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    Plenarprotokoll 10/48 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 48. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1984 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3439 A Aktuelle Stunde betr. Affäre Kießling Bastian GRÜNE 3439 B Francke (Hamburg) CDU/CSU 3440 B Dr. Apel SPD 3441 A Ronneburger FDP 3442 A Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 3443A Horn SPD 3444 B Hauser (Esslingen) CDU/CSU 3445 C Dr. von Bülow SPD 3446 B Wimmer (Neuss) CDU/CSU 3447 B Kolbow SPD 3448 B Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 3449 B Jungmann SPD 3449 D Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 3450 D Berger CDU/CSU 3451 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand — Drucksache 10/880 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 3452 C Lutz SPD 3457 A Müller (Remscheid) CDU/CSU 3459 D Hoss GRÜNE 3463 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 3465 C Heyenn SPD 3467 C Frau Seiler-Albring FDP 3469 D Egert SPD 3470 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Bericht über die Eröffnung der Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa in Stockholm vom 17. bis 19. Januar 1984 Genscher, Bundesminister AA 3472 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 3475 C Rühe CDU/CSU 3478 D Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 3481 B Schäfer (Mainz) FDP 3483 D Nächste Sitzung 3485 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3486*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3486* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1984 3439 48. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1984 Beginn: 8.30 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 20. 1. Antretter* 20. 1. Bahr 20. 1. Bohl 20. 1. Brandt 20. 1. Brosi 20. 1. Büchner (Speyer) 20. 1. Frau Dr. Däubler-Gmelin 20. 1. Dr. Enders* 20. 1. Ertl 20. 1. Gerlach (Obernau) 20. 1. Grünbeck 20. 1. Frau Dr. Hamm-Brücher 20. 1. Handlos 20. 1. Haungs 20. 1. Heimann 20. 1. Huonker 20. 1. Graf Huyn 20. 1. Jansen 20. 1. Jung (Düsseldorf) 20. 1. Kretkowski 20. 1. Kroll-Schlüter 20. 1. Landré 20. 1. Lenzer* 20. 1. Dr. Lippold 20. 1. Dr. h. c. Lorenz 20. 1. Offergeld 20. 1. Petersen 20. 1. Frau Potthast 20. 1. Rawe 20. 1. Reddemann* 20. 1. Reschke 20. 1. Reuschenbach 20. 1. Saurin 20. 1. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Scheer 20. 1. Schlaga 20. 1. Frau Schmedt (Lengerich) 20. 1. Schmidt (Hamburg) 20. 1. Schmidt (München)* 20. 1. Schmidt (Wattenscheid) 20. 1. Schröder (Lüneburg) 20. 1. Schröer (Mülheim) 20. 1. Dr. Solms 20. 1. Spilker 20. 1. Stockleben 20. 1. Vahlberg 20. 1. Voigt (Frankfurt) 20. 1. Dr. Voigt (Northeim) 20. 1. Voigt (Sonthofen) 20. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesminister für Wirtschaft hat dem Präsidenten des Deutschen Bundestages mit Schreiben vom 23. Dezember 1983 eine Vorlage betreffend Vertragsverletzungsverfahren der EG-Kommission wegen des deutschen Filmförderungsgesetzes übermittelt. Der Bundestagspräsident hat aufgrund von § 77 Abs. 2 GO entschieden, daß diese Vorlage nicht als Bundestagsdrucksache veröffentlicht wird. Sie wurde den Fraktionen und dem Innenausschuß zugeleitet. Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 18. Januar 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Fünfzehnte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Verlängerung der Frist für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in der Republik Griechenland (Drucksache 10/799 Nr. 6)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten freuen uns, daß die Konferenz über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa eröffnet worden ist. Ich habe nach dem Abschluß der Madrider KSZE-Folgekonferenz am 16. September an dieser Stelle dem Bundesaußenminister und der deutschen Verhandlungsdelegation unseren Glückwunsch ausgesprochen für ihr Verdienst am erfolgreichen Abschluß der Madrider Konferenz und für den Beginn der Stockholmer Konferenz in diesem Januar.
    Das Madrider Ergebnis ist eine eindeutige Bestätigung dafür, daß die Zusammenarbeit zwischen Ost und West möglich ist, wenn sich alle Seiten mit Ernsthaftigkeit und ohne sich unter Zeitdruck zu setzen um eine solche Zusammenarbeit bemühen.
    Ich wiederhole das, was wir Sozialdemokraten bei Übernahme der Oppositionsaufgabe in diesem Hohen Hause gesagt haben: Wir werden die Bundesregierung überall dort unterstützen, wo sie die unter sozialdemokratischer Führung begonnene Entspannungspolitik fortsetzt. Das galt für die Madrider Konferenz. Das wird auch für die Konferenz in Stockholm gelten.

