Herr Kollege von Wartenberg, dieses werden dann Entlastungen sein, die Beträge von unter 1 000 DM ausmachen werden. Der große Teil der wirklich kleinen und mittleren Betriebe zahlt längst sowieso keine Vermögensteuer mehr. Die Ausdehnung ist also nicht gewaltig.
Meine Damen und Herren, kommen wir zu einem anderen Bereich der Einschränkung von Steuervergünstigungen, zu den berüchtigten Bauherrenmodellen und ähnlichen Konstruktionen der Vermögensbildung durch Steuerentzug, um den Terminus technicus „Steuerhinterziehung" zu vermeiden, weil es bisher ja leider eine legale Steuervermeidung ist.
Da hatte sich nun die Bundesregierung bei der Bekämpfung von Abschreibungshaien in einem konkreten Punkt in der Kontinuität jahrelanger sozialliberaler Politik bewegt und in ihrem Gesetzentwurf eine konkrete Einschränkung bei den Bauherren- und Erwerbermodellen vorgesehen. Der Gesetzentwurf sah vor, die bei Steuersparmodellen zusammengeballt anfallenden Geldbeschaffungskosten — also Damnum, Disagio, Abgeld usw. — nicht mehr in einem Jahr, sondern auf fünf Jahre verteilt zum steuerlichen Abzug zuzulassen. Damit wäre ein wichtiges Element, wenn auch nur eines, für die Attraktivität von Bauherren- und Erwerbermodellen entfallen.
Doch unter dem Druck der Interessenverbände, insbesondere natürlich der Abschreibungslobby, aber auch der Bundesratsmehrheit hat die Koalition die von ihrer eigenen Bundesregierung vorgesehene Einschränkung aufgegeben und hier — für uns natürlich nicht überraschend — tatsächlich eine Wende vollzogen.
Der Umfall der Koalition bei der Einschränkung dieser Steuersparmodelle, die nichts mit Steuergerechtigkeit zu tun haben, die vielfach Kapital in völlig falsche Richtungen lenken, ja die sogar bei den eben angesprochenen Mittelständlern, wie man z. B. an konkreten Fällen in dieser Woche dem „Spiegel" entnehmen kann, zum Ruin führten, und zwar durch Leichtfertigkeit in diesem Bereich, zeigt, daß die Koalition weder Kraft noch Mut hat, wirklich die Abschreibungsbranche zu bekämpfen.
Die Mehrheit der CDU/CSU hat sich im Finanzausschuß nicht einmal geschämt, ihre eigene Regierung in diesem Punkt niederzustimmen.
Wir haben eine ganze Menge gemacht. Das hätten Sie gemerkt, wenn Sie ein bißchen aufgepaßt hätten. Wir hatten jemanden im Bremserhäuschen, der möglicherweise auch bei dieser Sache gebremst hat. Ich hatte allerdings den Eindruck, daß der kleine Koalitionspartner in diesem Punkt beim großen Koalitionspartner weit offene Türen einrannte.
Der nun vorgelegte Ersatzbeschluß der Koalition, allein das Vorauszahlungsverfahren bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung einzuschränken, hat wohnungspolitisch negative Folgen. Die Abschreibungsbranche wird insgesamt nur geringfügig betroffen, die Bauherrenmodelle aber mehr als die Erwerbermodelle. Der schon heute zu beobachtende Trend, statt neuen Wohnraums zu errichten, bestehende Wohnungen über Erwerbermodelle zu kaufen und dann zu modernisieren und damit den Einkommensschwächeren mietpreisgünstigen Wohnraum zu entziehen, wird verstärkt.
Daß dies, nebenbei gesagt, auch für die Baukonjunktur negativ ist, liegt auf der Hand.
Jedenfalls kann man diesen kleinen, der Finanzverwaltung verdientermaßen die Arbeit erleichternden Schritt nicht zu einem großen Sieg bei der Bekämpfung der Abschreibungsbranche hochstilisieren. Das sollten Sie sich abschminken.
Wenn die Regierungskoalition es wirklich ernst damit gemeint hätte, den Abschreibungshaien das Wasser abzugraben, hätte sie unserem Alternativkonzept zustimmen müssen. Mit einem Bündel aus drei sich wechselseitig ergänzenden und verstärkenden Maßnahmen hätte ein ernsthafter weiterer Schritt getan werden können.
