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    Plenarprotokoll 10/85 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 85. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6147A Begrüßung des Präsidenten der Nationalversammlung des Staates Kuwait und einer Delegation 6158 D Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6225 B Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Beschluß des deutschen Bundestages vom 9. Februar 1984, ab 1. Januar 1986 nur noch abgasentgiftete Kraftfahrzeuge neu zuzulassen Dr. Vogel SPD 6147 B Schmidbauer CDU/CSU 6148 B Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 6149 C Hoffie FDP 6150 D Schäfer (Offenburg) SPD 6151C Hanz (Dahlen) CDU/CSU 6152 C Baum FDP 6153B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6154A Dr. Hauff SPD 6155A Dr. Lippold CDU/CSU 6156A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 6157 A Duve SPD 6158 D Fellner CDU/CSU 6159 D Lennartz SPD 6160 D Jung (Lörrach) CDU/CSU 6161C Erste Beratung des von den Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Tietjen, Bernrath, Duve, Frau Dr. Hartenstein, Jansen, Kiehm, Dr. Nöbel, Dr. Penner, Reuter, Schröer (Mülheim), Wartenberg (Berlin), Dr. Wernitz, Paterna, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1115 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 10/1316 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN zum Gesetz über Personalausweise — Drucksache 10/1016 — Schäfer (Offenburg) SPD 6162 C Dr. Miltner CDU/CSU 6166 B Dr. Hirsch FDP 6169 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 6171 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 6175 D Wartenberg (Berlin) SPD 6179A Clemens CDU/CSU 6180 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes — Drucksache 10/1180 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Fünfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksachen 9/2386, 10/1719 — in Verbindung mit Beratung des Sechsten Tätigkeitsberichts des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) — Drucksache 10/877 — Dr. Wernitz SPD 6182 D Dr. Laufs CDU/CSU 6186 B Dr. Hirsch FDP 6189 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6191 D Dr. Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 6193 D Fellner CDU/CSU 6197 D Baum FDP 6198 A Dr. Blank CDU/CSU 6200 B Stellung und Arbeit des Deutschen Bundestages Dr. Barzel CDU/CSU 6202 A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6204 C Waltemathe SPD 6206 C Dr. Langner CDU/CSU 6208 B Frau Nickels GRÜNE 6210A Frau Geiger CDU/CSU 6211 B Dr. Vogel SPD 6213 A Dr. Lammert CDU/CSU 6215A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 6216D Kleinert (Hannover) FDP 6218 D Stratmann GRÜNE 6220 B Klein (München) CDU/CSU 6222 C Conradi SPD 6223 D Ertl FDP 6225 C Dr. Daniels CDU/CSU 6227 A Kuhlwein SPD 6228 B Werner CDU/CSU 6230 A Frau Dr. Hartenstein SPD 6231 D Dr. Czaja CDU/CSU 6233 D Dr. Schöfberger SPD 6235 C Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 6236 D Bamberg SPD 6238 C Dr. Blank CDU/CSU 6239 D Burgmann GRÜNE 6240 D Mischnick FDP 6242 D Buschbom CDU/CSU 6244 B Sielaff SPD 6246 A Schwarz CDU/CSU 6247 C Reimann SPD 6248 B Dr. Feldmann FDP 6249 D Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 6250 D Eylmann CDU/CSU 6251 D Bindig SPD 6252 D Reddemann CDU/CSU 6253 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6254 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 6255 B Stiegler SPD 6256A Lowack CDU/CSU 6256 D Schreiner SPD 6257 D Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 6258 C Toetemeyer SPD 6259 C Dr. Müller CDU/CSU 6259 D Dr. Hornhues CDU/CSU 6260 D Schulte (Unna) SPD 6261 B Gansel SPD 6262 B Vizepräsident Stücklen 6222 C Nächste Sitzung 6263 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6265* Anlage 2 Einstellung von Ingenieuren bei der Bundespost vor und ab 1984; Verzicht auf die Absenkung des Eingangsamtes MdlAnfr 5, 6 14.09.84 Drs 10/1979 Broll CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP 6265* B Anlage 3 Stärkung des Zonenrandgebietes durch Verlagerung von Behörden MdlAnfr 7 14.09.84 Drs 10/1979 Hinsken CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . . 6265* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6147 85. Sitzung Bonn, den 20. September 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 21. 9. Buckpesch 21. 9. Büchner (Speyer) 21. 