    (Beifall bei der SPD)

    Der erfolgreiche und positive Abschluß der Madrider Konferenz ist von der Bundesregierung allerdings auch dazu benutzt worden, den Fehlschlag ihrer Nachrüstungspolitik zu kaschieren. Die Aufstellung neuer amerikanischer und zusätzlicher sowjetischer Raketen in Europa

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Die Sie früher gewollt haben!)

    läßt das Kanzlerwort „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" zu einer bloßen Sprechblase werden, Herr Kollege Marx.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Eine Politik der Schadensbegrenzung zielt jetzt darauf ab, die Bevölkerung mit einer Art Besänftigungspropaganda über die negativen Folgen dieser Nachrüstungspolitik hinwegzutäuschen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sie wissen doch, daß das nicht stimmt!)

    Bei allen Verdiensten, Herr Außenminister, die die Bundesregierung am Zustandekommen der Stockholmer Konferenz hat, ist nicht zu übersehen, daß ihr mangelnder Realitätssinn oder Realitätswille in der anderen Frage wesentlich mit zur Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen beigetragen hat.

    (Beifall des Abg. Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE])




    Dr. Ehmke (Bonn)

    Trotz aller Warnungen hat die Bundesregierung selbst nach dem Scheitern der Genfer Konferenz fortwährend in Optimismus gemacht

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Realismus!)

    und mit allen Mitteln den Eindruck zu erwecken versucht, als ob alles so weitergehen werde wie bisher.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist wahr!)

    Die Rede des sowjetischen Außenministers Gromyko in Stockholm am Mittwoch hat für alle Welt sichtbar werden lassen, daß es keinerlei Anlaß für diesen Optimismus gibt. Die Rede hat jene Illusionen zerstört, die davon ausgingen, es wäre eine bloße Frage der Zeit, wann die Sowjetunion sozusagen reumütig an den Verhandlungstisch zurückkehren würde.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

    Die Rede hat noch einmal unterstrichen, daß der Zusammenbruch der Genfer Verhandlungen in den Rüstungskontrollbemühungen zwischen Ost und West eine Zäsur darstellt.
    Verehrter Herr Bundesaußenminister, auch wenn das Gespräch zwischen dem amerikanischen und dem sowjetischen Außenminister fünf Stunden gedauert hat, ändert das nicht das geringste an meiner Feststellung. Der amerikanische Außenminister hat gestern auf einer Pressekonferenz in Oslo seinerseits festgestellt, daß das Gespräch keinerlei Fortschritt erbracht habe. Leider, kann ich nur wie Sie sagen. Aber wir sollten uns nichts vormachen.
    In den Jahren der Entspannungspolitik ist in Europa über die Blockgrenzen hinweg ein neues Bewußtsein europäischer Zusammengehörigkeit gewachsen, ohne die für die eigenen Sicherheitsinteressen maßgebende Blockzugehörigkeit in Ost oder in West in Frage zu stellen.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Auch das Raketenarsenal der Sowjets ist gewachsen!)

    Die erneute Konfrontation der Supermächte, verehrter Kollege Klein, wird von den Europäern in Ost und West unbeschadet ihrer Blockzugehörigkeit als Gefährdung gemeineuropäischer Sicherheitsinteressen verstanden. Die Gefährdung des mit dem Entspannungsprozeß bisher Erreichten verstärkt in beiden Teilen Europas den Wunsch nach Wiederaufnahme und Vertiefung der Entspannungspolitik.
    Die Entwicklung der Ost-West-Beziehungen hängt natürlich stark davon ab, welche Vorstellungen und welche Einschätzungen die Vereinigten Staaten — deren Bemühen, auch militärisch wieder Weltmacht Nummer 1 zu werden, auf der Hand liegt — von der Sowjetunion haben. Der amerikanische Präsident hat in einer Fernsehrede, die gleichzeitig auch schon eine Vorwahlrede für den amerikanischen Wahlkampf war, nach langen Monaten zum erstenmal gegenüber der Sowjetunion wieder gemäßigte Töne angeschlagen. Wir begrüßen das. Das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber den früheren Redensarten, in denen die Sowjetunion als „Herd des Bösen" und dergleichen dargestellt wurde.
    Ob sich aus dieser geänderten Tonart, die auch durch den amerikanischen Wahlkampf bestimmt ist, substantiell etwas am gestörten Verhältnis zwischen den beiden Großmächten ändern wird, bleibt abzuwarten. Der amerikanische Präsident hat zwar Entgegenkommen gegenüber der Sowjetunion im Falle einer Rückkehr an den Verhandlungstisch der Rüstungskontrollverhandlungen angedeutet. Hier muß aber festgehalten werden, daß er dafür keinerlei konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt hat und daß solche auch nicht aus den Gesprächen der beiden Außenminister hervorgegangen sind.
    In den vergangenen drei Jahren hat sich jedenfalls — das hat Botschafter Harriman eindrucksvoll dargelegt — amerikanische Politik dadurch ausgezeichnet, daß sie zwar ein klares Feindbild hatte, aber kein Konzept für den Ausbau ihrer Beziehungen zur Sowjetunion. Wenn die Rede des amerikansichen Präsidenten insoweit den Anfang einer Änderung der Politik auch in der Sache darstellt, verdient eine solche Kursänderung sicher die Unterstützung der Europäer. Ich will allerdings nicht verhehlen, daß wir anläßlich des Europabesuchs des amerikanischen Präsidenten 1980 schon ähnliche Reden gehört haben, um dann zu erleben, daß er nach seiner Rückkehr nach Amerika wirtschaftliche Sanktionen verhängte und dann auch noch versuchte, sie gegen die eigenen europäischen Verbündeten durchzusetzen. Ich bin da also skeptisch.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Immer drauf auf die Amis!)

