Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Herbstgutachten der Sachverständigen hat eindeutig ausgewiesen, daß die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land, wenn auch behutsam, aufwärts geht. Wir müssen uns daher der Herausforderung stellen, die darin liegt, uns im nationalen und vor allem im internationalen Bereich anzupassen.
Es geht nicht darum, dieses Vermögensbildungsgesetz nur unter materiellem Gesichtspunkt zu betrachten, sondern es geht darum, die Leistungsfähigkeit aller an der wirtschaftlichen Weiterentwicklung unseres Landes Beteiligten zu fördern, und zwar nicht nur durch materielle, sondern auch durch immaterielle Anreize. Das Eigenkapital der deutschen Unternehmen — das wurde in dieser Haushaltsdebatte wiederholt bestätigt — hat sich nicht positiv entwickelt. Wer stabile Arbeitsplätze fordert, braucht stabile Unternehmen; denn labile Unternehmen bieten keine stabilen Arbeitsplätze.
Die FDP begrüßt dieses vierte Vermögensbildungsgesetz. Wir danken Ihnen, Herr Bundesminister Blüm, und den Beamten Ihres Hauses, aber auch den anderen beteiligten Ressorts dafür, daß dieses Gesetz schnell und sachlich fundiert vorgelegt worden ist und daß es mit uns wirklich konstruktiv weiterentwickelt wurde. Wir begrüßen den schnellen Abschluß der ersten Stufe. Wir hoffen, daß wir im Rahmen der zweiten Stufe noch wesentliche Vorteile für den Arbeitnehmer in dem Gesetz unterbringen können. Das wird allerdings davon abhängen — insoweit beugen wir uns dem Finanzminister —, daß die Überschrift auch dieses Gesetzes lautet: Vorfahrt hat die Konsolidierung des Haushaltes.
Wir sind sehr froh darüber, daß wir im Zusammenhang mit diesem Gesetz die Freiwilligkeit nahezu festgeschrieben haben. Wir Liberalen suchen die Freiwilligkeit insbesondere in der Verantwortung. Wir wollen nicht die Zwänge kollektiver Kräfte. Wir wollen die Mitverantwortung, die Mitbestimmung und die Ertragsbeteiligung des Arbeitnehmers.
Wenn ich ein Wort zur Mitbestimmung sagen darf, dann sage ich Ihnen aus meiner persönlichen Erfahrung ganz klar, daß die Mitbestimmung von uns dort begrüßt wird, wo die Arbeitnehmer in ihrem Unternehmen selber mitbestimmen können.
Die Welt ist durch die Fremdbestimmung verdorben worden. Die Ideologen haben die Qualität der unternehmerischen Entscheidungen nicht verbessert, sondern nur beeinträchtigt und in vielen Fällen das Betriebsklima verschlechtert.
— Nein. Wir werden darüber miteinander reden. Ich bin dafür, daß die Hemmschwellen in diesem Bereich abgebaut werden, daß wir mit den Gewerkschaften darüber reden — bei ihnen gibt es ja eine ganze Menge vernünftiger Leute, die ein hohes Maß an Verantwortung haben —, wie bei gemeinsamer Verantwortung Lösungen gefunden werden können.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3213
Grünbeck
Ich glaube, der Kollege Faltlhauser hat recht, wenn er sagt, daß es nichts nütze, über die klassenkämpferischen Töne der letzten Wochen zu reden. Die konservativ-liberale Regierung hat die klassenkämpferischen Parolen durch eine alternative Partnerschaft ersetzt. Es hat doch keinen Sinn, ein Gegeneinander aufzubauen. Wir müssen das Miteinander schaffen, sonst werden wir der Herausforderung der nächsten Jahrzehnte nicht gerecht und werden alle miteinander keine wirtschaftliche Weiterentwicklung zustande bringen.
Ich darf noch eines sagen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat heute nachmittag erklärt, daß einer allein es nicht schaffe; wir brauchten die Partnerschaft zwischen dem Staat, den Gewerkschaften und den Unternehmen.
Wenn wir das nicht erreichen, können wir doch die Veranstaltung mit dem Titel wirtschaftliche und soziale Weiterentwicklung in unserem Lande beenden.
Im Zusammenhang mit diesem Gesetz möchte ich auch noch einen anderen Gesichtspunkt hinzufügen. Die Stabilität der Unternehmen hängt im wesentlichen davon ab — auch das müssen wir sehen —, daß wir die Nachfolgeregelungen finden. Das Instrument der Vermögensbildung eröffnet dann, wenn z. B. keine Nachfolger für die Unternehmer vorhanden sind und auch nicht gefunden werden, die Möglichkeit, über die Beteiligung der Mitarbeiter diese Nachfolgeregelung in den Unternehmen in Angriff zu nehmen; denn nur dann, wenn Sie die Unternehmen, die fortentwickelt wurden, auch durch die Nachfolgeregelung stabilisieren, werden Sie überhaupt eine mittelfristige und langfristige Unternehmenspolitik betreiben können. Wir haben doch in der Bundesrepublik praktizierte Beispiele dafür, daß im Rahmen der Sozialpläne das soziale Abfindungspotential in soziales Beteiligungskapital umgewandelt wurde. Diese Modelle haben doch funktioniert.
Sie müssen wissen, was es heißt, in einer strukturschwachen Region ein Unternehmen mit 500 Arbeitsplätzen dadurch zu erhalten, daß man die Sozialabfindung in Gesellschaftskapital umwandelte und damit die Kapitalstruktur des Unternehmens wesentlich verbesserte. Dadurch wurden 500 Arbeitsplätze gerettet, die sonst verlorengegangen wären. Deshalb frage ich, warum heute noch in der SPD Widerstände gegen die Gewerkschaft Textil vorhanden sind, die diesem Modell ja zugestimmt und eine hervorragende Mitarbeit geleistet hat. Das möchte ich einmal in aller Öffentlichkeit anerkennen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Wir haben in den letzten Wochen um den militärischen und den politischen Frieden in diesem Land gestritten und uns damit auseinandergesetzt. Wir haben in den letzten
Wochen sehr viel darüber geredet, daß wir den Frieden mit unserer Umwelt brauchen. Wir brauchen in diesem Land auch den sozialen Frieden, weil er ein wichtiger Ausgangspunkt für die wirtschaftliche und soziale Weiterentwicklung unseres Landes ist. Dieses Gesetz ist ein Anfang dazu. Wir fordern alle auf, an der Weiterentwicklung dieses Gesetzes in der zweiten Stufe mitzuarbeiten.