9. Dr. Göhner 20. 9. Haase (Fürth)** 20. 9. Dr. Häfele 21. 9. Jaunich 21. 9. Keller 21. 9. Dr. Kreile 21. 9. Frau Renger 21. 9. Reuschenbach 21. 9. Schmidt (Hamburg) 21. 9. von Schmude 21. 9. Frau Schoppe 21. 9. Frau Simonis 21. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 21. 9. Dr. Stoltenberg 21. 9. Tietjen 21. 9. Dr. Voigt (Northeim) 21. 9. Weiskirch (Olpe) 21. 9. Frau Dr. Wex 20. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Fragen 5 und 6): Wie entwickelt sich die Zahl der Einstellungen von Ingenieuren bei der Deutschen Bundespost im Jahre 1984 im Vergleich zu den vergangenen Jahren? Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, von der im Haushaltbegleitgesetz 1984 vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch zu machen und auf die Absenkung des Eingangsamtes zu verzichten? Zu Frage 5: Im Jahre 1984 konnten bei der Deutschen Bundespost bisher 374 Diplomingenieure der Fachhochschulen als Nachwuchskräfte für die Laufbahnen des gehobenen fernmeldetechnischen, posttechnischen und hochbautechnischen Dienstes eingestellt werden. Mit weiteren 200 Einstellungen wird 1984 gerechnet, so daß sich die Gesamtzahl der Einstellungen des Jahres 1984 auf rund 580 Nachwuchskräfte belaufen wird. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 929 Einstellungen, 1981: 1 033 Einstellungen, 1982: 1 043 Einstellungen und 1983: 904 Einstellungen. In die entsprechenden Laufbahnen des höheren technischen Dienstes der Deutschen Bundespost wurden im Jahre 1984 bisher 45 Diplomingenieure der Technischen Hochschulen und Universitäten eingestellt. Im Jahr 1984 wird mit weiteren 10 bis 15 Einstellungen gerechnet. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre lauten: 1980: 56 Einstellungen, 1981: 88 Einstellungen, 1982: 66 Einstellungen und 1983: 63 Einstellungen. Zu Frage 6: Die Bundesregierung prüft zur Zeit, ob besoldungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 10/1979 Frage 7): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, das Zonenrandgebiet durch Verlagerung von wenig publikumsintensiven Behörden dorthin zu stärken, und wenn ja, was käme dafür in Frage? Die Verwaltungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland ist auf eine ausreichende und bürgernahe Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Dienstleistungen ausgerichtet. Der förderative Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat dazu geführt, daß sich die Behörden nicht in einzelnen Gebieten konzentrieren. Für eine umfassende Verlagerung von Behörden besteht daher keine Veranlassung. Die Bundesregierung wird jedoch bei etwaigen Standortveränderungen darum bemüht bleiben, Bundesbehörden bzw. -einrichtungen in strukturschwache Gebiete, insbesondere in das Zonenrandgebiet zu legen, soweit keine aufgabenbezogenen Gesichtspunkte entgegenstehen. Bei Neugründungen von Bundesbehörden bzw. -einrichtungen ist Standorten im Zonenrandgebiet aufgrund des Raumordnungsgesetzes und des Zonenrandförderungsgesetzes Vorrang einzuräumen. Wie eine Umfrage bei den Bundesressorts gezeigt hat, werden neue Behörden nur noch in Ausnahmefällen errichtet. Deshalb kommt es derzeit besonders darauf an, Behörden und sonstige öffentliche Einrichtungen und damit Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet zu erhalten. Falls ein Behördenabzug aus gewichtigeren betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für unumgänglich erachtet wird, sind nach Möglichkeit durch flankierende Maßnahmen negative Folgen für den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Der für die Raumordnung zuständige Bundesminister wirkt im Rahmen der Abstimmung von Standortentscheidungen für Bundesbehörden bzw. -einrichtungen nach § 4 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes auf diese Zielsetzungen hin.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Vielen Dank, Herr Präsident. —
    Die Verschiebung der Einführung des neuen, fälschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweises ist vorbehaltlos zu begrüßen. Sie ist notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht in dem Volkszählungsurteil grundsätzliche Ausführungen zum Verhältnis von Datenverarbeitung und Persönlichkeitsrecht gemacht hat und sich daraus Änderungen des Personalausweisgesetzes als zwingend notwendig erweisen.
    So Burkhard Hirsch am 23. Februar 1984.