    Ein Neuansatz in dem Ost-West-Verhältnis kann nur erreicht werden, wenn wir an der Politik der Entspannung festhalten. Insofern besteht jedenfalls zum Außenminister ja auch kein Gegensatz. Das gilt auch dann, wenn Amerika — ich sage: durchaus zu Recht — mit den weltweiten Ergebnissen der Entspannungspolitik teilweise unzufrieden ist. Aber was ist die Alternative? Eine Politik der Konfrontation und der militärischen Überlegenheit führt zu einem Wettrüsten, das nicht mehr, sondern immer weniger Sicherheit schafft. Außerdem verschlingt es Unsummen, die für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den westlichen Industriestaaten und die Bekämpfung des Elends in der Dritten Welt dringend gebraucht werden.
    Die Militarisierung des Sicherheitsdenkens hat außerdem in den Vereinigten Staaten zur Finanzierung von Rüstungsprogrammen über riesige Haushaltsdefizite geführt,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Vom wem geht die denn aus?)

    die in ihren Auswirkungen die wirtschaftliche Sicherheit Europas wie die der Dritten Welt beeinträchtigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Unsere Aufgabe liegt bei Gewährleistung ausreichender Verteidigungsfähigkeit gerade in entgegengesetzter Richtung. Wir müssen die Entspan-



    Dr. Ehmke (Bonn)

    nungspolitik, die am Hoch- und Wettrüsten der Großmächte aufgelaufen ist,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Der Sowjetunion!)

    wieder freimachen, um zu einer Sicherheitspartnerschaft zwischen Ost und West vorwärtsschreiten zu können. Im Zeitalter der Massenvernichtungsmittel gilt für beide Seiten,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Bla, bla, bla!)

    daß Sicherheit des Überlebens nicht mehr gegen die andere Seite, sondern nur mit der anderen Seite zu erreichen ist.
    Dem verehrten Bla-bla-Klein will ich sagen: Wenn Sie der Meinung sind, daß man weiter Milliarden für den Unsinn ausgeben kann, mit immer mehr Waffen immer weniger Sicherheit zu haben, dann machen Sie das bitte. Aber Sie werden dabei auf unsere Opposition stoßen.

    (Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Das ist billig! Billiger Jakob!)

    Die Konferenz über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa ist mit ihren zwei geplanten Verhandlungsphasen gegenwärtig der einzige Ansatzpunkt, dem Entspannungsprozeß neue Impulse zu geben. Ich stimme dem Außenminister darin zu: Man würde die Konferenz überfordern, wenn man alle Hoffnungen gescheiterter Rüstungskontrollverhandlungen auf sie projizieren würde. Das kann Stockholm nicht. Stockholm kann bestenfalls dazu beitragen, wieder zu einem besseren Klima zwischen Ost und West zu kommen. Sie hat trotz ihrer Beschränkung auf Europa Bedeutung über Europa hinaus, denn die Verhältnisse in Europa bleiben wichtig als Weichenstellung für die weitere Entwicklung im Ost-West-Verhältnis insgesamt.
    Daher dürfen auch — Herr Bundesaußenminister, Sie sind über dieses Problem etwas schnell hinweggehuscht — rüstungskontrollpolitische Maßnahmen und Vorschläge nicht einfach schon darum abgelehnt werden, weil sie auf Europa beschränkt sind. Der kürzlich von der Sowjetunion gemachte Vorschlag, alle chemischen Waffen aus Europa abzuziehen, verdient ernsthaftere Aufnahme und Prüfung, als ihm bisher vom Westen widerfahren ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Dazu gehört aber auch die Verifizierung!)

