Deshalb ist auch der Feststellung des Finanzplanungsrats vom 2. Dezember 1983 — das ist also taufrisch — vollinhaltlich beizupflichten:
Das Finanzierungsdefizit des öffentlichen Gesamthaushalts ist noch zu hoch. Für 1984 und die Folgejahre ist daher eine Beibehaltung des vom Finanzplanungsrat in seinen letzten Sitzungen bekräftigten finanzpolitischen Kurses erforderlich. Um das Ziel eines weiteren Abbaus der staatlichen Neuverschuldung in den kommenden Jahren zu erreichen, sollte daher das Wachstum der Staatsausgaben auf höchstens 3 % begrenzt werden.
Für den Etat 1984 haben wir uns daran gehalten. Trotz erheblicher Zusatzanforderungen unserer Sorgenkinder Kohle und Stahl und der Bürgschaftsverpflichtungen konnten wir den Ausgabenzuwachs gegenüber dem Entwurf von 1,8 auf 1,6% senken. Ein beachtlicher Konsolidierungseffekt ist die Folge. Das bringt uns zum erstenmal seit 1980 wieder in den verfassungsmäßigen Korridor des Art. 115 Grundgesetz.
Meine Damen und Herren, wir verkennen dabei allerdings nicht, daß dieses Ergebnis nur möglich war, weil sich die Bundesbank erneut als Blutspender betätigt hat. Solange wir den Verfassungsrahmen des Art. 115 nur mit Hilfe dieser Blutzufuhr erreichen, kann die Konsolidierungsaufgabe nicht als abgeschlossen angesehen werden.
Die Schwachstelle dieses Haushalts ist aber — wer wollte es bestreiten — der unzureichende Subventionsabbau. Die Einschränkung der Steuervorteile beim Bauherrenmodell und die Konzentration der Kfz-Steuer-Vergünstigungen auf wirklich Schwerbehinderte reichen nicht aus, um an dieser Front Erfolgserlebnisse zu vermitteln. Wir Freien Demokraten waren bereit, schon mit dem Haushalt 1984 Steuersubventionen in einem Volumen von über 1 Milliarde abzubauen. Und wir erklären schon jetzt unsere Bereitschaft, zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen neuen Anlauf zu einem spürbaren Subventionsabbau zu nehmen.
Wir haben dazu konkrete Vorschläge zur Einschränkung von Steuervergünstigungen in einer Größenordnung von weiteren 3 Milliarden DM vorgelegt. Eingedenk der schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit möchte ich den an dieser Front sowieso sehr engen Handlungsspielraum nicht für die Zukunft noch dadurch einschränken, daß ich heute Roß und Reiter hier nenne. Dies würde nämlich den Reifeprozeß des Subventionsabbaus unweigerlich stören, weil es die Interessenten, Fürsorger und Lobbyisten auf den Plan riefe.
Neben der Verpflichtung zum Subventionsabbau müssen endlich wenigstens die zeitliche Begrenzung aller Subventionen, ihre degressive Ausgestaltung und, wo immer dies möglich ist, eine Umstellung von Zuschüssen auf Darlehen zum Inhalt einer revidierten Subventionspolitik werden.
Denn, meine Damen und Herren, bereits seit 1975, als sich der Bundesrechnungshof dieses Themas annahm und die Zuwendungsempfänger kritisch unter die Lupe nahm, wissen wir, daß sich nicht nur das Gesetz und Recht wie eine ewige Krankheit forterben, sondern auch gewisse Zuwendungen und Subventionen nur als chronische Erkrankung des Bundeshaushalts zu verstehen sind. Durch den „Rasenmäher"-Vorschlag des Deutschen Industrie- und Handelstages, alle Subventionen um einen bestimmten Prozentsatz — 5 oder 10 % — zu kürzen, sind wir denn j a wohl alle noch einmal gemahnt worden, hier endlich an die Arbeit zu gehen. Wir haben aber einsehen müssen, daß eine lineare Kürzung aller Subventionen sachlich nicht vertretbar ist. Z. B. im Stahlbereich oder bei den Werften kann man so nicht kürzen. Und eine Absenkung von investitionsfördernden Subventionen ist jetzt nur schwer vertretbar. Aber diese Einsicht darf uns nicht den Blick auf die ganze Subventionslandschaft verbauen. Subventionen sollten in erster Linie und vor allen Dingen Arbeitsplätze schaffen und sie sichern helfen. Als „Sterbehilfe" sind sie herausgeschmissenes Geld, das uns an anderer Stelle fehlt.
