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    Plenarprotokoll 10/82 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 82. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Dregger CDU/CSU 5951 B Dr. Hauff SPD 5959 D Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 5965 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 5968 C Frau Seiler-Albring FDP 5972 B Handlos fraktionslos 5974 B Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 5975 D Roth SPD 5984 C Kroll-Schlüter CDU/CSU 5990 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 5993 B Eimer (Fürth) FDP 5995 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 5997 C Frau Simonis SPD 6006 C Niegel CDU/CSU 6010 C Drabiniok GRÜNE 6013 C Dr. Schmude SPD 6015 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 6019A Frau Fuchs (Köln) SPD 6022 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 6027 B Hoss GRÜNE 6030 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 6032 D Sieler SPD 6040 D Dr. Friedmann CDU/CSU 6044 A Glombig SPD 6047 B Schlatter SPD 6051 C Dr. von Wartenberg CDU/CSU 6054 B Dr. Jens SPD 6056 A Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 6058 C Dr. Hauchler SPD 6060 D Vizepräsident Westphal 6014 C Nächste Sitzung 6063 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6065* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. September 1984 5951 82. Sitzung Bonn, den 13. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 13. 9. Antretter ** 14. 9. Büchner (Speyer) 14. 9. Eigen 14. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel ** 14. 9. Dr. Holtz ** 14. 9. Jaunich 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski ** 14. 9. Dr. Müller ** 14. 9. Reddemann ** 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Dr. Rumpf ** 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Schulte (Unna) ** 13. 9. Schwarz ** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg * 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. Dr. Unland ** 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Bitte sehr.


Rede von Marieluise Beck-Oberdorf
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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Herr Minister, können Sie mir bitte sagen, wie es Ihnen möglich ist, alles auszuklammern, was ein Stückchen hinter diese logische Kette, die sie gerade gebildet haben, führt? Sie nennen das billigere Wohnen, und sie berücksichtigen z. B. überhaupt nicht Agrarimporte aus der Dritten Welt, wo die Armut zunimmt. Das müssen Sie doch zu Ihren Ausführungen hinzunehmen. Oder Sie sagen „billige Produktion" und es wissen doch alle, daß hier auf Grund der Vernachlässigung ökologischer Zusammenhänge billig produziert wird. Das können Sie doch nicht außer acht lassen!

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Nein, wenn Sie mich danach fragen, will ich das selbstverständlich nicht außer acht lassen. Auf die Gefahr hin, daß der Kollege Gallus einräumen muß, daß ich auch von Agrarpolitik etwas verstehe, sage ich Ihnen folgendes. Ich bin überhaupt nicht Ihrer Meinung. Wissen Sie, warum nicht? Weil diese Europäische Gemeinschaft, die ja der Hauptträger von Entwicklungspolitik, auf jeden Fall von Agrarpolitik geworden ist, die einzige Gruppe von Ländern in der Welt ist, die gerade auf diesem Gebiet ganz dezidierte Entwicklungspolitik zur Förderung der Landwirtschaft dort vor Ort betreibt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir könnten, wenn wir wollten, hier genügend Zucker produzieren. Wir haben jetzt auch Überschüsse. Obwohl wir genügend Zucker produzieren könnten, haben wir den AKP-Ländern, insbesondere den karibischen Ländern, für die das eine traditionelle Produktion ist, Quoten zu festen Preisen eingeräumt, die sie bei uns absetzen können, damit sie davon leben können. Wir haben ihnen gleichzeitig gesagt, daß sie eigentlich von dieser Monokultur wegkommen sollten, denn wenn sie sich selbst ernähren, können sie nicht nur immer auf Exporterlöse schauen, sondern müssen in erster Linie etwas produzieren, damit sich ihre eigene Bevölkerung ernähren kann.

    (Dr. Jannsen [GRÜNE]: Das machen Sie mal hier!)

    — Hier machen wir das j a. Mein verehrter Kollege,
    darf ich Ihnen einmal etwas sagen: Wissen Sie, mit
    welchen Entwicklungsländern wir die größten Schwierigkeiten haben, sie dazu zu bringen, eine eigene Agrarproduktion aufzubauen, damit sie ihre eigenen Leute ernähren können? Mit den Entwicklungsländern, die sich am weitesten weg von einem liberalen System befinden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

