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    Plenarprotokoll 10/85 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 85. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6147A Begrüßung des Präsidenten der Nationalversammlung des Staates Kuwait und einer Delegation 6158 D Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6225 B Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Beschluß des deutschen Bundestages vom 9. Februar 1984, ab 1. Januar 1986 nur noch abgasentgiftete Kraftfahrzeuge neu zuzulassen Dr. Vogel SPD 6147 B Schmidbauer CDU/CSU 6148 B Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 6149 C Hoffie FDP 6150 D Schäfer (Offenburg) SPD 6151C Hanz (Dahlen) CDU/CSU 6152 C Baum FDP 6153B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6154A Dr. Hauff SPD 6155A Dr. Lippold CDU/CSU 6156A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 6157 A Duve SPD 6158 D Fellner CDU/CSU 6159 D Lennartz SPD 6160 D Jung (Lörrach) CDU/CSU 6161C Erste Beratung des von den Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Tietjen, Bernrath, Duve, Frau Dr. Hartenstein, Jansen, Kiehm, Dr. Nöbel, Dr. Penner, Reuter, Schröer (Mülheim), Wartenberg (Berlin), Dr. Wernitz, Paterna, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1115 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1316 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN zum Gesetz über Personalausweise — Drucksache 10/1016 — Schäfer (Offenburg) SPD 6162 C Dr. Miltner CDU/CSU 6166 B Dr. Hirsch FDP 6169 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 6171 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 6175 D Wartenberg (Berlin) SPD 6179A Clemens CDU/CSU 6180 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes — Drucksache 10/1180 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Fünfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksachen 9/2386, 10/1719 — in Verbindung mit Beratung des Sechsten Tätigkeitsberichts des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksache 10/877 — Dr. Wernitz SPD 6182 D Dr. Laufs CDU/CSU 6186 B Dr. Hirsch FDP 6189 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6191 D Dr. Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 6193 D Fellner CDU/CSU 6197 D Baum FDP 6198 A Dr. Blank CDU/CSU 6200 B Stellung und Arbeit des Deutschen Bundestages Dr. Barzel CDU/CSU 6202 A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6204 C Waltemathe SPD 6206 C Dr. Langner CDU/CSU 6208 B Frau Nickels GRÜNE 6210A Frau Geiger CDU/CSU 6211 B Dr. Vogel SPD 6213 A Dr. Lammert CDU/CSU 6215A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 6216D Kleinert (Hannover) FDP 6218 D Stratmann GRÜNE 6220 B Klein (München) CDU/CSU 6222 C Conradi SPD 6223 D Ertl FDP 6225 C Dr. Daniels CDU/CSU 6227 A Kuhlwein SPD 6228 B Werner CDU/CSU 6230 A Frau Dr. Hartenstein SPD 6231 D Dr. Czaja CDU/CSU 6233 D Dr. Schöfberger SPD 6235 C Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 6236 D Bamberg SPD 6238 C Dr. Blank CDU/CSU 6239 D Burgmann GRÜNE 6240 D Mischnick FDP 6242 D Buschbom CDU/CSU 6244 B Sielaff SPD 6246 A Schwarz CDU/CSU 6247 C Reimann SPD 6248 B Dr. Feldmann FDP 6249 D Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 6250 D Eylmann CDU/CSU 6251 D Bindig SPD 6252 D Reddemann CDU/CSU 6253 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6254 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 6255 B Stiegler SPD 6256A Lowack CDU/CSU 6256 D Schreiner SPD 6257 D Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 6258 C Toetemeyer SPD 6259 C Dr. Müller CDU/CSU 6259 D Dr. Hornhues CDU/CSU 6260 D Schulte (Unna) SPD 6261 B Gansel SPD 6262 B Vizepräsident Stücklen 6222 C Nächste Sitzung 6263 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6265* Anlage 2 Einstellung von Ingenieuren bei der Bundespost vor und ab 1984; Verzicht auf die Absenkung des Eingangsamtes MdlAnfr 5, 6 14.09.84 Drs 10/1979 Broll CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP 6265* B Anlage 3 Stärkung des Zonenrandgebietes durch Verlagerung von Behörden MdlAnfr 7 14.09.84 Drs 10/1979 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 6265* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6147 85. Sitzung Bonn, den 20. September 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 21. 9. Buckpesch 21. 9. Büchner (Speyer) 21. 9. Dr. Göhner 20. 9. Haase (Fürth)** 20. 9. Dr. Häfele 21. 9. Jaunich 21. 9. Keller 21. 