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ID1008215700

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    Plenarprotokoll 10/82 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 82. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Dregger CDU/CSU 5951 B Dr. Hauff SPD 5959 D Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 5965 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 5968 C Frau Seiler-Albring FDP 5972 B Handlos fraktionslos 5974 B Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 5975 D Roth SPD 5984 C Kroll-Schlüter CDU/CSU 5990 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 5993 B Eimer (Fürth) FDP 5995 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 5997 C Frau Simonis SPD 6006 C Niegel CDU/CSU 6010 C Drabiniok GRÜNE 6013 C Dr. Schmude SPD 6015 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 6019A Frau Fuchs (Köln) SPD 6022 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 6027 B Hoss GRÜNE 6030 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 6032 D Sieler SPD 6040 D Dr. Friedmann CDU/CSU 6044 A Glombig SPD 6047 B Schlatter SPD 6051 C Dr. von Wartenberg CDU/CSU 6054 B Dr. Jens SPD 6056 A Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 6058 C Dr. Hauchler SPD 6060 D Vizepräsident Westphal 6014 C Nächste Sitzung 6063 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6065* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 5951 82. Sitzung Bonn, den 13. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 13. 9. Antretter ** 14. 9. Büchner (Speyer) 14. 9. Eigen 14. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel ** 14. 9. Dr. Holtz ** 14. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski ** 14. 9. Dr. Müller ** 14. 9. Reddemann ** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Dr. Rumpf ** 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schulte (Unna) ** 13. 9. Schwarz ** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg * 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. Dr. Unland ** 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte.


Rede von Egon Lutz
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Minister, es ist ja sehr erheiternd, wie Sie uns hier vorzuführen trachten. Sie sind aber sicher fair genug, dem Hause mitzuteilen, daß die erste Vorruhestandsregelung von der SPD-Bundestagsfraktion hier eingebracht wurde.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Lutz, soll ich Sie daran erinnern, daß Sie 13 Jahre regiert haben und in diesen 13 Jahren noch nicht den Ansatz einer Vorruhestandsregelung vorgelegt haben? Sie haben sie erst vorgelegt, als Sie dafür keine Mehrheit mehr hatten, offenbar als garantiert war, daß sie nicht durchsetzbar ist.

    (Abg. Heyenn [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Heyenn, lassen Sie mich fortfahren.
    Ich will auch die Rückkehrförderung darstellen. Der Kollege Dreßler — ich habe ihn gerade gesehen
    — hat sie am 10. November 1983 als „unbrauchbar" bezeichnet, und das Protokoll verzeichnet den sozialdemokratischen Zuruf: „Mist ist das!" Inzwischen haben wir 14 000 Anträge auf Rückkehrförderung und an Stelle der von uns geschätzten 55 000 Anträge auf Auszahlung der Rentenversicherungsbeiträge nicht 55 000, sondern 140 000. Unsere eigenen Erwartungen wurden übertroffen. Ich finde, daß die Rückkehrförderung eine humanitäre Geste mit der Entlastung unseres Arbeitsmarktes verbindet. Wir haben unseren ausländischen Mitbürgern den Weg in die Heimat erleichtert.
    Wir legen ein Bündel von beschäftigungspolitischen Maßnahmen vor, ein ganzes Bündel: Beschäftigungsförderungsgesetz, eine neue Arbeitszeitordnung, Jugendarbeitsschutznovelle, Schwerbehin-



