Rede:
ID1008214300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Hoss.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/82 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 82. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Dregger CDU/CSU 5951 B Dr. Hauff SPD 5959 D Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 5965 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 5968 C Frau Seiler-Albring FDP 5972 B Handlos fraktionslos 5974 B Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 5975 D Roth SPD 5984 C Kroll-Schlüter CDU/CSU 5990 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 5993 B Eimer (Fürth) FDP 5995 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 5997 C Frau Simonis SPD 6006 C Niegel CDU/CSU 6010 C Drabiniok GRÜNE 6013 C Dr. Schmude SPD 6015 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 6019A Frau Fuchs (Köln) SPD 6022 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 6027 B Hoss GRÜNE 6030 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 6032 D Sieler SPD 6040 D Dr. Friedmann CDU/CSU 6044 A Glombig SPD 6047 B Schlatter SPD 6051 C Dr. von Wartenberg CDU/CSU 6054 B Dr. Jens SPD 6056 A Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 6058 C Dr. Hauchler SPD 6060 D Vizepräsident Westphal 6014 C Nächste Sitzung 6063 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6065* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 5951 82. Sitzung Bonn, den 13. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 13. 9. Antretter ** 14. 9. Büchner (Speyer) 14. 9. Eigen 14. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel ** 14. 9. Dr. Holtz ** 14. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski ** 14. 9. Dr. Müller ** 14. 9. Reddemann ** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Dr. Rumpf ** 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schulte (Unna) ** 13. 9. Schwarz ** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg * 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. Dr. Unland ** 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Kollege Ehrenberg, ich habe von dieser Stelle aus immer gesagt — dabei bleibe ich —, daß der Lohnersatz die Berechnungsgrundlage ist. Sie haben möglicherweise in einem Punkt Ihrer Kritik recht, nämlich daß es falsch ist, die Ansprüche der Arbeitslosen in der Rentenversicherung nach dem fiktiven Lohn zu berechnen, nicht nach dem abgeführten Beitrag für das Arbeitslosengeld.
    In der derzeitigen Diskussion um die Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge ist es aus den dargelegten Gründen nicht mehr als legitim, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, möglicher Überschüsse in einem anderen Sicherungssystem für Beitragssenkungen zur Verfügung zu stellen; denn für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, für das Nettoeinkommen unserer arbeitenden Menschen ist die Gesamtbelastung durch Sozialversicherungsbeiträge entscheidend.
    Daß dieser wiederholte Wunsch, Beitragsstabilität zu erreichen, keine Marotte von mir ist, mögen Sie, Frau Fuchs, bitte an folgendem Zitat, das ich Ihnen genüßlich vorführe, erkennen. Jemand hat gesagt:
    In der Tat bin ich nach wie vor der Meinung, daß ein Teil der strukturellen Schwierigkeiten in unserer Wirtschaft in den letzten Jahren darauf zurückzuführen ist, daß in Teilen unserer Wirtschaft die Arbeitslöhne so hoch gestiegen sind und daß sie nicht mehr mit einer hohen Beschäftigung vereinbar sind.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Ein wesentlicher Teil dieser Fehlentwicklung hat sicherlich auch darin bestanden, daß innerhalb der Qualifizierung der Arbeitskraft, innerhalb der einzelnen Lohntabellen die Differenzen sehr zusammengerückt sind, so daß minder qualifizierte Arbeitskraft relativ teuer wird, daß minder qualifizierte Arbeitskräfte in höherem Maße arbeitslos werden und durch Maschinen oder andere Rationalisierungsmaßnahmen ersetzt werden.

