Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat vom Beginn der Militärherrschaft in der Türkei an die Entwicklung mit großer Sorge beobachtet. Die beiden Türkeiberichte der Bundesregierung haben das zum Ausdruck gebracht. Im Augenblick bereitet uns besondere Sorge, die Lage in bestimmten türkischen Militärgefängnissen, wo Häftlinge Forderungen erheben, die nach unserer Überzeugung bei Anlegung eines mindestrechtsstaatlichen Anspruchs als legitim zu bezeichnen sind.
In dem hier von Herrn Kollegen Schily geschilderten Fall scheint es so zu sein, daß ein Teil der beanstandeten Maßnahmen in der Sache eingestellt sind, andere nicht, daß aber die Häftlinge durch den Hungerstreik erreichen möchten, daß eine Rücknahme der jetzt gegebenen Verbesserungen vermieden wird, d. h. ein Zugeständnis der türkischen Verantwortlichen für die Beachtung dieser Mindestmaßstäbe.
Die Bundesregierung appelliert an die türkische Regierung, vor allem aber an die für die Militärgefängnisse Verantwortlichen, diesen Weg zu beschreiten. Sie appelliert in Übereinstimmung auch mit Kollegen aus dem Deutschen Bundestag an die Hungerstreikenden, ihren Hungerstreik einzustellen. Wir begrüßen es, daß im Augenblick der Versuch unternommen wird, auch von einer von der Regierung eingesetzten Militärkommission, diesen Weg zu gehen und auf diese Weise die Einstellung des Hungerstreiks zu erreichen.
Die Bundesregierung läßt sich bei ihren Appellen an die Verantwortlichen in der Türkei von der Erkenntnis leiten, daß gerade wir einen Anlaß haben, auch in unseren Beziehungen zu anderen Ländern durch unser Eintreten für die weltweite Beachtung der Menschenrechte einen Beitrag für Mindestansprüche bei der Durchsetzung von Menschenrechten auch dort zu leisten, wo andere Vorstellungen unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung noch nicht verwirklicht werden können.
Deshalb ist unsere Menschenrechtspolitik nicht einäugig. Sie ist aber dort anspruchsvoller, wo es sich um Länder handelt, die mit uns in einem Bündnis zur Verteidigung der Freiheit zusammengeschlossen sind.
Deshalb haben die Mitglieder der Bundesregierung, die in der Vergangenheit und wie in diesen Tagen Kollege Wörner die Türkei besuchten bzw. besuchen, ihr Recht, über diese Fragen zu sprechen, nicht nur aus der gemeinsamen Mitgliedschaft in der NATO hergeleitet, sondern auch aus unserer gemeinsamen Mitgliedschaft im Europarat und auch aus der Tatsache, daß die Türkei assoziiertes Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist, alles Gemeinschaften, für die die Wahrung der Würde des Menschen oberstes Ziel ist.
Der deutsche Botschafter hat gestern ein weiteres Mal wegen der Lage in den türkischen Gefängnissen im Außenministerium vorgesprochen, die Sorge der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht und dort die Zusicherung erhalten, daß außer der Militärkommission sich auch eine Kommission der türkischen Regierung mit dieser Lage befassen wird. Die Bundesregierung wird diese Bemühungen fortsetzen. Sie würde sich durch eine Delegation des Deutschen Bundestags in ihren Bemühungen unterstützt sehen.
Ich möchte die Ausführungen meines Kollegen Hirsch unterstreichen. Ich glaube, wir erkennen im Augenblick den Beginn eines verstärkten Demokratisierungsprozesses in der Türkei. Dieser Prozeß, der sich aus einer schweren inneren Entwicklung der Türkei ergibt, verdient unser aller Unterstützung. Deshalb sehen wir auch in der Zusammenarbeit der Mitglieder des Deutschen Bundestages mit Mitgliedern des neugewählten türkischen Parlaments einen geeigneten Weg, die demokratischen Kräfte in der Türkei bei der Überwindung der Relikte des Militärregimes zu unterstützen.
Die Bundesregierung glaubt, daß sie selbst und die Parteien des Deutschen Bundestages auf diesem Wege am geeignetsten dazu beitragen können, die Menschenrechtslage in der Türkei zu verbessern mit dem Ziel, daß den Betroffenen geholfen wird, daß aber auch ein uns verbündetes Land jenes Maß an Beachtung der Menschenrechte zeigt, das den Wert unserer Allianz ausmacht.
Ich danke Ihnen.