9. Dr. Kreile 21. 9. Frau Renger 21. 9. Reuschenbach 21. 9. Schmidt (Hamburg) 21. 9. von Schmude 21. 9. Frau Schoppe 21. 9. Frau Simonis 21. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 21. 9. Dr. Stoltenberg 21. 9. Tietjen 21. 9. Dr. Voigt (Northeim) 21. 9. Weiskirch (Olpe) 21. 9. Frau Dr. Wex 20. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Fragen 5 und 6): Wie entwickelt sich die Zahl der Einstellungen von Ingenieuren bei der Deutschen Bundespost im Jahre 1984 im Vergleich zu den vergangenen Jahren? Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, von der im Haushaltbegleitgesetz 1984 vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch zu machen und auf die Absenkung des Eingangsamtes zu verzichten? Zu Frage 5: Im Jahre 1984 konnten bei der Deutschen Bundespost bisher 374 Diplomingenieure der Fachhochschulen als Nachwuchskräfte für die Laufbahnen des gehobenen fernmeldetechnischen, posttechnischen und hochbautechnischen Dienstes eingestellt werden. Mit weiteren 200 Einstellungen wird 1984 gerechnet, so daß sich die Gesamtzahl der Einstellungen des Jahres 1984 auf rund 580 Nachwuchskräfte belaufen wird. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 929 Einstellungen, 1981: 1 033 Einstellungen, 1982: 1 043 Einstellungen und 1983: 904 Einstellungen. In die entsprechenden Laufbahnen des höheren technischen Dienstes der Deutschen Bundespost wurden im Jahre 1984 bisher 45 Diplomingenieure der Technischen Hochschulen und Universitäten eingestellt. Im Jahr 1984 wird mit weiteren 10 bis 15 Einstellungen gerechnet. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 56 Einstellungen, 1981: 88 Einstellungen, 1982: 66 Einstellungen und 1983: 63 Einstellungen. Zu Frage 6: Die Bundesregierung prüft zur Zeit, ob besoldungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Frage 7): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Zonenrandgebiet durch Verlagerung von wenig publikumsintensiven Behörden dorthin zu stärken, und wenn ja, was käme dafür in Frage? Die Verwaltungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland ist auf eine ausreichende und bürgernahe Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Dienstleistungen ausgerichtet. Der förderative Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat dazu geführt, daß sich die Behörden nicht in einzelnen Gebieten konzentrieren. Für eine umfassende Verlagerung von Behörden besteht daher keine Veranlassung. Die Bundesregierung wird jedoch bei etwaigen Standortveränderungen darum bemüht bleiben, Bundesbehörden bzw. -einrichtungen in strukturschwache Gebiete, insbesondere in das Zonenrandgebiet zu legen, soweit keine aufgabenbezogenen Gesichtspunkte entgegenstehen. Bei Neugründungen von Bundesbehörden bzw. -einrichtungen ist Standorten im Zonenrandgebiet aufgrund des Raumordnungsgesetzes und des Zonenrandförderungsgesetzes Vorrang einzuräumen. Wie eine Umfrage bei den Bundesressorts gezeigt hat, werden neue Behörden nur noch in Ausnahmefällen errichtet. Deshalb kommt es derzeit besonders darauf an, Behörden und sonstige öffentliche Einrichtungen und damit Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet zu erhalten. Falls ein Behördenabzug aus gewichtigeren betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für unumgänglich erachtet wird, sind nach Möglichkeit durch flankierende Maßnahmen negative Folgen für den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Der für die Raumordnung zuständige Bundesminister wirkt im Rahmen der Abstimmung von Standortentscheidungen für Bundesbehörden bzw. -einrichtungen nach § 4 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes auf diese Zielsetzungen hin.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Liebes Wahlvolk! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Hamm-Brücher, zuerst möchte ich sagen, daß auch die GRÜNEN Ihre Vorschläge unterstützen, weil dadurch bestimmt eine ganze Menge mehr Demokratie in dieses Parlament kommt und die Abgeordneten mehr Möglichkeit erhalten, ihre Rechte wahrzunehmen.
    Aber vielleicht haben Sie gemerkt, daß der Funke eben nicht übersgesprungen ist. Das hat mir so leid getan, weil darin lange Arbeit steckt.
    Woran mag das liegen? Die Debatten sind wohl weniger deshalb so langweilig, weil die Reden so fad sind — das ist manchmal freilich auch der Fall —; sondern es liegt wahrscheinlich daran,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Im System?)