    (Zuruf des Abg. Kolb [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, dieses Zitat stammt von Professor Schiller. Man kann Professor Schiller, der sicher kein Vorkämpfer für eine angebliche soziale Demontage ist, nur Beifall zollen.
    Verehrte Frau Kollegin Fuchs, wir sehen das Problem der Arbeitslosigkeit in dem Umfang, wie es vorhanden ist, genauso ernst wie Sie. Aber wir sind auch stolz darauf, daß Ihre Prognosen und die der wirtschaftswissenschaftlichen Institute, nach denen wir jetzt 3 Millionen Arbeitslose haben sollten, Gott sei Dank nicht eingetreten sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich bin sicher, daß Sie über diese Tatsache, daß es sich bei Ihnen um eine Fehlprognose handelte, ebenso froh sind wie ich, wobei ich verstehen kann, daß Sie das nicht gern der Regierung gutschreiben.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    In der Rentenversicherung — ich möchte noch ein paar Bemerkungen zur Hinterbliebenenversorgung machen — stehen wir noch vor der Lösung dieses Problems. Ich möchte hier in allem Freimut bekennen: Ich habe den Stein der Weisen noch nicht gefunden.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Aber wir! — Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das steht im Protokoll!)

    — Frau Kollegin Fuchs, ich gehe darauf ein. Alle bisher diskutierten Modelle weisen erhebliche Schwächen auf. Wer das Gegenteil behauptet, hat sich nicht ernsthaft mit der Problematik beschäf-



    Cronenberg (Arnsberg)

    tigt. Die SPD verkündet — ich meine: zur Vermeidung innerparteilicher Schwierigkeiten — schlicht und ergreifend: 70%ige Teilhaberrente ist kostenneutral.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Sie haben allem zugestimmt!)

    — Ich gehe darauf ein.
    Sie fordert darüber hinaus die Erhöhung der Mindestrente. Damit die Behauptung der Kostenneutralität noch stimmt, soll, wie Sie eben wieder ausgeführt haben, die Bundesanstalt für Arbeit lokker und leicht 5 Milliarden DM an den Rentenversicherungsträger überweisen. Daß damit eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vorprogrammiert wird, wird freundlicherweise verschwiegen. Von stabilen Sozialversicherungsbeiträgen, wie sie auch Professor Schiller verlangt, kann überhaupt keine Rede mehr sein. Wenn das Ganze nicht stimmt, dann soll der Bund das Geld nachliefern, notfalls auf Pump — wie gehabt.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Mein Respekt, Frau Kollegin Fuchs, vor den Sozialpolitikern der SPD ist viel zu groß, als daß ich unterstelle, sie meinten das alles so ernst, wie sie es hier vorgetragen haben.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Wie schon dargelegt: Die Anpassung im Oppositionsverhalten an Ihre Vorgänger, Frau Kollegin, ist erstaunlich groß.
    Die Diskussion um die verschiedenen Modelle in der Hinterbliebenenversorgung ist nicht abgeschlossen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wir machen dazu einen eigenen Gesetzentwurf!)

    Die ernsthaft diskutierten Modelle setzen nach Meinung und Überzeugung der Koalitionsfraktionen die Einführung eines Erziehungsjahrs in der Rentenversicherung voraus.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Unabdingbar!)

    Sowohl die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag als auch das Teilhabermodell bedienen sich eines gewissen Anrechnungsverfahrens. Was wie und in welcher Höhe angerechnet wird, ist in beiden Modellen umstritten.
    Für mich wird bei der endgültigen Beurteilung von großer Bedeutung sein, ob und in welchem Umfang kindererziehende und berufstätige Frauen benachteiligt werden oder nicht, ob und in welchem Umfang freiwillige Zusatzversicherungen bei der Anrechnung berücksichtigt werden, ob und in welchem Umfang notwendige Übergangsregelungen getroffen werden können, ob und in welchem Umfang ein praktikabler Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Sicherungssystemem — z. B. Rentenversicherung, Beamte — gefunden werden kann.