    Je weiter weg sie von liberalen Überzeugungen in der Wirtschaftspolitik sind, um so eher neigen sie zu einem staatlichen Dirigismus, um so mehr gehen sie aber auch direkt an den Interessen der Bevölkerung vorbei. Dort werden dann nämlich die großen Flugplätze gebaut, und wir, die Europäer, müssen denen beibringen, daß sie erst einmal die Wasserversorgung in den Dörfern verbessern müssen, damit nämlich die Frauen in den Entwicklungsländern — wenn ich Ihnen das auch noch sagen darf, die Frauen in den Entwicklungsländern sind die eigentlichen Last- und Arbeitstiere in diesen Gesellschaftssystemen —

    (Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Bei uns auch!)

    etwas davon haben. Das müssen wir den Leuten
    sagen. Auf die Idee kommen die nämlich gar nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Jetzt möchte ich mich, nachdem ich mich schon in das Gebiet von Herrn Warnke eingemischt habe — ich bitte um Entschuldigung —, mit dem Streik befassen. Herr Apel und, wie ich glaube, auch Herr Roth, haben meine Äußerung zum Streik zitiert. — Herr Roth nicht, aber ich nehme an, Sie können sie auch zitieren; wenn Sie Herr Apel zitiert, können Sie sicher dasselbe sagen.

    (Roth [SPD]: Den sogenannten Wirtschaftsminister!)

    Ich möchte Ihnen dazu folgendes sagen: Natürlich wurde die Aufwärtsentwicklung durch die Arbeitskämpfe in der Metallindustrie und Druckindustrie unterbrochen. Das läßt sich nicht bestreiten. Das ist eine Feststellung, das ist kein Vorwurf, keine Wertung. An Tatsachen sollte aber niemand vorübergehen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Die Unternehmer hätten ja früher kompromißbereit sein können!)

    Es ist auch klar, Herr Kollege, daß natürlich ein solcher Arbeitskampf, besonders wenn er so erbittert ausgefochten wird, das Klima in der Wirtschaft beeinträchtigt. Das kann man auch nicht bestreiten. Das ist auch eine Tatsache, die nicht dazu führen muß, daß man einen Arbeitskampf gar nicht mehr macht, aber man muß damit rechnen, daß das der Effekt ist. Die Produktionsausfälle sind statistisch nachweisbar. Daran läßt sich auch nichts deuteln.
    Gerade deswegen habe ich vorgeschlagen, daß wir, nachdem wir noch volkswirtschaftlich verantwortbare Ergebnisse bei den endgültigen Tarifvereinbarungen erzielt haben, in Zukunft einen solchen ideologisch verhärteten Arbeitskampf vermei-



    Bundesminister Dr. Bangemann
    den sollten, wenn doch beide Teile wissen, daß am Ende ein vernünftiges Ergebnis herauskommen muß. Deswegen bin ich sehr froh, daß die Gewerkschaften jetzt nach einer gewissen Zeit des Zögerns damit einverstanden sind, die Kamingespräche beim Bundeskanzler wieder aufzunehmen, denn wir werden die technologischen Herausforderungen, die einen Eingriff in manche liebgewordene soziale Position nach sich ziehen werden, nur bestehen, wenn wir sie gemeinsam bestehen. Wenn wir daraus ideologische Streitigkeiten machen, werden wir es nicht schaffen. Deswegen bin ich froh, daß wir nach diesem Streik zumindest in ein vernünftigeres Verhältnis kommen können. Was an dieser Bundesregierung liegt, vor allen Dingen was an dem Bundeskanzler liegt, da kann ich Ihnen versichern,

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD] sowie weitere Zurufe von der SPD)