    Bundesminister Dr. Blüm
    dertennovelle. Es wird bei Gelegenheit der Beratung dieser Gesetze ausführlich darüber gesprochen werden können. Lassen Sie mich den Hauptnenner nennen, der diesen Gesetzen, den vielfachen Initiativen zugrunde liegt. Ich glaube, wir dürfen soziale Politik, die diesen Namen verdient, nicht nur für diejenigen machen, die drin im Erwerbsleben sind. Soziale Politik, die diesen Namen verdient, muß sich um die Außenstehenden kümmern, um die Ausgeschlossenen, und das sind die Arbeitslosen. Das ist der erste Adressat unserer sozialen Hilfe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn es könnte j a sein — in diese Skepsis sollten wir uns schon bringen —, daß die, die drinnen sind, sich häuslich einrichten in der Erwerbsgesellschaft, daß eine neue Klassengesellschaft entsteht und daß die Früchte des konjunkturellen Aufschwungs in der Festung Erwerbsgesellschaft verteilt werden. Es geht darum, Zugbrücken herunterzulassen, Zugang den Arbeitslosen zu schaffen. Das ist das Motiv für unsere Beschäftigungspolitik.
    Wenn gesprochen wird von einer Politik des „Heuerns und Feuerns": Von Feuern kann keine Rede sein. Eine Politik, die das Heuern leichter möglich macht, das ist der Sinn dieser unserer Arbeit.
    Wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund in seiner Presseerklärung behauptet, mit unserem Beschäftigungsförderungsgesetz, mit den befristeten Arbeitsverträgen würde den Arbeitslosen der Kündigungsschutz genommen, so kann ich das nur als eine Freudsche Fehlleistung betrachten. Arbeitslose haben keinen Kündigungsschutz, die haben nämlich gar keine Arbeit. Das ist eher der Offenbarungseid, daß alles durch die Brille derjenigen gesehen wird, die Arbeit haben, und das ist eine Brille der Privilegierten. Laßt uns auch neue Perspektiven in die Sozialpolitik einbringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Befristete Arbeitsverträge, weil es darum geht, jene Verspätung nicht eintreten zu lassen zwischen konjunkturellem Aufschwung und Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt, weil es zu verhindern gilt, daß Überstunden an die Stelle von Einstellungen treten. Es wird Sie sehr überraschen, daß die sozialistische Regierung Spaniens, die Sie ja sicherlich nicht mit den gleichen Attacken belegen wollen

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    — ich bin jetzt bei Spanien; die Auswahl ist groß —, jetzt in einem neuen arbeitsrechtlichen Gesetz befristete Arbeitsverträge bis zu drei Jahren bei Neugründungen zuläßt, offenbar aus der gleichen Einsicht wie bei uns. Sie sehen, nicht alle Sozialisten sind ohne sozialpolitische Vernunft.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Teilzeitarbeit. Ich habe jene Arroganz nie verstanden, die den Bürgern vorschreiben will, mit wieviel Stunden Arbeitszeit sie zufrieden sein mögen. Da gibt es 238 000 Arbeitslose, die gar keinen Vollerwerbsplatz wollen. Wieso maßen Sie sich an, denen zu sagen: Keine Teilzeitarbeitsplätze sollen für euch geschaffen werden; ihr müßt in die Vollerwerbsarbeit? Es gibt über 2 Millionen Erwerbstätige, von denen wir wissen, daß sie mit weniger Arbeitszeit zufrieden wären. Wie borniert, wie einfallslos ist diese Gesellschaft, daß sie die Wünsche von Arbeitnehmern nicht miteinander verbinden kann? Die einen wollen täglich vier Stunden arbeiten und werden auf null gehalten, die anderen müssen acht Stunden arbeiten, obwohl auch sie mit vier zufrieden wären. Laßt uns doch eine Politik machen, die nicht aus den ideologischen Lehrbüchern ihre Rezepte nimmt, sondern aus den Lebensgewohnheiten, aus den Erfahrungen der Bürger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mutterschutz. Meine Damen und Herren, wir wollen, daß die Kosten des Mutterschutzes nicht dem einzelnen Betrieb aufgelastet werden, sondern daß die Ausgleichskasse bei den Krankenkassen auch die Kosten des Mutterschutzes übernehmen kann. Wir wollen die Kosten vom einzelnen Betrieb abkoppeln. Das ist eine Politik, die die Vermittlungschancen der jungen Frauen erhöht. Das ist eine Politik für die Frauen und nicht gegen die Frauen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wollen bei der Bundesanstalt für Arbeit das Monopol nicht auflösen — es soll jetzt nicht die große Geschäftemacherei bei der Arbeitsvermittlung beginnen —, aber sie muß mit den Gutwilligen kooperieren, vom hohen Roß herunter und sich mehr unter die Leute mischen. Das ist, glaube ich, das Gebot der Stunde.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist widersinnig, daß in einer Zeit, in der wir geradezu Suchtrupps anstellen müssen, jeden Lehrplatz zu finden, diejenigen, die helfen wollen, mit Bußgeldern bedroht werden,