    (Vorsitz : Vizepräsident Stücklen)

    Lassen Sie mich auch einem verbreiteten Mißverständnis entgegentreten bzw. dieses Mißverständnis ausräumen: FDP und, soweit ich weiß, auch Norbert Blüm werden sich nachdrücklich dafür einsetzen, daß die bestehenden Renten im Zusammenhang mit der Hinterbliebenenversorgung nicht geändert werden. Die Verunsicherung von Rentnern in diesem Zusammenhang ist im Grunde genommen hanebüchen.
    Meine herzliche Bitte an alle Kollegen: Lassen Sie uns gemeinsam, Frau Kollegin Fuchs, bemüht sein, eine sozial vertretbare und systematisch zu verantwortende praktikable Lösung zu finden, ohne dabei Parteiprogramme zum Fetisch zu erheben. Die Gefechtslage, Frau Kollegin — BDA, Bund Deutscher Arbeitgeber, und SPD gemeinsam für Teilhaberrente, CSU und DGB gemeinsam für Anrechnungsmodell —, sollte eine sachliche und offene Diskussion ermöglichen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Da haben Sie recht!)

    Sie können dazu sicher sehr viel Besseres beitragen, als Ihre Ausführungen von eben das vermuten lassen. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich bei dieser Debatte als jemand, der nicht in der Kontinuität der Wirtschafts- und Sozialpolitik dieses Hauses oder der Regierung steht, ob sie uns inhaltlich weiterbringt. Ich möchte Ihnen einmal, um uns wieder auf den Boden zurückzuführen, einige Zitate vorlesen. Auf der Grundlage dieser Zitate können wir dann vielleicht zu einer gründlicheren Beratung kommen, die das Wesentliche trifft.
    1981 sagte anläßlich von Kürzungsmaßnahmen der SPD/FDP-Regierung von dieser Stelle aus Haimo George, sozialpolitischer Sprecher der CDU/ CSU, zur SPD und FDP gewandt: „Sie sind auf dem besten Wege, aus dem fortschrittlichen Arbeitsförderungsgesetz ein Armutsgesetz zu machen." Norbert Blüm warf der SPD vor, sie lasse das Sieb des sozialen Netzes schneller rattern, durch das die Schwachen aussortiert würden. Und an anderer Stelle, anklagend: „Wie breit muß Armut sein, um als verbreitet anerkannt zu werden?"
    Zu dieser Zeit, 1981, sprachen die Vertreter der SPD in der Regierung folgende Worte: „Die Novellierung war längst überfällig. Es war notwendig, Wildwuchs zu beschneiden, überzogene Ansprüche zurechtzurücken."
    Es fällt nicht schwer zu sehen, daß die Rollen in der Sozialpolitik und in der Wirtschaftspolitik vertauscht sind. Es ist makaber — das gebe ich den Bürgern draußen zu bedenken —, daß es dieselben Personen sind, die in Opposition und Regierung gegenteilige Verhaltensweisen demonstrieren. Ich denke, daß es an der Zeit ist, die Debatte auf das Wesentliche zurückzuführen, damit wir wenigstens versuchen, weiterzukommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)




    Hoss
    Es gibt nämlich in der ganzen Sache eine Kontinuität — wenn man nicht an die Kontinuität der FDP denkt, die abgesehen von kurzen Abständen immer dabei war, bei der alten Regierung und bei der neuen —:

