Herr Kollege Schily, ich stelle zunächst mit großer Befriedigung fest, daß Sie die „Welt" zitieren
und lesen.
Zweitens nehme ich an, daß sich der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der nach mir noch das Wort ergreifen wird, dazu äußern wird. Daß die Regierung der Bundesrepublik Deutschland kommunistisch unterwandert sei, hat der Kollege Fritz Zimmermann ganz gewiß nicht insinuiert; denn er gehört eben dieser Bundesregierung an, und es ist unvorstellbar, daß er einer Regierung angehörte, die kommunistisch unterwandert wäre.
Meine Damen und Herren, unstreitig ist jedenfalls, daß die Sowjetunion die Situation in Lateinamerika nutzt, wobei ich mir darüber im klaren bin, daß für sie Lateinamerika nicht das prioritäre Feld ihrer Dritte-Welt-Politik ist. Aber es gibt keinen Kontinent, der für sie so geeignet wäre, die USA innerhalb des Westens in Mißkredit zu bringen. Und so kommt ihr die Entwicklung in vielen Punkten sehr zugute.
Ich will nicht viel über die generelle Situation der demokratischen und der oligarchischen und der rechtsextremen Kräfte in der Region sagen, sondern mich auf die beiden Länder konzentrieren, die im Mittelpunkt unserer Debatte stehen, wobei ich das manchmal bedauere, weil beispielsweise die schlimmen Menschenrechtsverletzungen in Guatemala ganz zu kurz kommen, weil sich kein Mensch wirklich darum kümmert.
Aber reden wir zunächst von El Salvador. Natürlich ist die Lage alles andere als erfreulich. Die Regierung ist infolge ihrer inneren Gegensätze zu schwach, um gleichzeitig die radikalen Kräfte und die von ihnen ausgehenden Menschenrechtsverletzungen und Morde zu bekämpfen, das Militär ganz in den Griff zu bekommen und die Guerrilleros ganz in den Griff zu bekommen. Andererseits gibt es in Gestalt der Christdemokraten eine bernerkenswerte starke demokratische Kraft. Auch ich habe, Herr Kollege Wischnewski, gern die Worte gehört, die Sie hier und an anderer Stelle an sie gerichtet haben. Das ist ein gewaltiger Fortschritt — Sie werden mir das zugeben — gegenüber den Beschimpfungen, die diese tapferen Christdemokraten noch vor einigen Jahren über sich haben ergehen lassen müssen. Deswegen hoffe ich zuversichtlich, Herr Kollege Wischnewski, daß dem, was andeutungsweise hier und anderswo von Ihnen schon angeklungen ist, als zweiter Schritt eine Distanzierung von den undemokratischen Kräften der FSLN und der FDR folgen. Denn es ist ja gar kein Zweifel, daß die Entwicklung, wenn es dort überhaupt jemals Demokraten gegeben hat — einige hat es gegeben —, höchst unerfreulich für diese demokratischen Kräfte verlaufen ist. Die zum Teil blutigen Auseinandersetzungen innerhalb der Guerrilleros haben gezeigt, welches Schicksal die Menschen in El Salvador zu gewärtigen hätten, würden sie sich durchsetzen.
Die völlige Ausschaltung der demokratisch-sozialistischen Kräfte innerhalb der sandinistischen Befreiungsfront müßte, meine ich, Ihnen zu denken geben.
Für eine friedliche und demokratische Lösung des tragischen Konflikts in El Salvador ist es von großer Bedeutung, daß die undemokratischen radikalen Kräfte rechts wie links nicht mit der Unterstützung durch Demokraten von außen rechnen dürfen — die Rechten nicht, die Linken nicht.
Ich weiß, daß die militärische Lage so zu sehen ist, wie Sie sie geschildert haben, Herr Kollege Wischnewski. Keine Seite kann siegen. Das liegt auf seiten der Guerrilleros entscheidend daran, daß sie keine ausreichende Unterstützung durch das Volk haben, anders als seinerzeit in Nicaragua. Sie haben gottlob davon gesprochen, daß die sich daraus ergebende Forderung nach einem Dialog auch von seiten der Guerrilleros eine Überforderung gewesen sei. Ich bitte Sie: Betrachten wir das doch wirklich einmal ein wenig näher. Wir alle stimmen darin überein, daß diese Regierung in El Salvador schwach ist und daß sie auch das Militär nicht ausreichend kontrolliert. Nun fordern aber die Guerrilleros, in diese Regierung aufgenommen zu werden. Wer soll das denn eigentlich durchsetzen? So frage ich Sie. Das ist doch eine derart völlig unrealistische Forderung, daß sie im Grunde beweist, daß man den Dialog nicht will. Denn wenn ich von dem Partner etwas fordere und dabei genau weiß, daß er es nicht leisten kann, dann will ich den Dialog im Grunde nicht.
