Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Energie muß ich jetzt
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3219
Schulhoff
wieder zum Stahl zurückkommen, speziell zum Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz, das Ihnen vorliegt. Aber auch auf Sie, Herr Wolfram, werde ich noch eingehen, wenn ich mich mit dem Revier beschäftigen werde.
Die Erhöhung der Stahlinvestitionszulage von 10 auf 20%, die es hier zu beschließen gilt, ist ein Teil der von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen für die Stahlindustrie und muß deshalb auch im Zusammenhang mit den anderen Förderungsmaßnahmen betrachtet werden. Insgesamt werden — wir haben es hier schon mehrfach gehört — Mittel in Höhe von 3 Milliarden DM bereitgestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle wissen ja — das ist heute mehrfach betont worden —, daß es hier um eine erhebliche Erhöhung des Subventionsbedarfs geht. Trotzdem begrüßt die CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich das hier vorliegende Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz, denn es wird mit dazu beitragen, den notwendigen Anpassungsprozeß der deutschen Stahlindustrie zu erleichtern.
Modernisierung sowie Steigerung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit sind dabei ebenso notwendig und unvermeidbar wie der Abbau überhöhter Kapazitäten. Darüber müssen wir alle uns klar sein.
Die erhöhte Investitionszulage trägt — wie auch die Strukturverbesserungshilfen — dazu bei, die Investitions- und Modernisierungsfähigkeit der Stahlindustrie zu verbessern. Es ist billige Polemik, die Strukturverbesserungshilfen als „Stillegungsprämien" oder einfach als „Abwrackungsprämien" zu betrachten, wie Herr Professor Jochimsen immer wieder zu betonen nicht müde wird, nur weil diese Hilfen in ihrer Bemessungsgrundlage an bestimmte betriebswirtschaftliche Belastungen anknüpfen.
Herr Jochimsen sollte sich lieber einmal intensiver mit den Problemen des Ruhrgebiets beschäftigen.
Da gibt es, meine sehr verehrten Damen und Herren, viel, sehr viel zu tun — und nicht erst seit heute, Herr Wolfram.
1966 war es doch Ihre Partei, die antrat, von den Monostrukturen einmal wegzukommen und neue, zukunftsträchtige Industriezweige anzusiedeln. Was ist geschehen? Es ist überhaupt nichts geschehen!
Jetzt erst greift man den Gedanken wieder auf. — Ich komm' noch auf Sie zurück, warten Sie. — Sie haben meinen Kollegen Theo Blank soeben als Youngster angesprochen. Auch ich bin ein Youngster in diesem Hause hier.
Aber es war und ist doch, wenn ich mich richtig erinnere, Ihre Partei, die das Ruhrgebiet politisch beherrscht.
Seit 30 Jahren regieren Sie in den Kommunen, in den meisten Kommunen des Reviers.
Seit 20 Jahren stellen Sie die Landesregierung, und bis vor einem Jahr haben Sie die Bundesregierung gestellt. Was ist denn in dieser Zeit passiert?
Gerade Sie aus dem Ruhrgebiet haben gar kein Recht, hier darüber zu reden.
Welche Anpassungsprozesse, welche notwendigen Anpassungsprozesse
haben Sie durchgeführt? Sie haben gar nichts getan.
Die derzeitige wirtschaftliche Situation des Ruhrgebiets ist das Paradebeispiel Ihrer wirtschaftspolitischen Inkompetenz.
Die Ausführungen des Herrn Wieczorek — ich glaube, er ist noch hier — haben heute morgen deutlich gezeigt, daß er nichts dazugelernt hat. Aber er kann beruhigt sein, damit steht er in seiner Fraktion nicht allein.
Meine Damen und Herren der GRÜNEN, ich bin heute auch Ihren Vorstellungen über Wirtschaftspolitik sehr aufmerksam gefolgt.
Ich dachte mir, man kann j a etwas dazulernen. Nur,
wenn ich das, was Sie gesagt haben, bewerte und
vergleiche, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß
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der Morgenthauplan für mich noch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist.
Die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen können sich aber nur dann erfolgreich auswirken, meine Damen und Herren, wenn gewährleistet ist, daß die Unternehmen nun rasch und zügig das ihnen gebotene Förderungsinstrument nutzen, Die Erarbeitung und Durchführung der Konzepte liegt in ihrer unternehmerischen Verantwortung. Es gilt, eine Situation herbeizuführen, in der sich die deutschen Stahlerzeuger wieder selbst am Markt behaupten können; dieses Ziel ist meiner Ansicht nach erreichbar. Es geht aber nicht — das möchte ich den Unternehmen sagen —, daß Verluste immer sozialisiert und Gewinne privatisiert werden.