    (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

    In dem Maße, wie seit 1977/78 die Wirtschaftsentwicklung rückläufig und die Wachstums- und Wegwerfgesellschaft in Schwierigkeiten geraten ist, ist der Sozialabbau in dem Bestreben in Gang gesetzt worden, die Wachstumsgesellschaft, die Leistungsgesellschaft zu erhalten. Das ist, glaube ich, noch in den anderen Parteien drin, sowohl in der SPD als auch in denjenigen, die jetzt in der Regierung sind. Ich möchte das auch den Kollegen aus meiner Fraktion sagen, die heute schon von Koalitionen mit der SPD sprechen, obwohl einige dieser wichtigen Fragen noch nicht geklärt sind. Ich bitte das zu bedenken.
    Verglichen mit der Debatte des letzten Jahres sind wir in der Realität, in den realen Verhältnissen wirklich nicht weitergekommen. Vielmehr möchte ich sagen, daß wir noch mehr runtergekommen sind. Schauen wir uns den Kreis der 2,3 Millionen Arbeitslosen einmal etwas näher an. Ich gehe davon aus, daß die Zahl sich so zusammensetzt, daß ca. 1 Million davon Arbeitslosengeld von der Bundesanstalt für Arbeit erhalten, daß ca. 600 000 Arbeitslosenhilfe erhalten und daß ca. 700 000 unter die Sozialhilfe fallen und von der Bundesanstalt für Arbeit nicht mehr finanziert werden. Das zeigt, wie mit Mitteln aus dem gesamten Sozialversicherungswesen und — darauf werde ich noch zu sprechen kommen — der Bundesanstalt für Arbeit der Haushalt saniert wird. Finanzminister Stoltenberg stellt sich hier hin und sagt: Seht nur, was wir für eine vernünftige Sparpolitik gemacht haben. — Er vergißt dabei allerdings zu sagen: auf Kosten der Armen und derjenigen, die am meisten betroffen sind.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das gilt für alle drei Teile der Sozialpolitik. Das gilt erstens für die Sozialversicherung, zweitens für den Gesundheitsbereich und drittens für den Arbeitsbereich.
    Über die Renten sagte Herr Blüm: Wir machen die Renten sicher. Er hat den Rentnern große Versprechungen gemacht. Bei einer Bürgerumfrage kam heraus, daß Anfang 1983 noch 49 % der Meinung des Ministers waren, daß inzwischen — im August 1984 — aber 59 % der Bürger der Bundesrepublik die Hoffnung auf sichere Renten, auf Sicherheit in der Rentenfrage aufgegeben haben. Das ist auch kein Wunder. Es wird schließlich schon wieder von neuen Rentenlöchern gesprochen. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Angestellte Quartier hat mit Vorwürfen insbesondere an das Arbeitsministerium, an Minister Blüm, davon gesprochen, daß die Rentenversicherung derzeit ohne Liquiditätsreserven sei und von der Hand in den Mund lebe.
    Wenn man es richtig nimmt, werden also die Mittel, die im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung aufgebracht werden, benutzt, um die Neuverschuldung des Staatshaushaltes herunterzudrücken. Wir kommen in diesem Zusammenhang besonders auf einen Punkt, den wir schon im letzten Jahr in der Haushaltsdebatte angesprochen haben. Ich meine die Frage des Bundeszuschusses. Wir sprechen von einem Rentenbetrug, weil der Bund, weil das Finanzministerium seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, den gesetzlichen Rentenversicherungen die Beträge zu zahlen, die ihnen durch sachfremde Leistungen entstanden sind. Wegen der Auswirkungen von Gesetzen, die hier in diesem Hause beschlossen worden sind, die im Grunde nichts mit der Rentenversicherung zu tun haben, bei denen aber den gesetzlichen Rentenversicherungen die Auflage gemacht wurde, Zahlungen zu leisten, ist der Bund verpflichtet, einen entsprechenden Bundeszuschuß zu zahlen.
    Aus Diskussionen im letzten Jahr mit den gesetzlichen Rentenversicherungen haben wir festgehalten, daß der Bund den Rentenversicherungen für das vergangene Jahr 19 Milliarden DM schuldet und daß diese 19 Milliarden DM nicht gezahlt worden sind. Wir haben einen Antrag eingebracht, der im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung behandelt wurde. Die Kollegen aus allen Parteien, die dort saßen, haben gesagt: Wir wissen, daß es sich hier um ein ernstes Problem handelt und daß das, was die Grünen hier sagen, nicht aus der Luft gegriffen ist. Getan wurde aber nichts. Unser Antrag wurde abgelehnt.
    Angesichts dieses Rentenbetruges — als solchen möchte ich ihn noch einmal bezeichnen —, daß hier auf Kosten der Rentner, auf Kosten der Sicherheit ihrer Renten der Staatshaushalt saniert wird, werden wir in diesem Jahr wiederum einen Antrag einbringen, um die Kollegen aus den anderen Parteien zu zwingen, sich damit auseinanderzusetzen, bis wir in dieser Frage einen Schritt weitergekommen sind, da wir die Hoffnung in diesem Punkt nicht ganz aufgeben wollen.
    Die Hinterbliebenenversorgung — dazu kann ich nur ganz kurze Worte sagen — ist ein trauriges Kapitel. Man hat acht Jahre Zeit gehabt, diese Frage zu lösen. In den letzten Monaten kommt man nun mit einem Ergebnis heraus. Ich möchte es kurz so bewerten: Der Berg kreißte, geboren ward ein Mäuslein.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Die eigenständige Sicherung der Frau wird nicht herbeigeführt. Diese Sicherung, die unser Ziel ist, wird nicht im Ansatz erreicht. Die Abhängigkeit der Frau von dem Mann in der Rentenversorgung wird festgeschrieben. Wir werden noch in diesem Herbst ein Rentenmodell vorstellen, das die altersmäßigen Veränderungen der Bevölkerung, die Wirtschaftsentwicklung und auch das solidarische Prinzip berücksichtigt und das die Grundprinzipien einer Grundrente, die jedem Bürger zusteht, einer obligatorischen Zusatzrente und von freiwilligen individuellen Möglichkeiten im Rentenbereich beinhaltet.