    (Kolb [CDU/CSU]: Belegt wurden!) statt daß sie ausgezeichnet werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, dasselbe gilt für die Arbeitszeitordnung. Sie stammt aus einer Welt, die nicht die unsrige ist. Keiner von uns hier in diesem Hause wird sich jenem Geist verpflichtet fühlen, der 1938 ein obrigkeitsstaatliches Gesetz geschaffen hat, das gar keinen Platz hatte für Gewerkschaften und Arbeitgeber. Die gab es nämlich damals nicht. Da gab es den Reichstreuhänder der Arbeit. Ich bin nicht dessen Nachfolger. Da gab es die Gefolgschaft. Die Arbeitnehmer sind nicht Gefolgschaft. Wir wollen ein neues modernes Arbeitszeitgesetz, das auch den Tarifpartnern neue Möglichkeiten gibt, auch neue Lasten der Verantwortung. Es ist bequemer, sich alles vom Gesetzgeber regeln zu lassen.
    Wir wollen in diesem Arbeitszeitgesetz auch Frauenarbeitsrechte daraufhin überprüfen, ob sie nicht Sperrechte sind. Ich habe nie verstanden, wieso es unterschiedliche Pausenregelungen für weibliche und männliche Beschäftigte geben soll. Ich habe noch nie entdeckt, wie an einem Fließ-



    Bundesminister Dr. Blüm
    band die Frauen eine halbe Stunde früher Pause machen als die Männer. Das ist eine Regelung, die fern aller Praktikabilität ist.
    Wir wollen auch überprüfen, ob das, was als Männerberuf ausgegeben wird, wirklich ein Männerberuf von Natur ist oder vielleicht nur aus altem patriarchalischem Vorurteil. Manches, was als Männerberuf verteidigt wird, kann genausogut von Frauen bewerkstelligt werden. Ich würde keiner Frau den Beruf des Bergmanns wünschen. Aber warum nicht Schlosser, warum nicht auch auf dem Bau, wenn sie will?

    (Kolb [CDU/CSU]: Da oben auf der Pressetribüne ist eine Kamerafrau! — Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    — Warum nicht Kamerafrau?
    Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz werden wir ohne viel Aufwand 7 Gesetze und 22 Verordnungen außer Kraft setzen. Die alte Arbeitszeitordnung hat nämlich nur mit tausend Ausnahmen funktioniert. Wenn wir so weitergemacht hätten, wäre das Buch der Ausnahmen dicker geworden als die Gesetzessammlung.
    Wir wollen den Jugendarbeitsschutz neu regeln. Kann mir jemand erklären, wieso aus Gesundheitsschutzgründen der 16jährige Lehrling anders behandelt werden soll als der 16jährige Arbeitnehmer? Der eine darf um sechs Uhr anfangen, der andere erst um sieben. Gibt es jemanden, der mir erklären kann, welcher gesundheitspolitische Unterschied darin besteht, daß der eine Lehrling ist und der andere Arbeitnehmer? Solche Verrücktheiten werden wir beseitigen.
    Schwerbehindertennovelle, eine Politik für die Behinderten. Wenn der Behindertenbegriff immer mehr ausufert, werden die tatsächlich Behinderten nur neue Konkurrenten um die Arbeitsplätze bekommen. Das kann nicht der Sinn unserer Behindertenpolitik sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Jungsozialisten haben diese Gesetzgebung — Herr Präsident, Sie mögen mir verzeihen, ich zitiere im Originalton — eine „politische Sauerei" genannt. Jeder drückt sich so aus, wie es seinem politischen Niveau entspricht. Andere Sozialdemokraten haben schon früh erkannt, daß Änderungen notwendig sind. Herr Posser, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, hat vor dem Bundesrat erklärt: Wir wissen alle, daß Einschränkungen unvermeidlich sind. Seit Jahren sage ich, daß im Bereich der Schwerbehinderten einiges korrigiert werden muß.
    — Deshalb seien Sie vorsichtig mit einfacher Schuldzuweisung! Sie müssen nämlich dann auch vertreten, warum in Nordrhein-Westfalen die Förderung für Behinderteneinrichtungen um 52,5% zurückgenommen wurde.

