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ID1006205400

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    Plenarprotokoll 10/62 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 30. März 1984 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4407 A Aktuelle Stunde betr. die aktuelle Menschenrechtslage in der Türkei angesichts der bedrohlichen Lage der Gefangenen in den türkischen Militärgefängnissen Schily GRÜNE 4407 B Dr. Pohlmeier CDU/CSU 4408 B Voigt (Frankfurt) SPD 4409 C Dr. Hirsch FDP 4410 B Genscher, Bundesminister AA 4411 A Frau Huber SPD 4411 D Graf Huyn CDU/CSU 4412 D Frau Luuk SPD 4413 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 4414 D Hoss GRÜNE 4415 D Schwarz CDU/CSU 4416 B Bindig SPD 4417A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 10/1201 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 10/1202 — 4417 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes — Drucksache 10/1108 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Fischer (Frankfurt), Dr. Jannsen, Frau Reetz, Schily und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes — Drucksache 10/1184 — Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 4418 B Fischer (Osthofen) SPD 4419 D Bohl CDU/CSU 4422 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 4424 D Kleinert (Hannover) FDP 4426 D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes — Drucksache 10/1189 — Dr. Kreile CDU/CSU 4429 C Dr. Mertens (Bottrop) SPD 4430 D Gattermann FDP 4432 C Krizsan GRÜNE 4433 C Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . 4434 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. März 1984 Beratung des Jahresberichts 1983 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksache 10/1061 — Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 4435 B Heistermann SPD 4437 A Dr. Feldmann FDP 4438 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 4440 B Voigt (Sonthofen) fraktionslos 4442 C Nächste Sitzung 4444 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4445 *A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4445 *C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. März 1984 4407 62. Sitzung Bonn, den 30. März 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 30. 3. Austermann 30. 3. Bahr 30. 3. Dr. Becker (Frankfurt) 30. 3. Frau Beck-Oberdorf 30. 3. Breuer 30. 3. Brosi 30. 3. Buschbom 30. 3. Catenhusen 30. 3. Curdt 30. 3. Dörflinger 30. 3. Dr. Ehmke 30. 3. Engelsberger 30. 3. Frau Fischer 30. 3. Franke 30. 3. Gallus 30. 3. Dr. Götz 30. 3. Dr. Häfele 30. 3. Heyenn 30. 3. Jaunich 30. 3. Klein (München) 30. 3. Dr. Kübler 30. 3. Kuhlwein 30. 3. Lambinus 30. 3. Liedtke 30. 3. Link (Diepholz) 30. 3. Lutz 30. 3. Metz 30. 3. Dr. Müller* 30. 3. Nelle 30. 3. Niegel 30. 3. Offergeld 30. 3. Porzner 30. 3. Frau Reetz 30. 3. Reuschenbach 30. 3. Sauer (Stuttgart) 30. 3. Schmidt (Hamburg) 30. 3. Frau Schmidt (Nürnberg) 30. 3. Schmidt (Wattenscheid) 30. 3. Schmitz (Baesweiler) 30. 3. Frau Schoppe 30. 3. Schröder (Hannover) 30. 3. Dr. Stark (Nürtingen) 30. 3. Stücklen 30. 3. Tietjen 30. 3. Vahlberg 30. 3. Dr. Warnke 30. 3. Weiskirch (Olpe) 30. 3. Wischnewski 30. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wissmann 30. 3. Würtz** 30. 3. Zander 30. 3. Dr. Zimmermann 30. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Nutzung der Solartechnik für die Niedertemperatur-Wärmeversorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 10/1090) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30. Januar bis 2. Februar 1984 in Straßburg (Drucksache 10/1096) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Konsolidierung und zum Ausbau des Europäischen Währungssystems im Rahmen der Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom März 1982 (Drucksache 10/1097) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 4. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1983 (Drucksache 10/1113) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Entwicklung der mit den Verkaufserlösen und Betriebsausgaben in der Land- und Forstwirtschaft anfallenden Mehrwertsteuer (Vorsteuerbelastung) (Drucksache 10/1122) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Zustimmungsbedürftige Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/84 - Zollpräferenzen 1984 gegenüber Entwicklungsländern - EGKS) (Drucksache 10/1156) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 3. Mai 1984 vorzulegen
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    Rede von Dieter Heistermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage des Jahresberichts 1983 kommt der Wehrbeauftragte einem Auftrag dieses Hohen Hauses nach. In seinen Vorbemerkungen führt er aus, daß durch die Neufassung des Wehrbeauftragtengesetzes eindeutig klargestellt wurde, daß er bei all seinen Aufgaben als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages handelt. Durch die Erweiterung seiner Amtsbefugnisse, so führt der Wehrbeauftragte weiter aus, sei ihm ein wirksames Instrument für die effektive Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über die Streitkräfte an die Hand gegeben. Herr Wehrbeauftragter, mit Ihnen freuen wir uns, daß dies gelungen ist, und danken schon jetzt ihnen und Ihren Mitarbeitern für den umfassenden Jahresbericht 1983.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Der Jahresbericht 1983 weist aber wiederum einige bemerkenswerte Vorgänge aus, darunter „alte Bekannte", aber auch neue Tendenzen nach dem Regierungswechsel, die hellhörig machen müssen. Ohne auf alle Einzelbeispiele hier einzugehen, möchte ich doch dem Bundesminister der Verteidigung sehr nahelegen, in seiner schriftlichen Stellungnahme zum Jahresbericht 1983 deutlich herauszuarbeiten, wie er auf die geschilderten Vorgänge zu reagieren gedenkt. Wir erwarten, daß die klaren Feststellungen und eindeutigen Forderungen des Wehrbeauftragten ernstgenommen und erfüllt werden. Wir erwarten ebenso, daß die schriftliche Stellungnahme zügig erarbeitet wird, damit der Verteidigungsausschuß seine Beratungen über beide Berichte aufnehmen kann.
    Gespannt sind wir allerdings auf die Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung, der zum erstenmal, auf Antrag der sozialdemokratischen Mitglieder des Verteidigungsausschusses, binnen Jahresfrist über seine vollzogenen Maßnahmen zum Vorjahresbericht 1982 Rechenschaft ablegen muß. Der Verteidigungsausschuß hatte einmütig die berechtigte Kritik des Wehrbeauftragten übernommen, daß die Forderungen des Wehrbeauftragten, seine Ratschläge und Empfehlungen oft nur halbherzig oder überhaupt nicht befolgt worden sind.

