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ID1004502900

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    Plenarprotokoll 10/45 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 45. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3261 A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 10/798 — Dr. Vogel SPD 3261 B Dr. Mikat CDU/CSU 3262 D Krizsan GRÜNE 3264 B Mischnick FDP 3265 C Vizepräsident Stücklen 3266 D Beratung der Sammelübersicht 17 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/667 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 18 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/703 — 3267 A Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534, 10/631 bis 10/659 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348, 10/686 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349, 10/724 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350, 10/677 — Dr. Apel SPD 3267 D Dr. Schäuble CDU/CSU 3276 C Burgmann GRÜNE 3283 B Hoppe FDP 3286 A Dr. Jannsen GRÜNE 3289 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU 3290 B Walther SPD 3293 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3298 A Namentliche Abstimmungen . . . 3302C, 3305A Nächste Sitzung 3307 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3308* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3308* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 3261 45. Sitzung Bonn, den 9. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Echternach 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gerstl (Passau) * 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haase (Fürth) * 9. 12. Haehser 9. 12. Handlos 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Lemmrich * 9. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Dr. Müller * 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann * 9. 12. Sander 9. 12. Sauermilch 9. 12. Frau Schmedt (Lengerich) 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. von Schmude 9. 12. Schreiner 9. 12. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 9. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockhausen 9. 12. Stockleben 9. 12. Verheyen 9. 12. Voigt (Frankfurt) 9. 12. Voigt (Sonthofen) 9. 12. Weiskirch (Olpe) 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Wischnewski 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April 1983 bis September 1983 im Anschluß an den Bericht bis März 1983 - Drucksache 10/100) (Drucksache 10/614) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Haushaltsführung 1983: hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 12 Tit. 681 01 - Arbeitslosenhilfe (Alhi) (Drucksache 10/734) zuständig: Haushaltsausschuß Haushaltsführung 1983; hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - (Drucksache 10/735) zuständig: Haushaltsausschuß Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 14 22 Tit. 559 31 - NATO-Frühwarnsystem AWACS - (Drucksache 10/699) zuständig: Haushaltsausschuß Der Vorsitzende des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zur Europäischen Küstencharta (Drucksache 10/358 Nr. 95) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung einer konzertierten Forschungsaktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Auswirkungen von Behandlungen und Vertrieb auf Qualität und Nährwert von Lebensmitteln Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, ein Übereinkommen über die Durchführung einer konzertierten Forschungsaktion betreffend die Auswirkungen von Behandlungen und Vertrieb auf Qualität und Nährwert von Lebensmitteln zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Drittstaaten, die an der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST) mitwirken, auszuhandeln (Drucksache 10/433 Nr. 10) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung des Anhangs II der Richtlinie 75/895/EWG über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Obst und Gemüse (Drucksache 10/ 358 Nr. 83)
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    Rede von Dieter Burgmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde! Wenn ich heute hier die Haushaltsdebatte noch einmal zusammenfasse, tue ich das vor allem auch in Vertretung meines erkrankten Freundes Hans Verheyen, der in den letzten drei Monaten im Haushaltsausschuß sehr' intensiv an diesem Haushalt mitgearbeitet hat.
    Er hat mich gebeten, zu Beginn meines Beitrags darauf hinzuweisen, daß es ihn doch sehr gefreut hat, daß im Haushaltsausschuß eine menschlich relativ erfreuliche Atmosphäre geherrscht hat. Auf der anderen Seite hat er sehr kritisch gesagt, daß es politisch eigentlich keine Berührungspunkte gegeben hat, daß es politisch nicht möglich war, für unsere Vorschläge und Anträge, die wir eingebracht haben, bei ihrer Behandlung auch Unterstützung zu finden.

    (Dr. Weng [FDP]: Sehr richtig und sehr vernünftig!)

    Ich habe das selber erlebt, teilweise als stellvertretendes Mitglied, vor allem aber auch im Wirtschaftsausschuß, wo wir ganze zwei halbe Tage Zeit hatten, den politisch so wichtigen Haushalt des Wirtschaftsministeriums zu debattieren.

