Rede von
Dr.
Irmgard
Adam-Schwaetzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Aktuelle Stunde, die die Sozialdemokraten beantragt haben, für diese ein Schuß in den Ofen war, hat, glaube ich, die Wortmeldung von Herrn Egert besonders deutlich gemacht.
— Herr Egert, bei Ihnen kam j a nun wirklich klar heraus, daß Sie zuviel versprochen hatten. Sie haben nämlich gesagt, Sie wollten auch noch darüber reden, was denn nun zu tun sei. Leider haben Sie da irgendwo den Faden verloren. So blieb es streng geheim, was die Sozialdemokraten nun eigentlich machen wollen.
Daß Sie sich gerne an die Zeiten von Ehrenberg erinnern möchten, zumindest an das, was er immer machen wollte, das kann ich j a gut verstehen. Den Sozialismus hätten Sie zwar gerne gewollt, aber Gott sei Dank waren da noch. die Liberalen, die Sie daran gehindert haben.
Im übrigen, meine Kollegen von der SPD: Sehen Sie sich einmal in Frankreich um, was da der Sozialismus gebracht hat. Dann sehen Sie, daß auch dort die Kosten gestiegen sind.
Um die Grundlagen, auf denen wir diskutieren, noch einmal klarzumachen: Erstens. Im vergangenen Jahr haben die Krankenkassen so viel weniger Geld ausgegeben, als sie zunächst dachten, daß die Beitragssätze in diesem Jahr gesenkt werden konnten, von durchschnittlich 12 % auf durchschnittlich 11,4 %.
Vor diesem Hintergrund muß die Kostenentwicklung dieses Jahres gesehen werden, die leider — das muß man sagen — die Befürchtung aufkommen läßt, daß in einer ganzen Reihe von Krankenkassen die Beitragssätze doch wieder angehoben werden müssen. Trotzdem möchte ich nicht versäumen, auch einmal die Zahlen zu nennen, die nun die von den Sozialdemokraten und offensichtlich auch von den GRÜNEN ausgesuchten Buhmänner tatsächlich verursacht haben. Bereich Arzneimittel z. B.: Mit plus 6,3 % Kostensteigerung im ersten Halbjahr 1984 liegt er ganz zweifellos über der Entwicklung der Grundlohnsumme, aber trotzdem niedriger als
alle anderen Bereiche. Er hat also den niedrigsten Steigerungssatz.
Zweitens, so denke ich, sollte man sich doch noch einmal vor Augen halten, daß die Kostensteigerung ohne die Einbeziehung von Rentnern bei 4,1 % liegt. Ich komme darauf zurück, was ich eben schon gesagt habe. Es ist natürlich völlig klar, daß ein steigender Anteil von Rentnern ebenfalls zu steigenden Anteilen an dieser Form der Versorgung führen wird.
Auf der anderen Seite macht doch gerade aber auch der Arzneimittelbereich deutlich, daß die Selbstbeteiligung etwas gebracht hat, in diesem Jahr eine Minderausgabe von schätzungsweise 240 Millionen DM.
Ein Wort zum Scheitern der Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Pharmaindustrie zur Preisfestsetzung. Wir haben schon sehr frühzeitig gesagt, daß diese Verhandlungen scheitern werden und auch scheitern müssen. Ich muß Ihnen sagen: Ordnungspolitisch ist es für mich ein Gruselgedanke, daß in einem so wichtigen Bereich unserer Industrie die Marktwirtschaft grundlegend ausgeschaltet werden sollte.
Im übrigen zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern mit genau diesem ordnungspolitischen Gruselinstrument, daß die Kosten im Arzneimittelbereich keineswegs weniger steigen, als das bei uns der Fall gewesen ist.
Hier noch ein Wort zur Terminologie, die offensichtlich auch in diesem Hause üblich wird. Meine Damen und Herren, gut zuhören! Ich finde es nicht nur legitim, sondern absolut notwendig, daß auch die Pharmaindustrie Gewinne macht. Denn nur dann ist sie in der Lage, die Arbeitsplätze zu erhalten, die dort angesiedelt sind.
Es ist natürlich entlarvend, daß von einer Seite des Hauses, nämlich von den GRÜNEN, nicht von Gewinnen, sondern nur von Profiten gesprochen wird. Was dahinter steht, ist ganz klar: Marktwirtschaft wollen Sie nicht, Planwirtschaft ist das Ziel. Aber, Frau Kollegin Potthast, da würde ich Ihnen raten,
einmal anzusehen, wie das in den Ländern aussieht, wo so etwas tatsächlich schon durchgeführt wird.
