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    Plenarprotokoll 10/51 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 51. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der türkischen Nationalversammlung 3663 B Aktuelle Stunde betr. Umwelt- und Gesundheitsgefährdung durch chlorierte Kohlenwasserstoffe Frau Dr. Hickel GRÜNE 3623 B Boroffka CDU/CSU 3624 B Frau Dr. Hartenstein SPD 3625 B Baum FDP 3626 B Dr. Göhner CDU/CSU 3627 A Duve SPD 3627 D Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 3628 C Müller (Düsseldorf) SPD 3629 C Fellner CDU/CSU 3630 C Lennartz SPD 3631 C Dr. Hirsch FDP 3632 C Sauermilch GRÜNE 3633 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 3634 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 3635A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Wischnewski, Herterich, Bindig, Dr. Holtz, Voigt (Frankfurt) und der Fraktion der SPD Lage in Mittelamerika — Drucksache 10/279 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Entwicklungsprogramm Karibik und Zen- tralamerika — Drucksache 10/239 — Wischnewski SPD 3636 A Klein (München) CDU/CSU 3642 C Schäfer (Mainz) FDP 3646 A Frau Gottwald GRÜNE 3650 A Genscher, Bundesminister AA 3654 B Dr. Holtz SPD 3659 C Lamers CDU/CSU 3663 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 3666 D Frau Luuk SPD 3669 D Dr. Pinger CDU/CSU 3672 B Dr. Rumpf FDP 3675A Vizepräsident Frau Renger 3642 B Nächste Sitzung 3676 D Anlage I Liste der entschuldigten Abgeordneten 3677* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3677* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984 3623 51. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1984 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 27. 1. Dr. Ahrens * 27. 1. Frau Dr. Bard 27. 1. Berschkeit 27. 1. Bohl 27. 1. Brosi 27. 1. Brück 27. 1. Büchner (Speyer) * 27. 1. Dr. von Bülow 27. 1. Dr. Dollinger 27. 1. Dr. Dregger 27. 1. Dreßler 27. 1. Duve 27. 1. Dr. Ehmke (Ettlingen) 27. 1. Ertl 27. 1. Gallus 27. 1. Gerstl (Passau) * 27. 1. Dr. Götz 27. 1. Grünbeck 27. 1. Haar 27. 1. Handlos 27. 1. Hartmann 27. 1. Dr. Hauchler 27. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 27. 1. Heimann 27. 1. Herkenrath 27. 1. Jansen 27. 1. Kirschner 27. 1. Kolbow ** 27. 1. Dr. Kreile 27. 1. Kretkowski 27. 1. Kroll-Schlüter 27. 1. Dr. h. c. Lorenz 27. 1. Lowack 27. 1. Lutz 27. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 27. 1. Dr. Meyer zu Bentrup 27. 1. Dr. Müller 27. 1. Müller (Wadern) 27. 1. Offergeld 27. 1. Petersen ** 27. 1. Reuschenbach 27. 1. Rohde (Hannover) 27. 1. Dr. Rose 27. 1. Roth (Gießen) 27. 1. Schluckebier 27. 1. Schmidt (Hamburg) 27. 1. Schmidt (Wattenscheid) 27. 1. Frau Schoppe 27. 1. Schröder (Lüneburg) 27. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 27. 1. Spilker 27. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 27. 1. Stücklen 27. 1. Tietjen 27. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Vahlberg 27. 1. Verheugen 27. 1. Voigt (Sonthofen) 27. 1. Weisskirchen (Wienloch) 27.1. von der Wiesche 27. 1. Wissmann 27. 1. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 18. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 14 22 Tit. 559 31 - NATO-Frühwarnsystem AWACS - - Drucksache 10/699 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Einwilligung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 15 02 Tit. 652 11 des Haushaltsjahres 1983 (Beihilfen an junge Zuwanderer für ihre Schul- und Berufsausbildung) - Drucksache 10/623 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1983; hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 12 Tit. 681 01 - Arbeitslosenhilfe (Alhi) - Drucksache 10/734 - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1983; hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - Drucksache 10/735 - Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 24. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Steuerliche und finanzielle Maßnahmen zur Investitionsförderung - Drucksache 10/133 Nr. 9 - Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 24. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Schutz der Dialysepatienten durch größtmögliche Verringerung der Aluminiumexposition - Drucksache 10/376 Nr. 74 - Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 19. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden, bereits verkündeten EG-Vorlage absieht: Vorschlag einer Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) des Rates zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften sowie der Berichtigungskoeffizienten, die auf diese Dienst- und Versorgungsbezüge anwendbar sind - Drucksache 10/873 Nr. 29 - Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 18. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden, bereits verkündeten EG-Vorlage absieht: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Anwendung des Beschlusses zur Ermächtigung der Kommission, im Rahmen des neuen Gemeinschaftsinstruments Anleihen zur Investitionsförderung in der Gemeinschaft aufzunehmen - Drucksache 10/92 Nr. 24 - Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 19. Januar 1984 unter Bezug auf § 17 Abs. 5 Postverwaltungsgesetz den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1984 übersandt. Der Voranschlag liegt im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
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    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte muß dazu beitragen, die vielfach rein emotional und schwarzweiß geführte Auseinandersetzung über einen der großen Krisenherde der Welt zu versachlichen. Ich glaube, daß die beiden Vorredner dazu bereits einen erfreulichen Beitrag geliefert haben.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Aber Herr Schäfer!)