    (Zuruf des Abg. Lowack [CDU/CSU])

    Wir hatten zwei halbe Tage Zeit für einen Haushalt, der ganz wesentliche wirtschaftliche Perspektiven eröffnen sollte. Nachdem wir festgestellt haben, daß dieser Haushalt im wesentlichen eine Fortschreibung des bisherigen, von der Verwaltung erstellten Haushalts ist, haben wir versucht, etwas Perspektive hineinzubringen, indem wir den Antrag gestellt haben, mit 5 Milliarden DM eine langfristige Energieversorgung für die Bundesrepublik sicherzustellen. Wir haben erleben müssen, daß es darüber kaum eine ernsthafte Debatte gegeben hat. Selbst die SPD, die sich auf der anderen Seite für ein Beschäftigungsprogramm eingesetzt hat, hat sehr wenig konkret darüber diskutiert.
    Das geschah, obwohl wir in unseren Diskussionsbeiträgen verdeutlicht haben, daß diese 5 Milliarden DM nicht nur dazu beitrügen, durch eine langfristige Energieversorgung langfristig Importe von Öl und Gas einzusparen und dadurch die Volkswirtschaft zu entlasten, sondern auch einen ganz entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leisten könnten. All diese Argumente gingen unter.
    Wenn man sagt, wir hätten mit diesen 5 Milliarden DM vielleicht zu hoch gegriffen, dann möchte ich nur ein anders Beispiel nennen: Selbst die 300 000 DM, die wir beantragt haben, um eine Studie „Arbeiten in einer ökologisch orientierten Wirtschaft" vom Öko-Institut in Freiburg zu unterstützen — eine Studie, die uns sicher sehr viel wichtigere Erkenntnisse gebracht hätte als das Sachverständigengutachten —, waren nicht da. Sie wurden ja gestern von diesem Hause abgelehnt, obwohl gleichzeitig 39 Millionen DM für die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute bereitgestellt werden, die uns von Jahr zu Jahr mit falschen Prognosen bedienen. Ich habe das auch beim Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung erlebt, der gestern sehr heiß debattiert und dann
    3284 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983
    Burgmann
    leider auch in unveränderter Form verabschiedet wurde.
    Ich bin vor allem über die Ignoranz erschüttert, mit der sich gestern Herr Blüm über die Not der Arbeitslosen, und über die Probleme, die für die Betroffenen mit Senkung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe verbunden sind, geäußert hat. Ich bitte Sie, Herr Blüm, gehen Sie einmal in die Arbeitsloseninitiativen hinein, und hören Sie sich vor Ort an, welche konkreten Probleme da bestehen, mit welchen Sorgen sich die Menschen auseinandersetzen müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich bitte Sie, Herr Blüm, der Sie jetzt nicht da sein können: Lesen Sie im Protokoll einmal nach, was ich dazu sage. Reden Sie einmal mit den Rehabilitanden, jenen Menschen, die nach schwerer Krankheit und Unfällen wieder neuen Mut fassen, Leistungen mit dem Ziel erbringen, einen neuen Beruf zu erlernen, um in diesem anstrengenden Berufsleben wieder tätig zu werden, und die Sie jetzt teilweise so beschneiden, daß es für sie finanziell unmöglich wird, diese Rehabilitation noch wahrzunehmen.
    Da behauptet die Bundesregierung immer wieder — Herr Blüm gestern und Herr Dregger vorgestern —: Leistung muß sich wieder lohnen. Diese Menschen bringen Leistung. Und wie lohnen Sie diese Leistung'? Indem Sie ihnen die Unterstützung kürzen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das ist die Kritik an dem Vorgehen. Wir kritisieren nicht, daß versucht wird, einzusparen, sondern daß Sie gerade bei denen sparen, die am schwächsten sind und es am nötigsten hätten, von uns unterstützt zu werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Diese Heuchelei gipfelt dann in der Demagogie, die Herr Blüm gestern vorgestellt hat, indem er das vorgezogene Altersruhegeld gar noch als Geschenk für die Kriegsgeneration anpreist. Das ist doch wohl der Gipfel!

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bei diesen Maßnahmen geht es letzten Endes doch nur darum, das Bemühen der Gewerkschaften um Arbeitszeitverkürzung durch eine solche schwache Regelung zu unterlaufen. Dem müssen wir uns widersetzen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir glauben, daß man für die Generation, die diesen Krieg erlebt hat, an anderer Stelle ansetzen muß. Ich sehe an erster Stelle den Rüstungshaushalt,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    einen Haushalt, der sich dadurch auszeichnet, daß er gegenüber vielen anderen nur unbedeutend von Kürzungen betroffen ist und in der Gesamtsumme ganz deutlich wächst.
    Es ist fast selbstverständlich, daß sämtliche GRÜNEN-Kürzungsvorschläge abgelehnt wurden. Selbst die lächerlichen Vorschläge, die die SPD unterbreitet hat, fanden gestern keine Zustimmung bei der Haushaltsabstimmung.