    — Das ist richtig. In den Fragen der Verifizierung, Herr Kollege Marx, gibt es keine Meinungsverschiedenheiten.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das ist schwierig!)

    — Richtig. Aber immerhin haben wir die Sowjetunion bewegt, Inspektionen an Ort und Stelle grundsätzlich zuzustimmen. Das ist ein prinzipieller Fortschritt. Jetzt ist die Frage, wie man ein sol-
    ches Inspektionssystem gemeinsam ausgestalten kann.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Ihr Vorschlag ist aber dahinter zurückgegangen!)

    — Nein, das ist sie nicht. Aber sie ist nicht genügend weit gegangen, daß wir sagen könnten: Das reicht schon aus. Aber ein Fortschritt ist erzielt worden.
    Zu den vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen, die in Stockholm beraten werden, gehören vor allem auch Maßnahmen, die einen Überraschungsangriff — sei es aus dem Stand heraus, sei es aus Manöverbewegungen heraus — ausschließen sollen. Unseres Erachtens kommt solchen Vereinbarungen, solchen vertrauensbildenden Maßnahmen eine zusätzliche Bedeutung in einem Zeitpunkt zu, in dem die NATO dabei ist, die konventionelle Verteidigung der Zentralfront zu stärken — oder anders gesagt: die Verteidigung an der europäischen Zentralfront stärker zu konventionalisieren. Bei den Problemen, die wir in den nächsten Jahren mit den Mannschaftsstärken haben werden, ist jeder Zeitgewinn, den wir für Mobilmachungsmaßnahmen dadurch erzielen können, daß Panzerverbände und Großverbände nicht in Grenznähe stationiert oder in Manövern bewegt werden dürfen, für die konventionelle Stärke der NATO in Mitteleuropa wesentlich.
    Bei der Frage des Gewaltverzichts geht es einmal um ein solches Abkommen zwischen den Militärblöcken — das ist etwas anderes als die generellen Erklärungen —, aber es geht auch — das ist, glaube ich, eine Idee, die der Bundesaußenminister eingeführt hat — um die Frage, ob solche Vereinbarungen wechselseitig zwischen allen Staaten in Europa abgeschlossen werden können.
    Die Bundesrepublik ist jedenfalls auf Grund ihrer geographischen Lage in besonderem Maße an solchen Vereinbarungen interessiert. Sie würden helfen, die Situation an der Blockgrenze weiter zu entspannen und beide Seiten vor militärischen Kurzschlüssen an dieser Grenze zu schützen.
    Eine erfolgreiche Konferenz könnte dazu beitragen, Vertrauen für die Sicherheitspolitik des Bündnisses und der Bundesrepublik zurückzugewinnen, Vertrauen, das durch die Art verlorengegangen ist, in der der Nachrüstungsbeschluß durchgesetzt wurde. Die Bundesregierung muß aufpassen, hier nicht erneut Fehler zu machen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Starkes Stück!)

    Aber, Herr Bundesaußenminister: Mit einer Politik der bloßen Schadensbegrenzung — so sehr wir verstehen, daß Sie sich jetzt darauf konzentrieren
    — ist es nicht getan. Auch alle richtigen und notwendigen Bemühungen in Stockholm sind kein Ersatz dafür, daß der Westen eine umfassende Initiative im Hinblick auf ein besseres Verhältnis zum Osten entwickelt. Dafür wird eine gemeinsame und selbstbewußte Politik der Europäer entscheidend sein.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Ehmke (Bonn)

    Statt dessen haben wir heute nicht nur in wichtigen Fragen der deutschen Außenpolitik — ich denke an die Entwicklungspolitik, an Afrika, aber auch an Zentralamerika — eine Wende zum Schlechten zu beklagen,

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Noch eine Wende!)

    sondern es ist auch, Herr Bundesaußenminister, bei Anerkennung aller Ihrer Bemühungen gerade für Stockholm und in Stockholm, das Absinken des Ansehens und des Einflusses der Bundesrepublik in der Welt auf Grund einer widerspruchsvollen und unklaren Gesamtpolitik nicht zu übersehen.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich empfehle Ihnen, sich z. B. nur einmal in der UNO umzuhören, wie das heute verglichen mit vor anderthalb Jahren aussieht, Herr Kollege Klein.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese negative Entwicklung wird durch die Affären der Bundesregierung noch beschleunigt. Ich weiß, daß der Herr Kollege Genscher natürlich so wenig glücklich war wie wir, daß das Ereignis in Stockholm hier durch die Wörner-Affäre in den Hintergrund gedrängt wurde. Das müssen Sie doch bitte auch einmal sehen, die Sie jetzt schon wieder so tun, als ob Ihnen dieser Staat gehört und Sie sich alles leisten können:

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Nein, es ist aber fast jedes Wort falsch, was Sie reden!)