    Es ist ein Verdienst des deutschen Parlaments, wenn wir heute auch zur Information der deutschen Öffentlichkeit beitragen, statt angesichts der in Wahrheit geringen uns zur Verfügung stehenden politischen Einflußmöglichkeiten hier ein Schattenboxen zu veranstalten, das vor allem innenpolitische Motive hat. Ich weiß, daß es kaum ein außenpolitisches Thema gibt, das insbesondere unsere politisch engagierte Jugend mehr bewegt, und daß es gerade für idealistisch eingestelle junge Leute, die sich mit den Problemen der Dritten Welt leidenschaftlich auseinandersetzen,

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Sagen Sie nur noch, Herr Klein sei Idealist!)

    wichtig ist, zu erfahren, wie dieser Deutsche Bundestag denkt und handelt.
    Für viele ist der Fall Mittelamerika auch ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Wertvorstellungen des westlichen Bündnisses geworden, und wir haben das sehr ernst zu nehmen. Wir müssen diesen Hintergrund auch geduldig denjenigen unserer amerikanischen Freunde verständlich machen, denen vielfach das Verständnis dafür fehlt, daß sich junge Deutsche z. B. für ein so weit von Europa entferntes und Europa nur scheinbar nicht betreffendes Problem so sehr engagieren,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    wobei zum Teil die leidenschaftliche Kritik am Verhalten der amerikanischen Regierung als Antiamerikanismus mißverstanden wird. Die Debatte über diesen Konflikt wird — das müssen wir uns immer wieder klarmachen — in den Vereinigten Staaten genauso erregt und kontrovers geführt,

    (Beifall bei der SPD)

    an den Hochschulen des Landes, in seinen Medien, aber áuch im amerikanischen Kongreß. Wir sollten das bitte nicht vergessen.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Bei allem Verständnis für manche Kritik, die auch an der Handlungsweise der amerikanischen Regierung geübt wird, muß man all denen in Deutschland, die glauben, die USA allein für die schrecklichen Ereignisse und Zustände in dieser Region verantwortlich machen zu können, sagen, daß ohne die USA eine langfristig angelegte Gesundung dieser Region nicht möglich sein wird und daß eine Lösung der sozialen Probleme nur durch die materielle Unterstützung der freien Welt, nicht durch die materielle Unterstützung des Ostblocks möglich sein wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, nur eine verantwortungsvolle Politik gemeinsam mit den USA, aber keine Politik auch gegen die berechtigten Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten kann auf Dauer zu einer Beseitigung der Mißstände führen. Umgekehrt aber wäre es falsch, wenn die Europäer ihre Verantwortung für einen wichtigen Teil der Dritten Welt leugneten und aus, wie ich meine, falscher Rücksichtnahme auf ihren engsten Verbündeten eigene Möglichkeiten zur Mäßigung der extremen Fronten außer acht ließen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich möchte das auch an einige Kollegen in diesem Hause richten, wobei ich den Bundesaußenminister und auch seinen Nachbarn, den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, ausdrücklich ausschließe.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Den würde ich nicht ausschließen! — Schwenninger [GRÜNE]: Den würde ich drinlassen!)

