Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich, daß Sie bis zum letzten Moment ausgeharrt haben. Ich werde Sie damit belohnen, daß ich es ganz kurz mache.
Bei der SPD ist heute eigentlich doch durchgekommen, daß sie die Wende dort sucht, wo sie nicht ist, und sie sie immer dort nicht findet, wo sie schon längst geschehen ist, nämlich in der Wirtschaftspolitik. Es ist ganz eigenartig. Es ist so, wie wenn ein Jäger mit einem geladenen Gewehr auf das Wild wartet, das Gewehr, weil das Wild nicht kommt, entlädt, in ein neues Revier geht, zielt und abdrückt, das Gewehr aber nicht schießt. So ungefähr war das heute auch zu sehen.
Wir befinden uns doch vollkommen in der Kontinuität. Ich darf doch einmal aus dem Protokoll vom 18. März 1982 zitieren, was Minister Offergeld vor dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit nach einer sehr ausgedehnten Reise nach Nicaragua gesagt hat. Er sprach von der Grundlage der deutsch-nicaraguanischen Zusammenarbeit. Die Ziele der Revolution seien Pluralismus, Demokratie, gemischte Wirtschaftsform, Blockfreiheit. Weiter sagte er, er habe auf die deutschen Sorgen bezüglich der Behinderung der Opposition und der Presse und bezüglich der Verhaftungen, der wachsenden Militarisierung usw. hingewiesen.
Zum Schluß erklärte er, er habe während seines Besuchs keine formalen Zusagen im Sinn der Rahmenplanung gegeben usw. usf.
Also dieser Prozeß — dieser Meinung bin ich nach wie vor, Herr Wischnewski — ist voll in Gärung begriffen. Wir können nun nicht etwas ganz anderes als das machen, was die sozialliberale Regierung damals getan hat.
— Was soll das heißen?
Herr Holtz, vielleicht liegt es an Ihrem Informationsdefizit. Als wir zusammen in Mittelamerika waren, haben Sie sich ja geweigert, mit bestimmten Gruppen zu sprechen,
die Sie hier aussortiert haben. Wir haben mit allen gesprochen. Das ist immer der Unterschied.
— Mir kommt es manchmal so vor, als ob sich die SPD — —(Frau Gottwald [GRÜNE]: Sagen Sie doch,
welche Gruppen es waren! Darauf bestehe
ich jetzt!)
— Ach Frau Gottwald! Machen Sie eine kleine Zwischenfrage, und dann sage ich alles. Also! Köstlich!
Die SPD ist beinahe auf einer sozialistischen Insel. Vielleicht sind die GRÜNEN noch weiter links. Aber wenn der Herr Holtz versucht, sie links zu überholen, muß ich sagen: Links von Ihnen, Frau Gottwald, ist ja nur noch die Wand.
Alle Nachbarn in Mittelamerika stehen den Sandinisten inzwischen kritisch gegenüber. Selbst Kuba rät zur Mäßigung. Die Contadora-Gruppe als Versuch einer Lösung aus der Region hat sich engagiert. Kuba ist — das weiß es selber — in einer Sackgasse und rät den anderen bereits, Hilfe beim Westen zu suchen.
Ich meine, wir sind uns doch darüber im klaren: Die mittelamerikanischen Staaten wollen eines: Sie wollen von den USA unabhängig sein, und sie wollen ihren eigenen Weg gehen.
— Jawohl!
Und deswegen meine ich im Gegensatz zu Ihnen, Frau Gottwald, daß der Kissinger-Bericht etwas mehr als früher differenziert. Er hat durch Selbstkritik, Differenzierungsbereitschaft, Querdenken und Selbstbeschränkung mit der amerikanischen Politik Remedur gemacht. Er zeigt auf, was falsch gelaufen ist und was besser gemacht werden kann.
Aber es geht immer um diese drei Forderungen: Pluralismus, eine gemischte Wirtschaftsform und Blockfreiheit.
Jetzt will ich mal versuchen, den Pluralismus in Nicaragua darzustellen, wie er mir begegnet ist. Er ist buntschillernd.
3676 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984
Dr. Rumpf
Es gibt beeindruckende Fortschritte im Gesundheits- und Bildungsbereich. Das ist eindeutig. Im Bildungsbereich ist dummerweise alles voll marxistischer Floskeln. Warum, weiß man nicht. Das ist j a nicht nötig. Dem stehen Behinderungen der Pressefreiheit gegenüber. Sicher ist das inzwischen ein bißchen besser geworden. Dem steht weiter die Verletzung von Menschenrechten gegenüber. Stichwort: Misquitos. Aber beim Botschafter der Bundesrepublik Deutschland stehen am Abend alle einträchtig beisammen, auch die inländische Opposition mit einem Uniformierten der Junta. Sie sprechen miteinander; und es passiert nichts. Ich möchte sagen: Hier ist zumindest mehr Pluralismus als beispielsweise in irgendeinem Land des Ostblocks zu sehen.
Aber was sagt die deutsche Kolonie? Die deutsche Kolonie zerfällt in drei Gruppen. Es gibt glühende Verehrer dieser sandinistischen Freiheitsbewegung in Nicaragua.
Sie treten praktisch dafür ein. Sie kämpfen dafür.
Es gibt Schwarzseher. Die sagen: Es läuft überhaupt nichts; wir werden alle pleitegehen. Schließlich gibt es die abwägende Mitte, die sagt: Man sollte die Tür nicht zuschlagen. Genau dies hat die Bundesregierung getan. Wir werden die Tür nicht zuschlagen.
Und ich muß hier sagen: Die Stimmenthaltung der Freien Demokratischen Partei im Ausschuß bei der Beratung der Haushaltsansätze hat ja doch die Wirkung gezeigt, daß die Tür nicht zugeschlagen wird. Und das gleiche ist in Tansania passiert. Vielleicht haben Sie das verfolgt. Und dabei soll es bleiben.
Als letztes will ich nur noch sagen: Die ureigenen Interessen Europas in dieser Region liegen doch vor allen Dingen darin, daß Europa auch den Amerikanern — ich will mal sagen — die Angst vor irgendwelchen Bedrohungen nehmen könnte. Da sehe ich auch in dem Beitritt Spaniens einen entscheidenden Schritt. Hier möchte ich mal Felipe Gonzáles besonders loben,
der in dieser ganzen Auseinandersetzung eine hervorragende Rolle gespielt hat.
Der Beitritt Spaniens ist schon aus diesem Grund für die zähen Bemühungen höchst wichtig. — Vielen Dank.