Meine Damen und Herren, beim Haushalt 1984 und seinen Begleitgesetzen haben wir uns — jedenfalls in der Koalition — nicht mehr nur auf die eigene „gute Nase" verlassen. In unserer Finanzpolitik und in den Haushaltsansätzen spiegelt sich die Wirklichkeit wider. Und die Menschen in unserem Lande haben begriffen, daß es den Arbeitnehmern nicht gutgehen kann, wenn es ihren Betrieben schlechtgeht.
Sie sehen, daß sich die Dinge allmählich zum Besseren wenden.
Voraussetzung dafür und für eine Fortführung der durch diese Wirkungen erkennbar gewordenen Politik ist jetzt Geradlinigkeit. Im Finanz- und Haushaltsbereich heißt das, die Defizite weiter konsequent abzubauen und die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen weiter zu verbessern. In der Geldpolitik sind maßvolle Zinsen investitionsentscheidend. Für eine Investitionsbelebung ist darüber hinaus die Beseitigung der Investitionshemmnisse in Gesetzgebung und Verwaltung geboten. Hier heißt das Schlagwort „Entbürokratisierung" oder, vielleicht besser, „Entrümpelung".
Schließlich sollten in der Lohnpolitik die maßvollen Tarifabschlüsse des Jahres 1983 für einen mittelfristigen Zeitraum Modellcharakter haben.
Meine Damen und Herren, vor allen Dingen — damit, lieber Rudi Walther, kommen Sie jetzt auf Ihre Kosten — sollten wir aber nicht jene bitteren Wahrheiten ignorieren, die Helmut Schmidt am 22. Juni 1982 vor der SPD-Fraktion beim Namen nannte. Dort hieß es:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 3289
Hoppe
Wir können die Nettokreditaufnahme nicht weiter erhöhen, weil wir begriffen haben, daß die Zinsen nicht steigen dürfen. Das weitere Herunterfahren der öffentlichen Investitionen kann man auch nicht verantworten; ebenso nicht eine stärkere Belastung der Arbeitnehmer. Bleibt als Fazit: Die bisherige Steigerung der Sozialausgaben und Leistungen kann nicht mehr so fortgesetzt werden; umgekehrt: Der Zuwachs muß gebremst werden.
Diese Erkenntnisse dürfen wir nicht vernachlässigen, wenn es gilt, jetzt konsequente Konsolidierungspolitik zu betreiben. Wir stehen vor der Aufgabe, grundlegende Strukturveränderungen zu meistern. Und wir haben die daraus resultierenden Risiken für jeden einzelnen zu bewältigen.
Meine Damen und Herren, diese Situation verlangt eine gemeinsame Kraftanstrengung von Wirtschaft und Politik. Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Verbände werden diese Aufgabe mit den Verantwortlichen in Regierung und Parteien nur in einer Solidargemeinschaft lösen können.
Eine Frontenbildung in unserem Lande, eine Polarisierung der politischen Kräfte würde die Lösung erschweren oder sie gar auf unwiederbringliche Zeit hinausschieben. Lassen wir es dazu nicht kommen, denn sonst könnte eines Tages sogar der Arbeitsfrieden, auf den wir heute alle noch so stolz sind, gestört sein. Geben wir dem Pakt der Vernunft eine Chance. Wenn ich sehe, daß es über die Parteigrenzen hinweg in der sachlichen Arbeit aber das noch gibt, was die Politik heute und auch morgen dringend braucht, nämlich Freundschaft und Zuwendung, wie dies im Haushaltsausschuß zu erfahren ist, dann habe ich die Hoffnung, daß wir das auch in unserem Lande bewerkstelligen können.