Es bleibt in der Tat nur der eine, wie ich sehr gut weiß, Herr Kollege Wischnewski, schwierige Weg der Wahlen, damit wir eine andere Regierung bekommen. Bitte, auch hier habe ich mit Genugtuung festgestellt, wie sehr sich Ihre Einstellung zu dem jetzigen Wahlprojekt von Ihrer Einstellung 1982 un-
3666 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984
Lamers
terscheidet, die damals voreilig als Fakt bezeichnet worden ist. Ihr Stellvertreter Koschnick hat das ja nach einiger Zeit zu Recht bedauert. Also ich habe festgestellt: Auch hier gibt es Wandel. Bitte lassen Sie uns doch bei aller Problematik, die ich natürlich kenne, auch dies unterstützen, damit die Chance ein wenig größer wird, nach den Wahlen eine friedliche Lösung in El Salvador zu bekommen. Bitte unterstellen Sie doch nicht, daß wir mit der Ankündigung der Wiederaufnahme von Entwicklungshilfe hier irgendwelche undemokratischen problematischen Kräfte unterstützen wollen. Wir wollen doch nur das eine: damit ein Signal für die demokratischen Kräfte geben und ihnen sagen: Wenn ihr es schafft, werdet ihr unsere Unterstützung haben, hier wie natürlich auch in Nicaragua.
Nun zu Nicaragua: Ich will nicht alles das wiederholen, was dazu hier schon gesagt worden ist. Es ist so: Unser aller Hoffnungen sind enttäuscht worden. Ich breche nicht endgültig den Stab. Es hat in letzter Zeit zwar einige Zeichen gegeben — ich habe das ausdrücklich anerkannt, auch schriftlich —, aber, meine Damen und Herren, ich befürchte, daß diese Zeichen in der Tat eher trügerisch waren, als daß sie die Wirklichkeit wiedergaben; ich befürchte das wirklich. Fragen wir uns doch einmal, wann diese Zeichen gegeben worden sind. Unstreitig nachdem es entschiedenen Druck gegeben hat, wie immer wir den bewerten wollen. Aber erst auf Grund dieses Druckes haben sich die Sandinisten bequemt, einiges zu erklären, während sie in der Zeit, in der wir alle ihnen aus Überzeugung geholfen haben — die Vereinigten Staaten eine ganze Zeitlang mitgeholfen haben —, diesen abschüssigen Weg hin zum Totalitarismus gegangen sind und gewaltig aufgerüstet haben.
Deswegen bleibt nur das übrig, was in der Antwort der Bundesregierung steht: Wir werden abwarten. Wenn es eine Entwicklung zum Besseren gibt, dann werde auch ich — verlassen Sie sich darauf — mit Nachdruck fordern, daß wir die Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe wieder aufnehmen; das ist doch ganz unstreitig.
Im übrigen kurz zu dem, was ich in dem von Ihnen erwähnten Artikel geschrieben habe, Herr Kollege Holtz. Sie haben nur den einen Teil zitiert. Ich habe gesagt: Natürlich ist es denkbar, daß wir diese 40 Millionen DM als Anreiz verstehen, um eine positive Entwicklung zu initiieren.
Ein Wort zu der Contadora-Initiative: Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist richtig, daß wir das alle unterstützen. Aber wir müssen auch die Schwäche dieser Initiative sehen und feststellen, daß sie keineswegs so einig ist, wie das nach außen erscheint. Wir müssen darüber hinaus auch feststellen, daß ihr heute leider die Mittel fehlen, um sowohl Anreize als auch Druck auszuüben. Das relativiert die an sich außerordentlich begrüßenswerte
Initiative, die wir nach wie vor unterstützen sollten.