    zu diesem Dialog sind wir bereit. Es liegt jetzt bei den Gewerkschaften, ob sie diese ausgestreckte Hand ergreifen wollen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn wir jetzt trotz der zurückliegenden Tarifauseinandersetzungen das Wachstumsziel noch erreichen können, dann spricht das für die Robustheit des durch den Vertrauensgewinn in Gang gesetzten Aufschwungs. Die Bedingungen für die Fortsetzung dieses Aufschwungs sind günstig. Produktion und Investitionen laufen wieder. Die Auftragseingänge steigen wieder, und die Vertrauensbasis wird breiter. Das wird auch 1985 anhalten.
    Wenn Sie immer wieder Wirtschaftsinstitute zitieren, dann sollten Sie sie ganz zitieren. Der Kollege Apel hat das RWI zitiert, wenn ich mich nicht täusche. Er hätte dann eigentlich auch einmal sagen müssen, was er zu den grundlegenden Positionen dieses Instituts sagt, das j a — wie auch wir — der Meinung ist, daß eine noch stärkere Konsolidierung allein geeignet ist und noch stärkere vernünftige Lohnpolitik Voraussetzungen schaffen kann für eine Verstetigung der Konjunktur. Man kann sich nicht aus einer ganzen Stellungnahme das herauspicken, was einem gefällt, und sich auf die Autorität eines solchen Instituts berufen und den ganzen Rest, der die Bundesregierung und ihre Wirtschaftspolitik bestätigt, weglassen. Das kann man nicht machen. Ich will nicht sagen, daß das unredlich ist. Aber das ist einfach kein guter Beitrag zu einer Diskussion, die wir ja gemeinsam führen wollen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Natürlich gibt es auch Risiken, zum Teil solche, die wir nicht beeinflussen können: in den USA. Wir wissen nicht, wie sich die konjunkturelle Entwicklung dort gestalten wird. Wir haben einige Hoffnungen, daß sie das Verschuldungsproblem lösen können, jedenfalls in den Griff bekommen. Aber wir haben selbstverständlich nicht alles schon jetzt parat. Man kann aber sagen: Die positiven Faktoren — die Faktoren, die uns zu dem Urteil berechtigen, auch 1985 werde der Anstieg weitergehen — sind wesentlich deutlicher als diese Risiken.
    Es ist natürlich verfrüht, dazu schon jetzt Zahlen zu nennen. Es ist mir sicher gestattet, auch einmal jemanden zu zitieren. Ich habe kein Institut, sondern eine Landesbank ausgesucht, nämlich die Westdeutsche Landesbank; denn sie ist am unverfänglichsten. Niemand wird mir unterstellen, daß ich mir dort etwas bestellt habe. Die Westdeutsche Landesbank hat in einer interessanten Übersicht für das Jahr 1985 ein durchschnittliches Wachstum von 2,5% bis 3,0% vorhergesagt. Ich mache mir, wie gesagt, die Zahlen jetzt nicht zu eigen; denn ich glaube, daß es noch etwas zu früh ist. Aber diese Prognose zeigt, wie stark der Optimismus selbst bei diesen Instituten ist, die ja doch, Herr Roth, sicherlich einen tieferen Einblick in sozialdemokratische Gemütsgänge haben als ich.

    (Roth [SPD]: Ich wußte gar nicht, daß es sozialdemokratische Banken gibt!)

    Gerade die jüngste lange Rezessionsphase hat einerseits gezeigt, wie dringend nötig Wachstum z. B. für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für die Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherung, für die Einhaltung unserer Verpflichtungen auch gegenüber den Entwicklungsländern ist. Wir haben jetzt z. B. im Lomé III — — Warum verziehen Sie Ihr Gesicht? Sie kennen doch sicher Lomé III, nehme ich an. — Wir haben trotz unserer Konsolidierungspolitik beispielsweise zugestimmt, dieses Programm um eine Milliarde ECU, also rund 2,5 Milliarden DM, auf 7 Milliarden ECU aufzustocken. Wer in der ganzen Welt, meine Damen und Herren, tut eigentlich soviel für Entwicklungspolitik wie diese europäischen Länder?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die in den 70er Jahren erhobene Forderung nach Nullwachstum ist weitgehend verstummt. Warum? Weil man erkannt hat, meine Damen und Herren, daß in einem Wirtschaftswachstum, das auch qualitativen Anforderungen genügt, viele Probleme von heute überhaupt erst lösbar werden. Wir haben Umweltprobleme. Wir leben in einem schärfer werdenden Umweltbewußtsein. Das ist gut so. Aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wenn wir nicht bereit sind, moderne Technologien zu nutzen, dann werden wir neue Umweltschäden provozieren und die vorhandenen nicht oder nicht so schnell beseitigen können. In diesen modernen Technologien liegt auch eine Chance für die Bewältigung von Problemen der Umweltpolitik. Eines will ich Ihnen mit Deutlichkeit sagen: Wer z. B. gegen die moderne Biotechnik eintritt und sie als ein Kind des Teufels betrachtet, der argumentiert von einer Position des Luxus aus. Meine Damen und Herren, ich möchte einmal einen Politiker eines Landes fragen, in dem tagtäglich Menschen verhungern, ob der nicht sofort bereit wäre, Biotechnik anzuwenden, wenn er das Verhungern dieser Menschen verhindern könnte.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die GRÜNEN — eine Luxuspartei!)




    Bundesminister Dr. Bangemann
    Hier argumentieren wir nämlich als Luxusgeschöpfe.

    (Frau Dr. Hickel [GRÜNE]: Was ist Biotechnologie?)

