Rede von
Dr.
Reinhard
Göhner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die außerordentlich schwierige, vielschichtige und sehr ernst zu nehmende Problematik chlorierter Kohlenwasserstoffe stellt zweifellos einen wichtigen Bereich unserer Umweltpolitik dar. Herr Baum hat schon auf einige neuere Initiativen hingewiesen.
Der vorgegebene Anlaß für diese Aktuelle Stunde beruht aber auf einigen Skandalberichten über vom Bundesinnenministerium angeblich geheimgehaltene Dioxin-Studien, über massenhafte Dioxin-Emissionen bei Müllverbrennungsanlagen.
Diese öffentlich dargestellten Horrormeldungen haben sich mittlerweile als samt und sonders falsch erwiesen. Es gibt keine geheimgehaltene Studie des Umweltbundesamtes. Aber es gibt Untersuchungsergebnisse über Dioxinemissionen aus Müllverbrennungsanlagen, die schon im Jahresbericht des Umweltbundesamtes 1982, jedermann zugänglich und uns Abgeordneten allen zugesandt, nachzulesen sind.
— Für Sie der Literaturhinweis: Seite 95/96 unter der Überschrift: Dioxinemissionen aus Müllverbrennungsanlagen. Dort steht exakt das, was zu den Ergebnissen der erfolgten Messungen bei Müllverbrennungsanlagen jetzt vom Umweltbundesamt noch einmal veröffentlich worden ist, meine Damen und Herren.
Die Frau Kollegin Hickel hat hier behauptet, allein in Nordrhein-Westfalen solle aus Müllverbrennungsanlagen bis zu 30 kg Dioxin emittiert worden sein. Nach Feststellung des Umweltbundesamtes ist dagegen Tatsache — das steht in dieser vermeintlichen Geheimstudie, aber eben auch schon im Jahresbericht 1982 —: 1 g bis 5 g pro Jahr aus allen Müllverbrennungsanlagen in der Bundesrepublik zusammen. Ich will das überhaupt nicht verharmlosen. Es ist jedoch, wenn ich es richtig berechnet habe, ungefähr1 / 6000 von dem, was Frau Hickel eben behauptet hat. Deshalb sagt das Umweltbundesamt: keine gesundheitliche Gefahr.
In Nordrhein-Westfalen sind zum Zeitpunkt der Untersuchung durch die Landesanstalt für Immissionsschutz zwölf Anlagen überprüft worden. In elf ist nichts gefunden worden, in einer eine äußerst geringe Menge, so gering, daß sie irrelevant ist und vernachlässigt werden kann.
Wir hören jetzt aus Kiel mit Interesse, daß dort in der Flugasche der Müllverbrennungsanlage etwa 1/100000 g Dioxin pro Kilogramm Flugasche festgestellt worden ist und daß man daraus Konsequenzen hinsichtlich der Verwertung der Flugasche gezogen hat. Aus Hamburg hören wir höhere Dioxin-werte. Die Hamburger haben ohnehin großen Anlaß, diese Problematik sehr ernst zu nehmen. Herr Baum hat auf die Altlastproblematik hingewiesen.
Meine Damen und Herren, was diese Aktuelle Stunde anbelangt, möchte ich jedoch darauf hinweisen, daß Sie angebliche Geheimstudien und Berichte, die sich nach veröffentlichten Materialien als eindeutig falsch erweisen, zum Anlaß dieser Aktuellen Stunde machen und daß Sie von geheimen Unterlagen über Materien sprechen, die Sie in Kleinen Anfragen schon im Juni letzten Jahres behandelt bekommen haben,
wo aus diesen Studien inhaltlich gerade zum sehr ernst zu nehmenden hochgiftigen Dioxin berichtet worden ist.
Ich werfe Ihnen ja gar nicht vor, daß Sie all diese Materialien nicht kennen, daß Sie den Bericht des Umweltbundesamtes nicht lesen. Wenn Sie jedoch hier eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema machen, dann wenigstens sollten Sie die Antworten der Bundesregierung auf Ihre eigenen Anfragen nachlesen, meine Kollegen.
Sie ziehen hier eine Sache hoch, von der Sie wissen müßten, daß das, was der Bund dazu tun kann, geschehen ist. In der TA-Luft sind die Mindesttemperatur, der Mindestsauerstoffgehalt und die Mindestverweilzeit im Feuerungsraum festgelegt, auch für Müllverbrennungsanlagen. Das ist das, was vorgegeben werden kann, um zu verhindern, daß bei der Verbrennung Dioxin in der Flugasche austritt. Wenn jetzt in der Tat in einigen Bundesländern Vollzugsdefizit besteht — das ist richtig gesagt worden —, dann ist das nicht Sache des Bundes. Ich bin gegen jegliche Verharmlosung, meine Damen und Herren; aber frei erfundene Schreckensmeldungen nützen niemandem.