    (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Wieviel?)

    — Um 52,5%, von 32 auf 15 Millionen DM. — Sie müßten vertreten, warum die Rehabilitationseinrichtungen für Obdachlose gestrichen wurden. Stellen Sie die Welt nicht so einfach dar, als wären Sie die großen sozialpolitischen Beglücker und diese
    Regierung nichts anderes als herzlose Einsammler. So ist die Welt nicht. Wir befinden uns in einer Welt, in der wir mit knappen Mitteln haushalten müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich zitiere aus einer Rede eines von mir sehr geschätzten Kollegen, der fragt:
    Sind heute Rentenbezieher noch die Unterprivilegierten unserer Gesellschaft, die, weitgehend befreit von Sozialabgaben und direkten Steuern, oft genug neben ihrer bruttoangepaßten Rente weitere Einkünfte kulminieren können? Wie groß müßte eigentlich der Anreiz sein, damit es attraktiv bleibt, sich auch unter schwierigen Bedingungen um Arbeit zu bemühen und dann motiviert zu werden, die besten Arbeitsergebnisse zu erzielen.
    Dieses Zitat stammt aus der Abschiedsrede des ehemaligen Finanzministers Hans Matthöfer.
    Ich sagte schon, ich stehe nicht hier, um das Los der Arbeitslosen in irgendeiner Weise zu verniedlichen. Ich warne jedoch auch vor Katastrophenmeldungen. Es hat sich zwar die Quote zwischen Arbeitslosengeldbeziehern und Arbeitslosenhilfebeziehern verschoben; das ist das Ergebnis von Langzeitarbeitslosigkeit. Die Gesamtquote ist jedoch so gut wie unverändert: 1978 67,8 %, 1984 67,5 %.
    Meine Damen und Herren, Gegenstand dieser Debatte war auch die Rentenpolitik. Dazu möchte ich an den Anfang meiner Ausführungen den Appell an unsere älteren Mitbürger richten: Laßt euch nicht in Angst treiben. Sie können ganz sicher sein — daran kann niemand interessiert sein; wer da sein parteipolitisches Süppchen kochen wollte, würde sich die Finger verbrennen —, liebe ältere Mitbürger, Monat für Monat, pünktlich zum Zahltermin wird Ihre Rente gezahlt. Dafür garantiert der Bund auch mit seiner Bundesgarantie.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist wahrscheinlich, daß die Rente langsamer steigt, nicht mehr so schnell, wie in der Vergangenheit, aber sie bleibt zuverlässig.
    Vergessen Sie nicht: Das Nettorentenniveau war nie so hoch wie in diesem Jahr; nur einmal ganz kurzfristig 1977 war es um ein paar Zehntel höher. Nie gab es ein höheres Nettorentenniveau als im Jahre 1984. Das Nettorentenniveau betrug 65,2 %. Von einem Bankrott der Rentenpolitik zu sprechen und ähnlichen großen Geschossen würde ich warnen. Wir stürzen die älteren Mitbürger nur in eine Unsicherheit, die nicht gerechtfertigt ist und die wir ihnen auch auf Grund eines Lebens, in dem sie viel mitgemacht haben, nun wirklich nicht zumuten können.
    Wir sind nicht über den Berg, Frau Kollegin Fuchs. Ich stehe hier nicht wie mancher meiner Vorgänger und Ihr verehrter ehemaliger Bundeskanzler, der sagt, es gebe nur Problemchen. Nein, es gibt Probleme, natürlich. Aber hätten wir nur auf dem Stand weitergearbeitet, den uns die SPD hinterlassen hat, hätten wir 1984 am Ende des Jahres eine Rücklage von nicht 1,1 Monatsausgaben, son-



    Bundesminister Dr. Blüm
    dern von 0,4. Die Rentenversicherung wäre zusammengebrochen. Wie kommen Sie eigentlich dazu, uns Vorwürfe zu machen, wenn das, was Sie uns hinterlassen haben, ein rentenpolitischer Trümmerhaufen war?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir hätten 0,4 Monatsausgaben als Rücklage gehabt.