    (Dr. Hirsch [FDP]: Das gilt unverändert, Herr Kollege!)

    Das Personalausweisgesetz sollte jedoch unter Beachtung der in dem Urteil enthaltenen Grundsätze novelliert werden. Dies gilt insbesondere für die Ausgestaltung des Personalausweises und die Verwendung der bei der Ausstellung des Ausweises erhobenen personenbezogenen Daten. Es wird deshalb vorgeschlagen, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verschieben.
    So der Staatssekretär im Innenministerium, Kroppenstedt.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Die Koalition hat sich im Frühjahr dieses Jahres entschieden, nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes das Personalausweisgesetz datenschutzrechtlich zu ergänzen und deshalb den neuen Ausweis erst 1985 einzuführen.
    So der innenpolitische Sprecher der CDU/CSUFraktion, Laufs.
    Innenminister Zimmermann erklärt am 24. Juli in der „FAZ", daß er nicht — ich zitiere — „unter allen Umständen an diesem Ausweis festhalten will". Dies gelte vor allem dann, wenn er entbehrlich sein sollte.



    Schäfer (Offenburg)

    Justizminister Engelhard schließlich, meine Damen und Herren, verkündet am 9. August 1984 — wörtlich —:
    Im Augenblick habe ich jedenfalls erhebliche Zweifel, ob der polizeiliche Sicherheitsgewinn des maschinenlesbaren Ausweises tatsächlich so groß ist, daß man demgegenüber die offensichtlichen Probleme des Datenschutzes, aber auch die Befürchtungen jener Bürger vor einem solchen Ausweis — und seien sie auch noch so irrational — einfach in Kauf nehmen kann.
    So weit, meine Damen und Herren, der Zitatenstrauß, so weit die Ankündigungen von CDU/CSU und FDP, soweit, Herr Justizminister, Ihre, wie ich finde, berechtigten Zweifel.
    Und die Wirklichkeit Ihrer Politik, meine Damen und Herren? In sechs Wochen, am 1. November 1984, tritt das neue Personalausweisgesetz in Kraft. Bis zur Stunde haben Sie dem Deutschen Bundestag keinen Gesetzentwurf vorgelegt, der Ihren Ankündigungen, die ich soeben ziemlich breit vorgetragen habe, auch tatsächlich Folge geleistet hätte. Sie sind bis zur Stunde über den Vorentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise nicht hinausgekommen, einen Vorentwurf übrigens, der auf herbe und einhellige Kritik von Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder gestoßen ist.
    Sie, meine Damen und Herren, haben also bis zur Stunde nicht die notwendigen Schlußfolgerungen gezogen. Nach den Äußerungen der letzten Tage steht jedenfalls fest, daß der fälschungssichere, verfälschungssichere — angeblich fälschungssichere, verfälschungssichere — und maschinenlesbare Ausweis nach Ihrer Auffassung auf jeden Fall kommen soll. Wir fragen Sie, meine Damen und Herren: Wieso hat es eigentlich so lange gedauert? Oder haben etwa die „Stuttgarter Nachrichten" recht, die am Samstag vergangener Woche darauf hinweisen, daß es sich bei den neuen Koalitionsvereinbarungen offenkundig um einen Kuhhandel handelt, einen Kuhhandel etwa dergestalt: Der Zimmermann bekommt seine Maschinenlesbarkeit des Ausweises,

    (Duve [SPD]: Hört! Hört!)

    dafür darf sich die FDP mit Datenschutzforderungen profilieren. Haben die „Stuttgarter Nachrichten" damit recht? Wäre es nicht ein schlimmer Vorgang, Herr Kollege Hirsch, daß man sich das, was uns das Verfassungsgericht zwingend vorschreibt, nämlich Datenschutzforderungen ins Personalausweisgesetz zu schreiben, erst noch in einem Koalitionskompromiß abhandeln lassen müßte? Ich finde, das ist die Grenze, wo notwendige Kompromisse aus unserer Sicht ins Gegenteil verkehrt werden, zum schieren Kuhhandel herabgewürdigt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, meine Damen und Herren — wer immer von Ihnen spricht —, werden nachher die alte Leier wiederholen, ob Herr Laufs oder Herr Miltner oder wer auch immer. Sie werden sagen, wir Sozialdemokraten weckten und schürten Ängste.

    (Broll [CDU/CSU]: Das weiß doch nun jeder!)

    Sie wissen selber um die Absurdität Ihrer Anwürfe. Es lohnt überhaupt nicht, darauf näher einzugehen.
    Es ist wahr, meine Damen und Herren, Politik soll keine Ängste schüren, keine Ängste wecken, nicht auf Ängste bauen, nicht auf ihnen aufbauen. Wahr ist aber auch, meine Damen und Herren — und das vor allem Ihnen von der CDU/CSU ins Stammbuch —, daß es Aufgabe der Politik ist, vorhandene Ängste und deren Ursachen, zumal wenn sie begründet und begründbar sind, zur Kenntnis zu nehmen, aufzunehmen und auf sie einzugehen. Nur dann und nur so können nämlich bestehende Ängste abgebaut und zusätzliches Vertrauen und Zuversicht — das sind wichtige Aufgaben der Politik — gewonnen werden.
    Oder wollen Sie gar bestreiten, daß die modernen Informationstechnologien, daß das Verknüpfen verschiedener Dateien — beispielsweise mittels des maschinenlesbaren Personalausweises — Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten eröffnen, die tatsächlich beängstigend sind? Wie anders ist das wegweisende Urteil des Verfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz mit der Forderung nach informationeller Selbstbestimmung des Bürgers zu verstehen als auf dem Hintergrund der modernen Informationstechnologien und ihrer Gefahren für die Freiheitsrechte des einzelnen?
    Stellt sich nicht — das frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Union — tatsächlich für viele Bürger die beängstigende Alternative „Informationsgesellschaft oder Überwachungsstaat"? Ist es nicht nachgerade Aufgabe der Politik und auch des Deutschen Bundestages, eine Strategie zur Wahrung der Freiheitsrechte im Computerzeitalter zu entwickeln? Ist nicht nachgerade eine Strategie zur Wahrung der Freiheitsrechte im Computerzeitalter notwendig?
    Von all diesen Fragestellungen spüren wir bei Ihnen von der CDU/CSU wenig bis überhaupt nichts. Wie tibetanische Gebetsmühlen wiederholen Sie — nachher werden Sie es wieder tun — ihre Auffassungen von gestern und vorgestern, ohne auch nur zu prüfen, ob die Antworten von gestern heute noch Bestand haben und für morgen noch verantwortet werden können. Typisch dafür ist Ihr Verhalten beim Personalausweis.
    Fragen wir uns doch einmal, ob die Planungen der Jahre 1977/78, die zum fälschungs- und verfälschungssicheren Personalausweis geführt haben, heute, im Jahre 1984, noch gelten oder ob es sich um überholte Planungen handelt. Ist es nicht so, Herr Kollege Miltner, daß die entsprechenden Empfehlungen der Internationalen Luftfahrtorganisation und des Europarats aus den Jahren 1977/78 und daß die 1977/78 getroffene Entscheidung beispielsweise der französischen Regierung für den fälschungssicheren, maschinenlesbaren Ausweis heute nicht mehr gelten? Ist es etwa nicht so, daß mit Aus-