    daß die Abgeordneten hier nichts zu sagen haben. Denn die meisten Abgeordneten hier haben sich schon lang ein imperatives Mandat überstülpen lassen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben sich aber nicht an die vielen kleinen Leute, an das Wahlvolk gebunden, sondern sie haben sich an wenige Mächtige binden lassen.
    Ich belege das. Wir haben in diesem Sommer zwei hervorragende Beispiele erlebt. Das erste ist Buschhaus.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Abgeordneten haben Ende Juni gesagt: Buschhaus darf nicht ohne Rauchgasentschwefelung ans Netz; der Wald stirbt; da muß etwas getan werden. Vier Wochen später erklären dieselben Abgeordneten alle einstimmig

    (Zurufe von der CDU/CSU: Fast!)

    — fast einstimmig; gut —: Ja, wir haben uns geirrt; wir wollen jetzt, daß alles zurückgenommen wird.
    Wie kommt das denn? Es liegt nicht daran, daß die nicht schlau genug sind oder zu wenig Grips haben; hier sitzen eine ganze Menge studierter Leute, viel mehr als andere, und die haben sehr wohl den Durchblick.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daß die so entscheiden und so schnell ihre Meinung ändern, liegt daran, daß da z. B. stromerzeugende Betriebe, Kohlebergbau, Chemielobby und in der Frage des Katalysators Autolobby ihr Vetorecht eingelegt und sie unter Druck gesetzt haben und das imperative Mandat hier funktioniert hat.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Debatten hier sind deshalb so langweilig und die Bürger sind deshalb so sauer, weil dieses Parlament, Herr Barzel, eben nicht mehr ein Instrument des ganzen Volkes ist, weil es die Überlebensfragen — Luft, Wasser, Boden, Wald, Gesundheit sind extrem gefährdet — nicht sieht und sie wirtschaftlichen Interessen opfert. Es ist doch wirklich ein Stück weit pervers, daß die Bürger sich zum Teil gegen das Parlament diese Überlebensgrundlagen erkämpfen müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Weiß [CDU/ CSU]: Sie erweisen dem Parlament keinen Dienst!)