    Diplomatische Zurückhaltung mag gut sein, aber sie darf nicht zur politischen Selbstverleugnung führen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Insofern müssen wir der Opposition für die Große Anfrage zur Mittelamerikapolitik dankbar sein, weil sie uns Gelegenheit zu dieser Debatte gibt. Die Bundesregierung hat mit ihrer Antwort deutlich gemacht, daß sie den drängenden Fragen nicht ausweicht, sondern entschlossen ist, ihre Politik in



    Schäfer (Mainz)

    Richtung auf eine friedliche Lösung dieser Krise fortzusetzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Sie tritt ein — ich zitiere aus der Antwort — für „Selbstbestimmung, nationale Unabhängigkeit, Nichteinmischung, eigenständige Entwicklung, Achtung der Menschenrechte und friedliche Konfliktlösung". Sie sieht im Gegensatz zu einigen amerikanischen Politikern — übrigens nur einer Minderheit in den Vereinigten Staaten —, aber in Übereinstimmung mit dem Kissinger-Bericht die wesentlichen Ursachen der Krise in Mittelamerika „in den überkommenen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen". Ich glaube, das ist die übereinstimmende Meinung in diesem Hause. Diese Verhältnisse sind eben nur durch wirtschaftliche und soziale Reformen lösbar.
    Im Kissinger-Bericht, der j a auch in den Vereinigten Staaten in einigen Teilen sehr kritisiert wird, sollte man aber bitte auch nicht überlesen, daß es dort zutreffend und selbstkritisch heißt: „Vielleicht hätten die Vereinigten Staaten Mittelamerika schon früher größere Beachtung schenken sollen."
    Ich weiß, daß das die Meinung aller Staaten in dieser Region ist und daß bedauert wird, daß die Vereinigten Staaten erst zu einem sehr späten Zeitpunkt eingegriffen haben, nämlich, als sie eine sowjetische Expansion befürchteten.
    Nach neuen Schätzungen leben in den fünf Ländern der Krisenregion, Panama und Belize ausgeschlossen, 21,7 Millionen Menschen in einem Raum, der etwas größer ist als der der Bundesrepublik Deutschland. Auf je 70 Einwohner kommen jeweils ein Soldat oder ein Guerillero. Die soziale Lage ist schlimm. Die Unterschiede zwischen arm und reich sind immer noch unerträglich. Die Auslandsschulden liegen inzwischen bei 10 Milliarden Dollar. Mit Ausnahme von Costa Rica — Herr Kollege Klein hat darauf hingewiesen —, einer immer noch friedlichen Oase in diesem Bürgerkriegschaos, sind die Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung, tobt der Machtkampf zwischen den verschiedenen Ideologien und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, und das Militär spielt, wie das in Lateinamerika leider eine geschichtliche Tradition ist, immer noch eine oft verhängnisvolle Rolle, die bedauerlicherweise kurzfristig kaum geändert werden kann.
    Besonders schlimm aber ist, daß auch der OstWest-Konflikt zunehmend auf diese Region übergreift und dadurch leider zum Teil sinnvolle Lösungsmöglichkeiten der in Wahrheit sozialen Krise immer mehr erschwert.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Toetemeyer [SPD] — Schwenninger [GRÜNE]: Richtig!)

    Wir wollen und müssen uns als Europäer deshalb um eine Lösung dieser Krise mit bemühen und dürfen uns gerade auch im Hinblick auf diesen Aspekt nicht aus der Verantwortung schleichen. Ich glaube, das ist die übereinstimmende Meinung von Bundesregierung und Parlament.
    Über die Art unseres Engagements gibt es allerdings erhebliche Meinungsunterschiede, meine Damen und Herren. Die Vorwürfe der Opposition — Herr Wischnewski hat sie heute morgen wiederholt
    — basieren vor allem darauf, daß behauptet wird, die Bundesregierung habe mit Rücksicht auf die Vereinigten Staaten einen Wechsel ihrer bisherigen Außen- und 'Entwicklungspolitik vollzogen.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Richtig! — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Mit Rücksicht auf die CDU/CSU)

    Sie begründet das mit einem angeblich nachlassenden Engagement für Nicaragua und mit der Bereitschaft, sich in El Salvador wieder stärker zu engagieren durch die Entsendung eines Botschafters und die angekündigte Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe für dieses Land.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten den Text der Bundesregierung auch hier genau lesen. Es heißt:
    Die Bundesregierung hat trotz Bedenken über den politischen Weg Nicaraguas die entwicklungspolitische Zusammenarbeit nicht abgebrochen. Neuzusagen können grundsätzlich nur erteilt werden, wenn sich herausstellt, daß sich Nicaragua nachhaltig von der Politik der Destabilisierung abwendet.

    (Beifall bei der FDP — Schwenninger [GRÜNE]: Was sind schon acht Millionen?)