    Schäfer (Offenburg)

    nahme der Bundesrepublik Deutschland keine Regierung im westlichen Ausland an die Einführung eines fälschungs- und verfälschungssicheren, maschinenlesbaren Ausweises denkt, daß es einen solchen Ausweis in keinem dieser Länder gibt?

    (Zuruf des Abg. Miltner [CDU/CSU])

    Führen diese Änderungen, die ich eben objektiv berichtet habe, nicht automatisch zu einer Verringerung des angestrebten Sicherheitsgewinns des neuen Personalausweises? Gelten also die Argumente von ehedem heute noch?
    Alle diese Fragen und Tatsachen verdrängen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Aha!)

    Sie werfen uns Sozialdemokraten statt dessen — das werden Sie nachher wieder tun — in billiger Polemik Effekthascherei und Opportunismus vor. Sie bleiben dabei: Der fälschungssichere Ausweis muß kommen — so Herr Hirsch, so die FDP.

    (Duve [SPD]: Zur Herstellung des fälschungssicheren Politikers! — Fellner [CDU/CSU]: Wollen Sie einen fälschbaren?)

    Sie bleiben dabei: Der fälschungs- und verfälschungssichere Ausweis muß maschinenlesbar kommen. Der Kollege Laufs fordert für die Union am 16. Juli gar, daß gleichzeitig auch die Einführung eines fälschungssicheren und automatisch lesbaren Europapasses ihr Ziel sei.

    (Dr. Hirsch [FDP]: Und was fordern Sie?)

    — Ich komme darauf zurück, lieber Herr Kollege.
    Schließlich frage ich Sie, meine Damen und Herren: Liegt nicht zwischen den Planungen, auch zwischen dem Jahr 1982, als wir gemeinsam die Einführung des neuen Personalausweises beschlossen haben,

    (Berger [CDU/CSU]: Auch vorher schon! Verfälschen Sie das nicht!)

    und heute das Datum 15. Dezember 1983, das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts?

    (Berger [CDU/CSU]: Da sind Sie umgefallen!)

    Dieses Urteil zwingt uns, meine Damen und Herren, die vom Gericht aufgestellten Grundsätze zur Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Normenklarheit, Zweckbindung und Vorhersehbarkeit der beabsichtigten Datenverarbeitung bei „Einschränkungen des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, die nur im überwiegenden allgemeinen Interesse zulässig sind" — Leitsatz 2 des Verfassungsgerichtsurteils —, strikt zu beachten. Liegt nicht zwischen 1982 und heute auch die Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vom 25. April 1984? Dort heißt es auf Seite 54 lapidar: „Das Gesetz über den Personalausweis in der Fassung vom 15. März 1983 entspricht in einer Reihe von Punkten nicht den Anforderungen des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichtes und macht insoweit eine erneute Prüfung notwendig."
    Ich sage Ihnen von der Regierungskoalition, in diesem Falle vor allem Ihnen von der CDU/CSU, die Sie schon heute an der Einführung des maschinenlesbaren Ausweises festhalten wollen — nach Ihren eigenen Bekundungen —,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie reden so abgehackt wie Wehner!)

    und auch Herrn Kollegen Hirsch, der Sie an der Einführung des fälschungs- und verfälschungssicheren Personalausweises festhalten wollen: Wir würden unserer Aufgabe, unserem politischen Auftrag nicht gerecht, wir würden unserem höchsten Gericht den nötigen Respekt versagen, wenn wir wie Sie unter offensichtlicher Verkennung der neuen Tatbestände stereotyp nichts anderes täten als die Forderung nach dem fälschungssicheren, maschinenlesbaren Personalausweis zu wiederholen, ohne in eine erneute intensive Prüfung dieses Problemfeldes einzusteigen.
    Ich will nun für uns alle am Beispiel von zwei der vom Verfassungsgericht aufgestellten Grundsätze Ihr Ja zum fälschungssicheren, maschinenlesbaren Personalausweis überprüfen und insofern ein Stück der Diskussion mit eröffnen, nämlich am Grundsatz der Erforderlichkeit und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Beides sind tragende Grundsätze, die uns als Gesetzgeber vorgegeben sind.
    Sie behaupten, meine Damen und Herren, der neue Ausweis sei aus Gründen der inneren Sicherheit, also der Verbrechensbekämpfung, erforderlich, ja unverzichtbar. Untersuchen wir Ihre Argumente dafür, Stück für Stück, Argument für Argument. Ursprünglich wurde die Notwendigkeit eines solchen Ausweises mit der Bekämpfung von Terroristen begründet. Heute wird dieses Argument — zu Recht
    — auch von den Befürwortern kaum noch verwendet. In der Tat ist der fälschungssichere neue Personalausweis zur Terrorismusbekämpfung nicht erforderlich. Die Terroristen können auf andere Papiere, vor allem auf Auslandspapiere, ausweichen. Bei den nunmehr dreißig Personen, Herr Kollege Miltner, aus dem Untergrund der Rote-Armee-Fraktion, die seit 1979 verhaftet worden sind, ist festgestellt worden, daß sie alle über Auslandspapiere verfügten, die sie sich verfälscht hatten oder durch halbstaatliche Institutionen aus dem Vorderen Orient zur Verfügung hatten stellen lassen.

