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    Plenarprotokoll 10/51 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 51. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der türkischen Nationalversammlung 3663 B Aktuelle Stunde betr. Umwelt- und Gesundheitsgefährdung durch chlorierte Kohlenwasserstoffe Frau Dr. Hickel GRÜNE 3623 B Boroffka CDU/CSU 3624 B Frau Dr. Hartenstein SPD 3625 B Baum FDP 3626 B Dr. Göhner CDU/CSU 3627 A Duve SPD 3627 D Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 3628 C Müller (Düsseldorf) SPD 3629 C Fellner CDU/CSU 3630 C Lennartz SPD 3631 C Dr. Hirsch FDP 3632 C Sauermilch GRÜNE 3633 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 3634 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 3635A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Wischnewski, Herterich, Bindig, Dr. Holtz, Voigt (Frankfurt) und der Fraktion der SPD Lage in Mittelamerika — Drucksache 10/279 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Entwicklungsprogramm Karibik und Zen- tralamerika — Drucksache 10/239 — Wischnewski SPD 3636 A Klein (München) CDU/CSU 3642 C Schäfer (Mainz) FDP 3646 A Frau Gottwald GRÜNE 3650 A Genscher, Bundesminister AA 3654 B Dr. Holtz SPD 3659 C Lamers CDU/CSU 3663 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 3666 D Frau Luuk SPD 3669 D Dr. Pinger CDU/CSU 3672 B Dr. Rumpf FDP 3675A Vizepräsident Frau Renger 3642 B Nächste Sitzung 3676 D Anlage I Liste der entschuldigten Abgeordneten 3677* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3677* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984 3623 51. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 27. 1. Dr. Ahrens * 27. 1. Frau Dr. Bard 27. 1. Berschkeit 27. 1. Bohl 27. 1. Brosi 27. 1. Brück 27. 1. Büchner (Speyer) * 27. 1. Dr. von Bülow 27. 1. Dr. Dollinger 27. 1. Dr. Dregger 27. 1. Dreßler 27. 1. Duve 27. 1. Dr. Ehmke (Ettlingen) 27. 1. Ertl 27. 1. Gallus 27. 1. Gerstl (Passau) * 27. 1. Dr. Götz 27. 1. Grünbeck 27. 1. Haar 27. 1. Handlos 27. 1. Hartmann 27. 1. Dr. Hauchler 27. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 1. Heimann 27. 1. Herkenrath 27. 1. Jansen 27. 1. Kirschner 27. 1. Kolbow ** 27. 1. Dr. Kreile 27. 1. Kretkowski 27. 1. Kroll-Schlüter 27. 1. Dr. h. c. Lorenz 27. 1. Lowack 27. 1. Lutz 27. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 27. 1. Dr. Meyer zu Bentrup 27. 1. Dr. Müller 27. 1. Müller (Wadern) 27. 1. Offergeld 27. 1. Petersen ** 27. 1. Reuschenbach 27. 1. Rohde (Hannover) 27. 1. Dr. Rose 27. 1. Roth (Gießen) 27. 1. Schluckebier 27. 1. Schmidt (Hamburg) 27. 1. Schmidt (Wattenscheid) 27. 1. Frau Schoppe 27. 1. Schröder (Lüneburg) 27. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 27. 1. Spilker 27. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 27. 1. Stücklen 27. 1. Tietjen 27. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Vahlberg 27. 1. Verheugen 27. 1. Voigt (Sonthofen) 27. 1. Weisskirchen (Wienloch) 27.1. von der Wiesche 27. 1. Wissmann 27. 1. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 18. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 14 22 Tit. 559 31 - NATO-Frühwarnsystem AWACS - - Drucksache 10/699 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Einwilligung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 15 02 Tit. 652 11 des Haushaltsjahres 1983 (Beihilfen an junge Zuwanderer für ihre Schul- und Berufsausbildung) - Drucksache 10/623 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1983; hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 12 Tit. 681 01 - Arbeitslosenhilfe (Alhi) - Drucksache 10/734 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1983; hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - Drucksache 10/735 - Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 24. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Steuerliche und finanzielle Maßnahmen zur Investitionsförderung - Drucksache 10/133 Nr. 9 - Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 24. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Schutz der Dialysepatienten durch größtmögliche Verringerung der Aluminiumexposition - Drucksache 10/376 Nr. 74 - Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 19. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden, bereits verkündeten EG-Vorlage absieht: Vorschlag einer Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften sowie der Berichtigungskoeffizienten, die auf diese Dienst- und Versorgungsbezüge anwendbar sind - Drucksache 10/873 Nr. 29 - Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 18. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden, bereits verkündeten EG-Vorlage absieht: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Anwendung des Beschlusses zur Ermächtigung der Kommission, im Rahmen des neuen Gemeinschaftsinstruments Anleihen zur Investitionsförderung in der Gemeinschaft aufzunehmen - Drucksache 10/92 Nr. 24 - Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 19. Januar 1984 unter Bezug auf § 17 Abs. 5 Postverwaltungsgesetz den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1984 übersandt. Der Voranschlag liegt im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Holtz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kein Krisenherd bewegt — obwohl so weit von Europa entfernt — die europäische öffentliche Meinung so sehr wie Mittelamerika und die Karibik.
    Mit der Antwort haben Sie sich viel Zeit gelassen. Was lange währt, muß noch lange nicht in allen Teilen gut sein, Herr Außenminister. Die Antwort ist auch dadurch interessant, daß sie sich an einigen wichtigen klaren Aussagen vorbeidrückt.
    Wir finden es enttäuschend, daß Sie hier nicht eindeutig erklärt haben: Die Bundesregierung unterstützt das Gewaltverzichtsprinzip. Deshalb wendet sie sich gegen jede Art von militärischer Intervention, auch gegen die US-Intervention in diesem Raume.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir hätten genauso erwartet, daß man sich eindeutig gegen die CIA-Aktivitäten ausspricht, die auch in dieser Region destabilisierend wirken.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir Sozialdemokraten sehen — wie die Bundesregierung und wie auch der Kissinger-Bericht — die wesentlichen Ursachen in den wirtschaftlichen und sozialen Problemen, aber nicht nur in ihnen, sondern auch in den häufig undemokratischen politischen Strukturen, die zu einer massiven Unterdrückung der Bevölkerung beitragen, sowie auch in der Unterentwicklung und der Ausbeutung. Nicht der internationale Kommunismus, Herr Klein, ist daran schuld, daß es in verschiedenen Ländern soziale Emanzipations- und Befreiungsbewegungen gibt; verantwortlich für ihr Entstehen sind zuallererst diese ungerechten unterdrückerischen Strukturen. Das versucht die Sowjetunion auszunutzen. Aber machen Sie es nicht andersherum!