Es hilft in der Zukunft wirklich nur ein neuer Ansatz.
Das, Herr Egert, ist im übrigen der Ansatz, den auch der Kollege Schmidt schon immer gefordert hat. Insofern haben Sie ihn wohl für sich selber ein bißchen fälschlich in Anspruch genommen.
Frau Dr. Adam-Schwaetzer
— Unter uns hat es nie einen Dissens darüber gegeben, daß eine durchgreifende und langfristige Veränderung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen nur nach der Einführung anderer Strukturen, u. a. durch die Einführung der Selbstbeteiligung, zur erzielen ist.
Wir haben derzeit — ich will das an einem ganz lapidaren Beispiel verdeutlichen — überhaupt keinen Anreiz für die Versicherten, mit den Leistungen des Gesundheitswesens sparsam umzugehen. Jeder liefert am Ende eines Monats seinen Krankenkassenbeitrag ab. Er weiß in der Regel nicht einmal mehr wie hoch er ist; denn für ihn ist nur interessant, was am Ende des Monats auf sein Konto netto überwiesen wird. Was vorher an Abzügen weggeht, wissen die allermeisten überhaupt nicht mehr.
Insofern kann er gar kein Interesse daran haben, daß damit sparsam umgegangen wird, weil es ja ein für ihn völlig anonymes, nicht mehr durchsichtiges System ist.
— Ich komme noch einmal darauf, daß die Sozialdemokraten, seitdem sie in der Opposition sind, offensichtlich verlernt haben zuzuhören.
Ich muß noch einmal auf Frau Steinhauer zurückkommen. Frau Steinhauer, Sie haben hier eine Rede abgelesen, ohne zugehört zu haben, was ich vorher gesagt hatte.
Wenn wir von Selbstbeteiligung sprechen — jetzt bitte ich Sie, wirklich einmal zuzuhören und auf Ihren Lärm zu verzichten —, sagen wir immer dazu, daß sie sozial tragbar sein muß,
daß sie zweitens dazu führen muß, daß die Krankenkassenbeiträge bei der Einführung gesenkt werden; denn drittens dürfen dadurch keine neuen Einnahmequellen für Leistungserbringer im Gesundheitswesen erschlossen werden.
Daß die Leistungserbringer inzwischen dahintergekommen sind, daß die Selbstbeteiligung ein solches Steuerungselement ist und nicht unbedingt zusätzliche Einnahmen für sie verheißt, wird schon daraus deutlich, daß es inzwischen durchaus kritische Stellungnahmen auch aus dem Bereich von Leistungserbringern im Gesundheitswesen zur Selbstbeteiligung gibt.
— Ich bedaure es wirklich zutiefst, daß Sie nicht
einmal mehr mit anhören können, daß jemand eine
andere Meinung vertritt, als Sie sie vertreten haben.
Meine Damen und Herren, die dirigistischen Elemente haben wir nun wirklich lange genug ausprobiert. Wir müssen jetzt darangehen, uns wirklich durchgreifende Veränderungen in der Struktur vorzunehmen. Das geht nur über den Patienten.
Wir können doch nicht in Sonntagsreden immer wieder betonen, daß die Bürger unseres Landes mündig sind, während dies dann, wenn es darum geht, daß sie auch einmal durch ihre direkte Zahlung ein Steuerungsmittel in die Hand bekommen,
wieviel Gesundheitsleistungen sie in Anspruch nehmen wollen und wieviel Gesundheitsleistungen ihnen verordnet werden, nach Ihrer Auffassung offensichtlich in den Bereich der Märchen zu verweisen ist. Man kann nicht von der Mündigkeit des Bürgers reden, wenn man ihm dies in einem so entscheidenden Bereich absprechen will.
— Frau Kollegin Fuchs, ich möchte es Ihnen noch einmal sagen, damit Sie es wirklich begreifen. Selbstbeteiligung muß dazu führen, daß die Beitragssätze runtergehen.
— Weil es kein Gesamtkonzept für die Selbstbeteiligung gibt. Daran werden wir festhalten, auch in der Diskussion der nächsten Monate.
Ich hoffe, daß es uns wenigstens jetzt gelingt, einmal ernsthaft über solche Strukturelemente zu diskutieren.
Vielen Dank.