Rede von
Dr.
Antje
Vollmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie andere Mitglieder des Ernährungsausschusses habe ich in den letzten Tagen gleichlautende Resolutionen des Deutschen Bauernverbandes und der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bekommen, die die Streichung von 24 Millionen DM im Agrarhaushalt gegenüber den im Regierungsentwurf veranschlagten Beträgen kritisieren. Es ist schon eine Ironie der Geschichte, daß es angesichts einer CDU-Regierung und einer sehr starken Präsenz führender Verbandsvertreter in diesem Parlament wahrscheinlich nur die Vertreter der Opposition sein werden, die den Agrarhaushalt daraufhin ablehnen werden. Der Bauernverband hätte wohl doch noch mehr seiner Spitzenvertreter oder vielleicht seinen Präsidenten selbst in den Haushaltsausschuß schicken sollen,
um dort das zu verteidigen, was das Ministerium im Kabinett offensichtlich hat durchsetzen können.
Für mich ist dies nur die nochmalige Bestätigung dessen, was ich schon einmal gesagt habe, daß nämlich die Interessen der Bauern bei dieser CDU-Regierung doch nur sehr unvollkommen aufgenommen werden können,
da sie sich ganz anderen Interessen, nämlich den Interessen der Industrie, vorrangig verpflichtet weiß.
Aus der Fülle unserer vielen konkreten Kritikpunkte an dem Agrarhaushalt möchte ich jetzt exemplarisch zwei Beispiele herausnehmen, an denen Ihnen Grundzüge unserer Haushaltskritik deutlich werden sollen. Dabei ist für uns wichtig, daß gerade im Bereich der Landwirtschaft das, was sozialpolitisch problematisch ist, uns auch ökologisch sehr problematisch erscheint.
Als ersten Punkt nehme ich die Gasöl-Beihilfe. Für die Rechtfertigung der Gasöl-Beihilfe werden in der Regel zwei Gründe angeführt: Zum einen die Notwendigkeit der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn,
zum zweiten die Tatsache, daß die landwirtschaftlichen Fahrzeuge ja nicht die Straßen benutzen
und daher nicht für die Kosten des Straßennetzes aufzukommen hätten.
Nehmen wir zunächst den zweiten Punkt. Es ist ganz deutlich, daß er seit langem nicht mehr der Realität entspricht.
Es sind nämlich gerade die größeren Betriebe, die auch einen erheblichen Dieselverbrauch haben, die zunehmend das öffentliche Straßennetz in Anspruch nehmen. Ihnen dürfte bekannt sein, daß bei der harten Konkurrenz auf dem landwirtschaftlichen Pachtmarkt diese Wachstumsbetriebe teilweise über erhebliche Entfernungen hinweg Flächen hinzupachten, was ihnen durch die Dieselbeihilfe gerade erleichtert wird.
Dem anderen Argument, der europäischen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft, könnte man j a zustimmen. Das bedeutet aber doch nicht, daß diese Wettbewerbsfähigkeit nur über die Subvention des Dieselverbrauchs zu laufen hätte,
zumal da diese Methode der Subventionierung zwar grob nach außen die Wettbewerbsfähigkeit garantiert, im Innern aber zu ganz erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führt, indem nämlich der energieintensiv arbeitende Wachstumsbetrieb sehr viel davon bekommt und der energiesparende Kleinbetrieb sehr, sehr wenig. Die Dieselöl-Beihilfe ver-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3209
Frau Dr. Vollmer
schärft also die innerlandwirtschaftlichen Einkommensdisparitäten.
Der Einsatz von immer mehr Dieselöl in der Landwirtschaft ist für uns sowohl aus sozialpolitischen als auch aus ökologischen Gründen sehr problematisch.
— Nun hören Sie mal zu, Herr Eigen! — Sozialpolitisch, weil er den Wachstumsbetrieben gestattet, über Dörfer und Grenzen hinweg Flächen hinzuzupachten, und damit die Kleinbetriebe, die diese Flächen dringend brauchen, verdrängt. Er trägt also zu einem Strukturwandel zuungunsten der Kleinen bei.
Ökologisch, weil er in der Tendenz zu einer Übermechanisierung in den Betrieben und zu einer Begünstigung des Schleppereinsatzes der 100-PS-
Klasse führt.
Dieser so begünstigte Einsatz der Großmaschinen hat wiederum Auswirkungen auf die Flurbereinigungsverfahren. Er schafft einen künstlichen Bedarf an großen Flächen und an Ausrottung wertvoller Landschaftsteile.
Bezogen auf den Boden und das Bodenleben führen diese Maschinen zu Bodenverdichtungen und schweren Belastungen der Ökosphäre Boden.