    Indem Sie das zugelassen haben, ist diese Verbindung zwischen dem Parlament und den Wahlbürgern ein Stück weit aufgehoben. Man hat das Gefühl: Das hier ist ein Raumschiff Bonn. Die Leute kommen mit Petitionen — vor der Nachrüstung war wirklich die Mehrheit der Bevölkerung dagegen —, rennen gegen eine Gummiwand, fliegen in ihr Wählerdasein zurück und dürfen nur alle vier Jahre ihren Stimmzettel abgeben. Bei den Leuten bleibt ein ganz fader Nachgeschmack. Sie sagen: Unsere Interessen vertreten die nicht; was machen die denn da überhaupt? Und dann sagen sie: Na gut; das ist also ein Selbstbedienungsladen, die machen sich die Taschen voll, die nehmen Parteispenden, und dann stellen die sich selber auch noch einen Persil-Schein aus und machen ein Amnestiegesetz. Das sagen die Leute; und sie sind unheimlich böse.
    Ich will Ihnen sagen, daß uns GRÜNEN das sehr leid tut. Denn dieses Parlament ist ein ganz großer Fortschritt zu allem, was wir früher jemals hatten; es ist schade, daß es so auf den Hund gekommen ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wissen Sie, was ebenfalls sehr schade ist? Daß Sie ganz allein den GRÜNEN, den Schmuddelkindern des Parlaments, die Arbeit überlassen, zu versuchen, eine Bresche in die Wand zwischen der Wahlbevölkerung und diesem Parlament zu schlagen. Wir haben versucht, eine Bresche zu schlagen, indem wir offene Mandate haben. Wir lassen Vertreter von Bürgerinitiativen in dieses Parlament. Wir sind da großzügig. Wir haben gesagt: Wir verzichten ein Stück weit auf Macht, wir rotieren, wir geben Diäten ab, damit viele an der Mitgestaltung teilhaben können. Wir haben paritätisch besetzte Listen, damit 50 % der Bevölkerung, die Frauen, auch endlich einmal etwas zu sagen haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)




    Frau Nickels
    Wir haben eine absolute Öffentlichkeit eingeführt, weil jeder — wir auch — nur ein Mensch ist. Sie haben Kritik an uns geübt. Wir fangen ja auch schon an, den Versuchungen der Macht zu erliegen. Darum haben wir gesagt: Unsere Sitzungen sind alle öffentlich, damit Sie uns kritisieren und wieder auf den Boden herunterholen können. Das ist richtig so.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir haben uns diese Strukturen gegeben. Wir wären wirklich froh, wenn uns die anderen Fraktionen auf diesem Gebiet überholen würden, indem sie mehr Demokratie wollen, indem sie dem Souverän wieder zu seiner Würde verhelfen. Wir wären wirklich froh, wenn Sie alle mit daran arbeiten würden, daß das, was die Verfassung will, was in Art. 20 steht, daß nämlich alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wieder zurechtgerückt wird.
    Aber was passiert denn jetzt? Wenn man die Diskussion der letzten Wochen anschaut, wenn ich mir anschaue, was der Herr Geißler heute morgen auf der Pressekonferenz und Herr Hennig sowie die stellvertretenden Geschäftsführer oder Vorsitzenden in Nordrhein-Westfalen gesagt haben, dann sehe ich, daß Sie uns, anstatt uns GRÜNE zu überholen und zu zeigen, wie man es wirklich gut macht — vielleicht können Sie es auch besser machen —, in die Ecke der Verfassungsfeinde stellen. Wissen Sie, woran mich das erinnert? Im alten Orient

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sind Sie schon einmal dagewesen?)

    war es üblich, daß man den Boten, der die Nachricht von der verlorenen Schlacht überbrachte, umgebracht hat. Die Feldherren haben, anstatt darüber nachzudenken, warum die Schlacht verlorengegangen ist, den Boten verantwortlich gemacht. Das machen Sie jetzt ebenfalls.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Die GRÜNEN gäbe es nicht im Parlament, wenn Sie nicht so vieles falsch gemacht hätten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir sind die Überbringer der Nachricht, daß die grundsätzlichen Lebensinteressen der Bevölkerung überhaupt nicht wahrgenommen werden. Anstatt diese Nachricht aufzunehmen, versuchen Sie jetzt, den Boten rauszuschmeißen und beiseite zu schaffen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Geiger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michaela Geiger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir begrüßen es alle sehr, daß das Parlament heute über sich spricht. Es ist da nicht sehr schön von Kollegen, wenn sie sich auf Kosten der Kollegen zu profilieren suchen. Das ist sogar ein bißchen billig.
    Wir wollen über unsere Arbeitsweise reden und nicht versuchen, die anderen schlechtzumachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD — Horacek [GRÜNE]: Keine falsche Harmonie!)

    In meiner Schule gab es für so etwas — ich weiß nicht, in welche Schule Sie gegangen sind — Klassenkeile.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Na, na!)