    Die Tatsache, daß sich diese Bundesregierung zunehmend in Affären erschöpft, deren Peinlichkeit so ziemlich alles übertrifft, was in der Bundesrepublik bisher geboten wurde,

    (Beifall bei der SPD)

    trägt natürlich dazu bei, unser Ansehen und unseren Einfluß im Ausland und im Bündnis weiter zu schmälern.

    (Zuruf von der SPD: Leider!)

    Das gilt unbeschadet aller sonstigen Unterschiede sowohl für den Fall Geißler mit seinen dollen Sprüchen wie für den Fall Lambsdorff und ganz besonders für den Fall Wörner.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Klein [München] [CDU/CSU])

    — Nun rühren Sie nicht an die schwache Stelle des früheren Innenministers, Herr Kollege.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie mal was zu Guillaume!)

    Der Oppositionsführer Dr. Vogel hat dem Bundeskanzler vorgeschlagen, der deutschen Öffentlichkeit und der Bundeswehr eine Fortsetzung dieses Schauspiels von Peinlichkeiten und — so muß ich leider sagen — auch Schäbigkeiten, das wir in den letzten Wochen erlebt haben, zu ersparen.

    (Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Seitens der Opposition!)

    Der Herr Bundeskanzler hat sich aber einmal mehr
    als unfähig erwiesen, auch nur im Bundeskabinett
    Ordnung zu schaffen. Daher ist auch schon jetzt abzusehen, daß aus all diesem eines nicht zu fernen Tages ein Fall Kohl werden wird.

    (Beifall bei der SPD) Was dieses Land statt dessen braucht,


    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ist Ehmke! — Dr. Marx [CDU/CSU]: Ist ein Beitrag zur KVAE!)

    ist eine große politische Anstrengung, Europas Stellung im Bündnis zu stärken, seine Abhängigkeit von negativen Entwicklungen in der Weltwirtschaft zu mindern, seine technologischen Fähigkeiten im weltweiten Wettbewerb zu fördern und eine Reform der EG einzuleiten, die die weitere Entwicklung Europas auf eine tragfähige Grundlage stellt.

    (Zuruf des Abg. Klein [München] [CDU/ CSU])

    Da von dieser Bundesregierung in dem Zustand, in dem sie sich gerade auch heute morgen hier dargestellt hat, offensichtlich nichts dergleichen zu erwarten ist, wird die SPD dafür in Kürze ein Konzept vorlegen.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Ehmkes Beitrag zur Vertrauensbildung! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die zehn Mann da!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Rühe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das Nahziel der Konferenz für Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa und auch das Nahziel der Bundesregierung ist erreicht worden. Nach Unterbrechung des gesamten Rüstungskontrolldialogs durch die Sowjetunion Ende letzten Jahres ist nun wieder das erste Forum geschaffen worden, auf dem alle europäischen Staaten, die USA und Kanada gemeinsam über Fragen der europäischen Sicherheit verhandeln und damit wieder die Chance für einen kontinuierlichen Ost-West-Dialog eröffnet worden ist. Das ist auch ein Erfolg der Bundesregierung, Herr Ehmke.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ihrer Rede hat man das Unbehagen angemerkt, daß sich Ihre Kassandra-Rufe vom Ende letzten Jahres, durch die Sicherheitsentscheidung der NATO würde das Ende aller Gespräche kommen, die Eiszeit würde hereinbrechen, nicht bewahrheitet haben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Diese ganzen Sprüche!)

    Nun wissen auch Sie, daß es nicht populär ist, wenn man hier im Bundestag an solchen Verhandlungen und Gesprächen herumkrittelt, und deswegen haben Sie versucht zu lavieren. Wenn Sie sich um ein Absinken von Ansehen Sorgen machen, sollten Sie sich einmal im Kreis unserer Verbündeten umgucken, was das Ansehen der deutschen Opposi-



    Rühe
    tion angeht. Dort werden Sie zu vertieften Erkenntnissen kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU]: Bejammernswert!)