    (Beifall bei der SPD)

    In dem Bericht der Kissinger-Kommission sind in der Tat einige positive Ansätze zu sehen, aber das Fazit für den Präsidenten Reagan wird sein: Im Zweifel sollen die USA eine militärische Lösung erzwingen. Auf die Widersprüche zwischen Contadora und Kissinger-Bericht hat die Kollegin Gottwald zu Recht hingewiesen. Dies beweist auch der Kissinger-Bericht selbst. Dort heißt es:
    Die USA können den Contadora-Prozeß nicht als Ersatz für die eigene Politik benutzen.
    Deshalb, Herr Bundesaußenminister, reichen Lippenbekenntnisse zu den Contadora-Aktivitäten
    3660 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984
    Dr. Holtz
    nicht aus. Sie müssen tatkräftig und konstruktiv dabei mithelfen, daß dies umgesetzt wird.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich stimme dem demokratischen Senator Alan Cranston aus Kalifornien zu, der den Kissinger-Empfehlungen vorwarf, nur 01 auf das Kriegsfeuer schütten zu wollen, indem sie Illusionen eines militärischen Sieges in El Salvador und eines gewaltsamen Sturzes der nicaraguanischen Regierung nährten.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Steht das in dem Bericht?)

    — Ich kann Ihnen auch sagen, daß ich mit der gesamten Fraktion und den 30 demokratischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses übereinstimme, die gesagt haben, daß derjenige, der den in der Region tobenden Kampf in Ost-West-Begriffe gießt, wie es da geschieht, die Gewalt dadurch erhöht, indem er nämlich die Linke radikaler und die Rechte noch unversöhnlicher macht. Das wollen wir alle nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Entwicklung heißt für die Menschen in der Region, aber nicht nur dort, zuvörderst Befriedigung der Grundbedürfnisse, Freiheit von Not und Furcht, Verwirklichung der politischen und sozialen Menschenrechte. Wir Sozialdemokraten begrüßen ausdrücklich die Würdigung der gemeinsamen Bundestagsentschließung zur Entwicklungspolitik vom 5. März 1982, die sich auch in dieser Antwort findet. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß diese gemeinsame Bundestagsentschließung in der letzten Woche als Grundlage für die Entwicklungspolitik hier einstimmig erneuert worden ist.
    Einige Anmerkungen zu den Ländern Honduras, El Salvador und Nicaragua, die ich zusammen mit einigen anderen Kolleginnen und Kollegen im November habe besuchen können.
    Honduras ist eines der ärmsten Länder der Region. Die Wirtschaftslage ist katastrophal. Das liegt nicht nur am Mißmanagement im eigenen Lande, sondern hat auch äußere Ursachen, etwa den Verfall von Rohstoffpreisen. Das hängt insofern auch mit der Weltwirtschaftsordnung zusammen. Die militärische Präsenz der USA ist in keinem mittelamerikanischen Land so groß wie in Honduras.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Das gehört denen schon!)

