Ich bedaure, Herr Präsident, sonst würde die Debatte ungebührlich ausgeweitet.
Meine Damen und Herren, dies ist also die Bilanz der Regierung Kohl für die beiden kritischen zentralamerikanischen Staaten: Botschafter in beiden Ländern statt nur in dem einen, wie es unter der sozialdemokratischen Regierung war, und Abhängigmachung der Entwicklungszusammenarbeit des Staates von gleichmäßig angewendeten Kriterien — diese Bilanz, Herr Kollege Holtz, steht allerdings in einem klaren und gewollten Gegensatz zu einer Politik der einseitigen Bevorzugung der Sandinisten.
Herr Kollege Wischnewski, Sie haben hier dem Plenum kundgetan, daß sich der Innenminister Borge beleidigt gefühlt habe
durch Äußerungen des Kollegen Geißler. Herr Bundesminister Geißler hat in dem Gespräch mit Innenminister Borge Besorgnis geäußert — erstens — über die Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua, — zweitens — über die Arbeitsbedingungen von Parteien, Gewerkschaften und Presse. Er hat — drittens — eine Liste mit den Namen inhaftierter Christdemokraten und Gewerkschafter überreicht. Ich meine, Herr Kollege Wischnewski, Sie sollten sich hier nicht zum Überbringer einer angeblichen Empfindsamkeit eines hartgesottenen Politikers machen,
sondern diese Intervention des Kollegen Geißler bei der nicaraguanischen Regierung unterstützen, und das mit Nachdruck.
Herr Kollege Wischnewski, ich habe mit Aufmerksamkeit Ihre Würdigung der demokratischen Bemühungen der Christlichen Demokraten in El Salvador gehört. Ich stehe nicht an, Ihnen und dem Haus die Meinung der Bundesregierung zu sagen, daß dort, wo das Zusammenwirken von sozialdemokratischen, christlich-demokratischen und liberalen politischen Kräften in Lateinamerika funktioniert — oft unter anderem Namen, aber das spielt hier keine Rolle —, und ich nenne Ecuador, ich nenne Venezuela, ich nenne Kolumbien, die Demokratie Wurzeln fassen kann. Eben das funktioniert in Nicaragua nicht.
Ich spreche den Liberalen Nicaraguas meine Hochachtung aus, die dazu bereit wären. Wer sich versagt, das sind die Sandinisten. Ich kann nur hoffen, daß den Bemühungen der Sozialistischen Internationale, diese Sandinisten, die an den Beratungen der Sozialistischen Internationale teilnehmen,
auf den Pfad der Demokratie zu bringen, in Zukunft mehr Erfolg beschieden ist als bisher.
Die Bundesregierung steht, um das noch einmal klarzumachen, zu ihrer Bereitschaft, einem demokratischen und friedfertigen Nicaragua weitere Entwicklungshilfezusagen zu machen. Diese Politik ist ebenso an den eigenständigen Grundsätzen deutscher Außen- und Entwicklungspolitik ausge-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984 3669
Bundesminister Dr. Warnke
richtet wie am Interesse der Sicherheit entscheidender atlantischer Versorgungswege.
Die Bundesregierung weist den massiven Antiamerikanismus, den massiven und emotionalen Antiamerikanismus, der in dieser Debatte zum Vorschein gekommen ist, mit Nachdruck zurück.
Wir können nicht die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere die Sicherheit der Stadt Berlin und wir können auch nicht die Möglichkeit, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, daß Sie Ihre Meinungen hier frei und ungehindert sagen können, solange Sie wollen, in die Hände der Vereinigten Staaten von Amerika legen und gleichzeitig legitime amerikanische Sicherheitsinteressen allenfalls mit Schulterzucken, wenn nicht gar mit Häme und Diffamierung behandeln.
— Da haben Sie nicht zugehört.
In dem Bündnis, das uns den Frieden und die Freiheit bewahrt, darf Loyalität keine Einbahnstraße sein. Die Entwicklung in Grenada hat gezeigt, daß die Souveränität eines Landes nicht ungestraft zur Destabilisierung einer Region mißbraucht werden kann.
Diese Entwicklung hat auch gezeigt, daß Mittelamerika und die Karibik eine Einheit bilden.
Die Bundesregierung begrüßt den Antrag der Fraktion der CDU/CSU und FDP, der als Ziele unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit die Stärkung von Unabhängigkeit und Souveränität der Länder der Region, Wahrung des Friedens und der Menschenrechte, Aufbau einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft, sozialer, wirtschaftlicher Stabilität sowie die Unterstützung der regionalen Zusammenarbeit nennt. Keine Region der Welt ist in einem gleich hohen Maße wie Zentralamerika und die Karibik abhängig von regionaler Kooperation und ihrer Voraussetzung, dem friedlichen Zusammenleben. Die Staaten Mittelamerikas und der Karibik sind von der geringen Einwohnerzahl her — und im Falle der Karibik auch noch von der Begrenztheit der Fläche her — auf regionale Zusammenarbeit angewiesen. Nur regional können jene Größenordnungen erreicht werden, die für funktionierende Märkte ebenso wie für die Wahrung der eigenen Sicherheit, für ein gegliedertes Bildungs- und Gesundheitswesen ebenso wie für eine leistungsfähige Verwaltung nötig sind. Es gibt viele positive Entwicklungen in der Region: Costa Rica, die Dominikanische Republik, Jamaika haben frei gewählte Regierungen,
haben funktionierende demokratische Ordnungen. Auch in Honduras und in Salvador sind bemerkenswerte Schritte in Richtung auf politische Stabilität und sozialen Wandel eingeleitet. — Grenada, Frau Kollegin Gottwald, bereitet in der Tat eine Entwicklung vor, von der wir alle hoffen, daß sie in freie Wahlen münden wird.
Die Bundesregierung glaubt, daß für diese und die übrigen Staaten der Region im Zusammenwirken der Länder der Europäischen Gemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika der Weg einer Entwicklung zu Wohlstand, zu Frieden und Freiheit gegangen werden kann. Sie begrüßt die einstimmig gefaßten Beschlüsse der KissingerKommission als einen Meilenstein auf diesem Weg.
All denjenigen, die heute guten Willens Beiträge in dieser Aussprache geleistet haben, dankt die Bundesregierung ohne Unterschied der Fraktionszugehörigkeit und ungeachtet sachlicher und zum Teil tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten. Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen mit denen des Parlaments zu einer Gestaltung eines deutschen Beitrages zur friedlichen Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft in den Ländern Zentralamerikas und der Karibik vereinen.