    Hoss
    Zweiter Punkt: Das Gesundheitswesen. Eine beispiellose Kostenexplosion ist im Gange. Von 1970 bis 1984 sind die Kosten von 70 Milliarden DM auf 230 Milliarden DM angestiegen. Im Durchschnitt wächst die Kostenlast im Gesundheitsbereich um rund 10 Milliarden DM jährlich.
    Die Grundlage dafür sind nach unserer Meinung die Veränderungen, die in den Lebensbedingungen unserer Bürger vorgenommen wurden. Das wird von Ihrer Seite überhaupt nicht akzeptiert, es wird aber notwendig, daß Sie erkennen, daß da etwas zu tun ist. Ich kann das immer nur schnell stichpunktartig machen. Nach Angabe des Gesundheitsministeriums beruhen 85 % aller Todesfälle mittlerweile auf Zivilisationskrankheiten. Das Ministerium rät vom häufigen Verzehr von Leber, Nieren und Pilzen ab. Wir werden informiert, daß in Fleisch Rückstände von Cadmium, Blei, Hormonen, Antibiotika und Nitraten zu finden sind, in Fisch Quecksilber, Arsen, Pestizide, in Gemüse Schwermetalle und Nitrate vorhanden sind.
    Ich glaube, daß hier der Zusammenhang zwischen der Gesundheitspolitik und der Art und Weise, wie unsere Wirtschaft organisiert ist, nach welchen Prinzipien produziert wird und was die Motive für die Produktion sind, sowie der Zusammenhang zu den sozialen Folgekosten sehr deutlich wird. Es zeigt sich, daß wir darangehen müssen — ob Sie das nun gerne hören oder nicht —, die auf Gewinn und Kapitalvermehrung und auf rücksichtslose Konkurrenz gegeneinander angelegte Wirtschaftsordnung daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie dadurch Schäden in der Gesellschaft und bei den Menschen anrichtet, und daß wir an diesen Punkten anfangen müssen, zu korrigieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Kolb [CDU/ CSU]: Dann geht Ihre Rentenversicherung aber nicht zu finanzieren!)