    Honduras ist Aufmarschgebiet für die vom CIA unterstützten Konterrevolutionäre, die gegen Nicaragua kämpfen.
    Zum politischen System stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion fest: „Seit 1982 (amtieren) in Honduras ein aus Wahlen hervorgegangenes Parlament und ein frei gewählter Präsident". — Diese lapidare Feststellung erweckt einen falschen Eindruck.

    (Zuruf von den GRÜNEN: So ist es!)

    In Honduras gibt es keine wirkliche Demokratie, so
    der einzige christdemokratische Abgeordnete im
    honduranischen Parlament. Es gibt schwere Menschenrechtsverletzungen, und wir möchten Sie, Herr Bundesaußenminister, bitten, daß Sie sich u. a. auch für die Deutsch-Honduranerin Inés Schwaderer einsetzen, damit sie freigelassen wird.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

    Wir haben das als Delegation gemacht, aber bislang leider noch keinen Erfolg gehabt.
    Der eigentlich starke Mann in Honduras ist eben nicht der Präsident, sondern neben dem US-Botschafter der General Alvarez. Die Streitkräfte üben die eigentliche Macht aus. Dennoch ziehen wir Sozialdemokraten für die Entwicklungshilfe nicht die Konsequenz, diese einzufrieren oder zu kürzen, wie Sie das gegenüber Nicaragua gemacht haben.
    Ich will auch noch ein kurzes Wort zu Costa Rica sagen, weil angemerkt worden ist, wir Sozialdemokraten vergäßen dieses freie Land, das in der Tat in vielen Bereichen Modellcharakter hat. Wie war das denn bei den Haushaltsberatungen? Wer hat denn da im Ausschuß einen Antrag zur Erhöhung der Entwicklungshilfe an Costa Rica gestellt? Das waren wir Sozialdemokraten. Das ist von Ihnen abgelehnt worden. Ihr Vorwurf richtet sich selbst.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Mit unserer Entwicklungshilfe in Honduras sollte der kotleidenden Bevölkerung geholfen und Honduras beim Prozeß der Demokratisierung gestützt werden. Der Außenminister Paz Barnica von Honduras hat selber bescheiden gesagt: Wir sind ein Land auf dem Wege zur Demokratie. Wir meinen deshalb: Das soll unterstützt werden. Warum nehmen Sie nicht die Bedenken gegen die Militarisierung von Honduras auf, die auch von vielen Ihrer politischen Freunde geäußert worden sind? Läge es nicht an Ihnen, die kluge und vorausschauende Neutralitätserklärung Costa Ricas auch für Honduras als die bessere Lösung vorzuschlagen?
    Nicaraguas Wirtschaftsaussichten sind noch nicht rosig, wie die deutsch-südamerikanische Bank in ihrem letzten Vierteljahresbericht schreibt. Dort heißt es auch: Die politische Unsicherheit hält an; bei fortgesetzten Unruhen an den Grenzen zu Honduras und Costa Rica richten sich Anschläge aufständischer Gruppierungen zunehmend auf die Zerstörung wirtschaftlicher Infrastruktur. Das neue Nicaragua ist ein Land mit beachtlichen Erfolgen im Bereich der sozialen Menschenrechte, wie z. B. im Gesundheitswesen, bei der Landreform, bei der Alphabetisierung; auf der anderen Seite sind Verletzungen der politisch-bürgerlichen Freiheitsrechte zu beklagen.
    Reagans Pauschalbehauptung aber, von der Bundesregierung in der Substanz übernommen, die jetzigen Machthaber in Nicaragua seien so totalitär wie jedes beliebige kommunistische Land, trifft nicht zu, wie die Existenz von verschiedenen Parteien — etwa auch der liberalen Partei, die jetzt einen eigenen Präsidentschaftskandidaten für das nächste Jahr aufstellen will —, eines freien Unter-



    Dr. Holtz
    nehmerverbandes COSEP, der klagt, aber immerhin zugeben muß, daß 50 % der Wirtschaftsaktivitäten im Privatbereich ablaufen — die Regierung nennt eine noch höhere Zahl —, einer unabhängigen Menschenrechtskommission und einer sich wieder größeren Spielraums erfreuenden Oppositionszeitung — solche Zeitungen wie „La Prensa" werden Sie in der DDR, in der Sowjetunion nicht finden — beweist. Ich finde es gut, daß die Zensur jetzt zurückgedreht worden ist. Wir fordern die Pressefreiheit. Das ist ganz, ganz wichtig.
    Die Bundesregierung aber stellt immer die Frage — das haben Sie auch gerade getan —, ob die jüngsten positiven Veränderungen — da gibt es nicht nur Ankündigungen; es hat Veränderungen gegeben

    (Dr. Pinger [CDU/CSU]: Welche denn, Herr Kollege?)