    (Broll [CDU/CSU]: Aber gefälscht hatten!)

    — Auslandspapiere, verehrter Herr Broll, Auslandspapiere.

    (Broll [CDU/CSU]: Aber gefälscht hatten?!)

    — Was nützt Ihnen denn ein fälschungssicherer Personalausweis, wenn Sie auf andere Ausweispapiere ausweichen können?
    Auch zur Bekämpfung des sogenannten Staatsterrorismus ist der neue Personalausweis nicht erforderlich. Bei dem sogenannten Staatsterrorismus werden, wie Sie wissen, Killerkommandos beispielsweise aus dem Vorderen Orient geschickt. Ich denke, es ist einleuchtend: Es wird einer Staatsregierung wahrhaftig nicht schwerfallen, ihre Killerkommandos mit entsprechenden Ausweisen auszu-



    Schäfer (Offenburg)

    statten. Dazu bedarf es keines neuen Personalausweises.
    Es bleiben noch zwei Argumente der Befürworter des neuen Personalausweises, was den angeblichen Sicherheitsgewinn angeht. Der Personalausweis sei, wird behauptet, zur allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung und zur intensiveren und schnelleren Grenzkontrolle unverzichtbar. Hier sind Phantome im Gespräch — so der Leiter des Hamburgischen Landesamts für Verfassungsschutz, Christian Lochte, CDU-Mitglied.
    Unzulässigerweise werden die — ich wäre dankbar, wenn wir das ohne Polemik gemeinsam nachvollziehen könnten; Sie sehen, ich bemühe mich, weil das Thema von der Sache her wichtig ist, zum Kern der Argumente zu kommen, die man im Pro und Contra gegeneinander abwägen kann —

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Das wird aber auch Zeit!)

    über Jahre hinweg abhandengekommenen Ausweise — man kommt auf eine Zahl von 380 000 bis 400 000 — mit absichtlich verlorengegangenen, mit gestohlenen und dann auch mit verfälschten Ausweisen gleichgesetzt. Man wird so gleichsam Opfer der eigenen Propaganda.
    Interessanter und aussagekräftiger ist eine andere Zahl. Sie ist belegbar, sie ist nachvollziehbar. Im Durchschnitt stößt die Kriminalpolizei in Hamburg auf 25 gefälschte Ausweise pro Jahr. Auf 25 bei einer Bevölkerung von über 1,6 Millionen, bei über einer Million Ausweisen! Das ist eine echte Zahl. Sie läßt sich — so Sicherheitsfachleute — ohne weiteres auf die Bundesrepublik insgesamt hochrechnen.
    Die Zahl von 25 überrascht auch nicht, wenn man einen Blick auf die Verbrechensarten wirft und sich drei Fragen stellt und diese Fragen auch beantwortet. Frage 1: Wann ist ein Täter, um eine Tat zu begehen, auf die Möglichkeit eines gefälschten Ausweises angewiesen? Frage 2: Wann braucht er einen gefälschten Ausweis, um der Polizei zu verbergen, daß er der Täter ist? Frage 3: Wann und warum braucht er einen gefälschten Ausweis, wenn er als Täter erkannt ist und sich beispielsweise zur Flucht ins Ausland begibt?
    Die Beantwortung dieser drei Fragen ergibt: Die Erforderlichkeit des neuen Ausweises ist unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung gleich Null. Ein Blick in die Kriminalitätsstatistik unterstreicht diese Feststellung: Zwei Drittel aller Straftaten sind Eigentumsdelikte. Um sie zu verhindern, bedarf es keines gefälschten Ausweises.
    Nun zu den schlimmen Verbrechenstaten wie schwerer Raub, Geiselnahme, Mord und Totschlag, Vergewaltigung. Auch bei diesen Taten spielt der gefälschte Ausweis keine Rolle, weder bei ihrer Begehung noch bei ihrer Verschleierung.
    Ich gestehe zu, daß bei Betrugsdelikten dem gefälschten Ausweis durchaus ein Gewicht zukommt. Der BMI nennt jährlich etwa 3 000 Betrugsdelikte, die mit einem gefälschten Ausweis begangen werden. Auch diese Zahl ist gegriffen. Es gibt nämlich überhaupt keine spezielle Polizeistatistik, Kriminalstatistik, die ausweisen würde, welche Art von Verbrechen mit Hilfe eines gefälschten Personalausweises begangen worden sind. Aber auch diese 3 000 Betrugsdelikte können, meine ich, nicht hinreichen, die Notwendigkeit der Einführung des fälschungssicheren Personalausweises aus den Gründen der allgemeinen Verbrechensbekämpfung zu begründen. Denn auch für diese Betrugsdelikte gibt es Umgehungsmöglichkeiten. So kann der Täter beispielsweise beim Eurocheque-Betrug ohne weiteres statt seines Personalausweises einen Reisepaß benutzen. Die Vermutung spricht dafür, daß nach Einführung des fälschungssicheren, maschinenlesbaren Ausweises diese Möglichkeit verstärkt genutzt wird und der vermutete Sicherheitsgewinn bei Betrugsdelikten vermindert wird.
    Bleibt das Argument, daß mittels des neuen Ausweises eine schnellere und intensivere Grenzkontrolle stattfinden kann. So begründet Herr Zimmermann dieses Ausweispapier. Da kann ich nur sagen: Mit dem von Ihnen mit so großem Pomp vorgestellten Wegfall der Grenzkontrollen ist auch dieses Argument für den neuen Personalausweis weggefallen. Ich denke, es macht keinen Sinn, ein Inlandspapier zu schaffen, das angeblich fälschungssicher und maschinenlesbar ist, und das Ganze damit zu begründen, es ginge an den Grenzen schneller, wenn man sich gleichzeitig für den Abbau der Grenzkontrollen feiern läßt. Dies macht, meine Damen und Herren, keinen Sinn.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Angesichts dieser Fakten kann man das Urteil des Sicherheitsexperten Lochte gut verstehen und sich ihm anschließen, eines Verfassungsschützers, eines Mannes, der seit Jahrzehnten im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung erfolgreich arbeitet, der CDU-Mitglied ist — ich zitiere —:
    Ich bestreite die Notwendigkeit einer Fälschungssicherheit.