    (Weiskirch [Olpe] [CDU/CSU]: Unter eurer Regierung!)

    Wir stimmen dem Wehrbeauftragten ausdrücklich zu, wenn er ausführt, daß polemische Angriffe auf im Bundestag vertretene Parteien oder andere Gruppierungen, ausfallende Äußerungen über Politiker, Abgeordnete und Amtsträger nicht mit den im Soldatengesetz niedergelegten Pflichten vereinbar sind. Wir stimmen auch überein, wenn der Wehrbeauftragte feststellt, daß überall dort, wo die Debatte über die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland und die damit verbundene Friedensdiskussion mit Toleranz und gebotener Umsicht geführt wurde, bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen eine sachbezogene Auseinandersetzung möglich war. Dies war ein demokratisches Lehrbeispiel. Besser konnte keine politische Bildung in der Bundeswehr sein. Wir möchten deshalb alle Vorgesetzten, die diesen Weg gegangen sind, in ihrer Auffassung bestärken.
    Es geht auch nicht an, daß Äußerungen, seien sie nun pro oder kontra Nachrüstung, dienstrechtlich unterschiedlich bewertet werden. Hier erwarten wir vom Bundesminister der ,Verteidigung eindeutige Klärungen.

    (Eigen [CDU/CSU]: Richtig!)

    Zeitgemäße Menschenführung, wichtiger Bestandteil der Offiziers- und Unteroffiziersausbildung, verliert ihren Wert, wenn der berüchtigte Kasernenton das Handeln von Vorgesetzten bestimmt. Wir bringen kein Verständnis für Dienstvorgesetzte auf, die sich zu Späßen und Scherzen auf Kosten Untergebener hinreißen lassen. Die geschilderten Beispiele über Aufnahmerituale, Unteroffizierstaufen oder wie immer sie genannt werden, sind nicht nur abstoßend, nein, sie verletzen die Würde des Menschen.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diesem Verhalten muß ein Riegel vorgeschoben werden. Welche fatalen Auswirkungen das schlechte Vorbild von Dienstvorgesetzten beim Umgang mit Schußwaffen haben kann, belegen die tragischen Unglücksfälle mit tödlichem Ausgang. Hier gilt es aufzuarbeiten.
    Das Thema Wehrgerechtigkeit und Wehrsolderhöhung steht für uns Sozialdemokraten in einem unmittelbaren Zusammenhang. Wer so lange über beide Themen redet, aber nichts tut, verliert an Glaubwürdigkeit.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Sehr richtig!)