    — ich habe sie gerade genannt — lediglich ein taktisches Manöver mit dem Ziel des Zeitgewinns darstellen. Wer vermag darauf eine verläßliche Antwort zu geben?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das wird sich herausstellen!)

    Aber eine Menge von Anzeichen sprechen dafür, daß die Entwicklung, die sich jetzt verstärkt hat, in die Richtung geht, die man uns auch mitgeteilt hat. Nicaragua befindet sich nach unserer Auffassung an einem Wendepunkt, an dem sich entscheidet, ob die Entwicklung dieses Landes stärker auf eine wirkliche demokratische Entwicklung hingeht oder auf eine — ich greife das einmal auf — Kubanisierung innen- wie außenpolitisch hinsteuert.
    Mit ausschlaggebend für die jeweilige Entwicklung ist die Frage, ob man Nicaragua jetzt unterstützt oder es politisch, wirtschaftlich und mit Hilfe der Contras militärisch bekämpft und so eben geradezu in eine falsche Richtung hineintreibt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Angesichts der klaren Aussagen, man wolle freie Wahlen, man wolle keine Volksdemokratie à la Osteuropa — so Tomas Borge uns gegenüber —, man wolle selbstverständlich an der Blockfreiheit festhalten, keine ausländischen, keine sowjetischen Militärbasen zulassen, also die Sicherheitsbedürfnisse selbst der Großmacht USA anerkennen

    (Abg. Klein [München] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — ich lasse keine Frage zu, weil die Zeit eilt —, bleibt als Konsequenz eigentlich nur, daß nicht Entmutigung, sondern Ermutigung die Devise gegenüber Nicaragua sein muß.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich kann der Bundesregierung den Vorwurf nicht ersparen, mit zweierlei Maß zu messen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern werden gegenüber Nicaragua besonders hohe Vorbedingungen gestellt. Sie gehen mit großem Knüppel gegen Menschenrechtsverletzungen mißliebiger Regime vor, während Sie schreckliche Verbrechen bei Verbündeten und westlichen Freunden in der Region — wie in Haiti — allenfalls mit Mahnungen bedenken.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Rechts blind!)

    Nicaragua hat bei der Beachtung der Bürgerrechte noch eine Wegstrecke zurückzulegen. Dabei sollte es wie Honduras unterstützt werden. Risikokapital ist Entwicklungshilfe allzumal, in Togo, in Zaire, in Mittelamerika. Wenn man argumentiert, Nicaragua sei ein kommunistischer Brückenkopf, so erinnere ich an die Analogie zu Portugal. Es gibt einen Kollegen, der heute morgen nicht unter uns ist, der seinerzeit gesagt hat: Portugal entwickelt sich zum kommunistischen Brückenkopf, zum Brückenkopf Moskaus. Damals war man bereit, Risikokapital einzusetzen. Ich bitte Sie: Handeln Sie jetzt ähnlich, und verurteilen Sie nicht schon vorab!

    (Beifall bei der SPD)

    Steht die FDP mit ihrer Aufforderung zur Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit Nicaragua in vollem Umfang allein in der Koalition?

    (Dr. Rumpf [FDP]: Das sieht man doch an der Antwort! — Zuruf von der CDU/CSU: Lesen!)

    Die Ergebnisse Ihrer Bemühungen erkenne ich ausdrücklich an. Wir möchten von der Bundesregierung aber klar wissen, was sie mit den 40 Millionen DM zu tun gedenkt. 40 Millionen DM Entwicklungshilfe für Nicaragua sind kein geeignetes Mittel, um Druck auszuüben. So schrieb unser Kollege Lamers im „Deutschland-Union-Dienst" vom 7. Dezember 1983.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Gut, Herr Lamers!)

    Der entwicklungspolitische Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion hat in Nicaragua auf Grund der dort gewonnenen Eindrücke gegenüber dem Juntamitglied Sergio Ramirez gesagt: Wir werden uns dafür einsetzen, daß Nicaragua Hilfe in größtmöglichem Umfang erhält. — Dabei wäre noch zu definieren, was unter größtmöglichem Umfang zu verstehen ist.

    (Abg. Dr. Pinger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich lasse keine Zwischenfragen zu.
    Warum ist von diesen Erkenntnissen und Forderungen nichts, aber auch gar nichts in die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage eingeflossen?

    (Dr. Rumpf [FDP]: Sie müssen eine Brille aufsetzen!)