    Ich möchte nur auf die Pharmaindustrie verweisen. Wir wissen, daß ungeheure Mengen von Medikamenten angeboten, verkauft und konsumiert werden. Ich sage Ihnen: Unsere Pharmaindustrie ist so organisiert, daß um so mehr Gewinne in der Pharmaindustrie gemacht werden, je mehr Tabletten produziert und verkauft werden. Das ist das maßgebliche Motiv, Medikamente herzustellen, Tierversuche zu machen und andere Dinge zu tun.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Die Menschen werden immer älter!)

    Ich denke, daß wir dieses Prinzip angehen und hier zur Debatte stellen müssen. Ich bitte Sie, sich mit solchen Gedanken anzufreunden, obwohl das für Sie sicher schwer ist. Machen Sie mit uns gemeinsam Anstrengungen in dieser Richtung, um die weitere Verschlechterung der Gesundheit der Bevölkerung zurückzudrängen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Eine weitere Frage — ich muß das jetzt zusammenfassen, weil ich nur noch eine Minute Redezeit habe — besteht im Arbeitsbereich. Es gibt auf dem Gebiet des Arbeitsbereiches eine ganze Reihe von Initiativen. Herr Blüm wird ja nach mir sprechen. Das Bundesministerium für Arbeit überschlägt sich geradezu, um Arbeitsplätze in dieser alten Struktur zu schaffen. Ich sage nur „Pharmaindustrie", um diese alte Struktur zu bezeichnen. Es wird nicht daran gedacht, Überlegungen in eine Richtung anzustellen, wie man nicht durch einen Kapitalanreiz zur Forcierung der alten Wachstums- und Wegwerfgesellschaft Arbeitsplätze schafft, sondern wie man durch die Stärkung des Faktors Arbeit, durch die Beseitigung von Arbeitslosigkeit in einer neuen Richtung zu Arbeitsplätzen kommen will.
    Ich will Ihnen, Herr Blüm, eine Zahl dazu sagen, wenn Sie die Arbeitslosigkeit beseitigen wollen. Wir haben über 2 Millionen Arbeitslose. Ein Arbeitsplatz kostet bei seiner Schaffung mittlerweile 400 000 DM.

    (Kolb [CDU/CSU]: Bei Mercedes!)

    Wenn Sie das erreichen wollen, brauchen Sie, um die 2 Millionen Arbeitslosen wegzubringen, um für die Arbeitslosen Arbeitsplätze zu schaffen, insgesamt 800 Milliarden DM. Und das wird nicht gehen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Milchmädchenrechnung!)

    Es geht nicht darum, Anreize für das Kapital zu schaffen, billige Arbeitsplätze zu schaffen, bei denen die Rechte der Arbeiter und Angestellten mit Füßen getreten werden, wie Sie das mit Ihrem Beschäftigungsförderungsgesetz machen, dessen wesentliche Bestandteile darin bestehen a) eine Verschlechterung des Sozialplanes vorzusehen, b) die Kündigungsschutzfristen der Arbeitnehmer zu verschlechtern und c) die Erweiterung des modernen Sklavenhandels durch Arbeitnehmerüberlassung noch auszudehnen.
    Die Zukunft unserer Arbeitsplätze — und das sage ich besonders auch den Gewerkschaften und meinen Kollegen in den Betrieben — besteht nicht darin, auf Arbeitsplätze in der Wachstumsindustrie, in der Wegwerfgesellschaft zu setzen, sondern besteht darin — wie mein Kollege Hans Verheyen in seinem ersten Beitrag zur Haushaltsdebatte gesagt hat —, daß wir anfangen, unsere Wirtschaft umzuorientieren, aus der schadstoffproduzierenden Chemieindustrie eine sanfte Chemieindustrie zu machen, aus der schadstoffproduzierenden Energieerzeugung — Buschhaus — eine dezentrale, umweltschonende und rohstoffschonende Energieerzeugung zu machen. Das ist genau der Weg, den wir weiter gehen wollen. Meine Zeit erlaubt es mir nicht, dies weiter auszufühen.
    Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

    (Beifall bei den GRÜNEN)