    Die Konferenz in Stockholm ist eine Konferenz für vertrauensbildende Maßnahmen. Ich kann nur sagen: Ihre gesamte Außen- und Sicherheitspolitik ist eine mißtrauensbildende Maßnahme nach West und nach Ost.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Konferenz in Stockholm ist in der Tat ein erster positiver Impuls und eine Chance, wieder ein vernünftigeres Verhältnis zwischen Ost und West zu schaffen, und dafür gebührt der Bundesregierung, allen voran dem Bundeskanzler und dem Außenminister, unser Dank;

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    denn wir haben, wie das der Rolle unseres Landes entspricht, hier einen ganz aktiven Part gespielt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: So wird man bei der CDU als Ministrant eingesetzt!)

    Jetzt kommt es darauf an, die Chancen zu nutzen und sie auch durch bilaterale Gespräche auszubauen.
    Herr Ehmke, wer hier die Verteidigungsanstrengungen der USA kritisiert, muß auch darauf hinweisen, wer der Verursacher dieser Verteidigungsmaßnahmen ist. Das ist nicht der Kongreß, sondern die Sowjetunion mit den von ihr beschlossenen Verteidigungsmaßnahmen. Die Sowjetunion hat über viele Jahre hinweg bis zu 15% des Bruttosozialprodukts für Rüstung ausgegeben. Das ist die Ursache für die hohen Ausgaben in den Vereinigten Staaten und auch bei uns. Kein verantwortlicher deutscher Politiker sollte die USA kritisieren, daß sie diese Ausgaben tätigt. Das ist im Interesse unserer Sicherheit und wurde von der Sowjetunion herausgefordert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was die Konferenz in Stockholm betrifft, so kommt es darauf an, einander ergänzende vertrau-ens- und sicherheitsbildende Maßnahmen zu vereinbaren. Der Außenminister hat schon darauf hingewiesen, daß es keine Einzelkonferenz ist, sondern daß sie in den allgemeinen KSZE-Prozeß eingebettet bleibt. Das heißt, der sicherheitspolitische Korb dieser Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die KVAE, kann nicht losgelöst von der Entwicklung in den Fragen der humanitären Beziehungen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gesehen werden. Die Maßnahmen, die es in Stockholm zu vereinbaren gilt, sollen nicht nur vertrauensbildend, sondern sie sollen auch sicherheitsbildend sein. Das heißt, sie müssen noch konkreter als das sein, was z. B. 1975 in Helsinki im Hinblick auf die militärische Situation in Europa abgesprochen worden ist. Sie müssen, wie es von westlicher Seite in Madrid durchgesetzt wurde, militärisch bedeutsam, politisch verbindlich und nachprüfbar sein. Es reicht nicht aus, daß es der freiwilligen Entscheidung eines jeden Teilnehmerlandes überlassen bleibt, ob es beispielsweise seine militärischen Aktivitäten von einer bestimmten Größenordnung an ankündigen will. Dies muß im Sinne der besseren gegenseitigen Einschätzung zur Pflicht werden, und die in den Vorankündigungen gemachten Angaben müssen dann auch vor Ort überprüft werden.
    Diese Maßnahmen, die vertrauens- und sicherheitsbildend sein müssen, sollen zum einen das Risiko eines Überraschungsangriffes ausschalten, politische Drohungen mit militärischen Mitteln ausschließen und die Teilnehmerstaaten von den friedlichen Absichten überzeugen. Solange es Armeen gibt, müssen diese auch üben. Durch die Anwendung dieser vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen kann dann die Gegenseite davon überzeugt werden, daß es sich um Routineübungen und nicht um militärische Drohungen oder gar Angriffsvorbereitungen handelt. Dies fördert die Berechenbarkeit der Absichten, um Mißtrauen abzubauen bzw. das Entstehen von Mißtrauen überhaupt zu verhindern.
    Vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen sollen zum anderen den Staaten ein besseres Bild über die militärischen Fähigkeiten aller Teilnehmer ermöglichen. Je größer aber das Maß an Transparenz dieser Fähigkeiten ist, desto günstiger sind die Voraussetzungen für weitreichende Rüstungsbegrenzungsmaßnahmen im konventionellen Bereich.
    Lassen Sie mich dafür ein plastisches Beispiel geben. Schon in Helsinki wurde vereinbart, daß Manöverbeobachter eingeladen werden. Diese vertrauensbildende Maßnahme wurde vom Osten sehr restriktiv angewendet. Die eingeladenen westlichen Beobachter berichteten zwar stets von einer sehr zuvorkommenden Gastfreundschaft, aber doch von sehr eingeschränkten Möglichkeiten, das eigentliche Manöver selbst zu beobachten. In Stockholm sollten deshalb nach unserer Auffassung alle Teilnehmer vereinbaren, daß zu allen angekündigten Manövern auch Beobachter aus allen KSZE-Staaten einzuladen sind und diese sich nach einer ausführlichen Einweisung über Zweck und Ablauf des Manövers im Manövergelände frei in Begleitung des Gastgebers bewegen dürfen.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist nicht ungefährlich!)