    Weil wir Hunger bei uns nicht mehr kennen, glauben wir uns höhere moralische Standards leisten zu können. Wir schließen die Augen vor den Anforderungen von Millionen von Menschen auf der Welt, die um das nackte Überleben kämpfen. Auch das ist eine Position, die man einmal bedenken muß.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das bedeutet auch für unsere Wirtschaft Wachstumschancen. Kein Mensch soll annehmen, daß Umweltpolitik immer nur Behinderung bedeutet. Deswegen wird sich diese Regierung auch aus wirtschaftspolitischen Gründen für ein umweltfreundliches Auto mit Vehemenz und mit Nachdruck einsetzen. Wir werden dafür eine Lösung finden, weil wir es auch aus wirtschaftspolitischen Gründen für richtig halten. Warum ist denn die französische und die britische Automobilindustrie in Amerika nicht so erfolgreich wie die deutsche? Weil sie sich nicht eingestellt hat und nicht einstellen wollte und konnte auf die härteren Umweltanforderungen in Amerika. Wir haben das getan, und wir haben dort unseren Markt behalten. Wer sich vom technologischen Fortschritt abkoppelt, wer glaubt, daß er in einem Gehäuse leben kann — das europäische Gewerkschaftsinstitut hat erst vor kurzem wieder den Vorschlag gemacht, wir sollten die Technologie langsamer entwickeln, und wenn die Japaner uns voraus seien, dann gebe es ein ganz einfaches Mittel, und zwar machen wir unsere Grenzen dicht und lassen das halt nicht mehr herein —, der erreicht erstens zu Hause keinen Schutz, und zweitens tut er etwas fundamental Negativeres, er beseitigt sämtliche Konkurrenzchancen, die wir auf dem Weltmarkt überhaupt noch haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deswegen wird sich diese Regierung auch mit Vehemenz und mit Nachdruck darum kümmern, daß wir im Bereich der Außenhandelspolitik den freien Welthandel beibehalten, den wir heute haben. Da gibt es Gefahren. Im amerikanischen Kongreß gibt es über hundert Gesetzentwürfe, die protektionistischen Inhalt haben. Natürlich ist in Wahlkampfzeiten wie heute die Chance relativ gering, daß man für Freihandel Alliierte findet, wenn man sich vor den Wählern präsentieren und ihnen erklären muß, daß natürlich auch eine amerikanische Wirtschaft sich dem internationalen Wettbewerb stellen muß. Das müssen wir aber tun. Wir werden uns mit Nachdruck dafür einsetzen, daß die neue GATT-Runde gut vorbereitet wird, aber bald beginnt. Wir haben zunehmend subtile Praktiken, die protektionistischer Natur sind und die die Chancen unserer Wirtschaft behindern werden. Sie wissen, daß über 50 % unserer Industrieproduktionen exportiert werden und daß wir deswegen dafür sorgen müssen, daß wir diese Chancen nicht verlieren.
    Mehr private Initiative, mehr Flexibilität und Dynamik versprechen wir uns auch von den Bemühungen um Entbürokratisierung, um Abbau hemmender administrativer Regelungen und auch von der Politik der Privatisierung öffentlicher Beteiligungen und Dienstleistungen. Deswegen ist die Bereitstellung von Risikokapital so wichtig. Konkrete Vorschläge hierzu werden wir in Kürze auf den Tisch legen. Zu überlegen sind dabei die Abschaffung der Gesellschafts- und Börsenumsatzsteuer, die Erleichterung des Börsenzugangs für mittelständische Unternehmen und auch ein Organisationsgesetz für Unternehmensbeteiligungsgesellschaf ten.
    Diese Politik ist auch dann wichtig, wenn, wie wir jetzt sehen, unser Kapitalmarkt sehr robust ist. Wer hätte denn eigentlich erwartet, daß bei einer Zinsdifferenz von über 5% gegenüber dem amerikanischen Kapitalmarkt, bei der bekannten Robustheit auch der amerikanischen Wirtschaft und der damit verbundenen Sicherheit Anleger zwar nach Amerika gehen, dennoch aber unser Zinsniveau nicht nur stabil gehalten werden konnte, sondern sogar noch abgesunken ist. Was das für die privaten Investitionen bedeutet, ist überhaupt nicht abzumessen. Deswegen möchte ich mich bei dem Kollegen Stoltenberg ganz ausdrücklich bedanken. Eine Konsolidierungspolitik, die die öffentliche Hand als Nachfrager vom Kreditmarkt ausschließt, oder sagen wir einmal: nicht mehr im selben Umfang wie in der Vergangenheit dort auftreten läßt, schafft Freiräume für die private Nachfrage, hält das Zinsniveau niedriger und hat uns in die Lage versetzt, trotz des hohen amerikanischen Zinsniveaus ohne administrative Regelungen einen funktionierenden Kapitalmarkt bei uns aufrechtzuerhalten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nun noch ein Wort zur Forschungspolitik, weil Herr Roth mich auch darum gebeten hatte. Ich weiß, daß die Forschungspolitik, die die SPD fordert, als aktiv, vorausschauend bezeichnet wird, weil sie staatlichen Charakter haben soll. Sie haben das zuletzt in Ihrer Großen Anfrage zum Ausdruck gebracht. Ich halte eine solche Politik für verfehlt. Sie führt zu kollektiven Fehlinvestitionen, sie führt zu Subventionswettlauf, sie führt zu Wettbewerbsverzerrungen, zu Überkapazitäten, sie entmutigt Unternehmer und Arbeitnehmer. Ganz besonders gefährlich wäre der dadurch eingeleitete Förderwettbewerb zwischen den Staaten.
    Meine Damen und Herren, wenn die Bundesrepublik eine solche gezielte Forschungsförderungspolitik unter massivem Einsatz öffentlicher Mittel betreiben würde, dann bliebe sie j a nicht allein. Sie würde sofort die Konkurrenz Frankreichs, Großbritanniens, Japans und der USA herausfordern. Sie geraten unweigerlich in einen Subventionswettlauf, den wir vielleicht aushalten können, der aber zur Fehlleitung von öffentlichen Geldern führt. Öffentliches Geld, das Sie falsch investiert haben, fehlt Ihnen zweimal: Zum einen müssen Sie es aufbringen — entweder durch Steuern oder im Zweifel durch Schuldaufnahme —, zum anderen fehlt es der Wirtschaft dort, wo es produktive Wirkungen gehabt hätte. Deswegen ist eine sogenannte aktive Forschungsförderungspolitik das Gegenteil dessen, was wirkungsvoll ist. Sie können von dieser Bun-



