Rede von
Heinz
Schwarz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kriege gerade gesagt, daß ich fünf Minuten reden darf. Das ist natürlich ein Beispiel dafür, wie man Parlamentsdebatten nicht gestalten kann: daß man um 18.30 Uhr einem Kollegen sagt, er habe nur fünf Minuten Redezeit. Das ist kein Beitrag, der uns, den Abgeordneten, das Hiersein in diesem Parlament erleichtert.
Ich möchte allerdings auch eine kritische Bemerkung machen. Wenn es hier heißt, die Kollegen können 10 Minuten reden, dann wäre es keine Schande, wenn man bei 9:30 Minuten aufhört, anstatt 11, 12 und 13 Minuten zu reden. Auch das wäre, meine ich, ein wichtiger Beitrag zur Kollegialität.
— Herzlichen Dank, Herr Kollege Klein, für Ihre sieben Minuten. — Ich weiß, wie man das erreichen kann. Wenn wir wollen, daß wir miteinander reden: Dann schmeißt doch die Manuskripte weg. Wer nicht in der Lage ist, 7 Minuten ohne Manuskript zu reden, soll es doch sein lassen oder es irgenwann um 22 Uhr tun
— das ist ein Beitrag —, egal ob jemand Fraktionsvorsitzender oder Antragsteller ist. Ich finde, dies ist für die Debatte wichtig. Wenn wir sagen, was wir alles wünschen, wie man mit uns umgeht, und 20 Leute nicht in der Lage sind, völlig frei zu reden, darf man sich doch nicht wundern, daß Journalisten über uns schlecht schreiben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich wundere mich gar nicht über mich selbst, wenn ich dann nicht mehr im Plenum bin. Das kommt noch dazu.
Ich möchte etwas zur Präsenz sagen. Ich sage Ihnen ganz offen: Als ich hier anfing — ich bin jetzt 25 Jahre Abgeordneter, wenn es erlaubt ist, die Zeit im Rheinland-Pfälzischen Landtag dazuzunehmen —, war ich ein fleißiger Plenarsitzungsteilnehmer. Ich habe nach einigen Wochen festgestellt, daß hier zu sitzen unnötige Zeit ist, gemessen an dem, was ich als Einmannbetrieb-Abgeordneter sonst zu tun habe. Ich warne meinen Parlamentarischen Geschäftsführer Wolfgang Schäuble davor, zu sagen: Ihr müßt sehen, daß ihr mehr Präsenz habt. — Der Fraktionsvorsitzende Vogel hat gesagt, wir müßten mehr im Plenum sein. Ich sage Ihnen: Ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Ich weiß nicht, wo ich streichen soll. Am Dienstag bei der Arbeitsgruppe? Wenn ich da nicht bin, verliere ich jeden Infor-
6248 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984
Schwarz
mationsstand. In der Fraktion? Wenn ich da nicht bin, verliere ich jede politische Übersicht. Im Ausschuß? Wenn ich da nicht bin, entziehe ich mir selbst meine politisch-parlamentarische Tätigkeit. Dann kommt der Donnerstag. Meine Güte, ich muß doch meine Leute anrufen, ich muß doch Termine mit Leuten vereinbaren, die mich besuchen kommen. Ich muß doch zur Besuchergruppe.
Ich meine, wir sollten Abschied nehmen von der Präsenzpflicht, wie sie uns dargestellt wird. Präsenzpflicht haben wir in Moskau, in Ost-Berlin, in Warschau. Da gehört sich das so. Aber in den freien Parlamenten der Welt, ob im Unterhaus, im amerikanischen Senat oder im französischen Parlament, ist nicht die Frage, ob da zehn oder hundert Kollegen sitzen. Da lautet die Frage: Was ist das Ergebnis der parlamentarischen Beratungen?
Es ist einiges Kritische zu Journalisten allgemein gesagt worden. Nun muß ich sagen: Es gibt nicht „die" Journalisten, es gibt nicht „die" Politiker. Aber es gibt einen Herrn Besser, Kommentator einer großen Boulevardzeitung, die am Sonntag erscheint.
Dieser Herr Besser schreibt: „Daß Politiker eine besondere Gattung Mensch sind, bei denen das Streben nach gesicherten Posten über dem steht, was wir Anstand zu nennen pflegen, ist ja nichts Neues."
Ich will nicht in eine Journalistenbeschimpfung eintreten. Nur ist soviel journalistische Arroganz, wie dieser Schreiber hier an den Tag legt, der von nichts eine Ahnung hat, einfach unerträglich.
Da frage ich: Wieviel sind wir selber schuld, daß wir dies alles zur Kenntnis nehmen und denken, um Gottes willen, da darf man nichts gegen sagen, es ist eine große Zeitung, die verschweigen Dich? Ich weiß, in der Politik zählt: Besser, es steht etwas Schlechtes in der Zeitung als gar nichts. — Nach diesem Grundsatz ist es wertvoll, Schlechtes über einen geschrieben zu finden.
Meine Freunde, wenn wir Selbstbewußtsein haben und nicht davon ausgehen, daß wir von manchen zur Fußmatte der Nation gemacht werden, wenn wir lernen, hier diszipliniert, notfalls fünf Minuten und freihändig zu reden, dann leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Ansehen des Parlaments. Das ist wichtiger als die Präsenz in jeder Plenarsitzung.