    (Lattmann [CDU/CSU]: Das war eine zutreffende Beschreibung: „lächerliche Vorschläge"!)

    Dagegen hat gestern Herr Dr. Friedmann sehr starke Worte gebraucht: Ein Volk, das etwas auf sich hält, muß auch bereit sein, sich zu verteidigen. Weiter hat er fortgeführt: Was nützt der Sozialstaat, wenn die Kosaken kommen?

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das hat er zitiert!)

    — Das hat er gesagt. Er hat sich, indem er es zitiert hat, damit ja irgendwie identifiziert.

    (Uldall [CDU/CSU]: Er hat einen Sozialdemokraten zitiert!)

    Mich haben diese Worte an eine sehr traurige Vergangenheit erinnert. So etwas haben wir zu wilhelminischen Zeiten geredet, aber nicht mehr nach zwei verlorenen Kriegen. Ich meine, wir sollten da schlauer geworden sein.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Schily [GRÜNE]: Gut, daß wir ihn verloren haben!)

    Aber Herr Wörner hat ja in seinem Beitrag zum Verteidigungshaushalt auch deutlich gemacht, welche Zielsetzung diese Konsolidierungspolitik hat, indem er ausführte: Wir brauchen den Wirtschaftsaufschwung, den wir mit den Sozialkürzungen erkaufen wollen, um die Rüstung finanzieren zu können. Hier wird die Finanzpolitik, die dahintersteckt, deutlich: Kürzungen der Sozialleistungen, damit der Rüstungshaushalt weiter steigen kann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unsinn!)

    Ich möchte behaupten, daß Sie damit keine Sicherheit schaffen, sondern damit die Kriegsgefahr erhöht wird und die Wirtschaft und der innere Friede zerstört werden.

    (Lattmann [CDU/CSU]: Den zerstören Sie am meisten! — Uldall [CDU/CSU]: Solche an den Haaren herbeigezogenen Argumentationen glauben Sie doch selber nicht! Das ist lächerlich!)

    — Das ist Ihre Argumentation.
    Ich möchte noch sagen, daß nicht nur diese sehr weitreichenden Anträge, die wir gestellt haben, abgelehnt wurden, sondern daß selbst kleine teilweise auch humanitäre Anträge — ich möchte fast sagen: Bitten — nicht unterstützt wurden, weder im Haushaltsausschuß noch hier.
    Es wurde beispielsweise von den GRÜNEN 1 Millionen DM für die iranischen Studenten beantragt, die von Khomeini nicht mehr gefördert werden. Selbst Herr Möllemann hat diesen Antrag unterstützt. Aber im Haushaltsausschuß fand er keine Mehrheit.
    Wir beantragten nur 1 Million DM zur Verlängerung der Verträge der Entwicklungshelfer. Auch dies wurde von der CDU/CSU ähnlich wie die Frage der iranischen Studenten durchaus verständnisvoll
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 3285
    Burgmann
    diskutiert. Es hatte den Anschein, als sei es möglich, dafür eine Mehrheit zu bekommen. Aber bei der Abstimmung stand die Fraktion der CDU/CSU — hier zitiere ich Herrn Carstens — geschlossen „wie ein Mann". Ich finde das peinlich. Ich würde das nicht mit solch stolz geschwellter Brust sagen, wie Sie, Herr Carstens, das gestern gesagt haben. Ist es wirklich ein Grund, stolz zu sein, wenn Sie so unter Ausschaltung des Gewissens die schlimmsten sozialen Kürzungen beschließen und mit Fraktionszwang vernünftige Entscheidungen überdecken?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nun zur Frage der Ökologie, von der in dieser ganzen Haushaltsdebatte relativ wenig die Rede war. Nicht einmal 8 Millionen DM waren bereitzustellen für eine Kommission für Bodenschutz,

