Rede von
Julius H.
Krizsan
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen ist hier und in der Öffentlichkeit von seiten der Regierungsparteien viel von Vorverurteilung die Rede gewesen. Von dem Generalsekretär der CSU wurde sogar schon der Eindruck erweckt, Graf Lambsdorff sei in die Hände einer terroristischen Vereinigung mit Sitz in Düsseldorf gefallen.
Unabhängig von dieser Entgleisung Tandlers müssen wir GRÜNEN dennoch zugeben, daß wir uns über das frisch erwachte Rechtsbewußtsein der Regierungsparteien freuen, das ja in der Tat ein Novum ist.
Die „Frankfurter Rundschau" vom gestrigen Tage hat dankenswerterweise auf einen Fall von massenhafter Vorverurteilung im Zusammenhang mit der Verfolgung der Baader/Meinhof-Gruppe hingewiesen, die gegen mehrere Strafverteidiger und unbescholtene Personen geführt wurde. Es kommt gleich genauer.
Eine gerichtliche Klärung konnte damals nicht erreicht werden, weil der damalige Bundesinnenminister Genscher und der damalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Herr Kohl, wichtige Aussagegenehmigungen verweigerten. Den gleichen Einsatz bei der Bekämpfung dieser Vorverurteilung seitens dieser Herren hätten wir schon damals sehr gerne gesehen.
Wir nehmen die Ablehnung von Vorverurteilungen seitens der Regierungsparteien zur Kenntnis und werden sie in Zukunft an Ihren Einlassungen in diesem Fall messen.
Wir GRÜNEN werden dem Antrag der SPD auf sofortige Entlassung des Bundeswirtschaftsministers Lambsdorff zustimmen.
Wir halten es für mit dem Wohle des Staates nicht vereinbar,
daß der Bundeswirtschaftsminister von seiner politischen Hauptaufgabe, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, durch die ständige Belastung mit Ermittlungen, Vernehmungen usw. abgehalten wird.
Wir halten es für das Ansehen dieses Parlaments in der Öffentlichkeit nicht für förderlich,
— hören Sie doch mal zu; ich erinnere hier an die Parteienfinanzierung, die Diätenerhöhung — das Parlament auch noch mit dem Ruch der Korruption belastet wird.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 3265
Krizsan
Wir halten es für das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland für katastrophal,
wenn über ein Mitglied der Bundesregierung behauptet werden darf,
es habe unklare Geschäfte mit einem Industriekonzern betrieben.
Es geht hier doch nicht um die strafrechtlichen Aspekte, sondern um die politische Verantwortung in dieser Angelegenheit.
Wir halten die nur durch einen Zufall nach außen gedrungene Flick-Affäre für einen entscheidenden Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik, da noch niemals die Verflechtung zwischen Staat und Wirtschaft in diesem Ausmaß deutlich wurde. Wir halten es für moralisch verkommen, einerseits immer wieder auf die Würde dieses Hauses hinzuweisen und sie bereits als gefährdet anzusehen, wenn von seiten der GRÜNEN Bilder von Hiroshima gezeigt werden, andererseits aber einen unter Anklage stehenden Minister als mit dieser Würde vereinbar zu anzusehen.
— Hören Sie doch erst mal zu und reden Sie dann!