Rede von
Dr.
Erich
Riedl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die dritte Lesung eines so großen Gesetzeswerkes wie des Bundeshaushaltes 1984 und der Begleitgesetze gibt nochmals Gelegenheit — ich freue mich, daß sich heute vormittag, von dem etwas turbulenten Auftakt abgesehen, alle Fraktionssprecher sehr bemüht haben, die schwerwiegenden finanz- und wirtschaftspolitischen Probleme hier in großer Sachlichkeit zu erörtern —, in aller Kürze zusammenzufassen und den Blick vielleicht auch ein wenig in die Zukunft zu richten.
Ich glaube, daß die Koalition von FDP, CDU und CSU in diesen vier Tagen klargelegt hat, daß ihre Politik — die Wirtschaftspolitik, die Finanzpolitik und die Haushaltspolitik — darauf gerichtet ist, Wirtschaft und Verbrauchern wieder Mut zu machen, ihnen das verlorengegangene Vertrauen zurückzugeben, die bedrückend hohe Arbeitslosigkeit schrittweise — das ist ein sehr schwerer Weg — zu verringern und die öffentlichen Finanzen allmählich wieder in Ordnung zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, daraus resultiert, als wichtigste Aufgabe der Finanzpolitik von heute die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen zu sehen. Herr Kollege Apel, es darf zwischen Ihnen und uns überhaupt keinen Streit darüber geben — darin stimme ich Ihnen insofern völlig zu —: Der Weg hierzu ist ein außerordentlich steiniger, dorniger und schwerer Weg. Bundesfinanzminister Dr. Gerhard Stoltenberg hat deshalb völlig recht: Wir haben erst den ersten Schritt getan, und es müssen noch viele, viele vernünftige Schritte folgen. Nicht Kurzatmigkeit, sondern ein langer Atem, eine gute Kondition und ein klarer Blick für die vernünftige Politik sind die Aufgaben der nächsten Monate und Jahre.
Als ehemaliger Finanzminister, Herr Kollege Apel, werden Sie mir sicherlich nicht widersprechen, wenn ich sage, daß wir das Ergebnis, das wir dem deutschen Volke heute hier mit der Schlußabstimmung vorlegen, einer äußersten Ausgabendisziplin aller verantwortlichen Politiker und Parlamentarier in Bundesregierung und Bundestag zu verdanken haben.
Erst nach einer Reihe von weiteren Jahren konsequenter Sparsamkeit können wir wieder mit finanzpolitischen Handlungsspielräumen rechnen, die wir ganz einfach nicht mehr haben und die wir in den letzten 13 Jahren verloren haben.
Es bleibt — ich will dies hier gar nicht verschweigen; Haushaltspolitik muß auch ehrlich gemacht werden — in der Tat noch viel zu tun. Ich möchte dies an ein paar Beispielen verdeutlichen. Trotz der von uns seit dem 1. Oktober 1982 eingeleiteten Maßnahmen wird die Zinsbelastung im Bundeshaushalt weiter ansteigen: von 10,5% der Ausgaben in diesem Jahr auf fast 13 % im Jahre 1987. Das sind zusätzlich 9 Milliarden DM, die uns an anderen Stellen fehlen.
Wir haben die Zinsbelastung im Bundeshaushalt
längst noch nicht zufriedenstellend gelöst. Das sind
Zahlen, die in der mittelfristigen Finanzplanung
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enthalten sind und die wir heute zur Kenntnis nehmen.
Auch wäre es völlig falsch — darauf haben der Kolloge Hoppe, der Bundesfinanzminister und andere in diesen Tagen zu Recht hingewiesen —, den Bundesbankgewinn als Dauereinnahme zu betrachten. Ohne Einrechnung der Bundesbankablieferung — das sage ich an alle, die mit Blick auf das nächste Jahr vielleicht schon wieder mit dem Gedanken spielen, den Ausgaberahmen des Bundes vielleicht zu erhöhen — haben wir immer noch eine Dekkungslücke im Bundeshaushalt von über 40 Milliarden DM.
Daß wir bei den Anstrengungen zur Konsolidierung nicht nachlassen dürfen, ergibt sich auch aus den bekannten Risiken für den Bundeshaushalt: die EG, Kohle, Stahl, Werften, Bürgschaften. Was im Nahen Osten mit seinen möglichen Wirkungen auf diesen Haushalt geschieht, weiß heute im Prinzip noch niemand. All das kann, wenn es ausufert, unseren Konsolidierungskurs gefährden.