    Herr Wischnewski, ich beziehe mich jetzt auf die Äußerung, die Sie vorhin gegenüber Herrn Kollegen Rumpf gemacht haben. Die Bundesregierung hat Mittel, etwa zur Reparatur des Turbinenkraftwerks in Managua, freigegeben.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Nach zwei Jahren!)

    Die Zahlungen, auch im Hinblick auf die Warenhilfe, werden fortgesetzt, und zwar auch im Zusammenhang mit den noch anstehenden Schulden, die Nicaragua hier hat, verrechnet.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Die werden verrechnet!)

    — Sie werden verrechnet. — Das kann ich als Ergebnis unserer internen Bemühungen eindeutig feststellen.

    (Abg. Voigt [Frankfurt] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
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    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, ich möchte weiterkommen.
    Es ist zu recht darauf verwiesen worden, daß wir in unseren Gesprächen in Nicaragua — Herr Kollege Wischnewski, ich glaube, das tun alle, auch Sie
    — immer wieder auch denen, die dort glauben, mit dem Kopf durch die Wand rennen zu können, klar-
    3648 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984
    Schäfer (Mainz)

    machen, daß die selbstgewählten Ziele dieser großen Revolution auch verwirklicht werden müssen, nämlich Pluralismus, gemischte Wirtschaft, Blockfreiheit. All dies ist eine Zielsetzung — Herr Wischnewski, hier stimmen wir überein —, die wir bei all unseren Gesprächen, die wir in Managua geführt haben und noch führen werden, immer wieder fordern.
    Meine Damen und Herren, wir müssen hier ganz eindeutig feststellen: Das Ziel der Revolution in Nicaragua konnte nur erreicht werden, weil alle demokratischen Parteien an dem Kampf gegen die Diktatur beteiligt waren und nicht nur die Frente Sandinista

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    und weil die amerikanische Regierung Carter Herrn Somoza fallen ließ. Auch das bitte ich zu berücksichtigen.
    Dazu kommt, daß beim Wiederaufbau Nicaraguas 80 % der gesamten Hilfe aus westlichen Ländern gekommen ist. Auch das muß hier doch einmal positiv dargestellt werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich will auch ganz klar sagen — gegen alle die, die Nicaragua in Bausch und Bogen verdammen —: Wir müssen natürlich auch positive Maßnahmen in Nicaragua zur Kenntnis nehmen, z. B. eine sogar von Robelo, einem oppositionellen Parteiführer, der jetzt im Ausland lebt, mir gegenüber in einem langen Nachtgespräch in der deutschen Botschaft gelobte und gute Alphabetisierungskampagne, eine Landreform, die immerhin 87 % in privaten Händen belassen hat, und eine Fülle sozialer Maßnahmen, die von dieser Regierung eingeleitet worden sind, allerdings mit Ungeschick gegenüber den MizquitoIndianern, wo man traditionelle Werte im Verlauf dieser etwas missionarischen Tätigkeit mißachtet und dadurch große Probleme hervorgerufen hat.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Das ist Medizin! Das sollten Sie nicht vergessen!)

    Meine Damen und Herren, in dieser Junta nach dem Triumph der Revolution waren bürgerliche Politiker wie Robelo und Frau Chamorro Mitglieder. Die tragische Seite dieser Entwicklung ist doch gewesen, daß auch die Sandinisten der typisch lateinamerikanischen Versuchung erlegen sind, die schönen Uniformen nach dem Triumph der Revolution anzubehalten und den Anspruch auf Macht nicht mehr freizugeben, die Macht nicht mehr mit anderen Parteien teilen zu wollen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das ist im Grunde das Problem: die schöne olivgrüne Uniform anzubehalten, die auch in anderen Ländern Lateinamerikas immer wieder zum Machtmißbrauch verführt hat.
    Wir sollten nicht den Fehler machen, zwischen Linksdiktaturen und Rechtsdiktaturen hinsichtlich ihrer Sucht nach militärischer Macht und militärischem Einfluß zu unterscheiden. Das muß man auch in Nicaragua ganz klar sehen.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Wie ist das bei uns?)

