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ID1008209900

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    Vokabeln: 10
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/82 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 82. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Dregger CDU/CSU 5951 B Dr. Hauff SPD 5959 D Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 5965 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 5968 C Frau Seiler-Albring FDP 5972 B Handlos fraktionslos 5974 B Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 5975 D Roth SPD 5984 C Kroll-Schlüter CDU/CSU 5990 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 5993 B Eimer (Fürth) FDP 5995 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 5997 C Frau Simonis SPD 6006 C Niegel CDU/CSU 6010 C Drabiniok GRÜNE 6013 C Dr. Schmude SPD 6015 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 6019A Frau Fuchs (Köln) SPD 6022 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 6027 B Hoss GRÜNE 6030 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 6032 D Sieler SPD 6040 D Dr. Friedmann CDU/CSU 6044 A Glombig SPD 6047 B Schlatter SPD 6051 C Dr. von Wartenberg CDU/CSU 6054 B Dr. Jens SPD 6056 A Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 6058 C Dr. Hauchler SPD 6060 D Vizepräsident Westphal 6014 C Nächste Sitzung 6063 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6065* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 5951 82. Sitzung Bonn, den 13. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 13. 9. Antretter ** 14. 9. Büchner (Speyer) 14. 9. Eigen 14. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel ** 14. 9. Dr. Holtz ** 14. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski ** 14. 9. Dr. Müller ** 14. 9. Reddemann ** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Dr. Rumpf ** 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schulte (Unna) ** 13. 9. Schwarz ** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg * 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. Dr. Unland ** 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast, Herr Wirtschaftsminister — fast! —, könnte man Mitleid mit Ihnen bekommen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

    Sie geben sich zwar Mühe, aber Sie haben offensichtlich überhaupt noch nicht begriffen, daß Ihr Kollege, der Finanzminister, Sie zu einer Art Frühstücksdirektor de luxe heruntergewürdigt hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn in dem strategisch wichtigen Moment, als der Amtswechsel stattfand, hat Herr Stoltenberg es für richtig gefunden, in Personalunion die Neuauflage des beliebten Boulevard-Stückes „Plisch und Plum" zu spielen. Und als der neue Wirtschaftsminister inthronisiert war, da war sein Haushalt um 10% gekürzt, und für die folgenden Jahre war auch nicht mehr viel da.

    (Beifall bei der SPD)

    Zwar haben Sie noch versucht, in eilends zusammengerufenen Pressekonferenzen Meinungsführerschaft und Sachverstand nachzuweisen, aber das hat Ihnen dann der Stoltenberg auch noch vom Tisch gewischt. Das Geld war perdu, und im übrigen sind Sie um einige Zentimeter kürzergemacht worden, ehe Sie überhaupt angefangen haben.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Haben Sie sich das alles aufgeschrieben, Frau Kollegin?)

    A la bonheur, das war ein guter Start, das war ein gelungener Start. Was immer Sie an Vorstellungen zur Umstrukturierung, zu moderner Industrie- und Beschäftigungspolitik haben mögen — übrigens: das Wort „Arbeitslosigkeit" gibt es in Ihrem Sprachschatz offensichtlich überhaupt nicht —,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das nimmt er bewußt nicht in den Mund! — Kittelmann [CDU/CSU]: Die Arbeitslosen haben Sie geschaffen!)




    Frau Simonis
    Sie werden von den Gnaden des Finanzministers abhängig sein, und dieser wird Sie Jahr für Jahr klammheimlich um Zentimeter kürzen, bis Sie nicht mehr da sind — so wie andere Minister in diesem Kabinett auch nicht mehr.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Ha, ha!)

    Herzlichen Glückwunsch zu diesem Start!
    Da nicht sein kann, was nicht sein darf, mußten Sie in der „Stuttgarter Zeitung" am 9. August 1984 auch ganz schnell bekanntgeben, daß die Regierung zwar höhere Arbeitslosigkeit und geringeres Wachstum befürchte, daß Sie aber keinen Handlungsbedarf sähen. Wie könnten Sie auch? Sie haben keinen Handlungsspielraum, wo sollen Sie dann den Handlungsbedarf sehen? Sie sind wie der Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind. Wer kein Geld hat, kann auch nichts machen. Insoweit haben Sie sich ganz logisch verhalten.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Frau Kollegin, Sie haben doch schon alles vorher formuliert!)