Herr Kollege Hoppe, Sie haben mir eben aus der Seele geredet, als Sie von den — —
— Ein Liberaler kann auch aus der Seele reden, nicht nur ein Konservativer. Das geht schon. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wissen das alle. Er lag Ihnen aber meistens auf der Seele und hat Ihnen weniger nach dem Mund als nach der Seele gesprochen. Das weiß ich schon.
Herr Kollege Hoppe, was ich immer noch nicht ganz begreife, obwohl es mir intellektuell fast klar ist,
ist, daß uns in Deutschland nicht gelingt, was den Schweizern gelungen ist, nämlich in einem Gesetz festzulegen — mit ganz vernünftigen, aber eng begrenzten Ausnahmen, z. B. für die Subventionen der Schweizer Bergbauern —, die Subventionen um einen bestimmten linearen Satz zurückzuführen. Ich begreife das nicht.
Natürlich ist der Widerstand gegen solche Vorhaben sehr groß. Aber die Entscheidung müssen wir Politiker treffen.
Die Verantwortung müssen wir Politiker tragen. Wir können den Schwarzen Peter letztlich nicht den Subventionsempfängern zuschieben; denn daß die gern alles kassieren, Herr Wieczorek, wissen wir aus langjähriger Erfahrung im Haushaltsausschuß.
An den Subventionsabbau — ich freue mich, daß
mein sehr verehrter Fraktionsvorsitzender, Herr
Dr. Dregger, hierbei lebhaft mit dem Kopf genickt
und ihn nicht etwa geschüttelt hat — würde ich in
den nächsten Monaten mit Ihrer Hilfe und hoffentlich auch mit Unterstützung von der Sozialdemokratie gerne noch einmal heftiger herangehen.
Richtig ist auch — da streiten wir gar nicht, Herr Kollege Apel —, daß Haushaltsdisziplin an den nationalen Grenzen nicht haltmachen darf. Ich habe mich sehr gefreut, daß unser Bundeskanzler Helmut Kohl klar und deutlich gesagt hat: Wenn man dem deutschen Steuerzahler, dem deutschen Bürger im eigenen Land Opfer zumutet, um den Staatshaushalt zu sanieren, muß man das gleiche auch in Europa verlangen dürfen. Da hat er völlig recht.
Haushaltsbelastungen werden sich auch aus einer Tarifreform ergeben. Wir haben ja in diesen Tagen über dieses Thema sehr lang und sehr breit geredet. Wenn Sie aber, Herr Kollege Apel, heute nochmals das Thema des Zeitpunktes des Inkrafttretens der Steuerentlastung angesprochen und die Frage gestellt haben: Hat die Konsolidierung oder die Reform des Tarifs den Vorrang?, dann, glaube ich, ist das doch mehr Ausdruck dessen, daß Sie die Debatte nicht verfolgt haben, daß Sie vielleicht davon leben wollen, daß es in der Koalition angeblich unterschiedliche Positionen gibt. Da hätten Sie am Mittwoch oder Donnerstag hier sein müssen — vielleicht waren Sie auch hier; ich will Ihnen das gar nicht vorwerfen —; denn diese Frage hat die FDP am Mittwoch und am Donnerstag in diesem Hohen Haus aus der Welt geschafft.
Unser Kollege Hoppe hat sich am Mittwoch mit großer Ausführlichkeit mit diesem Thema befaßt und die jetzige Koalition auf Grund seiner sicherlich sehr reichen Erfahrungen mit der früheren Koalition ermahnt, sich selbst vor größeren Schäden zu bewahren. Am Donnerstag hat Graf Lambsdorff hinzugefügt: Es gilt, wir werden die Konsolidierung nicht durch voreilige Steuerentlastungen gefährden. Dies ist auch der Wille der CDU/CSU-Fraktion, den unser Fraktionsvorsitzender auch in dieser Debatte deutlich zum Ausdruck gebracht hat.