    Erzählen Sie uns nicht, Sie hätten dazu keine Zeit gehabt. Die Bundesregierung hat es offensichtlich vorgezogen, ihre Nicaraguapolitik nicht an den Sprechern für Entwicklungspolitik der sie tragenden Fraktionen auszurichten, sondern in enger Anlehnung an Franz Josef Strauß und die ReaganAdministration. Schade! Damit begeht sie sehr



    Dr. Holtz
    wahrscheinlich einen sehr verhängnisvollen Fehler.

    (Beifall bei der SPD — Frau Gottwald [GRÜNE]: Das ist Demokratie!)

    Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, der ich als stellvertretendes Mitglied angehöre, hat sehr ausgewogen zu Nicaragua Stellung genommen und sich mit diesem Komplex befaßt. Ich möchte die Bundesregierung mit den Worten der EKD-Synode bitten, in bezug auf Nicaragua die entwicklungspolitischen Hilfen zugunsten der staatlichen Unabhängigkeit, der Achtung der Menschenrechte, für eine friedliche Entwicklung, für eine gerechte Gesellschaftsordnung zu verstärken.
    Seit Jahrzehnten lebt El Salvador unter undemokratischen und sozial ungerechten Verhältnissen. Die Bevölkerung leidet unter einem unbeschreiblichen Klima der Gewalt, wie ich es noch in keinem von mir besuchten Lande erlebt habe. Eine relativ kleine Gruppe hält die Kommandohöhen in Staat, Politik, Wirtschaft, Militär und Gesellschaft besetzt. Hier finden die massivsten Menschenrechtsverletzungen, die grausamsten politischen Morde statt. Die Regierung des Übergangspräsidenten Magaña macht offenkundig immer nur solche Anstregungen, die in Washington gerade noch als „ehrliche Bemühungen" bezeichnet werden können. Dies schreibt die FAZ in einer Analyse am 23. Januar 1984. Weiter heißt es dort: „Die Todesschwadronen vermag die Regierung nicht auszuschalten."

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Lesen Sie auch mal, was die FAZ über Nicaragua schreibt!)

    Entwicklungshilfe wäre zum jetzigen Zeitpunkt für keinen eine Ermutigung, außer eben für jene Rechtsextremisten, die heute die Zügel in der Hand haben. Deshalb sagen wir: keine Entwicklungshilfe zum jetzigen Zeitpunkt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir können mit den geplanten Wahlen im März keine allzu optimistischen Hoffnungen verbinden: erstens, weil man sich nicht vorstellen kann, wie Leib und Leben all jener garantiert werden können, die in entschiedener Opposition zu den herrschenden Verhältnissen stehen. Wissen Sie, der Präsident Magaña hat uns gesagt — und auch Napolèon Duarte; Christdemokraten, von denen ich meine, daß ohne ihre Beteiligung keine wirklich reformorientierte Politik in El Savador durchgesetzt werden kann —: Wer hier von Dialog spricht, Dialog auch mit der Demokratisch-Revolutionären Front, setzt sich der Gefahr aus, auf die Abschußliste der Todesschwadrone zu kommen. Dafür gibt es genügend Beispiele; auch Christdemokraten sind ermordet worden.

    (Dr. Althammer [CDU/CSU]: Und die Terroranschläge der Linken?)

    Zweitens bin ich der Auffassung, daß Gewalt die Probleme dort nicht löst. Ich habe auch Ruben Zamora von der FDR gesagt, wir Sozialdemokraten gingen nicht davon aus, daß der militärische Kampf zu befriedigenden Lösungen führen könne. Dort wird es keine Sieger geben. Es gibt nur Besiegte. Es gibt Leid in der Zivilbevölkerung.

    (Zustimmung bei allen Fraktionen)

    Deshalb glaube ich, daß wir alles daransetzen müssen, um den Dialog wirklich voranzutreiben. Es sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden. Die Zeit drängt schon wieder. Schauen Sie nur in „Le Monde Diplomatique" dieses Monats! Darin werden Sie nachlesen können, daß auch der amerikanische Unterhändler Stone die Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt hat, um den Dialog zwischen FDR und den jetzt in El Salvador Regierenden zu führen und dort zu einem guten Ergebnis zu kommen.
    Aber wir haben auch deshalb mit den Wahlen keine optimistischen Hoffnungen zu verbinden, weil keineswegs sichergestellt ist, daß alle technischen Voraussetzungen, wie vollständige Wahlregister, für eine faire Wahl erfüllt werden können. Präsident Magaña sagte uns: Schön, wenn im März gewählt wird; dann bin ich diesen Posten endlich los, den ich eigentlich gar nicht weiter haben möchte. Aber ich muß hinzufügen: Bis jetzt haben wir noch gar nicht die Wahlregister, die nötig sind. — Ich möchte mal sehen, was die CDU sagen würde, wenn in Hessen Wahlregister nur in den Städten zu finden wären, wo absolute SPD-Mehrheiten sind, und nicht woanders. Also: bis heute sind noch nicht einmal die technischen Voraussetzungen gegeben.