    — Ich weiß nicht, was Sie dagegen haben können, daß so etwas überall gemacht wird, Herr Fischer.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Da gab es doch neulich einen scharfen Schuß!)

    Es hat den Vorteil, daß die in der Einweisung erfolgten Angaben überprüft werden und daß die Beobachter einen realistischen Einblick in die Fähigkeiten der übenden Truppen gewinnen können. Für spätere Abrüstungsmaßnahmen hat es außerdem den Vorteil, daß ein Lernprozeß durchgemacht wird, daß nämlich Überprüfung vor Ort oder Inspektionen vor Ort nicht schmerzt und nichts mit Spionage zu tun hat, wenn man nichts zu verbergen



    Rühe
    hat. Insofern kann es auch einen Gewinn an Vertrauen bedeuten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Deklaratorische Maßnahmen wie der vom Osten vorgeschlagene Gewaltverzichtsvertrag entsprechen diesen Kriterien nicht. Noch sind sie militärisch bedeutsam oder gar zu überprüfen. Sie gehören damit nicht in die jetzt in Stockholm anlaufende KVAE. Denn nach dem Konferenzmandat sollen die Verhandlungsergebnisse einen praktischen Beitrag für die Konkretisierung des völkerrechtlich vereinbarten Gewaltverbots leisten. Ein Gewaltverzichtsvertrag muß, wenn er einen Sinn haben soll, greifbare Fortschritte im Ost-West-Verhältnis im Politischen, im Rüstungskontrollpolitischen und im Atmosphärischen zum Fundament haben. Er kann daher nur das Ergebnis eines europäischen Entspannungsprozesses sein.
    Es liegt auf der Hand, daß vertrauensbildende Maßnahmen in einem Klima des gegenseitigen Mißtrauens nur unter größten Schwierigkeiten, wenn überhaupt, vereinbart und praktiziert werden können. Für ein Gelingen der Konferenz in Stockholm ist es daher erforderlich, daß die Stockholmer Ost-West-Gespräche über militärische Vertrauensbildung durch einen Prozeß der politischen Vertrauensbildung im Rahmen eines inhaltlich breiter angelegten Ost-West-Dialogs ergänzt werden.
    Wir halten diese thematische Verbreiterung schon deshalb für unerläßlich, weil andernfalls das Ost-West-Verhältnis eine bedenkliche Schlagseite bekommt, nämlich dann, wenn zwischen Ost und West fast ausschließlich über militärische Fragen gesprochen wird. Wenn sich der Eindruck verstärken sollte, daß nur dieses geschieht, wie kann dann ein Klima des besseren Vertrauens entstehen? Insofern darf man das Pferd nicht vom Schwanze aufzäumen. Rüstungskontrollergebnisse können eben letztlich nur so gut sein wie die politischen Beziehungen insgesamt.
    Deswegen sollten wir jetzt einen Anlauf in diese Richtung unternehmen. Die Vereinigten Staaten haben das getan. Abrüstung kann — das ist, so glaube ich, richtig — nur die Frucht politischer Vertrauensbildung sein. Deshalb sollte der jetzt in Stockholm beginnende Prozeß der militärischen Vertrauensbildung bei allen Beteiligten auch als Startsignal für die Förderung der politischen Vertrauensbildung betrachtet werden.
    Politisches Vertrauen bildet sich, wenn man mit dem Willen zu guter Nachbarschaft aufeinander zugeht und diesen guten Willen dann auch durch die Tat beweist. Darauf richtet sich unsere Politik.
    Politische Vertrauensbildung setzt voraus, daß man pfleglich miteinander umgeht. In dieser Hinsicht haben wir in dieser Woche ein gutes und ein schlechtes Beispiel erlebt. Die polemische Rede des sowjetischen Außenministers in Stockholm war kein gutes Beispiel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Herr Ehmke, auch hier muß ich Ihnen sagen: Was ist das für eine merkwürdige Optik, wenn Sie sich zwar gezwungen fühlen, die Rede des amerikanischen Präsidenten als maßvoll anzuerkennen, aber gleichzeitig sagen, das sei nur Wahlkampf, aber die polemische Rede des sowjetischen Außenministers nicht kritisieren, sondern sie uns als unseren Mißerfolg in die Schuhe schieben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Die hier als Argument einzuführen!)