    Fasziniert von den sogenannten Spar- und Sanierungserfolgen des großen Finanzjongleurs Dr. Stoltenberg, verfolgt das staunende Publikum stumm das Geschehen, obgleich es weiß Gott Grund zur Klage gibt. Und hätten Sie sich die Mühe gemacht, die Pressenotizen noch einmal kurz durchzugucken, dann wäre Ihnen aufgefallen, daß selbst das Kieler Wirtschaftsforschungsinstitut, das doch sonst immer auf Ihrer Seite steht — ich habe jedenfalls noch nie etwas anderes erlebt —, Ihnen ein ziemlich düsteres Zukunftsbild mit auf den Weg gibt und Sie warnt, mit dem Blödsinn, den Sie angefangen haben, weiterzumachen, weil sonst ein schlimmer Konjunktureinbruch und höhere Arbeitslosigkeit zu befürchten seien. Das lesen Sie nicht, das sehen Sie nicht; Arbeitslosigkeit und Konjunktureinbrüche kommen in Ihrem Weltbild eben nicht vor.

    (Beifall bei der SPD)

    Statt dessen: Weil Sie dies alles nicht zur Kenntnis nehmen wollen, werden die Titel Ihres Haushalts — wie in einer Fieberkurve — herauf- und heruntergefahren, als gäbe es überhaupt keinen Sinn, keine ordnende Hand hinter all dem, was Sie machen. Wie predigten Sie doch früher, als Sie in der Opposition waren, vor allem die Union? Verstetigung der Wirtschaftspolitik, Kalkulierbarkeit der Finanzpolitik, Verläßlichkeit. Ade, du schöner Traum! An die Stelle dieser Kriterien ist das Regiment der geänderten Richtlinien und der Verwaltungsvorschriften getreten — jedes Jahr eine andere Verwaltungsvorschrift, jedes Jahr andere Berechnungskriterien. Ich kann mir vorstellen, daß die Wirtschaft über diese Leistung der neuen Regierung erfreut ist.
    Welcher Sinn steht denn beispielsweise hinter der Tatsache, daß Sie den Mut haben, die Kohlehilfe-Titel um ein Viertel des 1984er Ansatzes zurückzunehmen, um mehr als eine halbe Milliarde DM?
    Soll denn der Markt dort heilend eingreifen, wo Sie zu bange sind, Herr Bangemann, um etwas zu tun? Soll der Markt das auf Null herunterbringen, was wir an Kohlevorrangpolitik von Ihnen immer hören? Dies ist doch eine Chimäre, an die Sie selber nicht mehr glauben; die Sie nur vor sich hertragen, wenn Sie in Nordrhein-Westfalen Stimmen gewinnen wollen.

    (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Nicht so schnell, Frau Kollegin, langsamer!)

    Zu den Investitionshilfen für den Bergbau, die der Finanzminister mit seinem spitzen Stift um fast 100 Millionen DM gekürzt hat, sagte er, als er noch als Ministerpräsident in Schleswig-Holstein die Union vertreten hatte, in einer Sendung des ZDF zu dem damaligen Finanzminister, es sei unglaublich, daß die Investitionshilfen für den Bergbau in einer Zeit der Beschäftigungslosigkeit und Beschäftigungsschwierigkeiten um 100 Millionen DM zurückgefahren worden seien. Sekundiert haben damals die CDU-Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, die jetzt plötzlich in Schweigsamkeit verfallen sind. Eine Krähe pickt der anderen halt so ungern in der Öffentlichkeit ein Auge aus. Aber eigentlich müßten Sie sich wirklich schämen ob Ihrer Mutlosigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Offensichtlich hofft die ganze Regierung mitsamt der sie tragenden Koalition, daß sich mit der Zeit ein gnädiges Vergessen über Ihre großen Worte von gestern legen wird. Die neue Devise heißt sparen; sparen bis zum letzten Arbeitslosen, sparen bis zum letzten Arbeitsplatz. Wohin das noch gehen wird, weiß kein Mensch.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Dümmliche Polemik, die Sie da abgeben!)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Kollegin Simonis, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rumpf?

