Rede von
Detlef
Kleinert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eben bin ich doch etwas zu elegisch für die Veranstaltung geworden. Bei uns in Niedersachsen, genauer gesagt: auf der großen Heide bei Buxtehude, versteht man sehr viel von diesem Hase-und-Igel-Problem. Und ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie als Hase nicht zurechtkommen, versuchen Sie, Igel zu werden,
und Sie werden Erfolge erleben.
Ich möchte die Gelegenheit dieses Beitrages dazu benutzen, um ganz kurz auf einige praktische Dinge zu kommen, die hier sicherlich verbessert werden können. Seit einigen Jahren gibt es eine Reihe von Abgeordneten, die sich mehr oder weniger intensiv mit dergleichen befassen. Ich habe eine leichte Legitimation, so hoffe ich wenigstens, aus dem, wie Sie gleich erkennen werden, präzise auf die Presse gezielten Versuch, einen Verein zu gründen, der da heißt: „Zusammenschluß nachdenklicher und unabhängiger Abgeordneter zur Relativierung der Vervielfältigung von Bauten im Bundeshausbereich".
Dieser verdienstvolle Kreis hat sich schon vor einigen Jahren zusammengefunden. Ich danke dem Herrn Präsidenten für seine Bemühungen und dafür, daß er diesen Kreis nach einigen Jahren seiner, wie ich meine, mehr unterirdischen Tätigkeit bei
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6219
Kleinert
sich empfangen hat, um einige unserer Gedanken zur Kenntnis zu nehmen.
Diese Gedanken laufen tatsächlich auf die Frage hinaus, wie man sich hier als Igel bewähren kann, statt zum Hasen zu werden. Meine persönliche Meinung ist: Sie werden am schnellsten zum Hasen, je eher Sie den Schalmeienklängen derjenigen erliegen, die Ihnen sagen: Sie müssen nur mehr Mitarbeiter haben, dann haben Sie mehr Information, und dann sind Sie zum Schluß der Allerklügste und Einflußreichste. Das krasse Gegenteil ist der Fall.
Es gibt darüber ein eindrucksvolles Werk von Herrn Parkinson. Sie haben schon bei einer verhältnismäßig kleinen Personenzahl binnen kurzem mehr Zeitaufwand für das Schlichten der Streitigkeiten insbesondere über Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter als für ihre eigentliche Tätigkeit.
Da kann die Lösung nicht liegen.
Selbstverständlich widerspreche ich nicht der Forderung nach vernünftigen, vergleichbaren Arbeitsbedingungen. Das ist ganz klar. Aber man soll es nicht übertreiben. Dann kommt man nämlich ganz schnell über die optimale Kapazität hinaus.
Deshalb hat sich besagter Kreis von Abgeordneten — übrigens aus allen Fraktionen des Hauses, die es damals gab — zum Ziel gesetzt, die Gigantomanie zu vermeiden, auf die wir uns damals hinsichtlich der Baulichkeiten zuzubewegen im Begriff waren; denn diese Baulichkeiten waren so angelegt, daß für jeden Abgeordneten drei Räume vorhanden waren. Schließlich wäre die Idee aufgekommen, daß man da auch Mitarbeiter hineinsetzen sollte, damit diese Räume einen Sinn hätten. Dann wäre das entstanden, wovon ich eben gesprochen habe.
Wenn der Abgeordnete einen deutlichen Vorteil hat, dann ist es der, daß er viel öfter als die Leute, die vom „Raumschiff Bonn" oder von der „Käseglocke" oder sonst etwas reden, mit vielen Bürgern unseres Landes aus ganz unterschiedlichen Kreisen zusammenkommt, viele Anregungen bekommt, dadurch — wenn er dafür überhaupt geeignet ist — einigermaßen beweglich im Denken und in seiner Phantasie bleibt. Wenn er hier durch die Gänge geht, also nicht an seinem Schreibtisch sitzt und sich dafür bedankt, daß andere sich bei ihm für Briefe bedankt haben
— das hat natürlich keinen Sinn —, und diesen und jeden Kollegen trifft, weiß, wie er ihn einzuschätzen hat und was er von der gerade interessierenden Sache weiß, kann er damit sehr rasch einen enormen Informations- und Kommunikationsvorsprung vor den hier zitierten Beamten haben, deren wesentliches Merkmal doch auch ist, daß sie im Rahmen ihres zweifellos leistungsfähigen Apparats an einer ganz speziellen Stelle eingebunden sind
und außerdem im horizontalen und vertikalen Bereich verhältnismäßig wenig Übersicht haben und sich deshalb gelegentlich auch einmal auspunkten lassen.