    Ich weiß aber nicht, wie man das im Parlament machen sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich habe mir aber heute ein anderes Thema gesucht, ein, wenn Sie wollen, vielleicht mehr äußerliches. Ich bin seit 1980 im Bundestag und seither auch immer Schriftführerin gewesen. Ich habe sehr oft und viele Stunden da oben gesessen, was unter Umständen sehr allgemeinbildend ist. Da macht man sich seine Gedanken.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Wann rotieren Sie denn?)

    Das erste, was einem in diesem Saale äußerlich nachteilig auffällt, ist die Architektur in diesem Hohen Hause.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wie hoch ist denn das Haus?)

    Der Herr Präsident hat das auch angesprochen. Auch jetzt kann ich Ihnen sagen, daß ich die Zwischenrufe bis zu Ihnen, Herr Fischer, noch verstehe. Alles, was von weiter hinten kommt, merke, höre, sehe ich nicht mehr. Wir alle haben ja die Erfahrung gemacht, daß man in jedem Dorfgasthaus besser Kontakt zu seinen Zuhörern bekommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Dieser Plenarsaal ist im Grunde ein ganz gigantischer Vortragssaal, aber nicht für Rede und Gegenrede geeignet. Ich erinnere an andere Parlamente: Da sitzt die Regierung den Abgeordneten auf gleicher Ebene gegenüber, Auge in Auge. Da sitzt die Opposition gegenüber, da kann man auch vom Platze aus sprechen. Das ist hier vollkommen unmöglich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Deshalb begrüße ich es auch sehr, daß wir in das sogenannte Wasserwerk umziehen werden. Das wird ja sehr viel kleiner und intimer sein. Ich finde es sogar gut, wenn dort nicht alle Abgeordneten einen Sitzplatz bekommen.
    Ich habe ein Beispiel: Im englischen Abgeordnetenhaus gibt es 635 Abgeordnete, aber nur Sitzgelegenheiten für 437 Menschen. Was hat das für einen Vorteil?

    (Reents [GRÜNE]: Daß einige auf dem Schoß sitzen müssen!)




    Frau Geiger
    Wenn was los ist, rennt alles, es drängt sich, es wird spannend darin, es gibt Dramatik. Was ist bei uns? Selbst wenn die Hälfte da ist, ist es immer noch kalt und gähnend leer. Da bin ich wirklich froh — und ich danke dafür, daß das möglich wird —, daß wir einen neuen Parlamentssaal kriegen.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Allein der Saal wird es aber nicht machen!)