    (Schily [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    obwohl der Bund Naturschutz vorgestellt hat, welche Probleme durch die Vergiftung des Bodens auf uns zukommen. Nicht einmal 8 'Millionen DM waren für Präventivmaßnahmen für das Nordseewatt bereitzustellen.
    Wenn in diesem Haushalt nach sorgsamem Überprüfen vielleicht insgesamt 60 Millionen DM für Maßnahmen gegen das Waldsterben zusammenzukratzen sind, dann stehen sie einem Haushalt von 260 Milliarden DM gegenüber. Das ist ein Anteil von nicht einmal 0,4 Promille.
    Meine Damen und Herren, der Ökologie ist nicht damit gedient, daß man hier davon redet, und auch nicht damit, daß man in irgendeinem Haushalt ein paar Millionen dafür bereitstellt, sondern Ökologie muß sich praktisch als Aufgabe durch jeden Einzelplan in diesem Haushalt ziehen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Statt dessen finden wir weitere Mittel zur Zerstörung. Mittel werden ausgegeben zur Förderung der Atomkraft, der Gentechnologie, für die Entwicklung von Bioäthanol, für Tierversuche und ähnliche Maßnahmen.
    Vorhin ist von den Problemen gesprochen worden, die vor uns liegen. Da möchte ich einmal fragen: Was sind denn eigentlich die Herausforderungen und die Probleme, die sich für uns heute und insbesondere im nächsten Jahr stellen? Da haben wir die Arbeitslosigkeit, das Problem der sozialen Sicherheit. Da haben wir vor allem die Umweltzerstörung, die uns gerade in den letzten Monaten durch die erschreckende Zunahme des Waldsterbens droht. Wir haben die Frage des Friedens, des Hungers und des Massensterbens in der Dritten Welt.
    Dann müssen wir zum Schluß dieser Debatte fragen: Was hat der Haushalt 1984 darauf für Antworten? Daran müssen wir diesen Haushalt messen.
    Ich muß feststellen, daß uns keine Maßnahme, kein Titel, der in diesem Haushalt vorgesehen ist, versichern kann, daß im nächsten Jahr mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, daß ausreichende Mittel für den Umweltschutz bereitgestellt worden sind. Im Gegenteil, es sind mehr Ausgaben zur Zerstörung unserer Umwelt vorgesehen.
    Das Versprechen „Frieden schaffen mit weniger Waffen" wird von diesem Haushalt Lügen gestraft. Denn in diesem Haushalt ist mehr Geld und sind mehr Waffen vorgesehen. In diesem Haushalt ist ebenfalls ein weiteres Wachstum vorgeplant, das auf Kosten der Dritten Welt gehen wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Regierung rechtfertigt diese Politik mit der Haushaltskonsolidierung, als sei dies das oberste Ziel. Herr Stoltenberg hat es gestern damit begründet, daß die Lasten nicht auf Kosten der kommenden Generation gehen dürften.
    Meine Damen und Herren, wir möchten nicht der Staatsverschuldung das Wort reden. Aber eines möchten wir doch einmal deutlich sagen. Das Waldsterben, die Vernichtung unserer Umwelt, die Atomraketen sind eine sehr viel größere Katastrophe und Hypothek für unsere Kinder als u. U. irgendwelche finanziellen Schulden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das Waldsterben kümmert sich nicht um die Haushaltskonsolidierung. Daher gehen die Vorschläge des Herrn Stoltenberg an den eigentlichen Problemen vorbei.
    Wir müssen feststellen, daß die Vorschläge, die hier gemacht worden sind, letzten Endes nur darauf hinauslaufen, die bisherige Politik fortzuschreiben mit noch mehr Zerstörung, mit noch mehr Industrialisierung und mit noch mehr Wachstum. Und selbst wenn es Ihnen gelingen sollte, mit Wachstum mehr Arbeitsplätze zu schaffen, ist es problematisch, wenn es auf Kosten unserer Umwelt geht. Wir meinen, daß die Herausforderung heute gerade darin liegt, ohne Wachstum die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen und die in diesem Haushalt nicht gelöst worden ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    In diesem Haushalt sind falsche Ziele gesteckt. Daran haben all diese Debatten und all diese Auseinandersetzungen in den letzten Tagen nichts geändert. Keines der großen .Probleme, die vor uns stehen, ist in diesem Haushalt gelöst. Im Gegenteil, zum Teil werden sie erheblich verschlimmert.
    Am Ende des Jahres, in dieser letzten Debatte, kann ich nur bedauernd feststellen: Der Haushalt 1984 verheißt kein gutes neues Jahr. Die GRÜNEN müssen diesen Haushalt deshalb ablehnen.
    Wir können auf Grund der Erfahrungen, die wir gemacht haben, die außerparlamentarischen Gruppen nur bitten, sich nicht auf dieses Parlament zu verlassen, sondern ihre Arbeit, ihre Initiativen zu verstärken. Die Veränderung geht nicht von diesem Haushalt und nicht von diesem Parlament aus. Aber die GRÜNEN werden sich im nächsten Jahr bemühen, auch ein bißchen von der Veränderung, von den neuen Ideen, die draußen, vor diesem Parlament, sind, hier einzutragen.
    3286 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983
    Burgmann
    Abschließend möchte ich nur noch feststellen, vor
    allem für das neue Jahr 1984: Wir wollen keine Atomraketen in der Bundesrepublik!