    Meine Damen und Herren, die Verdrängung der bürgerlichen Kräfte und der Opposition in Nicaragua kann nicht geleugnet werden. Es steht fest, daß schon 1980 begonnen worden ist, Kritiker der Somoza-Regierung, aber auch bürgerliche Kräfte auszubooten. Wir wissen, daß Teile der Junta ausgeschieden sind, zum Teil das Land verlassen mußten.
    Wenn Roberto de la Cruz, ein Mann von wirklich großem Format, der noch 1981 in die Junta eingetreten ist und ein Jahr später ausschied, in einem Artikel in „Foreign Affairs" davon spricht, daß die „Sandinisation" aller Lebensbereiche auch ihn dazu geführt habe auszuscheiden, dann kann man das, so glaube ich, hier nicht einfach vom Tisch wischen, auch nicht bei denen, die für Nicaragua so begeistert sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU)

    Meine Damen und Herren, Herr Ortega hat in großen Reden an manche unrühmlichen Vorbilder erinnert. Spruchbandpathos und militärische Demonstrationen haben in Nicaragua jahrelang das Bild eines sich immer mehr in Richtung auf bestimmte östliche Vorbilder entwickelnden Staates hervorgerufen. Das ist nicht von uns erfunden worden, sondern wir haben das mit einem, so glaube ich, doch tiefen Mißtrauen beobachtet. Hinzu kam die Zensur der oppositionellen Zeitung „La Prensa". Hinzu kam der Waffentransport nach El Salvador, der nicht geleugnet worden ist, und es kamen immer mehr Schikanen gegen Kritiker der Regierung.
    De la Cruz spricht von einer Erosion der Revolution und warnt vor einem Pyrrhussieg, den die Sandinisten errungen haben. Er sagt in einem Satz, der mir sehr gefallen hat und den ich unterstreiche — dieser Satz ist von einem leidenschaftlichen Patrioten dieses Landes gesagt worden —:
    Ich akzeptiere nicht die Unterstellung der Sandinisten, daß Kritik an ihrer Regierung schon Kritik an meinem Vaterland ist und daß die Aktionen ihrer Partei
    — der sandinistischen Partei —
    bereits schon die Aktionen meines Volkes sind.
    Ich glaube, de la Cruz hat recht.
    Meine Damen und Herren, gegen den totalitären Anspruch der Sandinisten, sich mit dem Volk von Nicaragua zu verwechseln, müssen auch wir protestieren.
    Meine Damen und Herren, wenn de la Cruz den Zustand seines Landes 45 Monate nach der Revolution beschreibt als eine Entzweiung zwischen den Menschen, als eine in Scherben gegangene Wirtschaft, als eine immer mehr zunehmende Kriegsgefahr, die die gleiche Intensität besitze wie vor dem Ende Somozas, dann, meine ich, ist diese Kritik angebracht und kann nicht nur Außenstehenden,



    Schäfer (Mainz)

    sondern muß auch den Sandinisten angelastet werden.
    Meine Damen und Herren, so sehr wir zwischen den Vorgängen zu unterscheiden haben, die dazu geführt haben, daß es in Nicaragua zu solchen Aktionen von außen gekommen ist: Ich bin auch mit de la Cruz der Meinung, daß die USA sehr deutlich unterscheiden müssen zwischen Contras, die sich hauptsächlich zusammensetzen aus „ehemaligen Nationalgardisten Somozas" und „bewaffneten Dissidenten", die Gegner der Junta geworden sind und die zum Teil selber Sandinisten gewesen sind. Eine Unterstützung der Contras — da ist ja auch die Kritik im amerikanischen Kongreß sehr groß — schwächt, so de la Cruz, die gemäßigten Kräfte im Land, auch unter den Sandinisten, stärkt dagegen die Rolle der Extremisten. — Das kann ja wohl keine sinnvolle Außenpolitik sein, meine Damen und Herren. Deshalb teile ich auch hier die Meinung der Kritiker in den Vereinigten Staaten, die sagen: Wir wollen diese bedeckten Aktionen des CIA nicht mehr, denn sie führen im Grunde nicht weiter.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es besteht die Gefahr, daß die internationale Sympathie für eine sich doch zum Teil nicht erfreulich gebärdende Regierung durch solche bewaffnete Einmischung von außen eher verstärkt wird und daß der Wandel zurück zur Vernunft erschwert wird. Wir sagen hier alle miteinander vollkommen zu Recht: Allein die Contadora-Lösung kann auf Dauer eine Befriedung dieser Region bringen. Ich bin sehr froh, daß die Sandinisten erkennen lassen, daß sie bereit sind, einzulenken. Das wird übrigens auch in den Vereinigten Staaten nicht bestritten. Es gibt Hinweise: die Unterzeichnung des Contadora-Abkommens in Panama, die Ankündigung freier Wahlen — wenn auch sehr spät, aber immerhin für 1985 —, Amnestie für bewaffnete Gegner des Regimes, eine drastische Verminderung der kubanischen Berater, auch die Bereitschaft zum Dialog mit den Nachbarländern und auch der angekündigte Verzicht auf Waffenlieferungen. Dies macht doch deutlich, daß man auch auf sandinistischer Seite bereit ist — weshalb auch immer, will ich hier nicht untersuchen; Botschafter Stone hat dafür entsprechende Erklärungen — einzulenken. Jetzt kommt es darauf an, diese Versprechungen in die Tat umzusetzen. Nichts anderes sagt die Bundesregierung in ihrer heutigen Antwort, als daß sie das abwarten will und die Entwicklungshilfe dann fortsetzen möchte.
    Botschafter Stone hat mir im vorigen Jahr in Washington auch gesagt: Wenn es bei freien Wahlen einen Sieg der Sandinisten gibt, wenn die Sandinisten endlich bereit sind, die Opposition zuzulassen und eine freie Presse zu gewähren, werden auch die Vereinigten Staaten ihre Entwicklungshilfe wiederaufnehmen. Aber es muß zu diesen freien Wahlen kommen.
    Herr Bundesaußenminister, ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal dringend empfehlen, einen Vorschlag der Liberalen Internationale aufzugreifen, die im vergangenen Jahr in Stockholm beschlossen hat: Im Grunde müßten sowohl in Nicaragua als auch in El Salvador freie Wahlen international kontrolliert, nicht nur observiert durchgeführt werden.