    (Niegel [CDU/CSU]: Übertreiben Sie doch nicht so!)

    Drittens wird zwar der Präsident gewählt, aber nicht das Parlament. Somit gibt es keine Chance auf eine wirkliche parlamentarische Veränderung. Die Rechtsparteien in dem jetzt bestehenden Parlament haben es leider abgelehnt, zu Nationalwahlen zu kommen. Die US-Auffassung, jetzt die Präsidentschaftswahlen vorzuziehen und dann, wie die Kissinger-Kommission empfiehlt, in Verhandlungen mit der FDR/FMLN, die namentlich genannt werden, über die Rahmenbedingungen zukünftiger Wahlen einzutreten, hat sich durchgesetzt. Ich frage mich, warum man bis heute nicht ernsthaft genug mit der FDR — für die SPD eine wichtige politische Kraft — verhandelt hat. Ein echter, ernsthafter Dialog hätte zu einem Prozeß führen können, der den Weg zu einer provisorischen Übergangsregierung mit anschließenden wirklich freien, demokratischen Wahlen freigemacht hätte.
    Die Bundesregierung schreibt zu Recht, daß Frieden und ein Leben in Sicherheit von der Bevölkerung gewünscht würden. Das könne aber nur durch politischen Dialog und Verhandlungen — man beachte die Reihenfolge — sowie durch freie und ungehinderte Wahlen erreicht werden. Genau dieser Auffassung sind wir auch.
    Ein Abschlußwort, Herr Präsident, zu den uns vorliegenden Anträgen. Gegen das von den Koalitionsfraktionen gewünschte Entwicklungsprogramm für die zentralamerikanische und karibische Region haben wir Sozialdemokraten grundsätzlich nichts einzuwenden, obwohl dann natürlich mit gleichem Recht Sonderprogramme für andere Regionen gefordert werden könnten. Daß in diesem
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —. 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984 3663
    Dr. Holtz
    Konzept die Entwicklungszusammenarbeit einen zentralen Stellenwert einnehmen soll, findet unsere Unterstützung. Einige allgemeine Zielsetzungen können wir unterstreichen, wie z. B. Stärkung der Unabhängigkeit, Schaffung der Voraussetzungen für den inneren und äußeren Frieden, Verwirklichung — Verwirklichung! — der elementaren Menschenrechte. Dazu kann auch die Entwicklungspolitik beitragen.
    Wir vermissen allerdings eine klare Absage an die militärische Lösung der Probleme in Mittelamerika. Wir haben Schwierigkeiten damit, daß vom Verfolg der Sicherheitsinteressen des Westens gesprochen wird. Da ist Klärung nötig. Wir vermissen klare Aussagen zur spezifischen Politik gegenüber den einzelnen Ländern. Das wird in dem Antrag der GRÜNEN geleistet, der einige sehr wertvolle, brauchbare Gedanken und Übereinstimmungen mit uns enthält. In dem Antrag ist aber auch eine Reihe von Widersprüchen aus Sicht der Sozialdemokraten festzustellen. Man ist für eine eigenständige Entwicklung, aber gegen regionale Zusammenschlüsse, die etwa mit der EG zusammenarbeiten, obwohl doch jedermann weiß, daß solche Zusammenschlüsse gerade die Entwicklungsländer stärken können.
    Deshalb halten wir es für nötig und richtig, daß beide Anträge den Ausschüssen zur Beratung überwiesen werden. Wir hoffen, daß wir uns schnell an die Arbeit machen können, um dann so rasch wie möglich die parlamentarischen Voraussetzungen für eine bessere Mittelamerikapolitik schaffen zu können.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation der am 6. November 1983 gewählten türkischen Nationalversammlung Platz genommen. Ich habe die Ehre, Sie im Deutschen Bundestag zu begrüßen. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen, interessanten und informativen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Lamers.