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    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie mag ihn nicht!)

    Sie kürzen in den Haushalten Wirtschaft, Verkehr, Forschung und Technologie mehr als 1 Milliarde DM an Investitionen. Das bedeutet, daß bei der Werften- und Reederhilfe, bei Kohle und Stahl nichts, aber auch gar nichts Neues kommt. Dies bedeutet, daß im Ruhrgebiet, in den Werftstandorten, im Saarland, also überall dort, wo die Arbeitslosigkeit, die bei Ihnen j a nicht vorkommt, besonders hoch ist, nichts, aber auch nichts geschehen wird, um die Hoffnungslosigkeit von drohender Arbeitslosigkeit zu beenden.
    Was machen Sie statt dessen? Sie überweisen in einem unglaublichen Finanztrick an das Saarland großmütig 3 Jahre lang je 100 Millionen DM. Jetzt rechne ich Ihnen einmal vor, wie das funktioniert. Da nimmt die Landesregierung des Saarlandes, die sowieso total pleite ist, 100 Millionen DM aus ihrer leeren Kasse, bezahlt aus dieser leeren Kasse die von Arbed Saar-Stahl an Bund, Land und Bank verpfändeten Grundstücke, und am Ende kommen



    Frau Simonis
    vom Bund in die leere und bereits marode Kasse wieder 100 Millionen DM zurück.
    Das ist ein Finanzierungs- und Buchungstrick, mit dem nicht ein einziger Arbeitsplatz geschaffen wird, mit dem überhaupt nichts passieren wird, durch den vielleicht am Schluß die Gewinne der Banken etwas nach oben gehen werden. Ähnlich machen Sie es mit Bremen. Wo immer Sie Wirtschaftspolitik betreiben: Es ist ein Hin- und Herbuchen; es ist jedenfalls keine aktive Beschäftigungspolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Für die konservative Regierung ist Arbeitslosigkeit offensichtlich ein selbstverschuldetes Schicksal. Diejenigen, die arbeitslos sind, scheinen arbeitsunfähig und arbeitsunwillig zu sein. Ausgrenzen, abschieben, an den Rand schieben — das ist Ihre Antwort für alle Probleme, die wir haben. Frauen gehören in Ihrem Weltbild sowieso an den Kochtopf, und für arbeitslose Jugendliche fällt Ihnen außer dummen Sprüchen auch nichts ein.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Lassen Sie doch diese dümmliche Polemik! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ihr gewinn-, umsatz-, rentabilitäts- und leistungskonzentriertes Weltbild erlaubt es einfach nicht, Erbarmen mit denjenigen zu haben, die beim Tätigwerden des Big money im Wege stehen.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Kittelmann [CDU/CSU])

    Gott erbarme sich unser, wenn Sie sich doch einmal erbarmen! Was hören wir dann von Sozialpolitikern aus Ihren Reihen? — Kleiderspenden aus der Kleiderkammer der Gemeinden, warme Decken und ein Süppchen. Das ist alles, wozu die leistungsorientierte Ellenbogenpolitik Ihrer Partei sich aufraffen kann,

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Um Gottes willen! Da klatschen die noch!)

    jedenfalls nicht Teilhabe am Arbeitsmarkt, nicht ein gesichertes Einkommen, nicht Selbstverantwortung.
    Als Herr Stoltenberg noch Ministerpräsident war, da klang das allerdings ganz anders.
    Er erklärte am 4. Juli 1982 im Deutschlandfunk, die wichtigste innenpolitische Aufgabe unserer Zeit sei eine Lösung der bedrückenden Arbeitsmarktprobleme, denn sonst entstünde eine Vertrauenskrise in der Bevölkerung, weil die Absichtserklärungen der Politiker in Bonn, nämlich die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, und das tatsächliche Verhalten immer weiter auseinanderfielen.
    Wie wahr, Herr Stoltenberg! Er ist zwar nicht da, aber er kann es ja später nachlesen.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Das liest er nicht nach! Das lohnt sich nicht!)

