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ID1004500000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/45 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 45. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3261 A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 10/798 — Dr. Vogel SPD 3261 B Dr. Mikat CDU/CSU 3262 D Krizsan GRÜNE 3264 B Mischnick FDP 3265 C Vizepräsident Stücklen 3266 D Beratung der Sammelübersicht 17 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/667 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 18 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/703 — 3267 A Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534, 10/631 bis 10/659 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348, 10/686 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349, 10/724 — in Verbindung mit Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350, 10/677 — Dr. Apel SPD 3267 D Dr. Schäuble CDU/CSU 3276 C Burgmann GRÜNE 3283 B Hoppe FDP 3286 A Dr. Jannsen GRÜNE 3289 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU 3290 B Walther SPD 3293 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3298 A Namentliche Abstimmungen . . . 3302C, 3305A Nächste Sitzung 3307 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3308* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3308* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983 3261 45. Sitzung Bonn, den 9. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Echternach 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gerstl (Passau) * 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haase (Fürth) * 9. 12. Haehser 9. 12. Handlos 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Lemmrich * 9. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Dr. Müller * 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann * 9. 12. Sander 9. 12. Sauermilch 9. 12. Frau Schmedt (Lengerich) 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. von Schmude 9. 12. Schreiner 9. 12. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 9. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockhausen 9. 12. Stockleben 9. 12. Verheyen 9. 12. Voigt (Frankfurt) 9. 12. Voigt (Sonthofen) 9. 12. Weiskirch (Olpe) 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Wischnewski 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum April 1983 bis September 1983 im Anschluß an den Bericht bis März 1983 - Drucksache 10/100) (Drucksache 10/614) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Haushaltsführung 1983: hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 12 Tit. 681 01 - Arbeitslosenhilfe (Alhi) (Drucksache 10/734) zuständig: Haushaltsausschuß Haushaltsführung 1983; hier: Einwilligung zu einer üpl. Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - (Drucksache 10/735) zuständig: Haushaltsausschuß Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 14 22 Tit. 559 31 - NATO-Frühwarnsystem AWACS - (Drucksache 10/699) zuständig: Haushaltsausschuß Der Vorsitzende des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zur Europäischen Küstencharta (Drucksache 10/358 Nr. 95) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung einer konzertierten Forschungsaktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Auswirkungen von Behandlungen und Vertrieb auf Qualität und Nährwert von Lebensmitteln Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, ein Übereinkommen über die Durchführung einer konzertierten Forschungsaktion betreffend die Auswirkungen von Behandlungen und Vertrieb auf Qualität und Nährwert von Lebensmitteln zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Drittstaaten, die an der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST) mitwirken, auszuhandeln (Drucksache 10/433 Nr. 10) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung des Anhangs II der Richtlinie 75/895/EWG über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Obst und Gemüse (Drucksache 10/ 358 Nr. 83)
Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgende Mitteilung zu machen. Nach einer Vereinbarung im Altestenrat soll die verbundene Tagesordnung um den Zusatzpunkt Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Entlassung des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 10/798 — ergänzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Dann rufe ich zunächst diesen Zusatzpunkt auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers für Wirtschaft
— Drucksache 10/798 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Strafverfahren gegen Bundesminister Graf Lambsdorff hat in der bisherigen Haushaltsdebatte eine erhebliche Rolle gespielt. Das ist nicht verwunderlich. Immerhin ist es das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, daß ein Bundesminister unter der Anklage der Bestechlichkeit steht.
    Sie, Herr Bundeskanzler, haben versucht, diese Diskussion auf ein Nebengleis zu lenken. Sie haben Angriffe gegen die Strafverfolgungsbehörden gerichtet. Darauf werden Ihnen die dafür Zuständigen die gebührenden Antworten geben.
    Sie, Herr Bundeskanzler, und andere Redner der Koalition, insbesondere Herr Bundesminister Genscher, haben sich sodann des langen und breiten dazu geäußert, ob ihnen die Anklage begründet erscheint, ob Graf Lambsdorff schuldig oder unschuldig ist. Herr Bundeskanzler, das ist nicht Ihres Amtes. Das ist allein Sache der Gerichte.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie mischen sich genauso in die Kompetenz der Gerichte ein wie die, die Sie deshalb so heftig kritisieren und die für sich immerhin in Anspruch nehmen können, daß sie die Öffentlichkeit auf Verstrikkungen aufmerksam gemacht haben, aus denen
    sich die Parteien aus eigener Kraft über lange Zeit nicht haben lösen können. Was Sie tun, Herr Bundeskanzler, entbehrt jeder Rechtfertigung. Es ist schlimmer als das, was Sie kritisieren,

    (Feilcke [CDU/CSU]: Zum Glück haben wir Sie, Herr Vogel!)

    weil Sie sich in amtlicher Eigenschaft, weil Sie sich unter Mißbrauch Ihrer Regierungsämter an die Stelle des Gerichts setzen wollen. Das ist mit der Gewaltenteilung unvereinbar.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Kleinert [Hannover] [FDP]: Dummes Zeug! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/ CSU und der FDP)

    Wir tun das nicht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dumm Tüch!)

    Wir respektieren die Zuständigkeit der dritten Gewalt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das merkt man! — Feilcke [CDU/CSU]: Sie sind ein Pharidocumentsäer, Herr Vogel!)

