Rede von
Gerhart Rudolf
Baum
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hartenstein, wir brauchen keine neue Chemiepolitik, wir müssen die fortsetzen, die wir hier gemeinsam in den letzten Jahren getragen haben.
Es sieht beinah so aus, als wüßten wir nicht, was Dioxin ist, und als hätten wir fassungslos, sprachlos und ohne politisches Handeln vor diesem Problem gestanden.
Wir haben insbesondere auch nach Seveso das Problem national und international intensiv diskutiert. Wir haben eine lang angelegte Politik in bezug auf die Gefährlichkeit, in bezug auf die Vermeidung von Gefahren durch Chemikalien in diesem Hause entwickelt. Ich erinnere Sie an die Störfallverordnung, ich erinnere Sie an das Chemikaliengesetz. Wir haben entsprechende Maßnahmen auf europäischer Ebene eingeleitet, wir haben eine Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe und anderes mehr. Es gibt also nicht nur ein Konzept, sondern es wurde nach einem Konzept gehandelt, das weiterverfolgt werden muß.
Nun gebe ich Ihnen gern zu, ein solches Konzept ist nie vollständig, und es ist immer auch eine Frage des Vollzugs.
Ich gebe Ihnen gern zu: Was da in Hamburg geschieht, befriedigt mich keineswegs, um hier nicht härtere Worte zu gebrauchen; aber das ist nicht eine Frage der Gesetzgebung, das kann doch nicht Anlaß zu Vorwürfen gegenüber der Bundesregierung sein. Das ist wie so oft im Umweltschutz eine Frage von Vollzugsdefiziten.
Hamburg erfüllt mich mit großer Sorge.
Ich möchte auch wissen, ob diese Werte bei einigen Müllverbrennungsanlagen tatsächlich so überschritten werden, wie es hier gesagt wird. Da möchte ich Aufklärung haben. Ich habe den Bericht des Umweltbundesamtes gelesen. Ich habe das gelesen, was das Umweltbundesamt vor einigen Tagen in einer Presseerklärung gesagt hat: Danach gibt es keinen aktuellen Anlaß zur Beunruhigung, was Müllverbrennungsanlagen angeht. Das müssen wir jetzt aufklären. Wir müssen fragen: Sind die bekanntgewordenen Werte besorgniserregend oder nicht? Das ist — ich sage es noch einmal — keine Sache der Vorwürfe an den Bundesgesetzgeber, sondern es ist eine Sache des Vollzugs.
Ich bin der Meinung, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir sagen: Es gibt Probleme der Abfallbeseitigung, es gibt Probleme der Altlasten bei Deponien. Wir werden darüber diskutieren. Die Koalition hat dazu gerade eine Anfrage eingebracht, und sie ist beantwortet worden. Es gibt Probleme mit der Verbrennung von Abfall auf der hohen See — wir sind dagegen —, es gibt Probleme mit der Verklappung — wir sind dagegen —, aber das alles, meine Damen und Herren, kann doch nicht Anlaß sein, daß wir uns hier gegenseitig Vorwürfe machen. Wir sind uns doch weitgehend einig, nehme ich an.
Ich weise noch auf das Pflanzenschutzgesetz hin, das wir hier beraten werden. Ich werde mit meiner Fraktion sehr großen Wert darauf legen, daß wir uns die ökotoxikologischen Prüfungen, die vorgesehen sind, ganz genau ansehen, und ich will nicht ausschließen, daß wir da aus der Sicht des Umweltschutzes noch einiges machen müssen, was zur Verbesserung des Pflanzenschutzgesetzes beiträgt.
Meine Damen und Herren, es gibt Probleme. Die Gefährlichkeit der hier behandelten Stoffe kann doch von niemandem geleugnet werden; aber es ist kein Anlaß zur Dramatisierung. Es gibt ein Konzept für eine wirksame Chemiepolitik zur Vermeidung von Gefahren, die sich hier ergeben können. Es ist weitgehend realisiert. Die Lücken müssen geschlossen werden — wir sind dabei —, und das werden
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1984 3627
Baum
wir mit Nachdruck tun, was ich Ihnen für die Koalition versichern kann.