische wie die amerikanische, es für selbstverständlich gehalten haben, uns und speziell mich persönlich über ihre Vorstellungen für die nächste Zeit zu unterrichten.
    Ich sage es noch einmal: Vor einem Jahr haben Sie eine neue Eiszeit in den Beziehungen zwischen Ost und West prophezeit. Sie haben die Behauptung des sowjetischen Ministerpräsidenten Tichonow, zwischen beiden Teilen Deutschlands ginge jetzt ein Raketenzaun nieder, im ganzen Land verbreitet und damit Angst unter die Mitbürger gebracht. Sie haben niemals eine vernünftige Alternative angeboten. Nach zwölf Monaten hat sich deutlich erwiesen, daß unsere Position die richtige war. Ich füge hinzu: Unsere Position, das heißt auch die Position meines Amtsvorgängers Helmut Schmidt. Bundeskanzler Helmut Schmidt war ja ein Mitautor des NATO-Doppelbeschlusses. Wir haben diese Politik als Opposition — ich als Sprecher meiner Fraktion und viele andere auch — unterstützt. Wir haben unser Wort dafür gegeben. Wir haben als Regierungspartei unser Wort selbstverständlich eingelöst. Sie sind in Wahrheit von einer vernünftigen Politik abgewichen und taumeln jetzt immer mehr in die politische Direktion des Neutralismus, von dem für unser Land mit Sicherheit kein Vorteil erlangt werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir lassen uns auf diesem Wege auch nicht durch diese oder jene Propaganda von draußen beirren. In meinen Gesprächen in den letzten vierzehn Tagen



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    mit unseren europäischen Partnern, mit Präsident Mitterrand, mit Ministerpräsident Craxi, mit der Kollegin Frau Thatcher und mit anderen, hat sich gezeigt — ich finde, das ist eine großartige Chance, auch für Europa —, daß wir allesamt fest entschlossen sind — vor allem jene, die den NATO-Doppelbeschluß mit besonderer Entschiedenheit und mit den notwendigen Handlungen im eigenen Land unterstützt haben —, jetzt die Chance zu einem neuen kraftvollen Anlauf für vernünftige Abrüstungsverhandlungen, für eine vernünftige Verbesserung des Ost-West-Verhältnisses zu unterstützen. Es ist wahr — ich glaube, es war Kollege Hoppe, der das gerade gesagt hat —, die Gespräche in den USA finden zum bestmöglichen Zeitpunkt statt. Und dabei geht es um die Verbesserung der Ost-West-Beziehungen, um Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle, um die künftige Zusammenarbeit innerhalb des Atlantischen Bündnisses und damit die Sicherung der gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit.
    Meine Damen und Herren, für uns bleibt dabei ganz klar, daß Voraussetzung für dies alles die enge, freundschaftliche Beziehung zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist. Es ist eine Beziehung der Freundschaft, es ist eine Beziehung, von der beide Seiten wohl wissen, daß sie gegenseitig großen Vorteil aus dieser Partnerschaft und Freundschaft ziehen. Dazu gehört auch die Chance, daß wir insgesamt im Ost-West-Dialog vorankommen. Wir denken, die Beziehungen zwischen West und Ost dürfen eben nicht auf Fragen der Raketen, der Rüstungskontrolle reduziert werden, so existentiell wichtig diese Fragen selbstverständlich sind. Wir halten für unabdingbar, alle Möglichkeiten eines konstruktiven Zusammenwirkens in allen Bereichen auszuschöpfen. Mit diesem Ziel hat die Bundesregierung in diesem Jahr den Gesprächsfaden mit allen Staaten des Warschauer Pakts nicht abreißen lassen, sondern hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Kontakte und die Kooperation mit diesen Ländern fortgesetzt und vertieft. Ich verweise auf meine Gespräche in Ungarn, auf die Gespräche anläßlich des Staatsbesuches des rumänischen Präsidenten Ceausescu. Der Dialog geht weiter; er ersetzt natürlich nicht das Gespräch zwischen den Weltmächten, aber er ist eine notwendige und besonders aus europäischer Sicht zwingende Ergänzung zum Dialog der Weltmächte.