Meine Damen und Herren, schließlich haben wir auch noch die Aufgaben der langfristigen Sicherung der Rentenfinanzen vor uns. Die von uns ergriffenen Sofortmaßnahmen sichern mittelfristig die Zahlungsfähigkeit der Rentenfinanzen gewiß. Langfristig aber geht es darum, den Generationenvertrag zu sichern, ohne daß die Abgabenbelastung in unzumutbarer Weise angetastet wird.
Der Kollege Schäuble hat heute in einer ausgezeichneten Rede die Erfolge unserer Politik zusammengefaßt. Ich kann mir das deshalb ersparen. Ich möchte aber, anschließend an die Rede meines Kollegen Schäuble, hier sagen, daß die ersten sichtbaren und erfreulichen Erfolge unserer Politik kein Grund sind, in unseren Anstrengungen um die Gesundung der Finanzen und der Wirtschaft nachzu-
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lassen. Der finanzpolitische Kurs der Bundesregierung ist mittelfristig ausgerichtet, und er ist erfreulicherweise auch abgestimmt.
Der Bund erfährt die Unterstützung seines Kurses durch Länder und Gemeinden. In das Klagelied von heute vormittag wegen der Finanzlage der Gemeinden ist überhaupt nicht einzustimmen. Die Gemeinden profitieren heute schon überproportional positiv von dem, was Helmut Kohl und seine Regierung ab 1. Oktober 1982 eingeleitet haben.
— Nein, nicht fiskalpolitisch. Herr Kollege Wolfram, reden Sie mit den Oberbürgermeistern und den Stadtkämmerern.
Die beglückwünschen uns serienweise zu den gesetzlichen Entscheidungen, die wir hier im Deutschen Bundestag treffen. Das kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung sagen.
Der Finanzplanungsrat von Bund, Ländern und Gemeinden hat Einigkeit darüber erzielt, daß die Konsolidierung Vorrang hat, die konsumtiven Ausgaben weiter eingeschränkt werden müssen und der Ausgabenzuwachs jährlich bei etwa 3 % liegen soll. Die sozialen Sicherungssysteme und die Europäische Gemeinschaft — dies habe ich schon gesagt — müssen konsolidiert werden. Die Steuer- und Abgabenbelastung muß mittelfristig begrenzt werden.
Der Staat allein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre aber mit der Lösung der schwierigen wirtschaftlichen Probleme überfordert. Ich möchte das unterstützen, was heute verschiedene Redner schon gesagt haben: Wir brauchen das Zusammenwirken aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten in der Geldpolitik, in der Tarifpolitik ebenso wie in der staatlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Mit Befriedigung können wir feststellen, daß heute — das war j a nicht immer so — Geld- und Finanzpolitik wieder völlig konform gehen. Wir haben — auch dies darf ich mit einem Satz anschneiden — die Kontroversen zwischen der früheren Bundesregierung und der damaligen Führung der Deutschen Bundesbank noch gut im Ohr.
Eine entscheidende Rolle kommt im nächsten Jahr der Lohnpolitik zu. Auch die Lohnpolitik muß dazu beitragen, die Beschäftigungsprobleme zu vermindern.
Ich würde mich sehr freuen, wenn der Appell an eine große Gemeinsamkeit, an ein großes solidarisches Vorgehen Erfolg hätte. Sie haben die besten Kontakte zum Deutschen Gewerkschaftsbund und seinen Einzelgewerkschaften. Wenn Sie es ernst meinen mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen, wenn Sie es ernst meinen mit der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, und wenn Sie es ernst meinen mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit und der Sicherung von Arbeitsplätzen, dann reden Sie mit Ihren Freunden in den Gewerkschaften im positiven Sinne und nicht im negativen, im parteipolitischen Sinne, meine Damen und Herren.
Gewerkschaften und Arbeitgeber — ich sage das mit allem Bedacht, aber auch mit allem Nachdruck — sind aufgefordert, die bisherige Lohnlinie nicht zu verlassen und auch im Jahre 1984 durch situationsgerechte Tarifabschlüsse zur Verminderung der Beschäftigungsprobleme beizutragen.
Auch die Entscheidungen über Arbeitszeitverkürzungen liegen vor allem in den Händen der Tarifpartner. Wir vom Deutschen Bundestag können hier nur helfend mitwirken.