Wir haben im Ausschuß — und wir werden das ja auch hier heute noch tun — zur Abstimmung gestellt, die Verteilung der Geldbeschaffungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf fünf Jahre vorzusehen, wie es auch der urspüngliche Regierungsentwurf beinhaltete, die Verlängerung der Spekulationsfrist nach § 23 des Einkommensteuergesetzes für Grundstücke auf 15 Jahre mit im Zeitablauf abnehmbarer Besteuerung vorzusehen, wobei alle eigengenutzten Einfa-
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milienhäuser, Eigentumswohnungen und Zweifamilienhäuser ausgenommen werden sollen, und schließlich den Ausschluß der Verluste aus Vermietung und Verpachtung im Einkommensteuervorauszahlungsverfahren, was im Zusammenhang mit der Verteilung der Geldbeschaffungskosten erst richtig Sinn macht, den die alleinige Regelung des Vorauszahlungsverfahrens nicht mit sich bringt. Ich habe das dargestellt.
Bis auf den letzten Punkt haben Sie das alles abgelehnt — ganz offensichtlich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und von der FDP, damit die Abschreibungshaie weiterhin ihr Steuerfutter, das Hunderte von Millionen, wenn nicht sogar über 1 Milliarde DM beträgt, zu Lasten der Masse der Bürger, zu Lasten der Einnahmen von Gemeinden, Städten, Ländern und Bund verzehren können.
Die Regierungskoalition hat ihr Zurückweichen vor der Abschreibungslobby natürlich zu kaschieren versucht, in diesem Fall durch eine Entschließung, in der die Bundesregierung eine recht zahme Prüfungsbitte erhält. Aber die Regierungskoalition konnte sich nicht einmal entschließen, konkrete Fragen an die Bundesregierung, die wir Sozialdemokraten formuliert hatten, in diese Entschließung aufzunehmen. Auch damit machen Sie deutlich, daß Sie Verlustzuweisungsgesellschaften nicht wirklich bekämpfen wollen.
— Verehrter Kollege Kühbacher, da will ich mich mal ganz zurückhalten, aber die Vermutung ist wahrscheinlich nicht ganz falsch.
Sie haben in die Fragen, die die Bundesregierung prüfen soll, nicht einmal den Vorschlag der Mindeststeuer aufgenommen, den die Sozialausschüsse sogar zu einem Gesetzentwurf ausgearbeitet haben. Nicht einmal den aufzunehmen, haben Sie sich getraut. Ich wundere mich schon sehr, wie Sie mit den Mitgliedern der Sozialausschüsse innerhalb Ihrer Partei umgehen.
Ich gehe zu einem weiteren Punkt über.
— Ich will gern etwas dazu sagen. Wir haben das konkret in Frageform formuliert. Eine Frage ist das allemal wert. Es wäre auch einer Prüfung durch die Bundesregierung wert. Ich frage mich, warum Sie das abgelehnt haben. Das hätten Sie ja aus Ihren eigenen Reihen nun wenigstens aufnehmen können. Sie müssen dafür doch einen Grund gehabt haben.
— Es ist in den Fragen nicht drin, verehrter Herr Kollege Gattermann. Lesen Sie mal nach!
Ich gehe aber zu einem weiteren Punkt über. Wir haben nun das Haushaltsbegleitgesetz, das ja schon sehr lang ist. Da gibt es einen Art. 26. Wenn die Zeit es erlaubte, würde ich gern einmal das vorlesen, was dort zur Investitionshilfeabgabe — besser und klarer: Zwangsanleihe — gesagt ist. Da ist nun dieser schwierige Koalitionskompromiß, den Sie da im Frühjahr gefunden haben, im Gesetzestext untergebracht. Ich muß schon sagen, ich finde das einen ziemlichen Mangel an Sensibilität gegenüber den verfassungsrechtlichen Einwendungen, die sehr, sehr stark und kaum widersprochen schon seinerzeit bei der geplanten Verabschiedung der Zwangsanleihe von den Verfassungsrechtlern vorgebracht worden sind. Ich finde es erst recht ganz erstaunlich, daß Sie das zu einem Zeitpunkt machen, wo über diese Kritik der Verfassungsrechtler an der Zwangsanleihe hinaus inzwischen eine Reihe von Vorlagebeschlüssen der Finanzgerichte vorliegen, die sagen: Diese Mißgeburt ist eindeutig verfassungswidrig.