    Er hat es offensichtlich nie nötig, da zu sein, wenn Wirtschafts- und Finanzpolitik in diesem Hohen Hause gelesen werden.
    Offensichtlich bestimmt das Sein doch das Bewußtsein; denn damals war Herr Stoltenberg noch Ministerpräsident in Schleswig-Holstein und wollte Geld aus der Kasse haben. Das wollte er aus der Kasse der sozialliberalen Koalition haben, denn seine Partei war j a damals hier in Bonn in der Opposition. Heute, als Finanzminister und als „neuer" Wirtschaftsminister, befassen Sie sich natürlich nicht mehr mit solchen Petitessen. Heute widmen Sie sich dem Großen und dem Ganzen. Um Ihrer Politik den letzten Touch von Glaubwürdigkeit zu geben und von Glamour, bedienen Sie sich der Argumentationsweise der französischen Sozialisten. Wie merkwürdig! Die Affinität dieses Kabinetts zur Linkskoalition in Frankreich ist schon sehr verwunderlich, wenn man an die sonstige Aufgeregtheit denkt, mit der Sie jeden vermeintlichen und wirklichen Kommunisten verfolgen und die ein bißchen an die Aufgeregtheit einer Gouvernante in einem Mädchenpensionat erinnert, die einen jungen Mann in ihren Reihen vermuten muß.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Der Ausflug in die große Weltpolitik, der europäische Spaziergang, der uns gestern vorgeführt wurde, täuscht doch nicht darüber hinweg, daß überall dort in Europa und in Amerika, wo Konservative regieren, die Ungerechtigkeit in der Sozialpolitik zunimmt, die Dauerarbeitslosigkeit steigt und Menschen, die arbeiten wollen und arbeiten können, in Armut leben, weil man nichts, aber auch überhaupt nichts für sie tut.

    (Zuruf des Abg. Niegel [CDU/CSU])

    Sie können sich das so lange leisten, wie Ihre eigene Wählerklientel offensichtlich noch zufriedengestellt ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Die weltpolitischen Ausflüge des Finanzministers, Herrn Stoltenberg, täuschen auch nicht darüber hinweg, daß er seine unausrottbare Neigung, Haushalte durch Buchungstricks, Umtitulierungen und Verstecken von Titeln auszugleichen, aus Schleswig-Holstein mit nach hier gerettet hat. Wo ist denn eigentlich die Bauernsubvention, wo sind die Bauernmilliarden geblieben? Stehen sie im Agrarhaushalt? Nein, die haben Sie als geringere Einnahmen einfach weggelassen; denn sonst wäre der Agrarhaushalt um 25 % gestiegen. Und wo waren damals — das geht nahtlos ineinander über — beim Weggang des Finanzministers aus Kiel — er war damals dort Ministerpräsident — jene 280 Millionen DM, nach denen der völlig verdatterte Landesminister in der Landtagsdebatte fragen mußte? Der Finanzminister mußte antworten, er finde sie leider nicht. Er fand auf einmal sein Loch in der Finanzkasse nicht wieder und erklärte kühl, dann würde er bei einem Gesamthaushalt von knapp 8 Milliarden DM eben die Nettokreditaufnahme auf mehr als 1,8 Milliarden DM, die Neuverschuldung auf 2,8 Milliarden DM heraufbringen. Wirklich eine wahrhaft saubere und stramme Leistung: fast ein Viertel dessen, was Sie im Haushalt haben, über Neuverschuldung zu finanzieren! Das ist der Fi-



    Frau Simonis
    nanzminister der Bundesrepublik geworden. Sie haben einen guten Griff gemacht.
    Man muß dem Herrn Finanzminister äußerst eiserne Nerven bescheinigen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die braucht man bei Ihnen auch!)