    (Duve [SPD]: Hört! Hört!)

    Die mag wünschenswert sein, sie ist aber nicht erforderlich. Ich bestreite die Erforderlichkeit einer automatischen Lesbarkeit von Ausweisen und halte dies auch nicht für wünschenswert.
    So Herr Lochte.
    Es verwundert von daher auch nicht, daß der CDU-Landesverband Hamburg den Verzicht auf den fälschungssicheren, maschinenlesbaren Ausweis gefordert hat. Sie sollten sich vielleicht einmal, Herr Kollege Miltner, von Ihrem Kollegen, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Herrn Rühe aus Hamburg, darüber und über die Beweggründe informieren lassen.

    (Duve [SPD]: Fälschungssicherer Rühe! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das kann man nicht von jedem sagen!)

    Ich habe mich bewußt ausführlich der Frage zugewandt, ob der neue Ausweis erforderlich ist, ob er dem im Volkszählungsgesetz-Urteil dargelegten



    Schäfer (Offenburg)

    Grundsatz der Erforderlichkeit entspricht und ob er unter Sicherheitsgesichtspunkten notwendig ist.
    Lassen Sie mich ganz knapp etwas zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sagen. Ist es eigentlich tatsächlich mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren, den Ausweis bei annähernd einer Milliarde D-Mark Kosten

    (Duve [SPD]: Hört! Hört!)

    für annähernd 45 Millionen Bundesbürger bei dem vergleichsweise geringen Sicherheitsgewinn einzuführen? Glauben Sie wirklich, daß es, ich zitiere, „im überwiegenden Allgemeininteresse liegt" — ein Anspruch des Verfassungsgerichtsurteils —, den neuen, fälschungssicheren Ausweis tatsächlich einzuführen?
    Ich bin auf die Datenschutzprobleme und auf die Möglichkeit einer lückenlosen Kontrolle des einzelnen nicht eingegangen. Darauf wird mein Kollege Wartenberg noch eingehen.
    Wir verstehen unseren Gesetzentwurf auch als Angebot an alle Fraktionen. Die anstehenden Probleme müssen nämlich intensiv und sachlich ohne Zeitdruck und, was wichtig ist, nicht allein fixiert auf den Personalausweis, erörtert werden. Dies kann auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfes und seiner Begründung geschehen. Ich sage noch einmal: Die Teilnehmer meiner Fraktion an der öffentlichen Anhörung unserer Fraktion am 16. Juli dieses Jahres zur Notwendigkeit des neuen Personalausweises sind zum Ergebnis gelangt, auch auf der Grundlage dieser Anhörung auf die Einführung des neuen, fälschungssicheren und verfälschungssicheren Ausweises ganz verzichten zu können. Viele Fraktionskollegen schließen sich dieser Auffassung an, teilen diese Auffassung. Es versteht sich von selbst, daß wir diese Auffassung in den Beratungs-
    und Diskussionsprozeß einführen werden. Ich wäre nicht überrascht, wenn auch in diesem Bundestag, auch bei Ihnen, nach der intensiven Diskussion, die wir hier anbieten, die Mehrheit zu demselben Ergebnis käme wie die Mehrheit meiner Fraktion — vielleicht auch die der FDP —: Der neue, fälschungs- und verfälschungssichere Personalausweis ist aus Gründen der inneren Sicherheit nicht erforderlich. Es ist im Hinblick auf die Sicherheit nicht verhältnismäßig, eine Milliarde DM für 45 Millionen Personalausweise auszugeben. — Ich bedanke mich bei Ihnen für die Geduld.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Der Dank war berechtigt, Herr Kollege!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miltner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Miltner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Rede des Kollegen Schäfer eben gehört hat, kann man nur resignierend feststellen: Die Sicherheitslage hat sich vom Dezember 1982 bis heute grundlegend geändert. Was damals gegolten hat, gilt heute nicht mehr. Das
    war ein einziger großer Rückzieher der SPD zu diesem Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie haben voll meine Prognose erfüllt!)