Ich verstehe nicht, daß Sie gleichwohl daran festhalten, daß Sie das in einem ungemein komplizierten Gesetzgebungsverfahren noch einmal aufgreifen und den Urteilen der Finanzgerichte überhaupt nicht Rechnung tragen. Ich weiß nicht, warum Sie das machen. Wahrscheinlich wollen Sie diesen Kelch bis zur bitteren Neige leeren; denn mit ziemlicher Sicherheit wird Ihnen das Verfassungsgericht schon im Frühjahr die Verfassungswidrigkeit der Zwangsanleihe bescheinigen.
Der Bundesfinanzminister sollte in Zusammenarbeit mit den Finanzministern der Länder wenigstens sicherstellen, daß bei der anschwellenden Prozeßlawine in diesem Bereich die Aussetzung der Vollziehung, d. h. die Nichtzahlung der streitigen Zwangsanleihe, den einzelnen Steuerbürgern ermöglicht wird.
Ich bin damit bei einem weiteren Bereich, in dem die Unionsparteien das Gegenteil von dem tun, was sie in ihrer Oppositionszeit vollmundig gefordert haben. Nicht nur die Gesetzgebung zur Zwangsanleihe spricht jeder Steuervereinfachung hohn, nein, dies gilt für die gesamte Steuerpolitik der KohlKoalition und auch für die jetzt vorgelegten gesetzlichen Vorschriften. Sie komplizieren das Steuerrecht mit der Zwangsanleihe erheblich weiter, wie soeben dargestellt, Sie haben dies mit der bürokratisch außerordentlich aufwendigen Insolvenzrücklage, mit Ihrem Bescheinigungsverfahren getan, Sie tun dies bei der Vermögensteuer mit Sonderregelungen für das Betriebsvermögen, wie ich es dargestellt habe, und Sie tun es mit der Ausdehnung des Verlustrücktrages von 5 auf 10 Millionen DM. Auch dies ist eine weitere Komplizierung des Steuerrechts, ganz abgesehen davon, daß man auch hier wieder, selbst in einem scheinbar kleinen Punkt, bei diesen Beträgen deutlich machen kann, daß es Ihnen nicht um die wirklich kleinen und mittleren Betriebe geht. Bei 10 Millionen DM Verlust, die vor- oder zurückgetragen werden sollen, geht es Ihnen natürlich um die großen Betriebe.
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Wo sind nun eigentlich die Taten hinsichtlich der Steuervereinfachung, die Sie immer gefordert haben, wo sind wenigstens Vorschläge zur konkreten Steuervereinfachung, die Sie aus Ihrer Oppositionszeit eigentlich in den Schubladen gehabt haben müßten? Was in den Schubladen war, hat mein Fraktionsvorsitzender j a schon in anderem Zusammenhang gesagt.
— Das muß dann wohl richtig sein.
Zum Schluß: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat im Finanzausschuß einzelnen Vorschriften im Steuerentlastungsgesetz zugestimmt. Dies betrifft z. B. die Sonderabschreibungen für Klein- und Mittelbetriebe wie die Sonderabschreibungen für Energieersparnis und für Forschung und Entwicklung. Es betrifft ebenso eine Korrektur des Körperschaftsteuergesetzes bei bestimmten Ausschüttungen.
Insgesamt jedoch wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion das Steuerentlastungsgesetz 1984 ablehnen; denn dieses Gesetz hat eine schwere verteilungspolitische Schlagseite. Mit seinem milliardenschweren Vermögensteuergeschenk wird nur die Wirtschaft und hier überwiegend die Großwirtschaft begünstigt. Dieses Gesetz bringt mit seiner Begünstigung früherer Investitionen nichts für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und neuer Ausbildungsplätze, dieses Gesetz tut nichts Durchschlagendes gegen die Abschreibungsbranche, sondern beläßt es bei kosmetischen Eingriffen in Sachen Bauherrenmodell. Dieses Gesetz bedeutet eine weitere starke Komplizierung des Steuerrechts, nämlich mehr Bürokratie für die Bürger.
Vielen Dank.