    wenn gerade er den Mut findet, das Land Nordrhein-Westfalen und die dortige Regierung in einer derart platten Art und Weise anzugehen. Psychologisch betrachtet will er auf diese Art und Weise wohl sein eigenes schleswig-holsteinisches finanzpolitisches Chaos, das er hinterlassen hat, verarbeiten.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Oder hat er vergessen, hat er verdrängt, daß während seiner Zeit als Ministerpräsident — noch bis 1982 — Schleswig-Holstein die höchste Zinsbelastung, die größte Verschuldung, die höchste Ausgabensteigerung hinzunehmen hatte, während es bei den Investitionsquoten unter allen Ländern einen mickerigen, schamhaft verborgenen letzten Platz belegte?
    Wer dem Finanzminister und dem Wirtschaftsminister zugehört hat und der Meinung ist, daß deren beider Reden eigentlich ja ganz nett gewesen seien, der solle sich einmal vor Augen führen, wie beispielsweise die neue Regierung im Zusammenspiel mit der Landesregierung in Schleswig-Holstein die HDW-Sanierung betrieben hat. Bis einen Tag vor der Wahl haben Sie — man möchte es beinahe sagen — das Publikum belogen, indem Sie garantiert haben, daß alle Arbeitsplätze bestehenblieben. Und was haben Sie am 14. März 1982 gemacht? Mit der Kühlheit einer Salatgurke im Sommer sind Sie hingegangen und haben 4 000 Leute auf die Straße gesetzt. Das war dann Ihr Werftsanierungskonzept.
    Man kann zusammenfassen: Die Politik des Finanz- und des Wirtschaftsministers besteht darin, durch Kündigen zu sparen. So haben Sie es immer gemacht. So werden Sie es im Saarland machen. So werden Sie es nach den Wahlen in NordrheinWestfalen machen. Sie werden das nicht ändern, und immer sind die anderen daran schuld. Nie war es der Finanzminister, nie war es die Regierung.
    Der so oft beschworene sich selbst tragende Aufschwung findet nicht statt. Die Steuerreform, die größte aller Zeiten, wie Herr Kohl meint aber was bedeutet das schon? —, wird nicht stattfinden, jedenfalls nicht in dem Ausmaße, wie es versprochen worden ist. Im großen und ganzen produzieren Sie viel heiße Luft, um als Opferlamm dunkler Mächte, der Gewerkschaften, der Linken und aller möglichen Leute dastehen zu können,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt machen Sie mal Pause!)

    während doch in Wirklichkeit bei all unseren Problemen der Finanzminister nicht das Opferlamm, sondern der Täter ist.

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Sie waren schon mal viel charmanter, Frau Kollegin!)

    — Wissen Sie, mit Charme ist der Arbeitslosigkeit auch nicht beizukommen. Wenn Sie das glauben, müssen Sie auch erst einmal eine Charmestunde nehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik hält sich auf einem erschreckend hohen Niveau mit steigender Tendenz. Der Finanzminister lädt zu einer Pressekonferenz und feiert seine neuesten Sparerfolge. Die Dauerarbeitslosigkeit nimmt zu, die sogenannte stille Reserve ebenfalls. Dr. Stoltenberg äußert sich zufrieden über seine Sparerfolge. Frauen und ältere Arbeitnehmer finden kaum noch Arbeitsplätze. Dr. Stoltenberg strahlt über seine Sparerfolge. Zehntausende von jungen Leuten suchen vergebens eine Lehrstelle. Dr. Stoltenberg läßt über die Pressestelle seines Hauses die frohe Botschaft über die fortschreitende Sanierung des Haushalts verkünden. Immer weniger Arbeitslose erhalten Unterstützung. Die durchschnittliche Arbeitslosenunterstützung beträgt 900 DM im Monat, die durchschnittliche Arbeitslosenhilfe liegt unter 700 DM. Der Finanzminister kassiert voraussichtlich 4 Milliarden DM von der Bundesanstalt für Arbeit und lobt öffentlich seine besonnene Haushalts- und Finanzpolitik. Der Wald stirbt und stirbt. Dr. Stoltenberg bedauert den Zustand des Waldes, ist aber der Meinung, die Sanierung der öffentlichen Haushalte habe den Vorrang.
    Die Zahl der Beschäftigten ist im ersten Halbjahr 1984 im Vergleich zum ersten Halbjahr 1983 um 130 000 gesunken. Das müßte Ihnen zu denken geben. Dem Finanzminister gehen immer noch nicht die Worte aus, um sich und seine erfolgreiche Politik zu loben und zu bewundern. Die Zahl der Insolvenzen steigt. Die Subventionen nehmen zu, nicht aber die Zahl der Existenzen. Lieber Herr Bangemann, die Zahl der Neugründungen war 1983 atemberaubend: Es waren 1 000. Wenn Sie davon schon beglückt sind, sind Sie als Wirtschaftsminister schnell zu beglücken. Das muß ich wirklich sagen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: 8 000)