    (Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

    Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hat ausgerechnet: Hätten wir nichts weiter gemacht, als das fortzuführen, was wir von Ihnen übernommen haben, hätten wir 1986 bei der BfA 7 Milliarden DM Defizit, minus 0,7 Monatsausgaben. Ich sage noch einmal: Es gibt Probleme. Nur, meine Damen und Herren: Wir haben der Rentenversicherung durch Leistungsminderung und Einnahmeverbesserung 89 Milliarden DM mehr beschafft. Zieht man selbst jene Maßnahme ab, die Sie kritisiert haben, nämlich die Veränderung der Bemessungsgrundlage, dann sind es immer noch über 60 Milliarden DM mehr. Hätte die Rentenversicherung diese 60 Milliarden DM nicht, dann wäre sie zahlungsunfähig. Wir haben doch nicht gespart, weil Sparen ein Selbstzweck ist, sondern wir sparen, um die Renten sicherer zu machen.
    Meine Damen und Herren, das von Ihnen vorgelegte Rentenkonzept würde nach unseren Berechnungen Mehrausgaben in Höhe von 10 Milliarden bis 12 Milliarden DM verursachen. Das macht die Rente auf gar keinen Fall sicherer. Wissen Sie, Ihre rentenpolitische Buchführung erinnert mich immer an das Schulmeisterlein Wuz von Jean Paul; dessen Haushaltsführung war immer ausgeglichen, weil er nur die Ausgaben gezählt hat. Ich habe Ihre Politik nie verstanden: Die Einnahmen wollen Sie nicht erhöhen, und Ausgaben wollen Sie nicht zurücknehmen. Ja, was wollen Sie denn, kann ich da nur sagen. Zaubern kann man auf dieser Welt — jedenfalls in der Politik — nicht.
    Die von uns ergriffenen Maßnahmen sind Bausteine für eine Strukturreform. Wir haben die Renten aktualisiert. Hätten wir das nicht getan, dann hätten sich Löhne und Renten auseinanderentwikkelt. Wir haben Erwerbs- und Berufsunfähigkeit so geregelt, daß dies nicht der bequeme Seiteneinstieg für diejenigen ist, die gar nicht erwerbstätig sind. Damit haben wir die Rentenversicherung ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zugeführt. Ich gestehe jedoch, daß sich ein Teil des Spareffekts erst in der Zukunft entfaltet, weil wir ja an keiner Stelle in den Besitzstand eingegriffen haben.
    Frau Fuchs, lassen Sie mich noch etwas zu der von Ihnen erhobenen Kritik an der Veränderung der Bemessungsgrundlage für die Beiträge der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung sagen. Bis 1978 gab es null Beiträge von der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung. Dann haben Sie die Beiträge von 100 % des letzten Bruttolohns berechnet. In Ihren letzten Atemzügen in der Regierung haben Sie selber vorgeschlagen, wieder auf 70 % zurückzugehen, und zwar auch hinsichtlich der Bewertung dieser Zeiten bei der Rentenleistung. So vollmundig wie Sie würde ich hier nicht erklären, die Beiträge an die Rentenversicherung müßten völlig unabhängig sein. Sie haben sie mindestens um 30 % wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt.
    Lassen Sie mich noch eine weitere Bemerkung dazu machen: Ich glaube, es gehört zur Ehrlichkeit, festzustellen: Es gibt überhaupt keine Sozialversicherung — sie kann heißen, wie sie will: Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung —, die vom Arbeitsmarkt abgekoppelt ist. Es ist nichts anderes als eine Lebenslüge zu behaupten, es gebe eine Sozialversicherung, die sozusagen auf der Insel der Seligen lebt. Sie lebt immer nur von den Beiträgen derjenigen, die Arbeit haben.