Jeder muß seinen Beitrag leisten.
Dazu ist auch erforderlich, der Konkurrenz hochsubventionierter Einfuhren aus EG-Mitgliedsländern und Billigeinfuhren aus Drittländern endlich ein Ende zu machen. Der prozentuale Anteil der deutschen Stahlerzeugung an der europäischen Gesamtproduktion darf nicht vermindert werden, Der europäische Subventionskodex, der das Auslaufen aller stahlspezifischen Subventionen Ende 1985
) vorsieht, ist meiner Ansicht nach ein Schritt auf dem richtigen Weg. Die Bundesregierung ist aber auch auf dem richtigen Weg, wenn sie in Brüssel unmißverständlich klarmacht, daß ohne die angemessene Berücksichtigung der deutschen Interessen auf dem Stahlsektor eine entgegenkommende Haltung in anderen Fragen, auch in Finanzierungsfragen, nicht in Aussicht gestellt werden kann.
Der Bundestag, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat seinen Beitrag geleistet, indem er die Beratung der Gesetzesnovelle in seinen Ausschüssen rasch durchgeführt hat. Diese Eile ist geboten, damit die Konzepte der einzelnen Unternehmen fristgerecht, Ende Januar, in Brüssel vorliegen und die erforderlichen Beihilfen genehmigt werden können. Nicht zuletzt aus dem Grunde wurden einzelne Änderungsvorschläge nicht ausdiskutiert und der Bundesminister der Finanzen um weitere Prüfung gebeten.
Zum einen geht es um einen Änderungsvorschlag, nach dem die Gewährung der Zulage nicht durch das Finanzamt des Firmensitzes, sondern durch das Finanzamt der Betriebsstätte erfolgen soll, in der das Investitionsvorhaben durchgeführt wird. Wegen der möglichen Rückwirkung auf andere Investitionszulagen ist hier zunächst eine nähere Prüfung
— Herr Kollege, Sie wissen das doch genau — erforderlich, zumal der Bundesrat einem entsprechenden Gesetzesvorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen nicht zugestimmt hat. Wenn Sie heute
wiederum einen Änderungsantrag vorlegen, dann können wir dem nicht zustimmen, um das Gesetz nicht zu gefährden. Denn die Termine sind Ihnen bekannt. Wer für die Stahlindustrie etwas tun will, muß jetzt und heute dem Gesetz zustimmen.
Zum anderen geht es um einen Änderungsvorschlag, der aus deutschlandpolitischen Gründen die Nichtanrechnung der Zonenrandförderung und der Berlinförderung auf die Förderungshöchstgrenze von 30 % des Stahlinvestitionszulagengesetzes vorsieht. Dies halten wir vom Ziel her für gerechtfertigt. Aber auch hier erscheint hinsichtlich des Zusammenwirkens von regionaler und sektoraler Förderung zunächst eine höhere Prüfung durch den Bundesminister der Finanzen vonnöten.
Jedoch wurde der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderung der Antragsfristen zugestimmt. Das ist eine sehr wichtige Maßnahme gewesen. Auch dies ist ausdrücklich zu begrüßen. Denn hierdurch werden allein im Saarland Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden DM mit dem höheren Satz bezuschußt.
Das kommt gerade Ihrem Land, Herr Kollege Müller, zugute.
Die unterstützenden Bemühungen der Bundesregierung um Haushaltskonsolidierung und Subventionsabbau sind von uns deutlich im Auge zu behalten. Wir wissen aber auch, daß die soeben von mir vorgeschlagene und vorgetragene Maßnahme sehr wichtig ist. Wenn die Bundesregierung sich nunmehr bereit erklärt hat, auf die Länder zuzugehen, und in der Finanzierungsfrage sogar bereit ist, von der vorgesehenen Lösung 50 : 50 bei den stahlspezifischen Maßnahmen abzugehen und sogar zwei Drittel zu übernehmen, ist das meiner Ansicht nach ein Beitrag bundesstaatlicher Solidarität im Interesse der notleidenden deutschen Stahlindustrie.
Ich danke Ihnen.