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Lamers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sich an die Diskussionen in unserem Lande vor zwei, drei Jahren über das uns auch heute wieder bewegende Thema erinnert, ist als Christdemokrat sehr versucht, durch einige Zitate die zahllosen Irrtümer, welche die Sozialdemokratie sich hier geleistet hat, genußvoll aufzuspießen. Ich will darauf verzichten, weil ich den Eindruck habe, daß ein Lernprozeß stattgefunden hat — dafür war die Rede des Kollegen Wischnewski und, wie ich glaube, ansatzweise auch die Rede des Kollegen Holtz ein Beweis — durch die Entwicklung in der Region und wohl auch durch den wohltätigen Einfluß des spanischen Ministerpräsidenten.
    Ich möchte deswegen versuchen, wie der Bundesaußenminister das auch angeregt hat, in dieser Debatte zu prüfen, ob und inwieweit eine gemeinsame Lateinamerikapolitik von Liberalen, Christdemokraten und Sozialdemokraten möglich ist. Daß das generell wünschenswert ist — im Falle Lateinamerikas auch aus dem speziellen Grund unserer besonderen parteipolitischen Beziehungen in diesen Raum hinein —, wissen wir alle.
    Ich gehe dabei davon aus, daß in Zentralamerika die Probleme ganz Lateinamerikas gewissermaßen wie in einem Brennglas zusammengefaßt sind und daß man daher auch einige generelle Aspekte einer deutschen Lateinamerikapolitik in dieser Debatte berühren muß. Fragen wir uns also: Stimmen wir überein erstens in der Beurteilung der Interessenlage aller Beteiligten, zweitens in der Analyse der Lage und drittens in dem, was wir tun können und tun sollen?
    Ich komme zunächst zur Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland. Die Heftigkeit der innenpolitischen Diskussion über Zentralamerika steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu dem nicht nennenswerten Umfang unserer unmittelbaren und aktuellen außenpolitischen Interessen dort. Dieses Mißverhältnis erklärt sich allein aus dem amerikanischen Engagement in dieser Region. Ohnehin können wir feststellen, daß es eine öffentliche Erregung in der Bundesrepublik Deutschland über schlimme Zustände in der Dritten Welt ausschließlich dann gibt, wenn die USA engagiert sind. Im Falle Lateinamerikas ist die Anteilnahme in der Bundesrepublik Deutschland wegen der besonderen Nähe dieses Kontinents zu uns immer besonders groß.
    Die Kritik bestimmter Gruppen in der Bundesrepublik an der Dritte-Welt-Politik und vor allem der Lateinamerikapolitik der USA ist ein Faktor, der auf Dauer geeignet erscheint, die Zustimmung zu unserem Bündnis mit den Vereinigten Staaten zu erodieren.
    Natürlich ist es erlaubt — ich will das hier an dieser Stelle ganz deutlich sagen —, in unserer Politik wie in der Politik der Vereinigten Staaten gegenüber der Dritten Welt einen Test auf die Glaubwürdigkeit unserer eigenen Ideale zu sehen. Natürlich ist auch Kritik an den Vereinigten Staaten legitim und manchmal notwendig. Aber — das sage ich mit allem Nachdruck — die Art dieser Kritik, ihre verzerrte Wirklichkeitssicht, das völlige Fehlen des Bemühens, auch die Position der Vereinigten Staaten zu verstehen, die Leidenschaftlichkeit dieser Kritik zeigen, daß diese Kritik weniger durch ein Mitleiden mit dem Schicksal der betroffenen Menschen in Zentralamerika motiviert ist, sondern vielmehr als Vehikel zur Förderung eines sich aus ganz anderen Wurzeln speisenden Antiamerikanismus dient.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Deswegen, meine Damen und Herren, ist es unser erstes Interesse — ich sage das in aller Deutlichkeit —, durch unser Engagement in dieser Region dieser Tendenz entgegenzutreten und den inneren Zusammenhalt des Bündnisses zu stärken