    Wir sagen kein Wort dazu, ob Graf Lambsdorff schuldig oder unschuldig ist. Ich wiederhole: Wir halten es für durchaus möglich, daß die Anklage nicht zugelassen wird oder das Verfahren mit Freispruch endet. Ja, ich füge hinzu:

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Und dann stellen Sie diesen Antrag?!)

    Wir hoffen es sogar, schon um des Ansehens unseres Staatswesens willen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir sagen etwas ganz anderes. Wir sagen: Wer unter der Anklage der Bestechlichkeit steht, würde als Beamter sofort des Dienstes enthoben.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Sie wiederholen sich!)

    Das ist eine Selbstverständlichkeit für jeden, der im öffentlichen Dienst steht. Für einen Bundesminister müßten eher strengere Maßstäbe, zumindest aber dieselben Maßstäbe gelten.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    3262 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1983
    Dr. Vogel
    Er kann nicht länger im Amt bleiben, und zwar ganz gleich, wie die Anklage im einzelnen begründet ist. Ein angeklagter Bundesminister kann nicht im Amt bleiben, weil das mit unserer politischen Ordnung unvereinbar ist. Er kann nicht im Amt bleiben, weil dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beschädigt wird. Er kann nicht im Amt bleiben, weil er seine Kraft nicht mehr in dem notwendigen Umfang seinem Ressort widmen kann. Er kann nicht im Amt bleiben, weil er seinen Untergebenen und Gesprächspartnern gegenüber befangen erscheint. Er kann nicht im Amt bleiben, weil der Respekt vor der Integrität unseres parlamentarischen Rechtsstaats seinen Rücktritt verlangt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Von den preußischen Tugenden, die einige von Ihnen beständig im Munde führen, völlig zu schweigen.
    Ich bedauere, Graf Lambsdorff, daß Sie den befreienden Entschluß nicht selbst gefaßt haben. Wir hoffen jetzt, daß Sie Ihren Rücktritt erklären, wenn Sie in die Anklageschrift Einsicht genommen haben. Sie selbst haben dies in Ihren Erklärungen nicht ausgeschlossen. Unser Antrag nimmt darauf Rücksicht. Er fordert Ihre Entlassung deshalb für den Fall, daß Sie nach Einsichtnahme in die Anklageschrift nicht selbst zurücktreten.

    (Zuruf des Abg. Gerster [Mainz] [CDU/ CSU])

    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir respektieren mit dieser Fassung unseres Antrags die Position, die nicht nur der Betroffene, sondern auch der Bundeskanzler vorgestern in diesem Hause vertreten hat. Ich sage: Wir respektieren sie; wir teilen sie nicht, wir halten sie sogar für bedenklich und für den Betroffenen für abträglich. Gibt es denn, Herr Bundeskanzler, eine stärkere Vorverurteilung, als wenn Sie zunächst sagen, ob der Minister im Amt bleiben könne, hänge vom Inhalt der Anklageschrift ab, und wenn Sie ihn dann nach Würdigung der Anklageschrift, also der konkreten Tatvorwürfe und der Beweismittel, entlassen? Eine stärkere Vorverurteilung ist doch gar nicht möglich.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben sich mit dem, was Sie von dieser Stelle aus erklärt haben, in eine schlimme Sackgasse manövriert. Sie haben Schaden gemehrt, wo es Ihre Pflicht gewesen wäre, durch rechtzeitiges Handeln Schaden abzuwenden.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Terrafinanz!)

    Wir begeben uns nicht auf dieses Glatteis. Für uns ist im jetzigen Zeitpunkt allein die Tatsache der Anklage maßgebend, nicht ihr Inhalt.

    (Zuruf des Abg. Kleinert [Hannover] [FDP])

    Unser Antrag achtet die durch die Gewaltenteilung gezogenen Grenzen. Unser Antrag bringt zum Ausdruck, daß es aus politischen Gründen nicht angeht, gleichzeitig Bundesminister zu sein und unter schwerer Anklage zu stehen. Die Zustimmung zu diesem Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Gebot parlamentarischer und staatspolitischer Selbstachtung.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Jeder einzelne von Ihnen, meine Damen und Herren, ist gefordert, sich zu entscheiden.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie sind überfordert!)

    Sie sind gefordert, sich zu entscheiden zwischen der Loyalität gegenüber einem — aus welchen Gründen auch immer — in Bedrängnis geratenen Freund und der Loyalität gegenüber einem passiv gebliebenen Bundeskanzler einerseits und der Loyalität gegenüber den Staatsnotwendigkeiten und dem Gemeinwohl andererseits.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Lattmann [CDU/CSU])

    Sie sollten sich für das Gemeinwohl entscheiden.
    Wenn Ihnen trotzdem noch Zweifel bleiben, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dann fragen Sie sich, wie wohl ein Thomas Dehler, ein Theodor Heuss, ein Hermann Ehlers an Ihrer Stelle heute entscheiden würde.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Dazu sind gerade Sie berufen!)

    Bedenken Sie bitte: Nicht die Fraktionen, jeder einzelne von Ihnen ist gefordert in seiner ganz persönlichen Verantwortung.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Bötsch [CDU/ CSU]: Es sprach der Scharfrichter von Frau Donnepp! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)