Rede von
Rudolf
Dreßler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Axel-Springer-Verlag Aktiengesellschaft beschäftigte zum Jahresende 1980 10 357 Arbeitnehmer. Zwei Jahre später hatte der AxelSpringer-Verlag die Belegschaft um 497 Beschäftigte reduziert. Im gleichen Zeitraum erhöhte der Verlag seinen Umsatz um 200 Millionen auf 2,1 Milliarden DM.
Der Bertelsmann-Konzern, Herr Cronenberg, verringerte von 1980 bis 1982 seine Belegschaft um 1 012 Arbeitnehmer. Der Umsatz wurde im gleichen Zeitraum von 2,8 auf 3 Milliarden DM gesteigert.
Die gesamte Branche konnte ihren Umsatz von 1973 bis 1983 — in zehn Jahren — von knapp 12 auf knapp 22 Milliarden DM steigern, aber die Beschäftigtenzahl wurde im gleichen Zeitraum um 40 000 gesenkt. Das ist ein Verlust von knapp 20% aller Arbeitsplätze der Druckindustrie. 1973 sorgten 203 000 Arbeitnehmer für einen Umsatz von 12 Milliarden DM; zehn Jahre später reichten 163 000 aus, um den Umsatz um 45,6% gesteigert zu haben.
Das Ergebnis ist: der Umsatz nahezu verdoppelt, aber die Zahl der Arbeitsplätze um 20 % reduziert.
Allein von 1978 bis 1983 — in fünf Jahren — ist in der Druckindustrie die reale Arbeitsproduktivität um 20,6% gestiegen.
Die Reallöhne erhöhten sich in diesem Zeitraum aber um 6%. Die verbleibenden 14,6%, Herr Kolb, sind nicht in Arbeitszeitverkürzungen geflossen, sondern sie sind bei den Druckunternehmern geblieben.
Bei dieser Ausgangslage hat nun die IG Druck und Papier während der laufenden Verhandlungen gefragt, ob die Bereitschaft bestehe, eine Wochenarbeitszeitverkürzung vorzunehmen, wenn das Kostenargument der Druckunternehmer von der IG Druck und Papier voll aufgenommen wird, d. h. im Klartext: eine stufenweise Einführung der 35-Stunden-Woche zu vereinbaren. Die Antwort der Unternehmer, die sich von der ersten Minute dieses Kampfes um Arbeitszeitverkürzungen bis jetzt auf die totale Unterstützung der Regierung verlassen konnten, lautete: Aus prinzipiellen Überlegungen lehnen wir jede Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit unterhalb der 40-Stunden-Woche ab, selbst dann, wenn es nichts kostet.
Das hat nichts mehr mit Ökonomie zu tun, Herr Cronenberg. Das hat nichts mit Kosten zu tun und nichts mit Konkurrenz. Das ist knallharte Machtpolitik.
Das ist knallharte Machtpolitik, die mit Unterstützung von Herrn Bundeskanzler Kohl, Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff und Arbeitsminister Blüm betrieben wird.
Aber ich sage Ihnen: Sie haben zu hoch gereizt. Ihre Propagandamaschine ist kein Ersatz für das kleine Einmaleins. Jeder Arbeitnehmer sieht seit Jahren, daß dem betrieblichen Umsatzplus das Beschäftigtenminus gegenübersteht. Vertreter dieser Regierung versuchen nun, die Gewerkschaften an den Rand der Gesellschaft zu drängen.
Gleichzeitig sind sie sich aber nicht zu schade, aus Steuersündern, die das Parteibuch der CDU, der CSU und der FDP haben, treue Demokraten zu machen. Sie sind wirklich eine feine Gesellschaft: das will ich Ihnen sagen.
Denjenigen, die hier von Streikschäden faseln, möchte ich einmal sagen: Sie sollten sich lieber einmal um Wirtschaftskriminalität kümmern.
Durch Wirtschaftskriminalität werden dieser Gesellschaft nämlich jährlich zweistellige Milliardenbeträge vorenthalten. Wenn Sie sich auf diesem Gebiet betätigen würden, und weniger gegen Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften, hätten Sie ein dankenswertes Betätigungsfeld.