    Ich möchte noch eine andere Geschichte ansprechen, die ein heißes Eisen ist. Ich meine das Fernsehen hier im Plenarsaal. Es geht mir immer wieder durch den Kopf, ob es so richtig ist, daß wir hier im Plenarsaal in jeder Sekunde bis in den letzten Winkel vom Fernsehen gewissermaßen überwacht werden. Es hat einerseits den guten Effekt, daß die Öffentlichkeit weiß, was wir hier tun, daß wir unsere Ideen an den Mann bringen. Stellen Sie sich andererseits aber einmal die Szene vor: Hier spricht einer vielleicht über Arbeitslose, über irgend etwas Trauriges. Dann kommt gerade ein Kollege herein und erzählt Ihnen etwas Lustiges, und Sie fangen an zu grinsen. Dort spricht der Redner, und der Zuschauer zu Hause hat Ihren grinsenden Kopf im Wohnzimmer. Er denkt sich, das sind schöne Abgeordnete. Das sind die kleinen Nachteile, die wir hier schlucken müssen.
    Im englischen Parlament gibt es das nicht. Die haben immer wieder — ganz mit Bewußtsein — die Übertragungen abgelehnt. Ich danke jetzt dem Wissenschaftlichen Dienst, der mir die Gründe beschafft hat, warum das immer wieder mit wechselnden Mehrheiten abgelehnt worden ist. Ich will Ihnen hier nur einmal die wichtigsten sagen:
    Der erste Grund ist, daß man befürchtet, daß sich exhibitionistisch veranlagte Abgeordnete in ihren Reden und Zwischenrufen vor dem Fernsehpublikum produzieren wollen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    — Ich glaube, wir haben gerade von Ihrer Bank, Herr Fischer, unsere schlechten Erfahrungen damit.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ein zweiter Grund ist, daß man befürchtet, daß bestimmte parlamentarische Vorhaben durch die breite öffentliche Anteilnahme einen ungerechtfertigten Vorteil erlangen würden und das Parlament durch die Öffentlichkeit unter Druck gesetzt werde. Auch da haben wir alle — in allen Lagern, glaube ich — unsere Erfahrung.
    Man befürchtet ferner, daß die Fernsehgesellschaften ihre Aufgabe für triviale oder das Parlament herabsetzende Berichte mißbrauchen könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Man befürchtet des weiteren, daß die Öffentlichkeit
    auf die geringe Präsenz der Abgeordneten aufmerksam werden würde, ohne daß gleichzeitig das Verständnis für die vielfältigen Aufgaben des Abgeordneten wüchse.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich habe in der letzten Woche relativ viele Übertragungen gesehen, und es gibt anscheinend für jeden Kameramann einen Schwenk, den er sich nie versagen kann. Sie wissen alle, welcher das ist: das ist der Schwenk über die leeren Bänke. Das ist verständlich. Man kann das ruhig bringen; es sitzt ja auch keiner da. Heute sitzt einer da, der Dr. Soell. Aber es wäre ehrlicher, wenn man dann auch einmal einen Schwenk über unsere übervollen Schreibtische nach der Sommerpause bringen würde, wie wir dasitzen und arbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

    Noch ein Grund: Man befürchtet, daß Regierungsmitglieder versuchen würden, während der besten Fernsehzeiten zu reden.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Dadurch würden die Rechte der einzelnen Abgeordneten — im Englischen heißt es übrigens nicht Hinterbänkler, sondern sehr viel charmanter private members — beeinträchtigt. Da kommt einem doch manches bekannt vor.
    Aber es ist mir ganz klar: wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen, wir können und wir wollen das Fernsehen gar nicht aus diesem Raum vertreiben. Aber wir sollten uns doch noch einmal überlegen und darüber nachdenken, wann Übertragungen wirklich sinnvoll sind und wann sie anfangen, unsere Freiheit zu beeinträchtigen und unsere Gleichheit abzuschaffen.
    Aber jetzt komme ich zum Schluß. Ich bin noch einmal fündig geworden. Ich habe noch ein schönes Zitat darüber gefunden, daß dieses Thema, das wir heute behandeln, j a überhaupt kein neues Thema ist. Das gibt es schon sehr lange. Bereits 1964 hat Dolf Sternberger, Professor für politische Wissenschaften, in der „FAZ" einen Kommentar geschrieben, von dem, so glaube ich, auch heute noch jedes Wort gilt. Da heißt es:
    Der Bundestag
    — damals war es der vierte —
    versucht sich augenscheinlich vor allem und fast ausschließlich als gesetzgebende Körperschaft, als „Legislative". Seine ganze Organisation ist darauf ausgerichtet. Natürlich ist er das Hauptorgan der Gesetzgebung, aber er sollte noch mehr und anders sein oder werden. Er könnte Schauplatz sein, an dem die großen Fragen des Landes in Spruch und Widerspruch diskutiert werden. Er könnte die Institution sein, welche die öffentliche Diskussion führt und nicht hinter ihr herliefe. Einstmals gab es in unserem Land das böse Wort von der „Schwatzbude". Der deutsche Parlamentarismus scheint es sich sehr zu Herzen genommen zu haben, so



    Frau Geiger
    sehr, daß man sich nun ganz in die Arbeit und in die Papiere vergräbt. Aber ein Parlament der Gesetzgebungsbeamten würde seinen Sinn ebenso versäumen wie eines der Diplomaten.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Wer dem Bundestag wohl will, wünscht ein Parlament der Parlamentarier.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)