    Bundesminister Dr. Bangemann
    desregierung nicht erwarten, daß sie das Gegenteil von dem sucht, was wirkungsvoll ist, Herr Kollege Ehmke.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Herr Riesenhuber hält sich in diesen Definitionen. Deswegen ist seine Förderungspolitik ja wirkungsvoll. Wenn er die Ihre übernehmen würde,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Hat er ja!)

    würde er sich als Mitglied dieser Bundesregierung sicherlich nicht wohlfühlen.
    Diese Position und diese Wirtschaftspolitik der Bundesregierung können wir als Beitrag zu einer wirtschaftlichen Gesundung in diese Debatte einführen. Diese wirtschaftliche Gesundung hat aber nicht nur wirtschaftspolitische Effekte. Das war in der deutschen Geschichte schon immer so, und das wird auch so bleiben. Eine vernünftige, eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung, die durch eine zurückhaltende marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik möglich wird, geht in ihren politischen Wirkungen weit über das eigentliche materielle Wohlergehen der Menschen hinaus. Sie schafft nämlich als erstes gesellschaftliche Freiräume, die Sie auf keine andere Weise schaffen können. Staatlicher Dirigismus, Interventionismus, beschränken persönliche Freiheit nicht nur im Wirtschaftsbereich, sondern darüber hinaus. Menschen leben freier in einem Gesellschaftssystem, das sich von marktwirtschaftlichen Positionen bestimmen läßt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Diese Wirtschaftspolitik enthält darüber hinaus auch eine sozialpolitische Komponente. Liberale Wirtschaftspolitik ist kein blutiger Kapitalismus, wie er noch in den Anfängen des 19. Jahrhunderts zu verzeichnen war; er ist mit Recht kritisiert worden. In einer postindustriellen Gesellschaft ist diese Wirtschaftspolitik zutiefst auch Sozialpolitik, weil sie den Menschen die Möglichkeit gibt, selbst zu verdienen, und weil sie ihnen auch die Möglichkeit gibt, nach einem erfüllten Arbeitsleben eine Rente als sicher anzusehen. Das ist mit ein Bestandteil liberaler Wirtschaftspolitik. Deswegen verstecken wir uns auch nicht und lassen uns in eine Ecke drängen, indem man sagt: Ihr mögt zwar effizient sein, aber sozial seid ihr nicht. Im Gegenteil, diese Wirtschaftspolitik ist zutiefst sozial und wird deswegen von uns aus Gründen sozialer Gerechtigkeit vertreten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)