    Lamers
    und seine Fähigkeit unter Beweis zu stellen, auch in der Dritten Welt gemeinsame Intressen auch gemeinsam zu vertreten und sich gerade im Falle Lateinamerikas dafür einzusetzen, daß die Ideale, die dieses Bündnis begründet haben, auch dort verwirklicht werden. Ich weiß, ein wie schwieriges Thema ich damit anschneide, aber ich bin fest davon überzeugt, daß es für die Zukunft des Atlantischen Bündnisses von zentraler Bedeutung ist.
    Unser zweites Interesse besteht darin, die Zugehörigkeit Lateinamerikas zum Westen dauerhaft zu sichern; denn Lateinamerika, meine Freunde, ist nur unter wirtschaftlichen Modernitätsgesichtspunkten ein Teil der Dritten Welt. Historisch, kulturell und noch weitgehend ethnisch ist Lateinamerika aber ein Teil des Westens, und zwar, wie ich finde, ein ganz hervorragender Sproß dieser Völkerfamilie, wie etwa seine reiche und faszinierende Literatur eindrucksvoll belegt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Es ist, wie ich meine, wirklich ein weit über die Tagesaktualität hinausreichendes Interesse des gesamten Westens, dafür Sorge zu tragen, daß die politische Grundorientierung der Länder dieses Subkontinents dieser Grundtatsache auch entspricht. Die Antwort, die die Völker Lateinamerikas auf diese Frage geben werden, wird nicht zuletzt vom Ausgang des derzeitigen Konflikts in Zentralamerika und der Art seiner Behandlung durch die USA und durch uns bestimmt sein.
    Unser drittes Interesse ist ein aus dem zweiten erwachsendes, ganz spezielles westeuropäisches Interesse. Ein Lateinamerika, das von einem Objekt zu einem Subjekt der Weltpolitik geworden sein wird, von einer Randexistenz zu einer aktiven Rolle gelangt sein wird, das zu sich selbst gefunden und seine gewaltigen menschlichen und materiellen Ressourcen in freier und demokratischer Ordnung entfaltet haben wird, ein solches Lateinamerika innerhalb der westlichen Gemeinschaft wäre ein geradezu idealer Partner für Westeuropa, auch zu dem Zweck, sein durch ein manchmal übergroßes Maß an Abhängigkeit gezeichnetes Verhältnis zu den USA besser auszubalancieren. In der Ehe wirken mehr als zwei Partner eher destabilisierend, in der Politik können sie eher das Gleichgewicht fördern.
    Es ist evident — und damit komme ich auf die lateinamerikanische Interessenlage —, daß auf lateinamerikanischer Seite dieses Interesse noch sehr viel schärfer ausgeprägt ist. Die lateinamerikanischen Nationen halten noch weit stärker Ausschau nach Freunden, die ihnen helfen, sich im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Angehörigen einer Einflußsphäre zu gleichberechtigten Partnern zu entwickeln. Diese Rolle kann nur Europa übernehmen. Im Falle Zentralamerikas ist es eine besonders schwierige, ja, wie ich weiß, sogar heikle Rolle; aber sie ist ebenso dringend. Die Erwartungen, die dabei an uns gerichtet werden — wer weiß das nicht, der sich mit lateinamerikanischen Freunden trifft? —, mögen zuweilen unsere Möglichkeiten tatsächlich übersteigen. Aber mehr als bislang können und sollten wir nach meiner festen Überzeugung tun. Daß die Lateinamerikaner dabei insbesondere auch Hilfe bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung — und übrigens auch ihrer sozialen — erwarten, versteht sich von selbst.
    Die Interessenlage der Vereinigten Staaten ist in dieser langfristigen und grundlegenden Perspektive — eben der Stellung und Orientierung Lateinamerikas in der Welt — identisch mit der Zielsetzung Europas wie mit den Wünschen Lateinamerikas, nur ist ihr Interesse an der Region aus geopolitischen, wirtschaftlichen und historischen Gründen sehr viel stärker und unmittelbarer als das europäische Interesse.
    Auch die USA sind sich selbstverständlich darüber im klaren, welche Bedeutung die zentralamerikanische Krise für ihre gesamten lateinamerikanischen Interessen hat. Gerade hier haben die USA bislang eine überaus dominierende Stellung gehabt und haben sie noch heute. Der Prozeß tiefgreifender gesellschaftlicher Umwälzungen und nationaler Selbstfindung hier wie im übrigen Lateinamerika richtet sich daher in seinen Auswirkungen unvermeidlicherweise auch gegen diese Stellung der Vereinigten Staaten, deren Präsenz nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch kulturell, als übermächtig und zuweilen bedrückend empfunden wird. Wer die amerikanische Diskussion aufmerksam verfolgt hat, weiß, daß sich die USA vollkommen darüber im klaren sind, daß sie im Interesse des gemeinsamen langfristigen Zieles des gesamten Westens einschließlich Lateinamerikas ihre bisherige Position gegenüber dem Subkontinent und vor allem gegenüber Zentralamerika neu gestalten müssen. Um das Wesentliche zu erhalten, muß der unvermeidliche Wandel akzeptiert und Zweitrangiges geopfert werden.
    Dabei müßten aber wir, meine ich, in der Rolle zuweilen des Ratgebers aus der Distanz, des Weisen oder Pseudoweisen sehen, daß es ein fundamentales und legitimes amerikanisches Interesse ist, zu verhindern, daß durch diesen umwälzenden Emanzipationsprozeß ein Vakuum entsteht, in dem sich ihr weltpolitischer Gegenspieler, die Sowjetunion, sogar ohne größere eigene Anstrengungen ausbreiten kann. Das zu verhindern — daran hat der Bundesaußenminister hier eben eindrucksvoll erinnert —, liegt mindestens ebensosehr auch im europäischen Interesse.
    Wie ist die Lage? — Wir stimmen offensichtlich alle darin überein, daß die Kernursache für die Konflikte in der Region gesellschaftliche Strukturmängel gravierendster Art sind. So unstreitig der Kern dieser Konflikte ist, so unbezweifelbar ist — und ich hoffe, daß wir auch darin übereinstimmen — die Ausnutzung dieser Situation durch Kuba und die Sowjetunion. Das kubanische Interesse ist evident. Kuba versucht, durch die Schaffung ähnlicher Systeme in der Region aus der Isolierung in der Region herauszukommen.