    Es gibt unverändert die Chance, im KSZE-Prozeß eine Fülle von Feldern für nutzbringende Zusammenarbeit zwischen Ost und West aufzuarbeiten. Der Korb II der Schlußakte von Helsinki zählt solche Felder auf. In Wirtschaft und Handel gibt es zwischen West und Ost gemeinsame oder komplementäre Interessen. In den letzten Monaten haben wir einen neuen wichtigen Beitrag auf diesem Weg erfahren, nämlich das zunehmend wachsende Bewußtsein in Ost und West für die Notwendigkeit des Schutzes der gemeinsamen natürlichen Lebensgrundlagen. Es ist heute wahr, daß wir uns mit unseren Gesprächspartnern in Ost-Berlin, in der CSSR oder in Polen über Fragen des Waldsterbens wegen der gegebenen Verhältnisse aus Gründen der gemeinsamen Bedrohung schneller verständigen und einigen können als mit etlichen unserer
    Partner in der EG, die dieses Problem überhaupt nicht kennen. Ich finde, es ist eine gute Sache — das war ja auch ein Stück Erfolg bei der entsprechenden Umweltschutzkonferenz in München —, daß es gerade in einem Zeitalter, in dem soviel über Raketen und über Waffen gesprochen wird, möglich ist, den nützlichen und erforderlichen ökologischen Ost-West-Dialog so voranzutreiben. Wir sind dazu bereit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich nenne ein anderes wichtiges Feld, das eigentlich jeden Demokraten in der Bundesrepublik Deutschland ansprechen muß. Im kommenden Jahr findet in Ottawa das KSZE-Expertentreffen über Menschenrechte statt. Auf der im Mai 1985 beginnenden Konferenz sind wir in jeder Weise zur Mitarbeit bereit. Und wir werden auch auf Fortschritte bei der tatsächlichen Beachtung der Menschenrechte dringen. Gute Beziehungen zwischen West und Ost sind auf Dauer nur denkbar, wenn im Bereich der Menschenrechte die notwendigen und möglichen Verbesserungen eintreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie mich gerade in diesem Zusammenhang ein Wort zu unserer Deutschlandpolitik sagen. Wir verstehen Deutschlandpolitik als einen Beitrag zur europäischen Friedenspolitik. Sie fußt auf unserer engen Partnerschaft und Freundschaft mit den Demokratien des Westens, und wir suchen dabei die Verständigung mit allen unseren Nachbarn in Ost- und Mitteleuropa. Das ist für uns ein Gesamtkonzept einer in sich geschlossenen Politik. Wir wissen auch — lassen Sie mich das wiederum einmal aussprechen —, daß es keinen irgendwie gearteten deutschen Sonderweg oder einen Alleingang für die Deutschen geben könnte. Deutschlandpolitik muß immer eingebunden sein in die gesamte politische Szenerie in Europa und in der Welt. Deutschlandpolitik muß auch immer bedenken, daß für das Schicksal der Völker in Mittel- und Osteuropa und damit auch für das Schicksal unserer Landsleute in der DDR die Beziehungen zu unserem wichtigsten und mächtigsten Nachbarn in Osteuropa, zur Sowjetunion ganz entscheidend sind. Deutschlandpolitik heißt: eingegangene Verträge und Verpflichtungen honorieren und auch — wenn dies not tut — Vertragspartner an ihre Verpflichtungen erinnern. Unsere Deutschlandpolitik habe ich hier von dieser Stelle aus immer wieder deutlich dargelegt, eingehend in meinen Regierungserklärungen im Oktober 1982 und im Mai 1983. Sie hat auch ihren Niederschlag gefunden in der gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages vom Februar dieses Jahres.