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.

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    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem erkrankten Kollegen Verheyen alle guten Wünsche zur Besserung übermitteln.

    (Beifall)

    Ich bin sicher: Ich darf das auch für alle Kollegen des Haushaltsausschusses besonders herzlich tun.
    In Haushaltsdebatten muß ein Freier Demokrat — so habe ich es schon einmal formuliert — sehr beklommen ans Pult treten. Nach der sehr stark auf Betrachtung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abgestimmten Rede des Kollegen Schäuble bin ich insofern besonders beklommen, als ich hier als Erblasser und Erbe zugleich stehe.

    (Dr. Penner [SPD]: Das ist ideal!)

    Und doch hat uns der Alltag der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder eingeholt. Die Auseinandersetzungen um die richtige Strategie zur Stabilisierung des Aufschwungs und zur dauerhaften Gesundung der Staatsfinanzen sind wieder in den Vordergrund getreten. Leider reden die Kontrahenten an- einander vorbei. Trotz der doch überhaupt nicht zu leugnenden Besserung der Wirtschafts-, Haushaltsund Arbeitsmarktlage kann die Opposition die Argumente und Maßnahmen der Koalition weiterhin nicht verstehen oder will sie nicht verstehen.

    (Dr. Weng [FDP]: Man will uns nicht verstehen!)

    Es ist wie in der Rekrutenkompanie. Da hatte ich einen Hauptmann, der sagte immer: Hauptwachtmeister, schreiben Sie den Mann auf, der gibt sich bewußt Mühe, den Kopf schief zu halten. Dabei ist es ja nicht so, daß die Bundesregierung ihren Ruhm lauthals verkündet, wie Herr Kollege Apel hier gemeint hat. Für Verkündigungen sind j a ganz andere zuständig, nämlich die Prediger. Aber was hat die Bundesregierung denn getan? Sie hat sich bislang nur auf Äußerungen jener bezogen, die unsere Politik von außen beurteilen,

    (Beifall bei der FDP)

    und zwar Bundesbank und Sachverständigenrat. Sie verweist dann auf die wirtschaftlichen Indikatoren: Preissteigerungsrate, Anstieg des Bruttosozialprodukts und Stopp des Anstiegs der Arbeitslosigkeit.
    Meine Damen und Herren, trotz der überhaupt nicht zu leugnenden Verbesserung sind wir immer wieder bei den kontroversen Diskussionen — und das mit den alten Positionen. Sie erinnern in ihrer Grundsätzlichkeit sehr an die Auseinandersetzungen in den Anfangsjahren unseres Staates. Walter Kannengießer hat dies in der FAZ vom 12. September 1983 so formuliert: Die eine Seite
    ... setzt auf das Ordnungssystem der Sozialen Marktwirtschaft, also auf eine Politik der Mobilisierung der privaten Initiative und Verantwortung. — Ohne Konsolidierung der Staats-und Sozialfinanzen geht das nicht!

    (Abg. Dr. Apel [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Apel, darf ich das Zitat erst zu Ende bringen?

    (Dr. Apel [SPD]: Ja, ich warte so lange!)

    — Danke. —
    Auf der anderen Seite steht die von den Sozialdemokraten und den GRÜNEN formulierte Politik, die den Staatsanteil noch höher treiben, den Dirigismus vermehren, die Verschuldung und Abgabenlast erhöhen ... würde.
    Wie in den 50er Jahren setzen die Sozialdemokraten auch heute auf gezielte Eingriffe des Staates.