    Der Deutsche Bundestag befaßt sich heute bereits zum vierten Mal seit dem Jahre 1979 mit der Problematik der Einführung des fälschungssicheren Personalausweises. Dieses Jubiläum besonderer Art ist natürlich kein Grund zum Feiern. Wir sollten, glaube ich, vielmehr alle, über die Parteigrenzen hinweg, nachdenken, wie es kommen konnte, daß, kaum daß das Personalausweisgesetz verkündet worden war, der Zeitpunkt seines Inkrafttretens wieder suspendiert worden ist. So war es im Jahre 1981. Am 7. August 1981 wurde der Tag des Inkrafttretens des Personalausweisgesetzes von 1980 wieder aufgehoben. Am 15. Dezember 1982 hat der Deutsche Bundestag dann einstimmig das Vierte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise beschlossen. Heute nun, noch nicht ganz zwei Jahre danach, werden wir das Inkrafttreten auch dieses Gesetzes suspendieren müssen. Wenn es nach dem Wunsch der Fraktion der GRÜNEN ginge, sollte es gar bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verschwinden.

    (Beifall des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

    Ich möchte aber an Sie alle hier die Bitte richten, diesem Trauerspiel des Hin und Her ein Ende zu bereiten; denn das Personalausweisgesetz ist ein Punkt der inneren Sicherheit, wo eine Einigkeit von Bürgern und staatstragenden Parteien bestehen sollte, ein Punkt, der uns und alle Bürger angeht.
    Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, dem alsbald ein Gesetz folgen muß, mit dem tatsächlich der neue Personalausweis eingeführt wird. Eines will ich deutlich klarmachen: Wir brauchen einen fälschungssicheren Personalausweis. Diejenigen, die heute in dem fälschungssicheren Personalausweis die Wurzel allen Übels sehen, sollten sich einmal überlegen, ob das falsch war, was wir vor noch nicht einmal zwei Jahren beschlossen haben.

    (Duve [SPD]: Die Erkenntnisse haben sich vertieft!)

    Ich darf Sie an die Ausführungen unseres damaligen Kollegen Pensky von der SPD-Fraktion erinnern, mit dem ich im Innenausschuß viele Jahre Politik gemacht habe. Er hat am 20. September 1979 im Parlament vorgetragen — ich zitiere —: Dieser Gesetzentwurf — es handelt sich um den von der früheren Regierung vorgelegten Entwurf zur Änderung des Personalausweisgesetzes — deckt sich im übrigen in der Zielsetzung mit dem von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion bereits im September 1977 erarbeiteten Konzept sicherheitspolitischer Vorschläge. Dieses SPD-Konzept war — das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich erwähnen —, so sagt Pensky, „schwergewichtig" darauf gerichtet:
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984 6167
    Dr. Miltner
    durch technische und organisatorische Maßnahmen die Fahndungsarbeit der Sicherheitsbehörden effektiver gestalten zu wollen. Dazu gehört eben auch die Einführung fälschungs-
    und verfälschungssicherer Personalpapiere.
    Herr Pensky fuhr dann fort, es gebe auch Leute, die fragen:
    Ist dieser ganze Aufwand denn überhaupt erforderlich? Meine Antwort hierzu: Diese Maßnahme ist zwingend geboten ..., wenn nicht sogar ... überfällig.
    Herr Pensky hat damals diesen Standpunkt der SPD-Bundestagsfraktion auch noch mit folgenden Worten begründet — ich zitiere wiederum —:
    „Schafft euch euer eigenes Paßamt", dazu rief vor einigen Jahren Andreas Baader, seinerzeitiger Chef und Gründungsmitglied der sogenannten „Rote-Armee-Fraktion", seine Gesinnungsfreunde auf.... Terroristen und Schwerkriminelle
    haben
    in der Vergangenheit von dieser Empfehlung reichlich Gebrauch gemacht.... Sie stahlen ... aus verschlossenen, aber auch aus unverschlossenen Amtsstuben massenhaft Blankovordrucke von Personalausweisen und Reisepässen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: 27 400!) Mit dieser Beute fielen ihnen auch ... große Mengen

    Dienstsiegel, Ösenzangen oder Rasterwerkzeug zum Befestigen von Paßbildern
    in die Hände.
    Das hat damals Pensky ausgeführt. Ich habe damit das Zitat beendet.
    Ich vermute, daß Kollege Pensky nicht in einer anderen Welt gelebt hat, sondern allenfalls in einer anderen SPD als der heutigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn ich die Ausführungen von Herrn Kollegen Schäfer heute hier höre, kann ich nur sagen: Das, was damals erforderlich war, wird heute in Bausch und Bogen über Bord geworfen. Sie machen einen einzigen großen Rückzieher von Ihrer damaligen Position, ohne auch nur ein sachliches Argument vorgetragen zu haben.