    Mittelfristig sinkt die Investitionsquote in den Haushalten. Der Hoch- und Tiefbau kommt in schweres Wasser. Der für 1984 angekündigte Investitionsboom bleibt aus. Die steuerlichen Subventionen steigen. Die Steuerlastquote steigt ebenfalls. Dr. Stoltenberg, selbsternannter Star des Kabinetts, ist immer noch nicht müde, sich selbst zu loben. Langsam wird das fast schon langweilig.
    Wie haben Sie diese ganzen Sparerfolge denn eigentlich geschaffen? Seit Dr. Stoltenberg Finanzminister ist und Herr Kohl versucht, Kanzler zu spielen, liefert die Bundesbank vollkommen gegen ihre sonstigen Gewohnheiten stillschweigend nahezu 40 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen ab, und



    Frau Simonis
    das Kabinett nimmt diese 40 Milliarden, ebenfalls vollkommen gegen seine sonstigen Gewohnheiten, stillschweigend ein, kassiert sie und bessert damit den Haushalt optisch auf. Es ist eigentlich fast schon zu verständlich, daß Sie so unruhig sind, denn Ihre Anhängerschaft droht im wilden Chaos unterzugehen. Herr Worms — er hat ja eine Wahl zu bestehen — steht an der Spitze derjenigen, die sagen, jetzt müsse es aus sein mit dem Sparen. Die Sozialausschüsse, schon immer das Radieschen auf der Fleischplatte der Konservativen, sind ebenfalls dieser Meinung.

    (Heiterkeit — Beifall bei der SPD)

    Nach der Wahl wird das Radieschen im übrigen mit allen Anzeichen des Widerwillens abserviert, und es hat sich dann.
    Unbekümmert von solchen Petitessen wie wachsender Arbeitslosigkeit, wachsender Dauerarbeitslosigkeit, regionalen Schwächen und Umweltzerstörung kümmert sich in diesem Kabinett niemand — niemand! — um diese Probleme. Keiner fühlt sich aufgerufen.
    Der Wirtschaftsminister sieht keinen Handlungsbedarf. Wie soll er auch? Er hat j a kein Geld. Der Finanzminister findet sich sowieso immer prima, und dem Kanzler reicht es — —

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie sich auch, Frau Kollegin! — Heiterkeit bei der CDU/ CSU)

    — Ich bin prima. Sie werden es nicht glauben. (Heiterkeit — Beifall bei der SPD)

    Sie erlauben, daß ich noch einmal anfange. Wiederholungen sind manchmal gar nicht so schade. Der Wirtschaftsminister sieht keinen Handlungsbedarf. Der Finanzminister findet sich allemal prima, und dem Kanzler reicht, was hinten herauskommt
    — das reicht eben manchmal nicht —, und er hat beim Zuwarten auch keine Probleme. Natürlich haben Sie keine Probleme — das kann sein —; aber die Arbeitslosen, die Frauen, die keine Arbeitsplätze finden, die Sozialhilfeempfänger, die Jugendlichen haben bei Ihrer Warte- und Hinhaltestrategie in der Tat Probleme.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie sagte der Finanzminister in seinem Interview am 4. Juli 1982? Ich wiederhole es:
    Es könnte sonst eine Vertrauenskrise in der Bevölkerung entstehen, wenn die Absichtserklärungen der Politiker in Bonn, nämlich die Bekämpfung der zunehmenden hohen Arbeitslosigkeit, und das tatsächliche Verhalten in der Finanzpolitik immer mehr auseinanderfallen. Das spüren die Menschen.
    Man kann Ihnen, der gesamten Regierung und der Koalition, bestätigen: Sie tragen in großem Maße zu dieser Vertrauenskrise bei.

    (Beifall bei der SPD — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das war aber vielleicht schwach! Eine kabarettistische Vorstellung!)