    (Beifall bei der FDP)

    Das heißt: Schon in der Vorstufe — hier böte ja beispielsweise die Contadora-Gruppe eine Möglichkeit — muß den Gegnern der jeweiligen Regimes Gelegenheit gegeben werden, ihren Wahlkampf mit größtmöglicher Sicherheit für ihre Person zu führen. Ich glaube, das ist die wichtigste Voraussetzung, nicht aber die Durchführung der Wahlen selbst und die Beobachtung von Leuten, die ihren Zettel in eine Wahlurne werfen. Ich meine, hier ist ein wichtiger politischer Ansatzpunkt.
    Meine Damen und Herren, ich bin überhaupt der Meinung, wir sollten und könnten unseren Einfluß auf die gemäßigten, uns nahestehenden Parteien durch die drei Internationalen — sowohl durch die Sozialistische als auch durch die Liberale und die Christdemokratische — mehr geltend machen.
    Ich darf noch etwas zu der europäischen Bemühung, Hilfe für diesen Bereich zu leisten, sagen. Nehmen wir uns einmal ein Beispiel am Ostblock. Dann werden wir die erschreckende Feststellung machen, wie viele Stipendien einerseits der Ostblock an junge Leute in Nicaragua gibt — auch an Facharbeiter — und wie wenig andererseits der Westen bisher in der Lage war, solche Stipendien zu verleihen. Das wäre ein friedliches Mittel, um jungen Menschen in Nicaragua zu helfen.

    (Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

    Ich darf Ihnen auch sagen, daß mir Botschafter Stone, der Sonderberater des Präsidenten, hier ausdrücklich zugestimmt hat: Hier liegt ein wichtiger Ansatzpunkt ganz konkreter europäischer und amerikanische Politik.
    Meine Damen und Herren, ich muß zum Schluß kommen. Sosehr auch das Modell Nicaragua durch die zunehmend totalitären Entwicklungen von seiner anfänglichen Anziehungskraft verloren hat, so sehr gilt sicher der Satz eines Professors aus Princeton, der neulich in „Foreign Affairs" einen, wie ich meine, hervorragenden Artikel über die Situation in diesen Ländern geschrieben hat. Professor Ullman sagt, es komme in den Nachbarländern Nicaraguas mehr darauf an, die Ungerechtigkeiten, die dort bestehen, zu beseitigen, als eine Art Heiligen Krieg gegen Nicaragua führen zu wollen. —

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich glaube, hier liegen die Möglichkeiten. Ich wiederhole, was in der Antwort der Bundesregierung zum Ausdruck kommt und was der Bundesaußenminister — auch bei seiner Konferenz mit den deutschen Botschaftern in San José — immer wieder gesagt hat: Wir wollen eine friedliche Lösung. Diese Bundesregierung — ich glaube, das ganze Parlament wird die Bundesregierung dabei unterstützen — ist entschlossen, ihren außenpolitischen und entwicklungspolitischen Kurs für eine friedliche Lö-
    3650 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984
    Schäfer (Mainz)

    sung und gegen den Wahn militärischer Optionen fortzusetzen. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)