    Heistermann
    Wenn junge Menschen ein persönliches Opfer für die Gemeinschaft zu erbringen haben, dann muß auf ihre dringenden Sorgen, wie Ausbildungsplatz, Studium und Arbeitsplatz, eine Antwort gefunden werden. Das setzt flexibleres Handeln voraus, als es bisher Praxis ist. Verwendungsstau, hohe Dienstzeitbelastungen, häufige Trennungen von der Familie verlangen baldige Antworten, die das Ministerium diesem Hause bisher schuldig blieb.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Den Verwendungsstau hätten Sie ja lösen können! — Würzbach [CDU/CSU]: Bis 1982 waren das nur hohle Vokabeln, Herr Heistermann, da haben Sie recht!)

    Viele Soldaten lassen sich nicht mehr mit Worten vertrösten, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, auch nicht mehr chloroformieren. Wir sind gespannt, wie die Antworten dieser Regierung lauten.

    (Weiskirch [Olpe] [CDU/CSU]: Wer hat denn zwölf Jahre regiert?)

    Die Unzulänglichkeiten in der Gesundheitsfürsorge, Mängel bei der Einberufung zu Wehrübungen sind Probleme, die wir aufarbeiten müssen.
    Pflichtverstöße höherer Dienstgrade sind keine Kavaliersdelikte. Sie sind zu ahnden. Recht darf nicht gebeugt werden. Es darf nicht der Eindruck im Raum stehenbleiben, Wehrpflichtige würden strenger bestraft als Offiziere.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages kann deshalb sicher sein, daß die SPD-Bundestagsfraktion seinen Bericht aufarbeiten wird.
    Den Bundesminister der Verteidigung möchte ich auffordern, das Liederbuch der Bundeswehr, wie in dem Bericht des Wehrbeauftragten vermerkt, an einigen Textstellen zu überarbeiten. Ich zitiere hierzu die zweite und die vierte Strophe des Panzerliedes.

    (Weiskirch [Olpe] [CDU/CSU]: Singen Sie es doch!)

    — Herr Kollege Weiskirch, wir können es nachher vielleicht gemeinsam singen. — Die zweite Strophe heißt:
    Mit donnerndem Motor so schnell wie der Blitz, dem Feinde entgegen im Panzer geschützt, voraus den Kameraden, im Kampfe ganz allein, so stoßen wir tief in die feindlichen Reih'n.

    (Berger [CDU/CSU]: Das Buch wurde 1973 eingeführt!)

    — Herr Kollege Berger, jetzt kommt die vierte Strophe:
    Und läßt uns im Stich einst das treulose Glück und kehren wir nicht mehr zur Heimat zurück, trifft uns die Todeskugel, ruft uns das Schicksal ab, dann ist uns der Panzer ein ehernes Grab.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Schmidt, Leber, Apel kritisieren Sie da!)

    Wir meinen: Falsches Heldentum sollte überwunden werden. Ich kann nur sagen: Wir fordern Sie
    auf, das mit uns gemeinsam zu tun. Wir werden also
    die Initiative des Bundesministers der Verteidigung im Ausschuß gern entgegennehmen. Deshalb unsere dringende Bitte: Nehmen Sie sich des Liederbuchs an, und streichen Sie diesen Text!
    Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt der Überweisung des Jahresberichts 1983 an den Verteidigungsausschuß zu.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Feldmann.

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    Rede von Dr. Olaf Feldmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde die Schwerpunkte in dieser Debatte etwas anders setzen.
    Der Wehrbeauftragte beginnt auch den Jahresbericht 1983 wieder mit einem Kapitel über den Schutz der Grundrechte und die Grundsätze der Inneren Führung. Ein Ziel der Inneren Führung ist, so stellt der Wehrbeauftragte fest, die Streitkräfte nahtlos in unseren freiheitlich-demokratischen Rechts- und Sozialstaat einzubinden und sie darüber hinaus in unsere Gesellschaft zu integrieren. Diese Integration in die Gesellschaft ist ein ständiger Prozeß. Das Prinzip der Inneren Führung hat wesentlich dazu beigetragen, daß die Bundeswehr als ein Teil der demokratischen Gesellschaft von den Bürgern angenommen wurde. Die Innere Führung muß deshalb gewahrt und weiter ausgebaut, sie muß immer wieder neu belebt werden.
    Wir Politiker nehmen die Bundeswehr gern vor ungerechtfertigten und polemischen Angriffen in Schutz, weil sie ihren Auftrag zur militärischen Friedenssicherung von uns, den Politikern, erhalten hat und für alle Bürger erfüllt.
    Wir können die Bundeswehr aber schlecht in Schutz nehmen, wenn sie ihr Ansehen durch eigenes Fehlverhalten, und sei es auch nur das Fehlverhalten von Minderheiten, belastet, wenn sie z. B. die Prinzipien der Inneren Führung vernachlässigt, die Meinungsfreiheit der Soldaten ohne dienstliche Notwendigkeit beschneidet oder die Rechte der Bürger in Uniform mißachtet. Solche gelegentlichen Mißstände, wie sie der Wehrbeauftragte. festgestellt hat, müssen beseitigt und für die Zukunft möglichst ausgeschlossen werden.
    Als anschauliches Beispiel für den fortgeschrittenen Integrationsprozeß hat der Wehrbeauftragte zu Recht begrüßt, daß ein immer größerer Teil der Soldaten zu einem politischen Engagement außerhalb der Kasernen bereit ist. Die von ihm zitierten 1129 Kommunalpolitiker in Uniform sind ebenso wie das zunehmende Engagement der Soldaten in gesellschaftlichen Gruppen und in Verbänden ein Zeugnis dieser Bereitschaft und belegen den fortgeschrittenen Integrationsprozeß. Die dienstlichen Probleme, die sich aus der politischen Betätigung der Soldaten ergeben, müssen aber gesehen und berücksichtigt werden. Wir wünschen hier mehr Flexibilität und weniger Bürokratie. Wenn die Bundeswehr Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse



    Dr. Feldmann
    von Spitzensportlern nimmt, müssen auch die politisch engagierten Soldaten Rücksicht erwarten dürfen. Die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft, meine Damen und Herren, ist diesen Preis wert.

    (Berger [CDU/CSU]: Richtig!)

    Dieses politische Engagement der Soldaten ist gesellschaftlich nicht nur toleriert, es findet auch Anerkennung. Von der FDP wird dies ausdrücklich gewünscht.

    (Beifall bei der FDP)

    Das bedeutet für uns, daß sich Soldaten außerhalb des Dienstes zu allen politischen Fragen äußern können. Die Meinungsfreiheit des Bürgers in Uniform darf auch nicht vor der Sicherheitspolitik haltmachen. Ich vermisse in dem ansonsten mit vielen Beispielen angereicherten Bericht, daß er sich zur Einschränkung der Rechte der Soldaten zur politischen Betätigung nicht konkreter geäußert hat. Ich begrüße daher, daß das Bundesverwaltungsgericht in den nächsten Wochen einen ganz konkreten Fall entscheiden wird. Damit wird — hoffentlich — durch ein oberstes Bundesgericht mehr Klarheit über die Möglichkeiten der politischen Betätigung der Soldaten geschaffen.
    Der Wehrbeauftragte stellt allgemein fest, daß Meinungsäußerungen pro und kontra Nachrüstung dienstrechtlich in unterschiedlicher Weise bewertet wurden. Ich hätte es begrüßt, wenn auch hier Einzelfälle, die zur Sorge um das Ansehen der Bundeswehr Anlaß geben, im Bericht genannt worden wären. Denn in den Medien war einiges über angebliche dienstliche Benachteiligung solcher Soldaten zu lesen, die sich gegen die Nachrüstung ausgesprochen hatten.

    (Weiskirch [Olpe] [CDU/CSU]: Zum Teil auch maßlos übertrieben!)

    Für uns Politiker, die wir hieraus Konsequenzen zu ziehen bzw. anzuregen hätten, wäre es hilfreich, dazu etwas aus berufenem Munde, nämlich vom Wehrbeauftragten, zu hören.
    Ich stelle für die FDP fest: Die Bundeswehr hat 1983 ihre Bewährungsprobe bestanden. Die Nachrüstungsdiskussion war zum Prüfstein für das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Gesellschaft geworden. Die Bundeswehr hat sich der Auseinandersetzung mit den Kritikern der Sicherheitspolitik gestellt. Sie hat teilweise vorbildlich zur Versachlichung der Diskussion beigetragen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    An den differenzierten Positionen, die viele Soldaten dabei bezogen hatten, hat sich auch gezeigt, daß die Bundeswehr kein Staat im Staate ist, daß die Soldaten, vor allem die Wehrpflichtigen, ein repräsentativer Querschnitt durch unsere pluralistische Gesellschaft sind. Es ist bedauerlich, daß sich manche Nachrüstungsgegner von übertriebenen Emotionen hinreißen ließen

    (Berger [CDU/CSU]: Und Fanatismus!)