    Sie als unser Versagen zu kennzeichnen, wenn dort eine solche Rede gehalten wird, zeigt die schiefe Optik der deutschen Sozialdemokraten 1984.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Die Rede des sowjetischen Außenministers war kein Beweis sowjetischer Stärke, sondern zeigt eher die Ratlosigkeit einer Weltmacht, die sich in eine politische Sackgasse manövriert hat.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Wer die Rede in Stockholm aufmerksam verfolgt hat, dem konnte auch nicht entgehen, wie isoliert Andrej Gromyko mit seiner konfrontativen Tonlage geblieben ist. Aber man sollte diese Rhetorik auch nicht überbewerten, sondern die Sowjetunion ermutigen, baldmöglichst zu einer konstruktiven Politik zu finden. Auch sie kann sich dieser Notwendigkeit auf Dauer nicht entziehen. Alle Staaten im Westen wie im Osten erwarten vielmehr, daß die Sowjetunion hier ihrer politischen Verantwortung gerecht wird. Man kann nur wünschen, daß die sowjetische Führung dem Vorbild des amerikanischen Präsidenten mit seiner Rede am Vorabend von Stockholm folgt. Sie ist ein hervorragendes Beispiel verantwortungsbewußter Politik; sie ist realistisch.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie bekommen bestimmt bald einen Orden!)

    — Aber, Herr Ehmke, Sie können doch nicht für sich Glaubwürdigkeit beanspruchen, wenn Sie diese richtungweisende Rede des amerikanischen Präsidenten in dieser lässigen Weise kommentieren, wie Sie es gemacht haben.

    (Beifall und Zurufe von der CDU/CSU)

    Dafür sind die Fragen auch viel zu ernst, als daß man sie so kommentieren dürfte.

    (Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/CSU)

    Die Rede des amerikanischen Präsidenten verschweigt weder die vorhandenen Probleme noch vernebelt sie die existierenden Gegensätze — und das ist auch gut so —, aber sie unterstreicht den Willen zur gemeinsamen Problemlösung. Sie zeigt Wege auf und macht eindeutig klar, daß die Vereinigten Staaten gute Arbeitsbeziehungen mit der Sowjetunion wünschen. Darum geht es doch, daß wieder gute Arbeitsbeziehungen hergestellt werden, daß das Gespräch auch zwischen den beiden Supermächten der Normfall und keine Sensation ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Rühe
    Die Rede des amerikanischen Präsidenten verbindet Festigkeit bei der Wahrung eigener Interessen mit der Bereitschaft zum offenen Dialog und zur fairen Zusammenarbeit.

    (Zurufe von der SPD)

    — Festigkeit! Festigkeit! Es ist mir klar, daß Sie da nachfragen, weil das für Sie schon ein Fremdwort im Zusammenhang mit Ihrer Sicherheitspolitik geworden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Im übrigen kann ich nur sagen: Wer wie Sie nicht die Grundlagen durch die sicherheitspolitischen Entscheidungen des vergangenen Jahres geschaffen hat, hat eigentlich gar nicht das Recht, groß zu kommentieren, was inzwischen auf der internationalen Ebene dokumentiert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    — Sie haben nicht mitgewirkt an der Schaffung der Grundlagen.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD)

    Wahrung eigener Interessen, Bereitschaft zum offenen Dialog, faire Zusammenarbeit, das sind die Ziele, die in der gegenwärtigen Lage von überragender Bedeutung sind, Verzicht auf die Anwendung oder Androhung von Gewalt, Verringerung der Rüstungsarsenale, Herstellung eines vernünftigen Arbeitsverhältnisses zwischen Ost und West, das von Verständigung und Kooperation geprägt ist. Diese Politik der Vernunft der Vereinigten Staaten deckt sich voll und ganz mit unseren Vorstellungen in der Bundesrepublik Deutschland und mit den Vorstellungen aller europäischen Partner der Vereinigten Staaten. Deswegen können wir sagen, wir sind hier einig und geschlossen. Wir haben gezeigt, daß wir handlungsfähig sind, wenn es um unsere Sicherheit geht. Wir haben aber auch gezeigt, daß wir handlungsfähig sind, wenn es darum geht, den Dialog zwischen Ost und West wieder in Gang zu bringen. Darauf, daß Sie zeigen, daß Sie in dem einen oder anderen Bereich handlungsfähig sind, warten wir immer noch.
    Schönen Dank.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)