    (Duve [SPD]: Er hat doch alles dargelegt, Argument für Argument, Punkt für Punkt!)

    Meine Damen und Herren, was wir jetzt brauchen, ist ein fälschungssicherer Personalausweis, der natürlich datenschutzrechtlich in Ordnung ist.

    (Duve [SPD]: Wir brauchen eine verfälschungssichere Diskussion über diesen Gegenstand!)

    Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem wegweisenden Urteil vom 15. Dezember letzten Jahres
    zum Volkszählungsgesetz Maßstäbe gesetzt, die
    selbstverständlich in vollem Umfange berücksichtigt werden müssen.

    (Duve [SPD]: Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit!)

    Dies gebietet nicht nur die Achtung vor dem höchsten Gericht. Mit aller Überzeugung trete ich auch dafür ein, daß in unserer hochtechnisierten Zeit die Persönlichkeit des Menschen in allen Bereichen geschützt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Duve [SPD])

    Individuelle Freiheit und Sicherheit sind aber verfassungsrechtlich gesehen natürlich Geschwister. Der Staat trägt die Verantwortung für die Sicherheit des Lebens, der Gesundheit, des Eigentums und der anderen grundrechtlichen Schutzgüter gegenüber den Gefahren, die von technischen Anlagen und auch von privater Hand ausgehen.

    (Duve [SPD]: Hört! Hört! Wieder ein wichtiges Argument!)

    Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem bereits zitierten Urteil deutlich gemacht, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerade auch im Blick auf moderne Entwicklungen und im Hinblick auf die damit verbundenen neuen Gefährdungen der menschlichen Persönlichkeit besondere Bedeutung gewonnen hat.

    (Duve [SPD]: Daraus haben wir gelernt und Sie nicht!)

    Das Bundesverfassungsgericht — jetzt werden Sie gut zuhören müssen, Herr Duve — hat aber in derselben Entscheidung unmißverständlich klar gemacht, daß der einzelne eine Persönlichkeit ist, die sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltet und die auf Kommunikation angewiesen ist.

    (Duve [SPD]: Darum kämpfen wir für den Sozialstaat!)

    Das Verfassungsgericht hat die Spannung zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und der Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden.

    (Duve [SPD]: Das setzt der Marktwirtschaft die Grenzen!)

    Grundsätzlich muß daher jeder einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen.
    Meine Damen und Herren, es ist heute Mode geworden, das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu zitieren.

    (Duve [SPD]: Das ist keine Mode!)

    Leider, das muß ich Ihnen sagen, werden hierbei die Ausführungen des Gerichts zur Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums geflissentlich verschwiegen. Ich empfehle daher den Kollegen, daß



    Dr. Miltner
    sie einmal das Urteil auch ganz lesen. Dann werden sie vielleicht einige Erleuchtungen bekommen.
    Diese dargestellten Prinzipien aus diesem Urteil müssen bei der Novellierung des Personalausweisgesetzes natürlich berücksichtigt werden. Wir, die Fraktionen von CDU/CSU und FDP, haben uns nach langem Abwägen dafür entschieden, auch das Inkrafttreten des alten Gesetzes zu suspendieren, um den seit seinem Inkrafttreten eingetretenen wichtigen Veränderungen Rechnung zu tragen. Insoweit sind wir gar nicht auseinander. Die eine Maßgabe habe ich dargestellt: die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983.
    Wir müssen aber auch einen weiteren Gesichtspunkt beachten. Durch die Öffnung der Grenzen nach Frankreich und nach Österreich haben sich gleichfalls neue Sachverhalte ergeben. Der gewichtigste, noch offene Punkt ist die Frage, ob der Personalausweis mit dem Europapaß, zu dessen Einführung sich die EG-Chefs bekanntlich seit langem entschlossen haben, gekoppelt werden muß. Wir werden daher auch prüfen, ob nicht gleichzeitig auch ein fälschungssicherer Europapaß eingeführt werden kann. Die notwendigen Prüfungen und Abklärungen führen aber an einem nicht vorbei: der fälschungssichere Personalausweis, auf den sich einmal alle demokratischen Gruppierungen hier vor zwei Jahren geeinigt haben, ist und bleibt unverzichtbar.
    Lassen Sie mich das an Hand einiger Fakten noch einmal begründen, auch im Gegensatz zu Herrn Schäfer. Erstens: Die Straftäter benutzen in allen Bereichen der Kriminalität, insbesondere aber auch in der Schwerkriminalität, abhandengekommene und gestohlene Personalausweise. Um sich eine Vorstellung über den Umfang zu machen, will ich zwei Zahlen nennen. In der Sachfahndung sind rund 474 000 Personalausweise und rund 12 000 Blankopersonalausweise als abhandengekommen aufgeführt. Zweitens: Gefälschte oder verfälschte Personalausweise werden zum Beispiel bei folgenden Straftaten verstärkt und schwerpunktmäßig verwendet.

    (Abg. Schäfer [Offenburg] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Wahrscheinlich wollen Sie danach fragen, Herr Schäfer.