Arbeitszeitverkürzungen können in der Tat zur Entlastung des Arbeitsmarktes beitragen. Entscheidend sind jedoch die Art der Ausgestaltung, das Tempo und die Finanzierung. Hier läßt der Sachverständigenrat — man kann es gar nicht oft genug wiederholen — keinen Zweifel: Wenn es zu Kostensteigerungen kommt, kann man nicht ausschließen, daß die Beschäftigungswirkungen negativ werden.
Es ist in dieser Stunde auch sicherlich — in knapper Form — angebracht, den Blick etwas weiter als nur in das Jahr 1984 hinein zu werfen. Wir werden im Jahr 1984 aller Voraussicht nach mindestens mit den Haushaltszahlen abschließen können, die wir heute beschließen, weil alle wichtigen wirtschaftlichen Indikatoren für 1984 eine weitere positive Entwicklung versprechen und nicht nach unten weisen.
Im Jahre 1984 werden dann aber sehr bald die Weichen für 1985 zu stellen sein. Aus der Sicht der Haushaltspolitiker dieser Koalition können wir unserer Regierung und unseren Fraktionen dazu nur folgendes empfehlen.
Erstens. Wir müssen im Haushalt für 1985 mit dem erfolgreich gewonnenen Abbau der Nettokreditaufnahme fortfahren. Die Eckdaten der mittelfristigen Finanzplanung hierzu müssen nicht nur eingehalten, sondern wegen der nach wie vor eklatant hohen Zinsbelastung für den Schuldendienst des Bundes nach Möglichkeit noch unterschritten werden. Deshalb wäre es mehr als wünschenswert — Herr Bundesfinanzminister, ich darf Sie heute schon der Unterstützung der Koalitionsfraktion im Haushaltsausschuß und, so hoffe ich, auch der Kollegen der gesamten Fraktion versichern —, wenn wir schon für 1985 bei der Nettokreditaufnahme mit einer Zahl unter 30 Milliarden DM abschließen könnten oder wenn wir, Manfred Carstens, wie es neulich von uns gesagt wurde, endlich einmal wieder eine Zwei als erste Ziffer der Zahlenangabe der Nettokreditaufnahme schreiben könnten.
Zweitens. Dies erfordert, daß sich neue Anforderungen an den Bundeshaushalt — insbesondere Ausgabenwünsche der Ressorts, aber auch der Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hohen Hauses
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— in ähnlich engen Grenzen halten müssen wie schon in diesem Haushalt. Für Begehrlichkeiten, die auch in dieser Debatte zum Teil bereits wieder zu hören waren und aufflackerten, wird es auch bei den kommenden Haushaltsberatungen für 1985 keinen Platz geben.
Drittens. Dies gilt um so mehr, wenn wir den Vorschlag des Bundeskanzlers akzeptieren — wir müssen ihn akzeptieren —, daß der entscheidende Schritt gegen die Massenarbeitslosigkeit in unserem Land über die Förderung der zukunftsträchtigen Bereiche unserer Volkswirtschaft und insbesondere durch die Förderung neuer Existenzen zu erfolgen hat. Wir werden alle auch deshalb darauf zu achten haben, daß für den Haushalt 1985 die Haushaltsdisziplin streng eingehalten wird, weil wir — wie schon gesagt — Vorsorge für eine umfassende Steuerentlastung treffen wollen und müssen und weil wir unsere Rentenfinanzen langfristig auf eine dauerhafte, unabhängige, sichere Stufe stellen wollen.
Die Neuorientierung unserer Politik erfordert schrittweises und konsequentes Handeln über Jahre hinweg. Nicht Hektik, sondern Stetigkeit und Berechenbarkeit schaffen wieder Vertrauen.
Wir sind zuversichtlich — damit darf ich als Schlußredner meiner Fraktion an die Worte anknüpfen, die der erste Redner unserer Fraktion, unser Fraktionsvorsitzender Dr. Dregger, gefunden hat —, daß wir bis 1987 ein gutes Stück auf dem Weg der Gesundung der öffentlichen Finanzen und der sozialen Sicherungssysteme, der Bewältigung der Strukturprobleme in der Wirtschaft und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorangekommen sein werden.
Wir haben den Auftrag der Wähler. Danach, meine sehr verehrten Damen und Herren und liebe Bürger draußen im Lande, werden wir handeln. Meine Fraktion wird deshalb in der Schlußabstimmung in wenigen Minuten den vorgelegten Gesetzentwürfen zustimmen.
Ich bedanke mich.