Herr Gallus, tut mir leid.
— Das liegt an der Vereinbarung mit Ihrer Fraktion. Tut mir auch leid.
Ich wollte noch von den Personalverstärkungen sprechen. Die allgemeine Losung „keine neuen Stellen" wird im Hause sonst gar nicht so streng eingehalten. Mit dem zweiten neuen Parlamentarischen Staatssekretär waren Sie doch schnell zur Hand. Das war auch eine neue Stelle.
Im Finanzplan 1983 bis 1987 steht zu lesen, daß die Bundesregierung „die Erhaltung einer unternehmerisch ausgerichteten Landwirtschaft und funktionsfähige Agrarmärkte anstrebt". Daraus ist zunächst einmal zu entnehmen, daß diese Bundesregierung nach 13 Jahren sozialliberaler Regierung eine unternehmerisch ausgerichtete Landwirtschaft vorfindet, die sie erhalten will. Das klingt sehr gut. Es klingt nur ganz anders als die früheren lautstarken Lamenti der damaligen Opposition, die sozialliberale Regierung habe gegen die Bauern regiert — was Sie allerdings nicht daran hindert, eine den Strukturwandel positiv beeinflussende Maßnahme, nämlich die Landabgaberente, schnell abzuschaffen.
— Ich rede immer noch zum Finanzplan.
Eine Antwort der Regierung, mit welchem Instrumentarium funktionsfähige Agrarmärkte erhalten werden sollen, steht allerdings noch aus.
Nun wäre es allerdings unfair, Ihnen, Herr Minister Kiechle, die ganze EG-Agrarproblematik an den Hals zu hängen. Denn sie bestand auch schon vor Ihrer Amtszeit. Daß die Überschüsse gerade bei Milch in diesem Jahr besonders rasant angestiegen sind, kann man Ihnen auch nicht — zumindest nicht allein — ankreiden. Doch Sie haben so getan, als ob die Überschußproduktion bei Milch lösbar sei, wenn man nur Ihrem Quotenmodell, das Sie lieber mit Garantiemengenmodell bezeichnen, zustimmen würde. Für diese Erwartungshaltung, die Sie gezüchtet haben, tragen Sie allein die Verantwortung.
Nicht nur wir von der SPD-Fraktion haben Bedenken, auch der Wissenschaftliche Beirat in Ihrem Haus hat Bedenken gegen die Kontingentierung geäußert. Selbst Ihre Kollegen in den Ländern haben wohl ihre Zweifel nur hinter falsch verstandener Solidarität zurückgestellt.
Nach dem Scheitern in Athen bleibt noch eine Galgenfrist, Ihren Lösungsansatz zu überdenken, wenn Ihnen der deutsche Agrarmarkt und die deutsche Landwirtschaft gleichermaßen am Herzen liegen. Nur mit mehr Markt werden wir allmählich den Agrarüberschüssen in Europa beikommen können. Daß ich Ihnen das als Sozialdemokratin sagen muß, Ihnen, die Sie glauben, das Credo der Marktwirtschaft erfunden zu haben!
Was Sie allerdings vorschlagen, Abschaffen des Marktes und mehr Bürokratie, muß zum Scheitern führen.
— Zu Europa lohnte es sich einiges zu sagen, doch fürchte ich, zu lang zu werden.
— Gut, Sie sollen Ihren Willen haben.
Sie, Herr Minister, haben sich mit dem Quotenmodell bereits so identifiziert, daß wir — sollten Sie in dem überbürokratisierten Europa Erfolg haben, sprich: die anderen Regierungen vielleicht auch noch dazu kriegen — diesen Erfolg, so fürchte
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3225
Frau Zutt
ich — wie manch anderer auch —, insgesamt teuer bezahlen werden müssen.
Denn im europäischen Poker wird man dann einen Preis verlangen. Ich fürchte, daß das entweder der Wegfall des Währungsausgleichs ist oder daß — das fürchte ich allerdings noch mehr — keine Regelung zur wirklichen Eindämmung der Überschüsse gefunden wird und dann der letzte Hebel, nämlich die Einhaltung der 1 %-Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage, aus der Hand gegeben wird, man den Deckel öffnet und sich auf 1,4 % Mehrwertsteuer einigt. Dann hätten alle Rückenstärkungen, die wir vom Haushaltsausschuß dem Finanzminister gegeben haben, überhaupt nichts genutzt.
Zum nationalen Agrarbudget hat Herr Schmitz einige Ausführungen gemacht. Der größte Posten entfällt hier auf die Agrarsozialpolitik. Trotz des gekürzten Zuschusses zur Altershilfe für Landwirte bleibt dies der wichtigste Teil. Die Verringerung der Bundeszuschüsse, die die sozialliberale Regierung begonnen hatte, bringt logischerweise höhere Beiträge für die einzelnen Landwirte. Hat er dieses Jahr noch monatlich 105 DM zu zahlen, zahlt er nächstes Jahr 129 DM.
— Ich muß daran erinnern, daß wir, als wir damals mit dieser Rückführung der Bundeszuschüsse begannen, zur gleichen Zeit ein Gesetz vorgelegt haben, das eine soziale Staffelung dieser Beiträge vorsah. Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wissen sehr genau, daß dieses Gesetz damals mit Ihrer Hilfe im Bundesrat zu Fall gebracht wurde. Sie, Herr Minister Kiechle, haben sich nicht gescheut, als damaliger Sprecher der Opposition diesen Gesetzentwurf als sozialistisches Teufelswerk zu bezeichnen.
Darum wundert es mich nicht, daß, obwohl ein Gesetz aus dem Arbeits- und Sozialministerium jetzt schon im Landwirtschaftsministerium vorliegt, das eine sozial gerechtere Verteilung der Zuschüsse vorsieht, es von Ihnen einfach nicht auf den Tisch gelegt wird. Mit diesem Nichtstun liegen Sie allerdings völlig auf Regierungslinie. Denn Ihre Weigerung, bei der Verteilung öffentlicher Mittel soziale Maßstäbe anzulegen, belastet nur die kleinen Bauern und entspricht den tiefen Einschnitten bei den sonstigen Sozialgesetzen.
Schnell und unbürokratisch wollen Sie statt dessen mit einem Agrarkreditprogramm helfen. Das ist sicher keine schlechte Sache. Nur: Wenn Sie allen kleinen und mittleren Bauern helfen wollen — das sind rund drei Viertel der bäuerlichen Familienbetriebe —, dann wird es Zeit, den Gesetzentwurf vorzulegen.
Die verschiedenen Kürzungen und Umschichtungen im Landwirtschaftshaushalt lassen nichts von dem erkennen, was Sie hier als Zielsetzung vorgeben. Vom Sparen und Umschichten von konsumtiven zu investiven Ausgaben ist nichts zu merken. Die Gemeinschaftsaufgabe bleibt im nächsten Jahr mit dem gleichen Ansatz erhalten. Von sozialer Marktwirtschaft als ordnungspolitischem Credo der jetzigen Regierung und gleichzeitigem Subventionsabbau ist ebenfalls, nichts zu merken. Die Gasölbetriebsbeihilfe ist dafür ein gutes Beispiel.