    und statt Kritik an der Sicherheitspolitik Polemik
    an der Bundeswehr geübt haben. Vor solchen unsachlichen und ungerechtfertigten Angriffen möchte ich die Bundeswehr und die Soldaten ausdrücklich in Schutz nehmen.
    Meine Damen und Herren, nicht die Bundeswehr bestimmt die Sicherheitspolitik, sondern das Parlament und die demokratisch gewählte Regierung. Die Bundeswehr hat den Auftrag nur zu erfüllen, den die Politik ihr zuweist — nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Politik — nicht die Bundeswehr — bestimmt, welche Waffen zu diesem Zweck angeschafft werden. Die Bundeswehr ist also der falsche Adressat für Opposition und Protest. Diese Adressaten können nur wir als Politiker, die Regierung und die Parteien, sein. Die Bundeswehr und die Soldaten haben es nicht verdient, daß sie für einen Auftrag beschimpft werden, den nicht sie, sondern den wir hier im Parlament definieren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der Wehrbeauftragte wünscht, daß der Bundesminister der Verteidigung seine Auffassung zum Traditionsverständnis in den Streitkräften bald zum Ausdruck bringen möge. Wir wissen, daß der Minister kurz nach seiner Amtsübernahme die Überprüfung der gerade erst von seinem Vorgänger erlassenen Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr angeordnet hat.

    (Berger [CDU/CSU]: Das war auch nötig!)

    Lassen Sie mich aber, Herr Kollege, zu den Apelschen Richtlinien eines sagen: Ihr Entstehungsprozeß war vorbildlich. Ich erinnere an die Debatte „Soldat und Gesellschaft" im April 1981 hier in Bonn, an der neben der Bundeswehr viele politische und gesellschaftliche Gruppen, so etwa die Kirchen und die Jugendverbände, beteiligt waren. Die Ergebnisse dieses offenen Meinungsbildungsprozesses wurden Bestandteil des Traditionserlasses. Er entspricht in den wesentlichen Punkten dem Grundgedanken — da werden Sie mir auch nicht widersprechen — einer in die demokratische Gesellschaft eingebetteten Armee. Ich habe Verständnis dafür, wenn ein Minister nicht einfach ungeprüft alles übernimmt, was sein Vorgänger erlassen hat. Ich meine aber, daß die Überprüfung dieser Traditionsrichtlinien nicht hinter verschlossenen Türen vonstatten gehen sollte.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Denn die Traditionsrichtlinien für die Bundeswehr sind auch von gesamtgesellschaftlichem Interesse. Die Art und Weise, wie die Bundeswehr auftritt, wie und welche Traditionen sie pflegt, ist entscheidend für ihr Ansehen und für das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Die Bundeswehr muß sich nach unserer demokratischen Gesellschaft ausrichten und nicht umgekehrt.
    Der Wehrbeauftragte hat das wichtige Problem der Wehrgerechtigkeit vor allem unter dem Aspekt der studierwilligen Abiturienten abgehandelt. Es ist zu begrüßen, daß es im vergangenen Jahr gelungen ist, Studienzeitverluste für Abiturienten durch Flexibilität der Wehrersatzbehörden und der Truppe



    Dr. Feldmann
    weitgehend zu vermeiden. Der Bericht berücksichtigt aber kaum, daß eine größere Zahl Jugendlicher nach dem Abschluß der Lehre keine Stelle findet, weil sie den Arbeitgebern nicht sagen können, wann sie zum Wehrdienst einberufen werden. Ich weiß, daß es nicht immer möglich ist — das wurde auch schon ausgeführt —, junge Männer direkt im Anschluß an die Lehre einzuberufen. Unabdingbar scheint mir aber zu sein, daß sich der Bundesverteidigungsminister um mehr Einberufungsklarheit bemüht. Das heißt, den Jugendlichen ist frühzeitig und verbindlich mitzuteilen, wann sie nach Abitur, wann sie nach der Lehre mit der Einberufung rechnen müssen.
    Gestatten Sie mir zwei Abschlußbemerkungen. Die im Bericht aufgezeigten Mängel dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß unsere Bundeswehr eine Armee von hoher Qualität ist und damit ein zuverlässiger Faktor der militärischen Friedenssicherung. Das ist nur möglich, weil unsere Soldaten und ihre Angehörigen bereit sind, erhebliche Belastungen auf sich zu nehmen. Dem gilt der ausdrückliche Dank der FDP-Bundestagsfraktion.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Unser Dank gilt aber auch dem Wehrbeauftragten, dessen Bericht wieder zeigt, daß er seinem Auftrag, als Anwalt der Soldaten tätig zu sein, wiederum voll gerecht geworden ist.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Auch darauf dürfte es zurückzuführen sein, daß der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages von den. Soldaten zunehmend als „unser Wehrbeauftragter" bezeichnet wird. Herr Wehrbeauftragter, darauf können Sie stolz sein.
    Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)