    Meine Damen und Herren, diese Politik ist für jedermann berechenbar und klar. Aber zu dieser Deutschlandpolitik gehört nach unserem Selbstverständnis, nach unserem Verfassungsverständnis im Sinne der Präambel des Grundgesetzes und nach dem Verständnis unseres geschichtlichen Auftrags eben die Tatsache, daß wir als Deutsche uns mit der Teilung unseres Vaterlandes nicht abfinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Politisch wie rechtlich und letztlich auch moralisch bleibt der nationale Auftrag gültig, in einem freien Europa in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
    Man kann es nicht oft genug sagen: Die deutsche Nation lebt im Bewußtsein der Deutschen weiter. Das ist der Wille unseres Volkes, das ist eine politische Realität. Und das heißt: Die deutsche Frage ist und bleibt offen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich weiß jeder von uns — wir sind Realisten —, daß dies kein Thema ist, das auf der Tagesordnung der Weltpolitik von heute steht, aber wir wissen auch — ich sage das nicht ohne Grund — angesichts des geschichtlichen Beispiels unserer polnischen Nachbarn, daß der Wille zur Einheit einer Nation auch die Teilung eines Landes über viele Generationen überwinden kann. Wer bei uns davon spricht, so wie es die Präambel des Grundgesetzes sagt, daß wir den Willen zur Selbstbestimmung haben und nicht aufgeben, der ist eben kein aggressiver Revanchist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer durch unser Volk geht, der weiß: Er findet nirgendwo ein Anzeichen für Revanchismus. Wir haben aus der Geschichte gelernt.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Es mag sein, daß es bei Ihnen in einer bestimmten Bankgruppe dieses Hauses eine neue Form von Revanchismus gibt,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Reents [GRÜNE]: Dümmlichere Anmerkungen können Sie nicht machen!)

    aber ich habe nicht die Absicht, mich mit einem vorübergehenden parlamentarischen Zustand hier weiter auseinanderzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist so — das wissen Sie auch; auch die sozialdemokratischen Kollegen wissen das —, daß es bei uns nirgendwo Revanchismus gibt, weder bei den Vertriebenen, die das Schicksal der Vertreibung persönlich erlebt haben, noch bei ihren Nachkommen, die inzwischen ganz selbstverständlich Heimatrecht in ihrer neuen Heimat haben, noch bei irgendeinem anderen in unserem Volk, schon gar nicht bei der jungen Generation.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage das auch ganz bewußt an die Adresse unserer polnischen Nachbarn. Ich habe bedauert — ich habe dies auch öffentlich gesagt —, daß die geplante Reise des Bundesaußenministers nicht zustande kam, nicht zustande kommen konnte angesichts des Verhaltens polnischer Behörden, die eine solche Reise unter den gegebenen Umständen unmöglich gemacht haben. Ich wünsche mir, daß diese Reise nicht allzu lange auf sich warten lassen muß, daß der Kontakt mit Polen fortgesetzt werden kann, denn wir, die Bürger der Bundesrepublik Deutschland, wollen Frieden und Ausgleich mit unseren polnischen Nachbarn.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Konrad Adenauer hat in der ersten Regierungserklärung nach seiner Wahl zum Bundeskanzler 1949 von dieser Stätte aus unseren Bürgern und unseren Nachbarn in der Welt zugerufen: Wir wollen Friede, Ausgleich und, wenn möglich, gute Nachbarschaft zu allen Kriegsgegnern von gestern. Wir wollen dies vor allem — ich sage es mit meinen Worten — mit dem Volk und dem Staate Israel, mit Frankreich und mit Polen. Es ist eines der großartigsten Versöhnungswerke, daß es nach Auschwitz und Treblinka gelungen ist, mit dem Volk und dem Staate Israel zur Aussöhnung zu kommen. Das Bild, das alle Welt vor wenigen Wochen sah: vor dem Ossuaire in Verdun der französische Staatspräsident und der deutsche Kanzler, es zeigt, daß dies auch ein Schlußstrich unter einer langen Epoche schlimmer Heimsuchungen der gegenwärtigen und der früheren Geschichte unseres Volkes war und ist.
    Wir wünschen uns von Herzen, daß eine solche Aussöhnung auch mit dem polnischen Volk möglich ist.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Dann müssen Sie sich anders verhalten!)

    Wir wünschen uns, daß es, so wie es ein deutschfranzösisches Jugendwerk gibt, ein deutsch-polnisches Jugendwerk geben möge.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)