Zuerst ein paar Worte an die Kollegen, die vorher gesprochen haben.
An dem guten Willen des Kollegen Baum ist überhaupt nicht zu zweifeln gewesen. Ich weiß, was er damals alles vorgeschlagen hat. Nur war das beim Kollegen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff eben nicht durchzusetzen
und auch nicht beim Bundeskanzler Helmut Schmidt; denn der stand hier ganz fest auf der Seite des Bundeswirtschaftsministers. Der hat bekanntlich vom Umweltschutz noch nie sehr viel gehalten.
Zu Ihnen, Herr Vogel. Sie sind zwar sehr bekanntgeworden durch ihren Kampf gegen das Automobil überhaupt. Da gibt es viele Zitate, die heute erwähnenswert wären. Aber einen Antrag auf Schadstoffbegrenzung beim Auto gibt es von Ihnen nicht. Sie haben sich in keiner der Bundesregierungen, denen Sie angehört haben, für irgend etwas in dieser Richtung stark gemacht.
Zu Herrn Schäfer nur eines: Er wird in meiner Grundsatzrede vom 9. Februar 1984 vergeblich nach dem Wort „obligatorisch 1. Januar 1986" suchen. Das kommt darin nicht vor. Selbstverständlich ist diese Gesamtdebatte, diese Gesamtproblematik so auszulegen, wie sie Kollege Schmidbauer als erster dargestellt und wie sie Kollege Hoffie expliziert hat. Genauso und nicht anders. Alles andere ist Heuchelei. Die SPD als ehemalige Arbeiterpartei sollte
sich eigentlich zu schade sein, so zu argumentieren.
Dem Herrn Kollegen Ehmke von den GRÜNEN gratuliere ich zu seinem wunderbaren Satz: Das Auto braucht Straßen. In der Tat. Ich empfehle den GRÜNEN, ab heute keine Straßen mehr zu benutzen. Dann ist das Problem geregelt.
Nun zurück zum Ernst. Kein anderes Land der Europäischen Gemeinschaft ist so früh so weit gegangen wie die Bundesregierung mit ihrem gestrigen Beschluß. Die Bundesregierung hat jetzt die Rahmenbedingungen geschaffen und die Weichen gestellt. Die Einführung beginnt im Juli 1985. Jeder kann ab diesem Zeitpunkt davon Gebrauch machen. Die Steuererleichterungen — dazu wird der Bundesrat, das Organ der Länder, das letzte Wort reden — werden diesen Einführungsmechanismus unterstützen.
Brüssel kennt jetzt die Ernsthaftigkeit des wichtigsten Durchgangslandes Europas, des drittgrößten Automobilproduzenten der Welt. Das Produktionsvolumen dieses Industriezweiges, von dem jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland abhängt, hat allein, was den Export anbetrifft, im letzten Jahr 30 Milliarden DM betragen. Ich bitte, einmal mit den betroffenen Betriebsräten von Wolfsburg bis Bremen, Regensburg und München zu sprechen, um zu hören, was sie von einer Politik hielten, die diese Arbeitsplätze ernsthaft gefährden würde.
Meine Damen und Herren, Politik ist immer noch die Kunst des Möglichen und nicht die Kunst der Utopie. Wer heute die Inanspruchnahme des Art. 36 des EG-Vertrages fordert, der geht Risiken EG-politischer, handelspolitischer und wettbewerbspolitischer Art ein, die so niemand tragen kann, denn eine Einstweilige Anordnung aus Brüssel bei einer obligatorischen Inanspruchnahme ab 1. Januar 1986 könnte die Umweltpolitik der Bundesrepublik sofort und für Jahre auf null zurückschrauben. Und das sollte doch wohl niemand riskieren.
Im übrigen brauchen wir auch unsere Nachbarn, wenn wir bleifreies Benzin europaweit einführen wollen. Wir müssen es europaweit einführen, weil die deutschen Automobilfahrer bekanntlich europaweit fahren und nicht an den Grenzen Deutschlands haltmachen wollen. Das heißt, die von uns angestrebten Maßnahmen machen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten den Ernst der Lage klar. Es gibt viel Goodwill für unsere Lösungen besonders in Österreich, der Schweiz und anderen nicht der EG angehörenden Länder. Aber wir dürfen nicht durch eine Provokation, durch einen nationalen Kraftakt um seiner selbst willen das aufs Spiel setzen, was uns jetzt möglich ist.
Unsere Maßnahmen, von denen wir sicher sind, daß sie der Bürger unterstützen und sich danach richten wird, erreichen dieses Ziel auf breiter Front.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. September 1984. 6155
Bundesminister Dr. Zimmermann
Diesen Weg ist die Bundesregierung mit ihren gestrigen Kabinettsbeschlüssen gegangen. Der Bundesrat wird diesen Beschlüssen — in der Grundrichtung — sicher folgen. Dann werden wir wir konsequent, auch auf der europäischen Ebene, das tun, was wir wahr gemacht haben — Pilotfunktion übernehmen um anderen zu zeigen, wohin die Reise gehen muß.